
Gerettet! Oder doch nicht..?
«Das war knapp.» sagte Mobius, als die Jägerkommandos mit Loki und Sylvie zurückkamen. «Ein paar Sekunden später und sie beide wären jetzt hinüber.»
«Wie haben sie uns gefunden?» Loki fühlte sich noch ganz benommen und das war einer der Gründe, warum er sich nicht gegen die harten Griffe der beiden Jäger, die ihn festhielten, wehrte.
«Es war nicht ganz einfach, das muss ich zugeben.» In Mobius Stimme schwang etwas mit, dass Loki in jeder anderen Situation wohl als Bewunderung gedeutet hätte. «Wir haben sämtliche Zeitlinien abgesucht, ohne auch nur die geringste Abweichung zu entdecken. Wie auch immer sie das hingekriegt hatten: meinen Glückwunsch.»
Loki warf einen raschen Blick zu Sylvie hinüber, die sich im Gegensatz zu ihm in den Armen der Jäger wand. Er wusste sofort, dass sie das irgendwie hingekriegt hatte – oder besser gesagt: derjenige, der in ihr lebte.
«Aber schliesslich,» fuhr Mobius fort «entstand eine riesige Abweichung auf Lamentis. So gross, dass sie nicht nur den Planeten, sondern uns alle ins Verderben gerissen hätte, wenn wir sie da nicht rausgeholt und die Zeitlinie gerade noch rechtzeitig gelöscht hätten.»
«Erwarten sie jetzt bloss nicht, dass wir ihnen dankbar sind!» zischte Sylvie. «Darauf können sie lange warten.»
«Keine Angst, ich erwarte gar nichts,» erwiderte Mobius und gab den beiden Jägern an ihrer Seite einen Wink. Sie führten die widerstrebende Frau weg.
Er selbst wandte sich an Loki. «Sie haben mich verraten.»
Der Asgardianer hätte beinahe gelacht. «Was sie nicht sagen.»
«Wie auch immer: darüber können sie jetzt mal ein bisschen nachdenken.» Mobius hantierte auf seinem TemPad herum und ein Portal öffnete sich. Und ehe Loki noch etwas sagen konnte, wurde er hindurchgestossen.
'Na wunderbar,' dachte er wütend. 'Als ob ich jetzt Zeit für dumme Spielchen hätte!'
Was ihn auf der anderen Seite erwartete, musste jedoch entweder eine Sinnestäuschung oder ein schlechter Witz sein: er fand sich in Asgard wieder. In seinen eigenen Räumlichkeiten, um es genau zu sagen.
Loki wollte gerade entnervt wieder verschwinden, als ihn eine laute Stimme zusammen zucken liess. «Du!» schrie Sif wütend, «du hinterhältiger, gemeiner Kerl! Du hast das getan!» Sie stapfte auf ihn zu mit einem Büschel Haare in der Hand.
Loki blinzelte verwirrt. Echt jetzt? Wie kam diese Begebenheit aus längst vergangenen Tagen in eine von ihm konstruierte, nicht reale Welt? Schliesslich war es ewig her, seit er Sif zum Spass die Haare abgeschnitten hatte. Und ausserdem hatte er das nicht ins Programm dieser Welt integriert.
Offenbar war die TVA gut darin, eigene Parallelwelten zu schaffen.
Bloss, zu welchem Zweck?
Die Frage wurde ihm gleich beantwortet. Sif holte zum Schlag aus und ehe Loki sich's versah, hatte er eine saftige Ohrfeige kassiert. Er war einen Moment lang zu verdattert, um zu reagieren. Da stapfte Sif auch schon davon, immer noch wütend vor sich hinmurmelnd.
Nun, für sowas hatte er definitiv keine Zeit. Wiederum machte er sich daran, zu verschwinden, als Sifs Stimme erneut ertönte – aus derselben Richtung, aus der sie vorhin gekommen war. «Du! Du hinterhältiger, gemeiner Kerl! Du hast das getan.»
Das durfte doch nicht wahr sein! Hatte Mobius ihn etwa in eine Zeitschleife gesteckt? Es machte ganz den Anschein, denn wiederum holte Sif zum Schlag aus... den sich Loki diesmal aber nicht gefallen liess. Er hielt ihre Hand fest und sagte grinsend: «Lass es gut sein, Mädchen. Ich hab jetzt andere Probleme.»
Sif starrte ihn an, als sähe sie ihn zum ersten Mal. Sie wollte sich aus seinem Griff lösen. Als ihr dies nicht gelang, versuchte sie es mit einem Tritt zwischen seine Beine. Doch auch dies ohne Erfolg: Loki blockte sie ab und stiess sie von sich. «Wie gesagt: ich habe jetzt wirklich keine Zeit für dich.»
Er wollte ein Portal öffnen, um die Zeitschleife zu verlassen, aber irgendetwas stimmte nicht. Es war, als stiesse er gegen eine Mauer. Und dann kam auch bereits Sif wieder. Diesmal liess er sie gar nicht erst zu Wort kommen, sondern packte sie gleich am Arm und schubste sie weg.
Er musste sich konzentrieren. Das hier war seine Welt, von ihm erschaffen, da würde er doch wohl noch den Weg zurück finden.
Schliesslich gelang es ihm, das Portal zu öffnen. Aber erst, nachdem er Sif weitere fünf Male hatte abwehren müssen, was ihn zusätzliche Zeit – und Kraft – kostete. Und als das Portal endlich stand, schaffte er es nur gerade so, durchzuschlüpfen, ehe es sich wieder schloss.
Als Loki sich wieder in dem Raum materialisierte, in dem Mobius das Zeittor geöffnet hatte, befand sich niemand mehr im Zimmer. Ihm war das nur recht. Dann konnte er sich ja Sylvie schnappen und mit ihr von hier verschwinden. Oder vielleicht auch ohne sie. Das musste er noch herausfinden.
Die Gänge waren leer, also kam er ungehindert voran. Er nahm Sylvie wahr, wenn auch nur schwach, was er auf den Kräfteverlust von vorhin schob. Schliesslich stand er vor dem Raum, in dem sie offenbar gefangen gehalten wurde. Was nun? Sich hinein materialisieren und sie einfach mitnehmen? Oder erst einmal abwarten?
Als er noch zögernd herumstand, hörte er plötzlich Schritte hinter sich. Mobius! Der Mann schien das gleiche Ziel wie Loki zu haben. Na wunderbar! Der Magier machte sich unsichtbar und folgte Mobius in das Zimmer.
Sylvie sass scheinbar gelangweilt am Boden. Gleichgültig blickte sie Mobius entgegen. Loki hingegen konnte sie nicht sehen – weder mit ihren Augen noch mit ihrer Magie. «Was wollen sie?» fragte sie, wobei sie ein Gähnen nur schwer unterdrücken konnte. «Mich weiter verhören? Das haben die anderen schon zur Genüge getan.»
«Nein, ich habe ein paar ganz andere Fragen an sie.» erwiderte Mobius, zog einen Stuhl heran und setzte sich darauf. «Sie hatten die Jägerin C-20 entführt. Seitdem ist sie... sagen wir mal, irgendwie komisch.»
Sylvie lachte kurz und zynisch auf. «Das seid ihr doch alle!»
Mobius überhörte es. «Jägerin C-20 sagte wiederholt, es sei nicht echt. Was hat sie damit gemeint?»
«Woher soll ich das wissen?» Sylvie schwang sich hoch und kam näher. «Mir gegenüber hat sie sowas nie erwähnt.»
«Tatsächlich?»
«Ja, tatsächlich.» In Sylvies Stimme schwang Ungeduld mit. «Also, was immer sie mit mir vorhaben: bringen wirs hinter uns. Ich hab ihnen nichts mehr zu sagen.»
Mobius raufte sich die Haare. Loki sah genau, wie unsicher er auf einmal war. Nervös ging er einige Schritte hin und her. «Hören sie...» Als er sich wieder zu Sylvie umwandte, klang seine Stimme fast flehend. «C-20 war ganz normal, ehe sie von ihnen entführt wurde. Sie müssen ihr etwas gesagt oder gezeigt haben, das sie...»
«Verrückt werden und Gespenster sehen liess?» unterbrach ihn Sylvie zynisch. Sie lachte kurz auf. «Warum messen sie den Worten einer verwirrten Jägerin so viel Gewicht bei?»
Mobius atmete tief durch. «Antworten sie mir! Was haben sie ihr gesagt?» Er zögerte, dann fügte er hinzu: «Oder ihr angetan?»
«Sie nerven.» Die junge Frau verschränkte die Arme über der Brust und hielt Mobius Blick stand. «Ich hab ihr gar nichts angetan.»
Mobius öffnete den Mund und es war deutlich, dass er etwas erwidern wollte. Vermutlich etwas nicht gerade Freundliches. Doch er kam nicht mehr dazu. Slyvies ganze Haltung und Ausdruck veränderten sich plötzlich, und dann sagte eine kalte Stimme tief aus ihrem Inneren heraus «aber ich!»
Und Loki schaffte es gerade noch, den Mann aus der Schusslinie zu ziehen, ehe ihn ein magischer Blitz aus Slyvies Hand traf.