
Chapter 4
Kapitel 4
Tony
„JARVIS wann genau hat sich mein Team in einen Haufen Miniaturausgaben ihrer selbst verwandelt?“, begann Tony seine Nachforschungen und begutachtete die Überwachungsaufnahmen aus dem Gemeinschaftsraum. Zwar waren grundsätzlich alle Räume im Avengers-Tower videoüberwacht, doch die aus Schlaf- und Badezimmer waren tabu, genauso wie die Aufnahmen aus den Umkleiden. Über die Bänder aus den Trainingsräumen war die Gruppe geteilter Meinung gewesen, was dazu geführt hatte, dass JARVIS diese Bilder überwachte und Tony nur dann in seine Schlussfolgerungen miteinbezog wenn seine Rechenleistung etwas überfordert war.
Die Aufnahmen waren bisher denkbar ereignislos. Clint und Natasha saßen nebeneinander auf dem Sofa und sahen sich offenbar irgendeine Serie an. Bruce war in dem großen Ohrensessel eingeschlafen, der um nichts in der Welt zum Rest der Einrichtung passen wollte, eine Tasse Tee auf dem Beistelltisch neben sich. Irgendwann stand Nat auf und komplimentierte das müde Genie vom Sessel zur zweiten Couch, was Bruce tolerierte, ohne ganz aus seinem wohlverdienten Schönheitsschlaf zu erwachen.
JARVIS spulte im Schnelldurchlauf durch die Aufnahmen, die zeigten wie Natasha es sich mit den Füßen in Clints Schoß bequem machte und Bruce ins Land der Träume folgte, nachdem sie es dem Wissenschaftler auf dem zweiten Sofa ein wenig bequemer gemacht hatte. Bruce war schon mehr als einmal in seinem Sessel eingeschlafen und jedes Mal hatte ihn sein Rücken am nächsten Morgen beinahe umgebracht. Seither sorgte sein Team dafür, dass er auf der Couch aufwachte wann immer er wieder im Sessel zu schnarchen begann. Clints Augen dagegen klebten praktisch am Bildschirm, ohne zu bemerken wie die Zeit verging. Und da wagte der Bogenschütze es Tony dafür zu trizen, dass er manchmal tagelang in seiner Werkstatt verschwand, ohne zu bemerken, dass er weder gegessen noch geschlafen hatte.
Plötzlich veränderte sich die Szene auf Tonys Tablet. Bruce, der bisher ruhig geschlafen hatte, fing an sich hin und her zu wälzen und dasselbe galt nach einigen Sekunden auch für Nat. Clint sah aus als wäre ihm schlecht, dann wurde Tony Zeuge wie seine drei Teamkameraden wie im Zeitraffer in sich zusammenschrumpften und die Kinder an ihrer Stelle zurückließen, die Tony heute Morgen vorgefunden hatte.
„Irgendwelche Daten?“, fragte Tony, obwohl er sich sicher war, dass JARVIS ihn auf Strahlung, Magie, oder sonst welche Anomalien aufmerksam gemacht hätte.
„Nein Sir.“, erwiderte der auch prompt.
„Ok. Haben wir irgendetwas was unsere sechs hier verbindet, aber Lokes und mich außen vor lässt?“ Loki warf Tony einen irritierten Blick zu, dann wurde seine Aufmerksamkeit von Bruce abgelenkt, der durch den Raum gestapft war und an Tonys Hosenbein zupfte.
Der Ingenieur sah zu seinem geschrumpften Sience-Bro herunter, der einen vage unglücklichen Gesichtsausdruck zur Schau stellte.
„Was gibt’s Kurzer?“, fragte er und hob Bruce ohne groß nachzudenken zurück auf seinen Schoß.
„Ich muss mal.“, flüsterte der Junge und versteckte sein Gesicht wieder in Tonys T-Shirt.
„Oh.“ Tony warf Loki einen panischen Blick zu, doch der Trickster sah aus als würde er gleich in Tränen ausbrechen so angestrengt hielt er sein Lachen zurück.
„Na dann komm.“, beschloss Tony und stand mit Bruce auf dem Arm auf. „Wenigstens seid ihr alle stubenrein.“, murmelte er in seinen Bart und erntete ein kurzes Kichern von Klein-Clint, der neugierig über die Lehne der Couch geklettert war um zu sehen wohin Tony mit dem jüngsten Mitglied ihrer Gruppe wollte.
Einige Minuten später kehrte Bruce gefolgt von Tony in den Gemeinschaftsraum zurück. Diesmal konnte Loki sein Prusten nicht mehr im Zaum halten. Tony sah aus als wäre er gerade durch einen mittelschweren Regenschauer gelaufen. Sowohl seine Ärmel als auch Hosenbeine hatten sichtlich Bekanntschaft mit einer Menge Seifenwasser gemacht und aus dem Gegrummel, dass der Wissenschaftler von sich gab, war Bruce zwar anscheinend in der Lage eine Toilette zu benutzen, doch seine Version vom Händewaschen beinhaltete offenbar den halben Spiegel und einen Großteil des Badezimmerbodens.
„Wo waren wir stehen geblieben?“, unterbrach Tony Lokis Kicheranfall und schob seine nassen Ärmel nach oben.
„JARVIS hat etwas Interessantes gefunden. Sieh her.“ Loki schob Tony sein Tablet entgegen auf dem Fotos der Gala zu sehen waren, die Tony gestern verpasst hatte, weil er bis zu den Ellenbogen in seinem neuesten Projekt steckte. Loki dagegen mied die Öffentlichkeit wie der Teufel das Weihwasser.
„Glaubt ihr der Champagner war schlecht?“, fragte Tony und scrollte durch die Bilder seines Teams.
Loki schüttelte den Kopf.
„Das nun nicht. Aber diese hier“, er deutete auf vier Bilder, auf denen jeweils alle sechs Avengers abgelichtet waren, obwohl keins davon ein offizielles Gruppenfoto war, „sehen aus als hätte jemand sich große Mühe gemacht unsere Freunde zusammen auf ein Bild zu bekommen.“ Tony musterte die Bilder aufmerksam. Erstaunlicherweise ergab JARVIS Suchlauf zu keinem der Bilder einen Fotografen, der Tony vertraut gewesen wäre. Genau genommen waren die Namen, oder eher ein einzelner Name, nur unter erstaunlichen Umständen überhaupt herauszufinden. Tony nahm sich fest vor herauszufinden, wer Peter Parker war, doch er versprach sich ehrlich gesagt nicht allzu viel davon.
Die beiden Männer verbrachten noch eine ganze Weile damit nach einem Grund für die plötzliche Verjüngung der Avengers zu finden, doch dabei kam nichts wirklich Produktives heraus.
JARVIS hatte Tony schon nach wenigen Minuten einen Lebenslauf für den jungen Fotografen präsentiert, der ihn zwar neugierig auf den Jungen machte, aber ihn auch gleichzeitig von dem vagen Verdacht abbrachte, dass der Schüler irgendetwas mit der Verjüngungskur der Avengers zu tun hatte.
Inzwischen war aus unselig frühem Morgen immerhin Tag geworden und mittlerweile war Steve dazu übergegangen mit Buntstiften an seinem Skizzenbuch zu arbeiten, das sein älteres Selbst im Gemeinschaftsraum gebunkert hatte, um jederzeit Skizzen seiner Mitbewohner anfertigen zu können wenn die bei Fernsehen mal wieder einschliefen. Das daraus einmal ein Malbuch für sein jüngeres Ich werden würde, hätte der Supersoldat sich wohl nicht träumen lassen.
Natasha saß hinter Bucky auf dem Sofa und bürstete seine Haare aus. Tony war sich nicht sicher woher sie die Haarbürste gezaubert hatte, doch da die erwachsene Natasha praktisch in der Lage war Waffen aus leerer Luft zu erschaffen, wunderte er nicht allzu sehr über ihre Fähigkeit eine Haarbürste aufzutreiben.
Bruce hockte neben Steve und schaute ihm bewundernd beim Ausmalen zu, während er an einem der Kekse knabberte, die Loki irgendwann im Laufe des zweiten Disneyfilms auf den Couchtisch gestellt hatte.
Nur Sam und Clint waren noch auf den Fernseher fixiert. Wobei die beiden Jungs gerade heftig darüber stritten, ob nun Merlin oder Madam Mim der bessere Magier war.
„In Ordnung wir stecken fest und ich nehme nicht an, dass dir inzwischen der passende Zauber für diese Situation eingefallen ist?“ Loki schüttelte nachdenklich den Kopf. „Gut dann lass uns hoffen, dass dieser Spuk von selber vergeht während JARVIS weiter nach Lösungen sucht. Wenn mich nicht alles täuscht, werden wir wohl für eine Weile mit dieser Rasselbande umgehen müssen.“
Loki lächelte als Steve geradezu durch den Raum gehüpft kam um ihm ein Bild zu zeigen. Darauf waren Loki und Thor zu sehen und Tony konnte sich noch gut an den Abend erinnern, an dem es entstanden war. Loki hatte schon seit einigen Wochen im Avengers-Tower gelebt, doch es war das erste Mal gewesen, dass Thor seinen Bruder hatte überreden können ihn zu den wöchentlichen Filmeabenden zu begleiten.
Zur Feier des Tages hatte Tony einen StarWars-Marathon angeordnet. Er brauchte eigentlich keinen Grund um StarWars sehen zu wollen, doch für Loki ließ sich selbst Steve breitschlagen die Filme noch einmal über sich ergehen zu lassen.
Natasha hatte Popcorn gemacht. Auf die einzig echte Art und Weise wie sie sagte. Mit einem Topf Öl und Mais. Tony hatte noch nie jemanden so Popcorn machen sehen. Genau wie Bruce und Clint musste er jedoch zugeben, dass Natashas Popcorn perfekt war und nach einer Weile hatte sich auch der Trickster dazu bewegen lassen zuzugreifen.
StarWars dagegen stand bei Loki nicht wirklich hoch im Kurs. Irgendwann auf halber Strecke durch das Imperium schlägt zurück war der Lügengott eingeschlafen und kurz darauf hatte Steve sein Skizzenbuch gezückt.
Im Schlaf sah Loki um Jahre jünger aus und selbst Clint brachte es nicht übers Herz ihn zu wecken und damit die friedliche Stimmung im Raum zu stören. Stattdessen hatte er den Kopf auf Natashas Bauch gebettet und begonnen den Text jeder einzelnen Szene mitzusprechen. Eine Fähigkeit um die Tony ihn nur deswegen nicht beneiden musste, weil er selbst die Saga Wort für Wort auswendig kannte, was dazu geführt hatte, das Pepper sich grundsätzlich weigerte die Filme auch nur im Notfall zu ertragen.
„Bist du dir hundert Prozent sicher, dass das hier kein fauler Zauber ist?“, hakte Tony noch einmal nach und Loki nahm sich tatsächlich die Zeit nachzudenken bevor er antwortete, statt einfach beleidigt darauf zu bestehen, dass er Recht hatte. Thor würde wahrscheinlich in Freudentränen ausbrechen, wenn er das mitbekommen hätte.
„Zumindest ist es keine Magie, die mir bekannt wäre. Allerdings ist Magie ständig im Wandel und es gibt mehr Dinge in den neun Welten und darüber hinaus, als selbst mir geläufig sind. Also nein ich kann Magie nicht ausschließen, aber selbst wenn wir es hier mit irgendeinem Zauber zu tun haben, den ich nicht kenne, kann ich auch bei seiner Auflösung kaum von Nutzen sein.“, gab der Trickster schließlich zu und Tony nickte nachdenklich.
„In Ordnung. JARVIS was haben wir noch?“, fragte er dann und hoffte inständig, dass sich das Problem als Alkohol-induzierter Alptraum herausstellen würde, doch leider fühlte er sich viel zu wach für diese Theorie.
„Nun Sir, ich würde vorschlagen nach sonstigen Anomalien Ausschau zu halten. Dr. Banner pflegt in solchen Situationen gerne Blutproben der betroffenen Personen mit ihren Basiswerten im System zu vergleichen.“
Tony seufzte. Leider war Bruce gerade schwer damit beschäftigt einen Flieger aus Papier zu falten. Eine Fähigkeit, die Sam vor wenigen Minuten zu Steves und Buckys großem Erstaunen demonstriert hatte.
„Du kannst nicht zufällig Blutproben analysieren oder?“, fragte Tony wenig hoffnungsvoll doch Loki schüttelte wie zu erwarten den Kopf.
„Heilen in Asgard geht fundamental anders vor sich als auf Midgard. Niemand ist dort je auf den Gedanken gekommen das Blut in unseren Venen in seine Bestandteile zu zerlegen und nach Abweichungen zu suchen. Eine kluge Idee wie ich einräumen muss, doch leider fehlen mir die nötigen Fertigkeiten. Es sei denn natürlich du wünscht, dass ich meine Messersammlung zum Einsatz bringe, wahlweise auch Black Widows, doch ich bezweifle, dass die Kinder mir noch vertrauen würden, wenn ich sie auf die einzige Art die mir geläufig ist zum Bluten gebracht habe.“
Eine wahre Horrorvision zog an Tonys innerem Auge vorbei, dann schüttelte er sich von Kopf bis Fuß.
„Lass uns die Slasher-Variante als letzte Notlösung aufheben. JARVIS ruf Dr. Cho an. Vielleicht ist dieser Fall ja interessant genug um sie aus ihrem Forschungsnest zu holen. Wer weiß schon, was sie jetzt wieder austüftelt. Bruce hat letztens von einer Maschine geschwärmt mit der man angeblich Zellen nachwachsen lassen kann, oder irgendetwas in der Art. Biologie ist einfach nicht mein Fach.“
Loki lächelte dem Genie aufmunternd zu, hielt aber wohlweißlich mit dem Kommentar hinterm Berg, dass es sicher noch mehr Menschen auf dem Planeten geben mussten, die in der Lage waren eine simple Blutprobe zu nehmen. Zumindest deutete einiges in den zahllosen Filmen, die die Avengers so gerne zu sehen pflegten, darauf hin.
Natasha
Natasha wusste im ersten Moment nach dem Aufwachen nicht wo sie sich befand. Ihr Herz schlug schneller, unkontrolliert, bevor sie sich an ihre Lektionen erinnerte und ihre Atmung unter Kontrolle brachte, so dass ihr Herz sie nicht verraten konnte. Sie hatte die Augen noch nicht geöffnet, doch der Geruch und das Gefühl des Raumes um sie herum hatte so gar nichts mit dem gemein, was sie vor dem Einschlafen zuletzt wahrgenommen hatte, dass sie auch so wusste, dass sie nicht mehr in ihrem Zimmer war. Das Zimmer, das sie sich mit Yelena teilte und das genauso gut unbewohnt sein könnte so wenig persönliche Note hatte es.
Natasha war noch jung genug um sich an eine Zeit zu erinnern als sie ein richtiges Zimmer gehabt hatte und Menschen, denen sie etwas bedeutete, doch diese Zeit war vergangen. Sie wusste, dass sie ihre Eltern nicht wiedersehen würde. Keines der Mädchen in ihrem neuen Zuhause würde das. Die älteren hatten die kleinen davor gewarnt sich falsche Hoffnungen zu machen. Hatten ihnen erklärt, dass Gefühle in diesem Haus tödlich sein konnten. Dass Liebe etwas für Kinder war. Dennoch hatte Yelena Natasha in den Arm genommen wann immer das jüngere Mädchen aus den Alpträumen aufschreckte, in denen Flammen das Zimmer verzehrten, das einst ihr Heim gewesen war. Sie hatte ihr vorgesungen und ihr übers Haar gestrichen bis sie wieder eingeschlafen war.
Auch letzte Nacht hatte Natasha nach einem Alptraum die Nähe des älteren Mädchens gesucht und wie jedes Mal hatte Yelena ihr gestattet bei ihr Trost und Schutz zu suchen auch wenn ihre Ausbildung ihr genau das strengstens untersagte.
Jetzt jedoch war Natasha sicher nicht mehr in Yelenas Bett. Sie versuchte nicht in Panik zu verfallen, denn nach allem was sie wusste, war das hier ein Test den sie bestehen musste um am Leben zu bleiben. Auch wenn sich die Ausbilder alle Mühe gaben die Mädchen nicht wissen zu lassen, was mit jenen passierte, die versagten, sie wussten es doch.
Natasha machte sich mit ihrer Umgebung so gut es ging vertraut ohne die Augen zu öffnen. Sie lag auf einem Sofa, weich und bequem, das Leder unter ihren Fingern fühlte sich teuer und elegant an. Über ihren Schultern lag eine Wolldecke, warm und weich und wenn Natasha sich nicht sicher gewesen wäre, dass irgendjemand sie beobachtete, hätte sie sich am liebsten in diese Wärme gekuschelt und nach dem schönen Traum gesucht, den Yelenas Wiegenlied ihr gebracht hatte.
So jedoch spitzte Natasha die Ohren und suchte nach weiteren Anhaltspunkten, was von ihr erwartet wurde. Sie hörte Atemzüge ganz in ihrer Nähe. Jemand schlief nur wenige handbreit von ihr entfernt und Natasha wusste so sicher wie sie nur sein konnte, dass das nicht Yelena war.
Vorsichtig und unauffällig öffnete Natasha die Lider einen Spalt breit und sah sich um. Ihre Position war nicht ideal, doch sie bekam den Eindruck eines großzügig geschnittenen Raumes mit mehreren Sitzgelegenheiten und mindestens einem Dutzend Orte an denen man sich besser verbergen konnte als auf dem Sofa.
Nur wenige Schritte entfernt erblickte Natasha einen kleinen Jungen, der eingehüllt in eine riesige Decke friedlich schlief und leise schnarchte. Das war allerdings nicht das Atmen, das sie zuvor bemerkt hatte. Ein schneller Blick zur Seite brachte Natasha die Erkenntnis, dass sie nicht allein auf ihrem Sofa war. Ein zweiter Junge, dieser mit sandfarbenem Haar lag neben ihr und erwiderte ihren Blick als sei es das normalste der Welt, dass ein fremdes Mädchen neben ihm aufwachte.
„Hi ich bin Clint.“, nuschelte er und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Natasha erstarrte für einen Moment und stellte fest, dass sie kein Wort verstanden hatte. Allerdings hatte sie eine vage Vorstellung davon, dass der Junge Englisch redete. Es würde nicht mehr lange dauern, das hatte Yelena ihr prophezeit, bevor Natasha mit ihren Kameradinnen in den verschiedensten Sprachen unterwiesen werden würde. Noch jedoch lag das Hauptaugenmerk ihrer Ausbilder darauf herauszufinden welche der Mädchen überhaupt die Mühe wert waren.
Natasha hatte keine Ahnung, was ihre Aufgabe im Moment war, doch sie würde es herausfinden. Bis dahin würde sie den Mund halten und beobachten was geschah.
Die nächsten Stunden verliefen für Natasha auf der einen Seite in einem Kaleidoskop verwirrender Geschehnisse, auf der anderen Seite wie in einem Traum.
Sie konnte sich nicht daran erinnern jemals ein so gutes Frühstück bekommen zu haben, ohne dafür eine besondere Leistung zu erbringen und dann hatte sie auch noch herausgefunden, dass zumindest der Mann mit den grünen Augen sie verstehen konnte. Niemand sonst in dieser Runde schien ihre Sprache zu sprechen und Natasha nahm inzwischen an, dass es bei diesem Test darum ging herauszufinden, wie sie sich zu helfen wusste, wenn sie sich allein auf die Körpersprache, der Leute in ihrer Umgebung verlassen musste um zu begreifen, ob diese ihr freundlich gesinnt waren, oder nicht.
Der Mann mit den grünen Augen war eine ernst zu nehmende Bedrohung, sein Gang verriet den erfahrenen Kämpfer, doch bisher hatte er Natasha keinen Grund gegeben ihn zu fürchten. Seine Augen wirkten so viel älter als seine Gestalt und irgendetwas in Natasha schien ihr sagen zu wollen, dass sie sich keine allzu großen Sorgen machen musste. Allerdings war Vorsicht stets besser als Nachsicht und Natasha hatte nicht vor diesen Test nicht zu bestehen.
Die Frau mit den roten Haaren hatte Natasha um ehrlich zu sein ein wenig eingeschüchtert und ihre Entscheidung sich und Clint aus der Gefahrenzone zu befördern als ihre Augen zu leuchten begonnen hatten, war zwar nur aus dem Bauch heraus getroffen, doch da selbst der Mann mit den grünen Augen sich ihr anscheinend nicht in den Weg stellen wollte, war Natasha sich sicher, dass sie ihr Handeln rechtfertigen konnte, sollte es dazu kommen.
Der Mann mit den schokoladenbraunen Augen, der das Zimmer als nächstes betreten hatte, war ganz anders. Natasha war sich nicht sicher ob sie jemals jemanden getroffen hatte, dem sie so schnell vertraute. Auch wenn sie nicht verstand, was er zu ihr sagte, lag in seinem Blick doch etwas, das sie von Yelena kannte. Er würde auf sie aufpassen genau wie Yelena. Sie war sich nicht sicher ob er wirklich ein Teil dieses Tests war, oder vielleicht eine wirklich raffinierte Falle, doch für den Moment ließ Natasha sich treiben. Was bedeutete dass der Mann mit den grünen Augen ihr Frühstück machte.
Noch nie in ihrem ganzen Leben hatte Natasha so viel Essen auf einem Tisch gesehen. Den beiden Jungs links von ihr schien es genauso zu gehen. Im Gegensatz zu den beiden jedoch hielt sie ihren Überschwang unter Kontrolle und wartete erst einmal ab. Erst als sich alle anderen bedient und freudig zu futtern begonnen hatten, griff auch Natasha zu.
Der Junge von dessen Teller sie sich von ihm unbemerkt einen Apfelschnitz holte, wirkte nett auch wenn sie noch immer keine Ahnung hatte, was irgendwer hier von sich gab.
Eine Unterhaltung begann über den Tisch hinweg zu entstehen und nur ihr schnelles Denken hielt Natasha davon ab genauso verstört auszusehen wie der schmächtige, blonde Junge, dem mehr oder weniger das Gesicht auf die Tischplatte krachte als der Mann mit den grünen Augen sein Zauberkunststück aufführte.
Natashas Herz schlug ihr bis zum Hals, doch nach außen hin wahrte sie den Schein. Sie hoffte, dass ihre Tarnung gut genug war, doch so langsam kam ihr der Gedanke, dass das hier vielleicht doch kein Test war. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass einer ihrer Ausbilder einen Magier kannte. Auch wenn Natasha eher davon ausging, dass der Kerl ein paar ziemlich gute Tricks im Ärmel hatte. An echte Magie glaubte sie nicht.
Eins nach dem anderen gaben die Kinder rund um den Tisch eine Antwort auf die Frage, die der Mann mit den Schokoaugen gestellt hatte. Schließlich war nur noch Natasha übrig und plötzlich lagen alle Augen auf ihr. So viel geballte Aufmerksamkeit war sie nicht gewohnt. In ihrer Schule wurden alle Mädchen mehr oder weniger gleich behandelt und noch nie hatte ein ganzer Raum voller Leute nur Natasha angestarrt. Mühsam kratzte Natasha an Selbstvertrauen zusammen, was sie hatte und starrte zurück. Ihre grünen Augen wirkten hart und unnahbar und Yelena hatte ihr einmal gesagt, dass ihre Augen irgendwann ihr größter Trumpf sein würden. Die meisten Leute verrieten ihre Gefühle mit den Augen wenn sie eine Lüge erzählten. Natashas bekamen einfach nur diesen harten Glanz wann immer sie sich nicht wohl fühlte. Yelena war diese Tatsache erst aufgefallen, als Natasha immer häufiger in ihrem Bett schlief wenn ihre Alpträume zu schlimm wurden und das Mädchen sich in ihrer Nähe zu entspannen begann. Natasha wusste, dass sie irgendeine Art von Antwort geben musste.
„Ich heiße Natasha.“, stellte sie sich schließlich in ihrer Muttersprache vor. Mit etwas Glück hatten die Jungen am Tisch das auch getan, doch sie bezweifelte es. Zumindest wenn ihre bisherige Annahme, dass der Junge mit den sandfarbenen Haaren ihr zuvor seinen Namen genannt hatte und wirklich Clint hieß.
Sehr zu Natashas Erstaunen schien ihre Aussage bei dem Mann mit den Schokoaugen eine Art Erkenntnis einrasten, denn er schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. Die wirkliche Überraschung jedoch lieferte der Mann mit den grünen Augen, der sie einen Moment lang musterte und dann fließend auf Russisch antwortete.
Bis zu diesem Moment war es Natasha gar nicht aufgefallen wie angespannt sie gewesen war, weil sie kein Wort von dem, was um sie herum gesprochen wurde verstand. Jetzt trieb ihr der vertraute Klang ihrer Muttersprache beinahe die Tränen in die Augen.
Der Mann mit den grünen Augen stellte sich ihr vor und nannte auch die Namen der Jungs um sie herum, bevor er ihr erklärte, was bisher am Frühstückstisch besprochen worden war. Natasha hörte ihm aufmerksam zu und suchte nach Hinweisen auf Lügen, doch sie fand keine. Als der Mann sie nach ihrem Alter fragte antwortete sie wahrheitsgemäß und beobachtete dann ein wenig weniger nervös weiter, bis der Mann mit den Schokoaugen-Tony- sie und die restlichen Kinder zurück ins Nebenzimmer führte.
Als Loki ihr den grünen Stein in die Hand drückte, von dem er behauptete, dass er ihr helfen würde zu verstehen und verstanden zu werden, glaubte ihm Natasha im ersten Moment kein Wort. Dann jedoch öffnete sie den Mund und das was ihre Zunge da formte waren keine russischen Worte mehr. Völlig überrumpelt schaute Natasha von dem Stein in ihrer Hand zu dem Mann, der ihn ihr gegeben hatte und traf eine Wahl. Sie würde ihm glauben. Das hier war kein Test und auch kein verrückter Traum. Das hier war irgendeine Art von Magie und sie war tatsächlich in einer Zukunft gelandet in der sie nicht mehr jeden Tag zum Ballettunterricht würde hasten müssen.
Natasha lächelte und gesellte sich zu den Jungs vor dem Fernseher. Egal was hier vor sich ging es gefiel ihr. Sehr sogar.