Le Mondial

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Le Mondial
Note
Die Rechte an den Figuren dieser Geschichte liegen beim ZDF und der Neuen Deutschen Filmgesellschaft. Die Geschichte bzw. die Handlungen sind mein Eigentum.
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Chapter 17

Montag, 6:30 Uhr in der Mozartstraße 17

 

Als Uli aus dem Bad kommt, fällt ihr als allererstes der Geruch von frischem Kaffee auf. Sie lächelt und geht leise auf nackten Füßen in die Küche, wo Eva, mit nichts außer einem viel zu großen T-Shirt und einem Slip bekleidet, am Herd steht. Das Shirt muss sie wohl irgendwo auf einem Kleiderstapel im Schlafzimmer gefunden haben, Uli hatte ihr jedenfalls keins gegeben. 

“Guten Morgen”, sagt Uli leise.

Eva, die völlig versunken aus dem Fenster in den noch jungen Tag starrt, zuckt zusammen. Dann dreht sie sich wortlos um und zieht Uli lächelnd in ihre Arme. Diese vergräbt ihr Gesicht in Evas Nacken, atmet ihren Duft ein und versucht, alles aus diesem Moment in sich aufzunehmen. Eine Zeit lang stehen die beiden einfach nur da, bis die italienische Kaffeemaschine auf dem Herd zu pfeifen beginnt und damit kundtut, dass der Kaffee fertig ist. 

Uli lässt Eva los und öffnet den Schrank, um zwei Tassen herauszunehmen, während Eva den Herd ausschaltet.

“Du hast ja meinen Gasherd bedient!”, sagt Uli grinsend.

“Ja! Ich weiß auch nicht, wie ich das hingekriegt habe, ohne das Haus in die Luft zu jagen, anscheinend hab’ ich noch nicht alles aus der Hotelfachschule vergessen. Da musste ich schließlich auch in der Küche arbeiten - mit einem Gasherd!”

Eva lacht und schenkt den Kaffee in die beiden Tassen, die Uli ihr hinstellt.

Nachdem Uli in einer für Eva nicht nachvollziehbaren Geschwindigkeit noch ein Frühstück vorbereitet hat, sitzen die beiden wenig später am Tisch und bereiten sich auf den Tag vor. Es will kein richtiges Gespräch in Gang kommen, beide Frauen hängen ihren Gedanken nach. 

Uli schlürft wortlos ihren Kaffee und versucht sich darauf einzustellen, dass am heutigen Tag ihre vorerst letzte Arbeitswoche in dem Restaurant beginnen wird, das sie mit aufgezogen hat. Ihrem Baby.

Eva zerbröselt gedankenversunken die Brotscheibe auf ihrem Teller und bemüht sich darum, die Anspannung unter Kontrolle zu bekommen, die sich gestern schon bemerkbar gemacht hatte und die, je näher das Gespräch mit Ulis Noch-Ehemann Jeremy kommt, immer stärker wird.

 

Nach einem sehr schweigsamen Frühstück räumen die beiden in stiller Übereinkunft die Küche auf, bevor Uli noch einmal kurz ins Bad verschwindet und kurz darauf - jetzt mit zu einem Dutt gewickelten Haaren - wieder herauskommt. 

In der Küche, wo Eva wieder aus dem Fenster starrt, nimmt sie deren Hand in ihre.

“Ich muss jetzt los, sonst bin ich zu spät. Und auch wenn meine Chefin sicher dafür Verständnis hat, werden sich meine Mitarbeiter doch wundern, wenn ich in meiner letzten Woche den Schlendrian einziehen lasse…” Sie grinst.

Eva, mit einem immer größer werdenden Knoten im Bauch, lächelt zaghaft.
“Ich versteh’ schon. Eine Frau Kersting als Feldwebel kommt nicht zu spät zur Schicht. Kann ich mich nachher hier fertig machen?”

Als sie den Ausdruck ‘Feldwebel’ hört, prustet Uli kurz. 
“Ja sicher. Nimm’ dir einfach alles, was du brauchst. Zieh einfach die Tür hinter dir zu, wenn du gehst. Kommst du heute Abend wieder her?”

“Willst du das denn?”, fragt Eva, plötzlich unsicher.

Statt einer Antwort nimmt Uli Evas Gesicht in beide Hände und küsst sie, so leidenschaftlich, dass Eva nicht anders kann als leise aufzustöhnen. Sie umschlingt Uli mit beiden Armen und erwidert den Kuss mit einer Inbrunst, die der schwarzhaarigen Frau die Knie weich werden lässt.  
Nach einigen Augenblicken, die den beiden viel zu kurz erscheinen, löst sich Uli schließlich widerstrebend von Eva.

“Ja. Das will ich. Aber ich muss jetzt leider echt los”, flüstert sie ihr ins Ohr.

Eva drückt ihr dann einen letzten Kuss auf die Lippen und schiebt sie kurzerhand in Richtung Flur. 
Uli zieht Turnschuhe an, schnappt sich ihren Rucksack, den Schlüssel und ihr Handy samt Kopfhörern und verschwindet nach einem letzten Blick auf Eva, die mit geröteten Wangen und halbnackt - sie trägt noch immer nur das riesige T-Shirt von den Editors , das Uli vor Jahren bei einem Konzert erstanden hatte - im Flur steht. 
Eva wirft ihr noch einen Luftkuss zu und schickt ihr ein leises ‘bis heute Abend!’ hinterher, bevor Uli die Tür zuzieht und die Treppen hinunter läuft. Mit Freddie Mercury, der ihr lauthals ‘ Pressure - pushin’ down on me, pushin’ down on you ’ ins Ohr singt, und einem breiten Grinsen im Gesicht, radelt sie durch die Stadt in Richtung Mondial.

Währenddessen begibt sich Eva ins Bad. Nachdem sie Ulis Vorrat an Kosmetika inspiziert hat und feststellt, dass so ziemlich alles an Gesichtspflege da war, was sie braucht, duscht sie und verschwindet schließlich nach einer guten dreiviertel Stunde in den menschenleeren Hausflur. 
Sie ist in Eile - schließlich muss sie noch in ihre Suite, sich umziehen und ihre Arbeitsmaterialien holen, und - das ist der Haken an der Sache - das Ganze möglichst schnell und ohne von ihren Angestellten gesehen zu werden. Eine Aufgabe, die ihr in Anbetracht der Uhrzeit (mittlerweile ist es viertel nach acht und damit Schichtbeginn für alle im Hotel) unmöglich erscheint.

Aber irgendwie schafft sie es - pünktlich um kurz vor neun kommt sie, jetzt gekleidet in einen ihrer geliebten Powersuits und eine hellblaue Bluse, in ihrem Büro an.  Dort stellt sie fest, dass irgendjemand ihr eine leere Tasse und eine Thermoskanne mit frischem Kaffee auf den Schreibtisch gestellt hat.

Sie schließt die Tür hinter sich und lächelt. Uli muss hier gewesen sein - und das, obwohl sie sicher genug in der Küche zu tun hatte, wenn man bedachte, dass heute eine große Reisegruppe aus Japan im Hotel eintreffen würde und versorgt werden musste.
Eva steuert ihren Schreibtisch an, steckt den Laptop an die Dockingstation und schenkt sich einen dampfenden Kaffee ein, während der Computer hochfährt. Sie schließt kurz die Augen und atmet den bitter-süßen Geruch des Getränks ein, während sie die letzte Nacht noch einmal Revue passieren lässt. 

 

Zur gleichen Zeit und nur ein paar Stockwerke tiefer wirbelt Uli durch ihre Küche. Nachdem sie feststellen musste, dass zwei ihrer Kolleginnen krank geworden sind, hat sie alle Hände voll zu tun, das Buffet für die Reisegruppe aus Japan, die am späten Vormittag eintreffen würde, vorzubereiten. 

Pit, ihr Lieblingskollege und Souschef, unterstützt sie wo er kann - allerdings hat auch er leider nur zwei Hände und kann nicht zehn Dinge gleichzeitig machen. Und so ist es Uli, die ganz entgegen ihrer eigentlichen Arbeitsteilung das Dressing für den Salat zubereiten muss, der später serviert werden soll. Gerade als sie mit fliegenden Händen diverse Essigsorten, Agavendicksaft und Kräuter zusammen mischt, schaut Pit ihr über die Schulter.

“Äh, Uli?”, sagt er zögernd.

“Was denn?”, fährt sie ihn an, kratzbürstiger als beabsichtigt.

“Nix, nix, ich hab’ mich nur gewundert, warum du Apfelessig ins Dressing gibst, da muss doch normalerweise Weißweinessig ran, oder?”

Uli wird eiskalt. Sie schaut auf den großen Krug, der vor ihr auf der Arbeitsplatte steht und mindestens anderthalb Liter fasst.
“Shit! Ja, klar - was mach’ ich denn hier” - sie flucht leise und stützt sich auf der Arbeitsplatte ab. “Jetzt muss ich das  alles wegschütten”, schimpft sie, mit einer Zornesfalte auf der Stirn.

Pit, der sowohl von dieser Reaktion als auch von der Tatsache an sich überrascht ist, dass Uli den falschen Essig verwendet hat, lässt sich nichts anmerken.
“Komm, lass mich das mal machen”, sagt er ruhig und schiebt Uli weg. “Kümmer du dich um das Einlegen vom Schinken.”

Ganz entgegen ihrer üblichen Art widerspricht Uli nicht - Pit nimmt das mit hochgezogenen Augenbrauen zur Kenntnis - und wendet sich dem Schinken zu. Während sie diesen mit noch immer fahrigen Händen mariniert, wird ihr bewusst, warum sie so furchtbar unkonzentriert ist. 
Sie ist mit dem Kopf nicht bei der Arbeit, sondern bei der Frau, die ihr Leben auf den Kopf gestellt hat. 
Die Frau, bei deren Anblick ihr Herz jedes Mal kurz stolpert, wenn sie sie sieht. 

Nachdem sie den Schinken eingelegt hat, macht sie sich daran, ihn ins Kühlhaus zu bringen. Dort würde er gut zwei Stunden lagern, bevor er den japanischen Gästen serviert werden würde. Sie greift das erste der drei großen Bleche, auf denen der Schinken ausgebreitet ist, und verlässt die Küche. Auf dem Weg in den anderen Teil der Katakomben des Hotels hofft sie inständig, Jeremy nicht über den Weg zu laufen. Nach den Geschehnissen der vergangenen Tage will sie sich nicht ausmalen, was passiert, wenn er ihr hier vor den Augen ihrer Kollegen begegnet. 

Zu ihrem Glück schafft sie es ungesehen ins Kühlhaus und stellt das Blech in eins der Regale. Bevor sie den Raum verlässt, wischt sie sich die Hände an der Schürze ab und fischt ihr Handy aus der Tasche.

>> Hast du dein Lebenselixier gefunden? ;-) << schreibt sie.

Den Kaffee hatte sie kurz nachdem sie im Hotel angekommen war, in Evas Büro gebracht - ihr war bewusst gewesen, dass Eva mit nur einer Tasse Kaffee diesen Montag nicht überstehen würde. Gerade als sie ihr Handy wieder in die Schürzentasche stecken will, vibriert es. ‘Eva - 1 neue Nachricht’, steht auf dem Sperrbildschirm. Sie grinst.

>> Ja! Der ist mein Retter in der Not. Danke xx <<
Und gleich darauf, Uli hat den Chat noch nicht wieder geschlossen, trifft auch schon die nächste Nachricht ein.
>> Du weißt einfach, wie du mich glücklich machst :-) <<

 

Da ist es wieder. Das Stolpern in ihrer Brust. Und das warme Gefühl im Bauch, das sie immer hat, wenn sie an Eva denkt oder sie sieht. Sie lächelt. In ihrem Kopf nimmt das Gefühl Gestalt an, fügt sich zu einem Gedanken zusammen: Sie will Eva glücklich machen. 
Und nicht nur hier und heute, nicht nur mit Kaffee am Morgen im Büro. Sondern für immer. Sie will mit Eva einschlafen, mit ihr aufwachen, mit ihr den Alltag bestreiten - mit ihr und Ivy zusammen. ‘Ist das das Gefühl, von dem immer alle reden? Dieses frisch verliebt sein?’, fragt sie sich. Und beantwortet sich im gleichen Augenblick diese unausgesprochene Frage. Sie grinst.

‘Ja, das wirds wohl sein. Ich hab’ mich doch tatsächlich in Eva verliebt.’

Nachdem sie diesen Gedanken zumindest in ihrem Kopf laut ausgesprochen hat, nimmt sie sich vor, Eva schnellstmöglich genau das zu sagen. Sie soll wissen, was Uli für sie empfindet. Und dass sie mit ihr zusammen sein will.
Gedankenversunken und noch immer mit einem breiten Lächeln im Gesicht schiebt sie das Handy zurück in ihre Schürzentasche und macht sich auf den Weg zurück in die Küche. Schließlich muss auch der restliche Schinken seinen Weg ins Kühlhaus antreten. 



10:30 Uhr, Evas Büro.

 

Von all der Hektik in der Hotelküche fünf Etagen tiefer bekommt Eva, die gerade dabei ist, das Kündigungsschreiben für Jeremy zu formulieren, nichts mit. Gerade als sie ein letztes Mal den Text überfliegt - er war nichts besonderes, in ein paar kurzen unpersönlichen Sätzen wurde Herr Jeremy Turner darüber aufgeklärt, dass sein Arbeitsverhältnis fristlos beendet sei - kommen ihr Zweifel.

War es wirklich richtig, ihn einfach so zu kündigen? Er war schließlich immer ein guter Mitarbeiter gewesen, und auch laut seinen Kolleginnen und Kollegen im Housekeeping ein fairer Chef. Auch hatten sich die Hotelgäste nie über ihn beschwert, generell war das Housekeeping fast immer Gegenstand der sehr guten Bewertungen in diversen Hotelportalen gewesen. 

Wäre es nicht eigentlich richtig, ihm noch eine zweite Chance zu geben? 

Doch dann besinnt sie sich - erinnert sich daran, wie er Uli angegriffen, ja sie sogar auf offener Straße geohrfeigt hatte. Daran, wie er in ihre Suite gestürmt war und sie kurz davor gewesen war, den Sicherheitsdienst zu rufen, weil er so ausgerastet war.

Nein, das wird sie Uli nicht antun. Sie will nicht, dass Uli in Zukunft jeden Morgen angespannt und gar verängstigt auf die Arbeit fahren und fürchten muss, dass er wieder Streit anfängt oder ihr Schlimmeres antut. Dass er seine Emotionen nicht im Griff hat, weiß sie ja mittlerweile. Und überhaupt - jemand, der sich an ihrer Partnerin (und ja, insgeheim bezeichnete sie Uli so) verging, der hatte in einem Hotel, dem sie vorstand, nichts zu suchen.

Mit grimmigem Gesicht gibt sie ihrem Computer den Druckbefehl und setzt ein paar Sekunden später ihre Unterschrift unter das Schreiben.
Gut sichtbar platziert sie es auf ihrem Schreibtisch und wendet sich dann den Dingen zu, die dringend erledigt gehören - unter anderem dem neuen Konzept für die Marketingkampagne des Landes Mecklenburg-Vorpommern. ‘Gott sei Dank taucht dieser Althaus erst nächste Woche wieder hier auf’, denkt sie augenrollend. Diesen Typen konnte sie in dieser Woche wirklich nicht gebrauchen.

Gegen zwölf Uhr - gerade hat ihr Magen laut knurrend verkündet, dass er leer ist - ist sie so in das Überarbeiten des Konzepts versunken, dass sie zusammenzuckt, als es laut an ihrer Bürotür klopft. Einen kurzen Moment atmet sie tief durch und wappnet sich für denjenigen, den sie hinter der Tür vermutet.

“Ja?”, ruft sie dann, so forsch sie kann. 

Als die Tür aufgeht und ein silberner Servierwagen hineingeschoben wird, fällt ihr ein Stein vom Herzen. Es ist nicht Jeremy, der in ihrem Büro steht, sondern die Frau, bei deren Anblick Eva Schmetterlinge im Bauch hat. Uli.
Diese schließt die Tür sachte hinter sich, bevor sie Eva auf halbem Weg zu ihrem Schreibtisch in die Arme nimmt und zärtlich küsst.

“Ich dachte mir, dass du vielleicht Hunger hast”, sagt Uli leise, nachdem sie sich voneinander gelöst haben.

“Da hast du sowas von richtig gedacht”, erwidert Eva grinsend. “Mein Bauch hat mich gerade eben darauf hingewiesen.”

Uli lächelt. “Kein Wunder, dein Frühstück ist ja auch schon ewig her. Du, ich würd’ wirklich gern hier bleiben, aber ich muss echt wieder zurück in die Küche. Diese Reisegruppe hat gerade eingecheckt, und die haben jetzt sicher auch Hunger.”

Noch bevor Eva irgendetwas erwidern kann, drückt Uli ihr einen Kuss auf die Lippen und verschwindet wieder aus Evas Büro.

 

Gegen halb zwei, das Mittagessen - Räucherlachs mit pochiertem Ei, frischem Brot und einem Salat - ist längst restlos verputzt, sitzt Eva an ihrem Schreibtisch und überlegt fieberhaft, wie sie Ulis bereits unterschriebenen Aufhebungsvertrag auflösen kann. Irgendwie musste es doch möglich sein, Uli weiter zu beschäftigen, ohne einige ihrer Mitarbeiterinnen zu kündigen. In Evas Kopf rattert es regelrecht - aber sie ist überzeugt: irgendwie würde sie es schaffen. Und wenn sie dafür Himmel und Hölle in Bewegung setzen musste. 

Sie würde Uli nicht gehen lassen. Weder im Mondial, noch im Leben. 

 

Plötzlich klopft es wieder, dieses Mal weniger deutlich, fast schon zaghaft. Ein zweites Mal an diesem Tag sammelt Eva ihre Gedanken - jetzt scheint es mehr als sicher, dass es Jeremy ist, der vor ihrer Tür steht - und ruft dann mit fester Stimme: “Ja bitte?”

Die Tür öffnet sich zögerlich und einen Augenblick später steht er da, die eine Hand am Türgriff, die andere verkrampft in der Tasche seiner Jeans. 

Jeremy.

Und in einem Tonfall, der so frostig ist wie ein Morgen im Februar, bricht Eva das Schweigen.

“Guten Tag, Herr Turner. Setzen Sie sich bitte.”




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