Le Mondial

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Le Mondial
Note
Die Rechte an den Figuren dieser Geschichte liegen beim ZDF und der Neuen Deutschen Filmgesellschaft. Die Geschichte bzw. die Handlungen sind mein Eigentum.
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Kapitel 7

Hotel Mondial, Zimmer 412

Es ist ruhig geworden im Hotel Mondial. Die Uhr zeigt auf kurz vor Mitternacht und die meisten Gäste haben sich bereits in ihre Zimmer zurückgezogen. Auf dem Flur im vierten Stock brennt nur noch die Nachtbeleuchtung, kein Laut ist zu hören. 

Nur wer sein Ohr ganz dicht an die Tür zur Suite Nummer 412 pressen würde, könnte leises Gespräch und gelegentliches Lachen hören, untermalt von Albinonis Violinkonzert in D-Moll. Eva war irgendwann aufgestanden und zum Schrank gehumpelt, um von dort aus ihr Handy mit einem tragbaren Lautsprecher zu verbinden.
Wenig später klangen die ersten zarten Töne des traurigen, aber zugleich beruhigenden Musikstücks durch das Zimmer. Danach war sie wieder zum Sofa gegangen und hatte sich neben Uli niedergelassen, die ihre Position in die Sofaecke verlegt und ihre Beine auf der Verlängerung des Möbels ausgestreckt hatte. 

“Komm’”, hatte diese leise gesagt und Eva hatte nicht lange überlegen müssen und sich, darauf achtend, den angeschlagenen Fuß hochzulegen, an Uli angelehnt. 

Der Fuß ist noch ein bisschen geschwollen, pocht aber nicht mehr so stark vor Schmerz wie vorher. Ulis geklaute Eiswürfel haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Er war anscheinend wirklich nur verdreht und nicht wirklich verletzt. 

Den Übeltäter, den schwarzen Schuh mit dem gebrochenen Absatz, hatte sie unmittelbar nachdem sie ins Zimmer gekommen war eigentlich entsorgen wollen - sich dann aber im letzten Moment dagegen entschieden und ihn neben den anderen noch intakten Schuh vor den Schrank gestellt. Er würde sie immer an ihr erstes Date mit Uli erinnern.

Noch während Eva gedankenversunken auf ihre leere Bierflasche und die inzwischen mit Wasser gefüllte Plastiktüte starrt, die vormals Eiswürfel enthalten hatte, spürt sie auf einmal Ulis Hand auf ihrer Schulter.
Zärtliche Finger streicheln sie und finden den Weg bis zu ihrem Haaransatz im Nacken. Sie dreht sich lächelnd zu Uli, diese hat die Augen geschlossen und summt leise im Takt der Musik. Eva lehnt nach einer Weile den Kopf an Ulis Schulter, schließt ebenfalls die Augen und vergräbt ihr Gesicht in der Kuhle zwischen Ulis Schlüsselbein und ihrem Hals. 

Sie riecht das Parfum, das Uli trägt, ein herber Duft mit einer süßen Note, der ganz wunderbar zu ihr passt, wie Eva findet. Sie hört ihre Atmung, ihren pochenden Herzschlag.

Sie umschlingt Ulis linken Arm mit beiden Händen und drückt sich noch fester an sie. Dort, genau dort, wo sie jetzt ist, hat sie das Gefühl, ihr könne nichts, aber auch gar nichts passieren. 

Als Uli mit geschlossenen Augen spürt, wie Eva sich an sie lehnt, ja sogar ihren Kopf an ihrem Hals vergräbt, ist sie für einen kurzen Moment wie erstarrt. ‘Wieso fühlt sich das so gut und so richtig an?’, überlegt sie. 

Schnell schiebt sie diese Frage von sich und schlägt die Augen auf. An ihrer Schulter spürt sie Evas gleichmäßige, tiefe Atemzüge, ihre Augen sind noch immer fest geschlossen. 

Uli lächelt. 

‘Kein Wunder’, denkt sie. ‘Sie hat ja noch weniger geschlafen als ich und musste auch noch normal arbeiten. Höchste Zeit, dass wir schlafen gehen.’ 

Ihr Lächeln wird breiter. Sie hatte ganz selbstverständlich im Plural gedacht - wir.

 

Sachte versucht sie, ihren linken Arm aus Evas Griff zu befreien und sich aufzusetzen - aber Eva murmelt nur leise etwas und klammert sich fester an ihren Arm. Uli grinst. Als so nähebedürftig hatte sie Eva nicht eingeschätzt.

Zärtlich streicht sie ihr mit der freien Hand über die Haare und flüstert ihr leise ins Ohr: “Du solltest schlafen gehen, Eva. Du bist müde und gehörst ins Bett.”

“Mhm…” murmelt Eva im Halbschlaf. “Ich will aber hier bei dir sein.”

Uli summt zustimmend. 

“Dann bleiben wir noch ein bisschen hier sitzen”, antwortet sie leise und wenig später ist Eva wieder im Land der Träume angekommen, während Uli den letzten Takten des Konzertes lauscht, bevor wieder Stille im Raum herrscht, nur unterbrochen vom Geräusch der Regentropfen, die an das Fenster prasseln. 

 

Uli kann nicht sagen, wann auch ihr die Augen zugefallen sind, aber irgendwann schreckt Eva aus dem Schlaf und ihre hektische Bewegung weckt auch sie. Sie blinzelt ein wenig verwirrt in Evas Gesicht, die sich völlig verschreckt aus Ulis Armen löst und aufsetzt. Ihr Atem geht stoßweise und ihr Gesicht ist kreidebleich. Uli ist sofort hellwach.

“Was ist passiert?”, fragt sie besorgt. “Hast du schlecht geträumt?” 

Sie nimmt Evas Hände in ihre und streichelt sie beruhigend.

Langsam beruhigt sich Evas Atmung und sie realisiert, dass sie in ihrem Zimmer ist, im Mondial, zusammen mit Uli. Sie hatte geträumt, auf einem Segelschiff auf stürmischer See zu sein. Das Schiff war geborsten und begann zu sinken, während Eva an Deck stand und aus Leibeskräften um Hilfe schrie, ohne dass sie jemand hörte. In ihrem Traum hatte sie sich an eine Holzplanke geklammert und hilflos dabei zusehen müssen, wie sie auf dem Deck des zerbrochenen Schiffes immer schneller der See entgegen kam und sie ins kalte Meerwasser rutschte. Sie hatte den Geschmack von Salzwasser schon im Mund gespürt und das ohrenbetäubende Heulen des Sturms in ihren Ohren. Dann war sie aufgewacht.

“Nein, also ja, eigentlich schon…”, murmelt Eva leise. “Aber es ist vorbei, ich bin ja jetzt wach. Es tut mir Leid, dass ich dich geweckt habe. Ich bin aber froh, dass du noch hier bist. Bei mir. Und warum sitzen wir eigentlich immer noch auf diesem Sofa?”, fragt sie mit Blick auf ihre ungewöhnliche Sitz- und Schlafposition.

“Wir sitzen hier immer noch, weil eine gewisse Frau de Vries mir vor zwei Stunden zu verstehen gegeben hat, dass sie lieber mit mir auf der Couch sitzend schläft als alleine und liegend in ihrem Bett”, gibt Uli grinsend zurück.

“Hmpf”, grummelt Eva und nimmt ihre Beine vom Sofa. “Dann wäre jetzt wohl ein guter Zeitpunkt, dorthin umzuziehen, findest du nicht?”

“Das wäre wahrscheinlich nicht die schlechteste Idee”, erwidert Uli. “Du musst dich ausschlafen.”

Sie erhebt sich und dreht sich um, um Eva aufzuhelfen, als sie deren verwirrten Blick bemerkt.

“Was heißt hier ‘DU musst dich ausschlafen’? Willst du etwa nach Hause fahren, jetzt noch, um diese Uhrzeit, bei DEM Wetter?”, fragt Eva irritiert. Erst jetzt bemerkt Uli, dass draußen mittlerweile ein ausgewachsenes Gewitter tobt, gelegentliche Blitze erhellen die Fenster der Suite, gefolgt von lautem Donnergrollen.

“Äh - ja? Also, was heißt ‘ich will’, ich muss ja”, gibt Uli zögerlich zurück und starrt, plötzlich nervös geworden, auf ihre nackten Füße. “Ich will nicht, dass es dir zu viel wird, mit mir…”, fügt sie fast unhörbar hinzu.

Eva hat sie trotzdem gehört. Sie auf und packt Uli mit beiden Händen an den Schultern. “Wenn du mir ‘zu viel’ wärst, Uli Kersting, hätte ich dich schon nach dem Essen weggeschickt. Genauer gesagt wäre ich ziemlich sicher überhaupt nicht mit dir essen gegangen”, sagt Eva deutlich. 

Sie fasst Ulis Kinn mit ihrer rechten Hand und schiebt es nach oben, sodass Uli ihr in die Augen sehen kann. “Ich würde mich freuen, wenn du heute Nacht hier bleibst. Du musst auch nicht bei mir im Bett schlafen, die Couch hier lässt sich…” Doch bevor sie den Satz zu Ende formulieren kann, unterbricht Uli sie, indem sie ihr einen Kuss auf die Lippen gibt. 

“Du hast mich schon überzeugt. Ich bleibe.” Sie lächelt und Eva ist erleichtert.

Eva humpelt zu ihrem Schrank und zieht ein viel zu großes schwarzes T-Shirt mit dem Konterfei von Cream heraus. 

Sie wirft es Uli zu. “Wenn du magst, kannst du das zum Schlafen haben.”

Uli schaut überrascht. “Cream? Eva de Vries mag Cream? Das hätte ich ja jetzt nicht erwartet. Ich dachte eher du wärst jemand, der gerne in die Oper geht…”

“Ich gehe auch gerne in die Oper! Aber ich mag eben auch Rockmusik - das eine schließt ja das andere nicht aus, oder?”, gibt Eva trocken zurück und fügt mit etwas rauer Stimme und einem Funkeln in den Augen “Dir werden wahrscheinlich noch so manche Seiten an mir auffallen, die du nicht erwartet hättest…” hinzu.

Uli formt mit ihrem Mund ein stummes ‘Oh!’ und muss wohl ziemlich verwirrt dreinschauen, weil Eva wenig später schallend laut lacht. 

“Wenn du dein Gesicht sehen könntest!”, prustet sie und muss sich an der Schrankwand festhalten, um nicht umzufallen. 

Uli, sonst die Schlagfertigkeit in Person, ist sprachlos. Alleine der Gedanke daran, welche ‘Seiten’ Eva gemeint haben könnte, als sie in genau diesem Tonfall davon gesprochen hat, lässt ihr die Hitze ins Gesicht steigen.

“Äh, ja, äh okay?”, stottert sie. 

Sie stottert - schon wieder. Irgendwie schien Eva diese Wirkung auf sie zu haben, so als ob sie als eine Art Störsender für Ulis Sprachzentrum agierte.

Eva hat sich mittlerweile wieder beruhigt und lehnt lächelnd am Kleiderschrank. “Ich geh dann mal ins Bad, richte du dich ruhig ein. Fühl dich wie zuhause.” Mit einem Lächeln auf den Lippen macht sie kehrt und geht, noch immer leicht humpelnd aber dennoch elegant, in Richtung des großen Badezimmers. 

Als die Badezimmtertür zufällt und leise klickt, sammelt Uli sich kurz, schüttelt dann ein paar Mal den Kopf, um den letzten Rest ‘Störung’ aus ihrem imaginären Sprachzentrum zu entfernen und dreht sich dann mit dem Rücken zum Bad, um ihr Oberteil auszuziehen und es gegen das T-Shirt von Eva zu tauschen. 

Sie zieht sich den weichen Stoff über den Kopf und stellt fest, dass das Shirt aufgrund seiner Größe auch als sehr kurzes Kleid durchgehen würde - und das bei ihr, die sie doch noch ein paar Zentimeter größer war als Eva. Sie lächelt, zieht ihre Stoffhose aus und legt sie gemeinsam mit dem ordentlich gefalteten Oberteil über die Sofalehne. Kurz zögert sie - ob sie ihren BH wohl auch ausziehen kann? Normalerweise hasste sie es, damit zu schlafen und tat es auch nie, schließlich hatte sie dann morgens immer rote Striemen auf den Schultern. Aber heute? Hier? War das nicht ein bisschen zu gewagt?

Während sie noch überlegt, kommt Eva unbemerkt aus dem Bad und kann nicht anders, als Uli von oben bis unten zu mustern. 

Ihre schier endlos langen, muskulösen Beine, die an einigen Stellen von blauen Flecken verziert wurden - anscheinend gehörte das als Köchin dazu, sich regelmäßig auch in der Restaurantküche die Beine blau zu stoßen.

Uli hat sie noch nicht wahrgenommen, sie starrt gedankenversunken auf ihre Kleidung, die sie auf der Sofalehne drapiert hat.

Auf leisen Sohlen nähert Eva sich und flüstert ihr “Das Bad wäre dann frei” ins Ohr. Uli zuckt zusammen und dreht sich um.

Eva hatte anscheinend die Zeit im Bad außerdem dazu genutzt, sich umzuziehen - statt des Hosenanzugs und der Bluse trug sie ein dunkelrotes, sehr kurzes Kleid aus fließendem Stoff, das am Ausschnitt und an den Ärmeln mit Spitze besetzt ist.

‘Natürlich, jemand wie Eva schläft natürlich in sowas’, denkt sich Uli belustigt und lächelt. 

Sie gibt Eva einen Kuss und huscht ins Bad, während diese das Deckenlicht löscht und stattdessen zwei kleine Lampen, die oberhalb des Bettes an der Wand montiert sind, einschaltet. Sie schaltet auch den Lautsprecher aus und legt sich unter die Decke, mit dem Gesicht zur noch leeren Bettseite. Sie versucht, mit aller Gewalt ihre Augen offen zu halten - das gelingt ihr aber nur halb. 

Die Augen fallen ihr langsam zu und noch bevor Uli im Bad das Licht ausschaltet und mit zügigen Schritten den Raum durchquert, um ins Bett zu klettern, ist sie eingeschlafen.

Durch die Bewegung der Matratze, auf die Uli sich sinken lässt, wacht sie nochmal auf, gerade so lange, dass sie Uli anlächeln und zufrieden ein leises “Da bist du ja” murmeln kann. 

Uli legt sich auf den Rücken, richtet sich dann aber nochmal auf, um Eva einen Kuss auf die Stirn zu geben. 

“Schlaf gut, morgen ist ein neuer Tag.” ‘Und ich bin so froh, neben dir einschlafen und aufwachen zu können’, vollendet sie den Satz in ihren Gedanken. 

Sie löscht das Licht und hat sich gerade die Augen zugemacht, als sie Evas Arm auf ihrem Oberkörper spürt. Sie legt ihre Hand auf Evas Unterarm und lächelt zufrieden, als sie die tiefen und gleichmäßigen Atemzüge der Frau neben sich spürt. 

‘Morgen’, denkt sie, ‘morgen wird gut.’

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