Le Mondial

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Le Mondial
Note
Die Rechte an den Figuren dieser Geschichte liegen beim ZDF und der Neuen Deutschen Filmgesellschaft. Die Geschichte bzw. die Handlungen sind mein Eigentum.
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Kapitel 18

Montag 19 Uhr, Mozartstraße 17.

Als Eva die letzten Stufen in den zweiten Stock steigt, merkt sie, wie eine unsichtbare Last von ihren Schultern fällt. So, als ob mit jeder Stufe etwas von dem ganzen Chaos und dem Stress, den der heutige Tag mit sich gebracht hatte, zurückbleiben würde.

Als sie schließlich im Flur der Etage angekommen ist, wo Ulis Wohnung  ist, scheint auf einmal das alles ganz weit weg. Sie freut sich nur noch darauf, Uli endlich wieder in ihre Arme schließen zu können und diesen Tag ein für alle Mal abzuschließen. Wie von selbst war sie gegen viertel vor sieben aus dem Parkhaus des Mondial gefahren und zielstrebig durch die schmalen Straßen der Innenstadt von Schwerin navigiert.  Ihren Audi hatte sie dieses Mal ausnahmsweise nicht im absoluten Halteverbot, sondern in der Parkzone in einer Parallelstraße abgestellt und war wenige Minuten später vor dem Haus mit Ulis Wohnung angekommen. Sie hatte nicht klingeln müssen - gerade als sie den Arm in Richtung Klingel gestreckt hatte, war ein jüngerer Mann aus der Tür getreten und hatte ihr diese mit einem Lächeln aufgehalten. So war sie unbemerkt bis in den zweiten Stock gegangen.

Schon vor der geschlossenen Wohnungstür fällt ihr der köstliche Geruch nach Essen auf - Uli war also schon zuhause und war am kochen! Eva lächelt und klopft an die Tür. Nach einigen Augenblicken wird diese von innen geöffnet - und Evas Herz macht einen Hüpfer. 
Uli steht vor ihr - die Haare zu einem losen Pferdeschwanz gebunden, eine helle Schürze umgebunden und mit gerötetem Gesicht. Sie macht große Augen. “Eva! Du bist ja schon da! Ich hab’ die Klingel gar nicht gehört!”

Wortlos macht Eva einen Schritt auf sie zu, nimmt ihr Gesicht in beide Hände und küsst sie. Uli erwidert den Kuss und erst nach einer Weile lösen sich die beiden voneinander. “Hmh”, sagt Uli leise. “So will ich ab jetzt immer von dir begrüßt werden.” Eva lächelt. “Das lässt sich einrichten.”

“Aber jetzt mal im Ernst: wie bist du raufgekommen? Tut mir leid, dass ich dich nicht gehört hab’, musstest du woanders klingeln?”

“Ich kann zaubern, Uli. Hast du das vergessen? Ich kann auch durch Türen gehen! So einfach ist das…Nein, einer deiner Nachbarn hat mir freundlicherweise die Tür aufgehalten. Der kam grad aus dem Haus, als ich rein wollte.”

“Achso. Na dann…schade, eine Frau mit Zauberkräften und magischen Fähigkeiten wäre schon nicht schlecht gewesen…” Noch bevor sie den Satz zu Ende formulieren kann, lässt Eva ihre Tasche auf den Boden fallen, umschlingt Uli mit beiden Armen und presst sie an die geschlossene Wohnungstür.

“So so, reichen dir die Fähigkeiten meiner Hände nicht aus?”, haucht sie Uli ins Ohr. Uli erstarrt und ist erst einmal sprachlos. Ihr wird furchtbar warm und in ihrem Unterleib stellt sich das altbekannte Ziehen ein, so sehr, dass ihr ganzer Körper regelrecht vibriert.
Dann erringt sie ihre Fassung wieder und schiebt Eva grinsend von sich. “Ich glaube, davon muss ich mich später am Abend noch mal genauer überzeugen. Aber jetzt essen wir erstmal - so wie ich dich kenne, hast du natürlich seit heute Mittag nichts mehr im Magen gehabt und wahrscheinlich einen riesigen Hunger.” Und mit diesen Worten lässt sie Eva stehen und flitzt zurück in die Küche.

Eva stößt ein leises “Pff, selbst schuld” aus und lacht. Sie schiebt sich die Pumps von den Füßen und stellt sie ordentlich in das dafür vorgesehene Regal direkt neben der Tür, bevor sie ihre Jacke aufhängt. ‘Schon schräg, dass ich hier alles schon so gewohnt bin, wie zuhause’, denkt sie sich und macht sich dann auf in die Küche, von wo der wunderbare Geruch kommt.

 

Uli steht am Herd und rührt mit einer Hand in einem großen Topf, während sie mit der anderen eine große Pfanne hin und her bewegt.

“Ich hab’ Zucchini-Gnocchi und Zanderfilets gemacht, ich hoffe das magst du”, sagt sie, nur um dann einen Schritt vom Herd weg und hin zum Kühlschrank zu gehen. “Was magst du trinken? Ich hätt’ Weißwein da, aber auch Bier…”

Eva grinst. “Naja, ich schätze mal, dass zum Zander der Wein besser wäre, oder?" Mit großen Augen dreht Uli sich um. “Da hast du wohl Recht! Aus dir wird wirklich noch eine Weintrinkerin…dann mach’ ich mal den Grauburgunder auf.” Gerade als sie die Weinflasche aus dem Kühlschrank nehmen will, nimmt Eva sie beim Arm.

“Lass’ mal. Ich mach’ das schon. Weinflaschen aufmachen kann ich, auch wenn ich nicht danach aussehe.”

Mit einem lauten Lachen wendet sich Uli wieder dem Herd zu, während Eva sich daran macht, den Korken aus der Flasche zu ziehen. Zehn Minuten später sitzen die beiden am gedeckten Tisch und stoßen an.

 

Das Essen verläuft in ruhiger Zweisamkeit, zumindest scheint es so. Eva gibt sich größte Mühe, sich nichts anmerken zu lassen, sitzt aber wie auf glühenden Kohlen. Irgendwann hält Uli es nicht mehr aus - sie spürt ganz genau, dass da dieser eine Elefant im Raum steht, der Elefant, der schon gestern Abend und heute morgen mit ihnen in der Küche gestanden war. Das Gespräch mit Jeremy. Sie nimmt all ihren Mut zusammen und fragt Eva schließlich frei heraus: “Und? Wie war’s heute?”

“Wie war was?”, gibt Eva zurück und tut so, als ob sie nicht wüsste, worauf Uli hinaus will.

“Du weißt, was ich meine. Das Gespräch. Die Kündigung. Wie hat er sich benommen? Er hat dir doch nichts getan, oder?” Im letzten Teil des Satzes wird Ulis Stimmlage unbewusst höher.

“Nein nein”, beruhigt Eva sie schnell. “Nichts ist passiert. Er war zeitweise zwar ziemlich unhöflich - das kann ich aber durchaus nachvollziehen - hat aber die Kündigung schlussendlich doch akzeptiert und mich außerdem gebeten, meine Drohung nicht wahr zu machen und ihn nicht anzuzeigen. Das werde ich auch nicht, keine Sorge.” Letzteres fügt sie schnell hinzu, als sie sieht, dass Ulis Augen immer größer werden. “Ich habe ihn lediglich nochmals deutlich in Erinnerung gerufen, dass er gut daran tut, das Mondial zu meiden. Und, dass es sicherlich keine schlechte Idee ist, wenn er dir in den nächsten Wochen und Monaten aus dem Weg geht.”
In Wirklichkeit hatte sie ihm erneut gedroht - wörtlich hatte sie zu ihm gesagt, dass er, wenn er Uli auch nur einmal zu nahe kommt, sich darauf verlassen kann, dass Eva ihre Kontakte nutzen und ihm das Leben zur Hölle machen würde. Da Ulis Gesichtsausdruck mittlerweile eine Mischung aus Furcht und Verwirrung zeigt, erspart sie ihr aber diese Information. 

“Hat er gesagt, was er jetzt macht?”, fragt Uli, nachdem sie das Gesagte hat sacken lassen. “Hat er schon einen neuen Job in Aussicht?”

“Du, ehrlich gesagt - keine Ahnung. Das habe ich nicht gefragt. Es ist mir ehrlicherweise auch ziemlich egal, er wird schon was finden. Er kann ja arbeiten…”

“Hmpf”, entfährt es Uli. “Er kann schon, wenn er will. Hoffentlich findet er bald was. Wobei, wenn ich ehrlich bin, ist es auch schon fast egal - so oft wie er sich in der Vergangenheit Geld bei mir geliehen hat…” Sie verdreht die Augen. Nach einem weiteren Moment des Schweigens lächelt sie dann aber zaghaft. “Ich bin froh, dass du das hinter dir hast.”

“Ja, ich auch…”, gibt Eva zu. Und es stimmt - sie hatte dieses Gespräch das ganze Wochenende über gleichzeitig herbeigesehnt und gefürchtet. So schnell wie möglich hatte sie es hinter sich bringen wollen, gleichzeitig aber hätte sie den heutigen Montag auch ganz gut ohne diesen Termin überstehen können.

 

Um die bedrückte Stimmung, die sich nach Evas Erzählung in der Küche breit gemacht hatte, zu heben, berichtet Uli, mittlerweile erleichtert, über ihren Arbeitstag - vom Stress, der durch das fehlende Personal entstanden war, aber auch, dass ihr Buffet bei den japanischen Gästen so gut angekommen war. 

Sie berichtet Eva auch davon, wie sie das Salatdressing vergeigt hatte und senkt den Blick, nachdem sie Evas erstaunt hochgezogene Augenbrauen bemerkt. “Naja…ich war heut’ nicht so…ganz bei der Sache…”, sagt sie stockend und lächelt zaghaft, während sie mit den Fingern mit dem silbernen Serviettenring spielt, der neben ihrem mittlerweile leeren Teller liegt.

Eva grinst. “Ach ja? Wieso das denn?” Sie kann sich zwar ziemlich genau vorstellen, warum Uli heute unkonzentriert gewesen sein könnte, will es aber aus dem Mund der anderen hören. 

Diese tut ihr aber den Gefallen nicht, jedenfalls noch nicht. Ein paar Minuten lang, die Eva wie eine Ewigkeit vorkommen, hört man nichts außer den Vögeln, die durch die gekippten Fenster ihr abendliches Konzert geben.
Schließlich fasst Uli sich ein Herz. “Eva, ich hätte nicht gedacht, dass ich das, was ich jetzt sage, jemals zu einer Frau sagen würde. Und auch nicht so schnell.” Sie verstummt. Eva schaut sie nur an, lässt ihr alle Zeit der Welt.

“Ich glaub’, naja, also eigentlich weiß ich’s ziemlich sicher, aber - Eva, ich liebe dich.”

Mit dem letzten Satz richtet sie ihren Blick weg von der Tischplatte und schaut Eva direkt ins  Gesicht. Diese hat einen undeutbaren Ausdruck in den Augen - ein Strahlen, aber gleichzeitig sieht sie so aus, als ob sie jeden Moment in Tränen ausbrechen würde. Uli nimmt erschrocken Evas Hand in ihre. “Es tut mir leid, ich wollte dich damit nicht unter Druck setzen, aber -” Noch bevor sie sich weiter rechtfertigen kann, spürt sie, wie Eva ihre Hand mit beiden Händen umfasst. Sie lächelt.

“Nein, Uli. Du hast gar nichts gemacht. Es ist nur so, dass ich nicht gedacht hätte, dass ich diesen Satz in meinem Leben nochmal höre. Nach all dem, was vorher war.” Gerade als Uli wieder etwas sagen will, fährt Eva fort. “Ich liebe dich auch, Uli Kersting, und das schon eine ganze Weile.” Mit diesen Worten nimmt sie das Gesicht der schwarzhaarigen Frau in beide Hände und drückt ihr einen Kuss auf die Lippen - sie versucht alles, was sie noch sagen will, aber nicht ausdrücken kann, all die Versprechen und Hoffnungen, in diesen einen Kuss zu legen. Uli erwidert den Kuss mit der gleichen Innigkeit und erst, als beide kaum mehr Luft bekommen, lösen sie sich voneinander. Beide lächeln. Eine Weile sitzen sie noch so da, wortlos, am Küchentisch, der vollgestellt ist mit leeren Tellern und Weingläsern; sie sind einfach nur da in diesem Moment.

Dann steht Uli irgendwann auf, gibt Eva einen Kuss auf den Scheitel ihrer blonden Haare und beginnt, die Küche aufzuräumen. Das lässt diese natürlich nicht zu, und so werkeln sie schließlich gemeinsam in der Küche, so aufeinander abgestimmt und im Einklang, dass man meinen könnte, es gäbe eine Choreografie, die sie beide eingeübt hätten.

 

Später am Abend, die beiden sind samt Espresso ins Wohnzimmer gewandert, sitzen sie auf Ulis dunkelgrüner Couch. Eva, die sich in der Ecke des Sofas mit angezogenen Beinen regelrecht zusammengefaltet hat, hat ihren Arm um Uli gelegt, die ihren Kopf an Evas Schlüsselbein gelehnt hat. Eine Zeit lang hört man nur die leise Musik, die Uli eingeschaltet hatte - Tori Amos singt gerade vom Happy Phantom.

Irgendwann, der Espresso ist längst ausgetrunken, bricht Eva das Schweigen. “Du, Uli?”

“Ja?”, antwortet diese zögerlich.

“Ich hab’ heute nachgedacht. Über dich - also über dich als Foodchefin im Mondial.” Uli, mit zusammengezogenen Augenbrauen, löst ihren Kopf von Evas Schulter und setzt sich auf. “Ja? Wieso denn?”

“Naja, ich dachte, dass es doch gut wäre, wenn ich eine Möglichkeit finden würde, dich als Chefin im Restaurant zu behalten. Aber ohne, dass ich dafür jemand anderen rauswerfen muss”, fügt sie schnell hinzu, als sie Ulis irritierten Blick bemerkt.

Die steile Falte, die sich auf Ulis Stirn gebildet hatte, glättet sich sogleich. “Hmh”, murmelt sie zustimmend. “Das wär’ natürlich super. Aber geht das denn? Also so rein vom Geld her? Wie willst du das denn bezahlen?”

“Ich hab’ mir da was überlegt”, setzt Eva an. “Wenn das mit dieser Marketingkampagne klappt, könnte ich mit dem Geld, das dann darüber reinkommt, zumindest deine Stelle schon mal zur Hälfte bezahlen. Für die andere Hälfte muss ich mir noch was überlegen, aber da fällt mir schon was ein. Willst du das denn überhaupt?”

“Natürlich!”, antwortet Uli schnell. “Aber ich will nicht, dass jemand anderes dafür gehen muss, oder schlechter bezahlt wird. Und da ist ja noch was…” Sie lässt das Ende des Satzes in der Luft hängen.

“Was denn?”, fragt Eva unvermittelt. Hatte Uli doch schon etwas anderes in Aussicht? Einen anderen Job? Ein eigenes Restaurant? Doch bevor sie sich weiter in Fragen in ihrem Kopf verstricken kann, fährt Uli auch schon fort.

“Naja, also sagen wir mal, ich arbeite weiter im Mondial als Foodchefin. Bin ich dann nicht immer noch deine Angestellte?”

Eva durchzuckt es wie ein Stromschlag. Daran hatte sie nicht mehr gedacht. Sie war so darauf versessen gewesen, eine Möglichkeit zu schaffen, um Uli weiterhin im Mondial zu halten, dass sie die Tatsache, dass sie als Hotelchefin dann ein Verhältnis - nein, eine Beziehung, korrigiert sie sich - hätte, völlig außer Acht gelassen hatte. Sie verzieht das Gesicht. “Ja, das stimmt. Das wäre wohl eher ungünstig…”

“Ich hätte da vielleicht ‘ne Idee”, sagt Uli zögernd.

“Ja? Was denn für eine?”

“Ich könnte ja vielleicht zumindest übergangsweise im Mondial bleiben, mir dann aber mittel- oder langfristig was Eigenes suchen? Wir könnten dann gemeinsam eine geeignete Nachfolge für’s Restaurant suchen und dann, wenn jemand Neues da ist, gehe ich und mache meine eigene Location auf. Das war schon immer mein Traum - und ich hab’ ja keinen Stress deswegen. Oder was meinst du?”

Eva betrachtet sie nachdenklich. “Hmh, das ist glaube ich gar keine so schlechte Idee. Das könnte ich hinkriegen. Ich könnte deinen Aufhebungsvertrag aus irgend einem formellen Grund für nichtig erklären und dich erstmal noch einen Monat weiter beschäftigen - so lange, bis die Kohle von dieser Marketing-Geschichte reinkommt. Dann überlegen wir uns, wie lange du noch hier bleiben willst und dann sehen wir weiter. Bis du dann dein eigenes Lokal hast, müssen wir wohl leider noch unter uns bleiben.” Sie lächelt. 

“Dagegen hab’ ich nichts einzuwenden", erwidert Uli mit einem amüsierten Zug um die Mundwinkel. “Ich find’ das eigentlich sogar ganz schön zu wissen, dass ich mit dir einschlafen und aufwachen darf, ohne dass die halbe Welt Bescheid weiß. Vor allem nicht meine Kollegen im Mondial - die sind schlimmer als manch altes Waschweib.” 

Sie lächelt und kuschelt sich dann wieder zurück in Evas Halsbeuge. Erst spät am Abend machen sich die beiden auf den Weg ins Schlafzimmer, wo sie gemeinsam ein- und auch wieder aufwachen würden.

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