Le Mondial

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Le Mondial
Note
Die Rechte an den Figuren dieser Geschichte liegen beim ZDF und der Neuen Deutschen Filmgesellschaft. Die Geschichte bzw. die Handlungen sind mein Eigentum.
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Chapter 3

Während Uli gemächlich durch das langsam erwachende Schwerin radelt und ihren Gedanken nachhängt, betritt Eva durch den Haupteingang die Lobby des Hotels.
Sie kann sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal so müde war. Gleichzeitig fühlt sie sich so unfassbar lebendig, als ob ihr Körper ein summender Bienenstock wäre. Sie muss das, was in den letzten Stunden passiert ist, die Blicke und Berührungen, erst einmal verarbeiten.

Ein warmer Luftstrom weht ihr ins Gesicht, als sie durch die automatische Drehtür tritt und sie aus ihrem Tagtraum gerissen wird. Sofort erlischt das Lächeln, das nicht mehr aus ihrem Gesicht gewichen ist, seit Uli sie umarmt hatte.

‘Ich muss jetzt professionell sein, was soll die Kollegin von der Rezeption denn denken, wenn die mich so grinsen sieht?’, schimpft sie sich und geht mit zügigen Schritten und einem knappen “Guten Morgen” an der jungen Frau vorbei, die so verwirrt dreinschaut, als sei gerade der Papst persönlich durch die Lobby gegangen.

‘Hoffentlich ist der Fahrstuhl unten’, denkt sich Eva und seufzt. Sie will nur noch schnellstmöglich aus diesen Klamotten raus und ins Bett, zumindest ein paar Stunden schlafen.
Sie hat schon lange keine Nacht mehr durchgemacht.

Eva hat Glück - im gleichen Moment, in dem sie den Knopf drückt, geht mit einem leisen ‘Ding’ die Fahrstuhltür auf. Schnell macht sie einen Schritt in die Kabine und drückt - fester und hektischer als beabsichtigt - auf die 4.
Die Türen schließen sich und der Fahrstuhl setzt sich in Bewegung. Eva stellt sich mit dem Rücken zur Wand und schließt die Augen.

Noch einmal versetzt sie sich in den Moment zurück, als Uli den Kopf an ihre Schulter gelegt hat.

Sie lächelt.

Dann schaut sie auf den Stein mit dem Loch darin, den Uli ihr geschenkt hat und den sie noch immer fest in ihrer linken Hand hält. Den würde sie auf ihrem Schreibtisch legen, genau so, dass ihn jeder, der durch die Tür kommt, sofort sieht. Dann würde er sie sicher vor allen bösen Geistern schützen.

Gerade als sie im Stehen fast einschläft, hält der Aufzug mit einem leichten Ruckeln und die Tür öffnet sich.
Widerwillig öffnet Eva die Augen, atmet einmal tief aus und tritt dann hinaus in den Flur. Dieser ist Gottseidank zu dieser frühen Stunde noch leer und so geht Eva zügig in Richtung ihrer Suite.

Nach ein paar Schritten ist sie an ihrer Tür angelangt, schließt diese auf und wirft als allererstes ihre schwarzen Sandalen in die Ecke, die sie noch immer in der Hand hält. Da fällt ihr erst auf, dass sie den ganzen Weg von der Wiese am See bis zu ihrem Zimmer barfuß gegangen ist.

Eva de Vries, barfuß! In ihrem Hotel!

“Hoffentlich hat das die Kollegin an der Rezeption nicht gemerkt”, sagt sie leise zu sich. “Sonst bin ich eine Woche lang das Gesprächsthema Nummer 1 hier”.

Den Stein, den Uli ihr geschenkt hat, verstaut sie sorgfältig in einer Seitentasche ihrer schwarzen Arbeitstasche.

Mit einem Seufzen zieht sie sich dann das dunkelblaue T-Shirt über den Kopf und lässt es achtlos auf den Boden fallen, während sie die ebenfalls blaue Stoffhose von ihren Beinen gleiten lässt.
Nach einer Katzenwäsche im Bad und nachdem sie ihre Zähne geputzt hat, zieht sie die schweren dunklen Vorhänge vor ihren Fenstern zu und lässt sich mit dem Gesicht voran aufs Bett fallen.

Nach wenigen Atemzügen ist sie eingeschlafen.

 

Zur gleichen Zeit, irgendwo in Schwerin.

Uli hat gerade ihr Fahrrad vor ihrem Wohnhaus angeschlossen, als ihr Handy klingelt.
‘Boah, wer ist das denn jetzt, in aller Herrgottsfrühe’, denkt sie sich, während sie in ihrer Handtasche nach dem klingelnden Gerät sucht.

‘JEREMY RUFT AN’, steht da.

Mit dem Wissen, dass ihre Nachbarn wahrscheinlich noch schlafen, meldet sie sich mit einem halb geflüsterten “Ja?”, während sie gleichzeitig versucht, mit ihrer linken Hand den richtigen Schlüssel aus dem Schlüsselbund zu friemeln, um die Haustür aufzuschließen.

“Auch dir einen guten Morgen!”, meldet sich ein viel zu gut gelaunter Jeremy am anderen Ende der Leitung. “Hast du schlecht geschlafen?”

“Ich hab noch gar nicht geschlafen”, grummelt Uli. “Ich komm’ gerade erst nach Hause. Wir haben die Nacht durchgearbeitet. Wir hatten Gäste und es war sonst niemand da.”

“Wie, ‘wir haben die Nacht durchgemacht’? Wer ist ‘wir’?”, fragt Jeremy sofort misstrauisch.

“Eva. Eva und ich.”

“Wie, Eva und du? Die de Vries? Was hat DIE denn in deiner Küche zu suchen?”

“Eva ist die Hotelchefin, falls du das vergessen hast. Sie hat per Definition in ALLEN Räumen des Hotels was ‘zu suchen’. Außerdem hat sie mir geholfen, das Essen für die Delegation vorzubereiten, weil sonst alle krank oder im Urlaub sind.”

“Und dafür habt ihr so lange gebraucht? Wieso kommst du jetzt erst nach Hause?”, fragt er weiter.

“Weil wir noch aufräumen mussten, Jeremy. Man kann die Küche im Hotel nicht einfach so dreckig hinterlassen wie zuhause und darauf warten, dass das irgendjemand anderes macht. So läuft das nun mal nicht. Wir haben noch geputzt und jetzt bin ich nach Hause gefahren.
Und ich würde jetzt wirklich gerne noch ein bisschen schlafen. Wieso rufst du denn überhaupt an?”

“Brauche ich einen Grund, meine Frau anzurufen?”, sagt er betont scherzhaft, aber Uli hört sofort den gereizten Unterton.

“Naja, eigentlich nicht. Aber normalerweise meldest du dich nicht morgens um halb sieben, und schon gar nicht, wenn du frei hast und mit Ivy unterwegs bist. Ist mit ihr alles in Ordnung? Oder brauchst du Geld?”, fragt Uli müde.

Sie wünscht sich nichts sehnlicher als dieses Gespräch zu beenden und endlich ins Bett zu fallen.

“Ich rufe doch nicht an nur weil ich Geld brauche! Und nein, mit Ivy ist nichts. Sie schläft noch. Es gefällt ihr hier gut, ich hab ihr versprochen, dass wir heute in den Hochseilgarten gehen. Allerdings ist der nicht ganz günstig…”

‘Also doch’, denkt Uli und schneidet ihm das Wort ab.
“Im Handschuhfach vom Auto ist ganz hinten eine dunkelblaue Mappe. Dort müssten noch ein paar Scheine drin sein, das sollte eigentlich für einen Tag im Hochseilgarten reichen.”

“Danke! Ich schaue gleich mal nach”, kommt es erleichtert von Jeremy. “Ich leg dir das Geld wieder rein, sobald ich Gehalt gekriegt habe! Versprochen!”

“Ja sicher”, murmelt Uli, aber da ist die Verbindung schon unterbrochen.
Sie seufzt.

 

Er hatte sich in den letzten Monaten verändert. War distanzierter und irgendwie abwesend gewesen. Und dann war da noch die Sache mit dem Geld.
Natürlich verdiente sie als Foodchefin mehr als er, aber er war all die Jahre mit seinem Gehalt gut ausgekommen, auch als Ivy schon größer gewesen war und die Aktivitäten und Geschenke für sie ein bisschen teurer geworden waren. Sie hatten sich die Miete und andere Kosten immer gleichmäßig aufgeteilt, das hatte in den ersten Jahren ihrer Ehe auch ganz gut geklappt.

Doch in letzter Zeit war das anders. Er hatte sie immer öfter darum gebeten, ihm ‘mit ein paar Euro’ auszuhelfen, wenn er etwas mit Ivy hatte unternehmen wollen und er war immer häufiger abends sehr spät oder gar nicht nach Hause gekommen.
Jedes Mal, wenn Uli ihn darauf angesprochen hatte, war er ihr ausgewichen und hatte etwas davon erzählt, dass sie im Housekeeping so unterbesetzt seien und er auch nachts immer öfter einspringen musste.

Sie hatte ihm anfangs geglaubt, aber irgendwann hatte dann doch ihr Misstrauen die Oberhand gewonnen und sie hatte Ella, eine seiner Kolleginnen, darauf angesprochen.
Die hatte ihr zwar bestätigt, dass auch ihr Bereich unter Personalmangel litt, aber davon, dass Jeremy des Nachts arbeitete, wusste sie nichts.

Uli hatte so getan, als ob sie das nicht sonderlich interessieren würde und nicht weiter nachgebohrt. Aber mittlerweile war sie sicher, dass Jeremy sie betrog. Mit wem wusste sie aber nicht.
Es hatte sie irgendwie nicht sonderlich überrascht, sie hatten sich in den vergangenen Monaten voneinander entfernt. Sie hatte viel gearbeitet und den Rest ihrer sowieso schon knappen Freizeit mit Ivy verbracht. Für ein richtiges Leben zu zweit war keine Zeit gewesen.

Und, das musste sie selber zugeben, es war ihr auch so ganz recht gewesen.

 

Langsam geht Uli die knarrende Holztreppe bis in den ersten Stock und schließt die Tür auf.
Sie betritt ihre Wohnung und versucht, die Gedanken an Jeremy zu verscheuchen, indem sie an die vergangene Nacht denkt.

An Evas Herzschlag, den sie gespürt hatte.

An ihren Geruch, das Geräusch ihrer Atmung und daran, dass sie auf einmal den Arm um sie gelegt hatte.

Und daran, dass sie miteinander getanzt hatten.

Nur sie beide, alleine.

Sie lächelt und spürt dieses warme Gefühl im Bauch, das sie schon gespürt hatte, als Eva sie in ihre Arme gezogen hatte.

‘Du bist auf dem besten Weg, dich zu verlieben Frau Kersting’, denkt sie sich, als die Tür ins Schloss fällt.

Eigentlich sollte dieser Gedanke ja ein schlechtes Gewissen in ihr auslösen, schließlich war sie verheiratet, aber irgendwie wollte sich dieses schlechte Gewissen nicht einstellen. Im Gegenteil, wenn sie ganz tief in sich hinein hört, findet sie diesen Gedanken wunderschön.

Sie kickt sich die Turnschuhe von den Füßen und geht ins Bad, um sich zumindest einen Teil des Schweißes und den Essensgeruch aus dem Gesicht zu waschen.
Sie stopft ihre Kleidung in den Wäschekorb, stellt den Handywecker auf 12:30 Uhr - schließlich hat sie heute offiziell frei - und lässt sich, nur noch in Unterwäsche gekleidet, ins Bett fallen.
Noch bevor ihr Kopf ganz auf dem Kissen ankommt, ist sie eingeschlafen.

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