
Wenn Blicke sprechen können
Um 8:30 Uhr ertönt eine Glocke, die uns anzeigt, dass wir nur noch 15 Minuten haben, bis der Unterricht anfängt. Wie auf Knopfdruck gehen die meisten Schüler aus der Großen Halle, auch die Gryffindors unseres Jahrgangs. Die Luft ist erfüllt von klappernden Bestecken und gedämpftem Stimmengewirr, das langsam abebbt, als die Schüler in alle Richtungen ausschwärmen. Wir können noch zu Ende essen, bevor wir auch wenige Minuten später gehen. Ich führe wieder die Gruppe an. Wir gehen geschlossen zusammen in die Kerker, um unsere Schultaschen zu holen. In der ersten Stunde haben wir Zaubertränke bei Professor Snape, deswegen konnten wir uns mehr Zeit lassen als die Gryffindors, weil die ja hoch in den Turm müssen. Wer auch immer den Stundenplan erstellt hat, muss wohl einen Groll gegen sie hegen.
Als wir im Slytherin-Gemeinschaftsraum stehen, ist der völlig überfüllt. Überall laufen Schüler, egal welchen Alters, wie aufgeschreckte Hippogreife herum, um ihre Schulsachen zusammenzutragen. Es herrscht ein einziges Chaos – aufgeschnappte Fetzen von „Hat jemand meinen Federkiel gesehen?“ oder „Wo ist mein Verwandlungsbuch?“ erfüllen die Luft. Wir sind an das Chaos gewöhnt und schlängeln uns durch die großen und kleinen Körper, um zu unseren Zimmern zu kommen. Ich atme erst mal tief durch, als Blaise und ich in unserem Zimmer ankommen. Hier ist es endlich ruhig, und ich fange gleich an, vor mich hin zu meckern: „Warum müssen immer alle zeitgleich ihre Sachen holen? Jedes Mal so ein Gedränge.“
Blaise zuckt nur mit den Schultern und wirft sich seine schwarze Ledertasche um. Er stöhnt bei dem Gewicht der Bücher und der Schreibutensilien. „Warum ist der Scheiß immer so schwer!“ beschwert auch er sich und rollt die Augen, als hätte er mit nichts anderem gerechnet. Ich muss grinsen, während ich meine braune Ledertasche schultere, die bereits etwas abgenutzt aussieht, weil ich sie seit meinem ersten Jahr benutze. „Warum machst du sie nicht mit einem „Soccus“ leichter?“ frage ich belustigt. Blaise antwortet: „Weil ich den alle zwei Stunden erneuern muss, darauf hab ich keinen Bock.“
Ich schnaube amüsiert und klopfe ihm gönnerhaft auf die Schulter, als er an mir vorbei auf die Tür zugeht. Wir haben jetzt noch ungefähr sieben Minuten, bevor der Unterricht bei Snape anfängt. Die anderen warten bestimmt wieder auf uns, was schon seit dem ersten Jahr zur Tradition geworden ist.
Als wir im Gemeinschaftsraum ankommen, schaut Pansy uns aufgeregt an. Ihre blassen Wangen sind leicht gerötet, und sie fragt panisch: „Hatten wir Hausaufgaben in Tränke? Die anderen sagen, wir hatten keine, aber Snape gibt uns doch immer welche auf! Also haben wir welche oder nicht?“ Ihre Stimme wird so schrill, dass ich befürchte, gleich platzen Gläser. Niemand will bei Snape seine Hausaufgaben vergessen. Er demütigt uns dann zwar nicht vor der ganzen Klasse, weil wir sein Haus sind. Aber wir bekommen trotzdem in seinem Büro eine Standpauke und extra Aufgaben, die uns bis zur Erschöpfung treiben.
Ich verstehe Pansys Panik, auch wenn sie in dem Fall unbegründet ist. Wir hatten keine Hausaufgaben, und das sagt Blaise ihr dann auch in einem beruhigenden Ton: „Alles gut, Pansy, wir hatten keine Hausaufgaben, keine Panik.“ Blaise lächelt sie beruhigend an und legt ihr eine Hand auf die Schulter. Seine entspannte Haltung scheint zu wirken, denn Pansy beruhigt sich bei seinen Worten und entspannt sich schließlich bei seiner Berührung.
Millicent zieht belustigt die Augenbrauen hoch und nickt mit einem neckenden Lächeln auf das noch nicht offizielle Paar in der Mitte des Gemeinschaftsraums. Ich muss auch lächeln. Die zwei passen gut zusammen: Pansy, die vor keiner Herausforderung Halt macht und gerne diskutiert, und Blaise, der ein Ruhepunkt ist mit seiner entspannten Ausstrahlung. Er hält sie bei Dingen zurück, die zu gefährlich für sie sind, und Pansy ermutigt ihn, neue Sachen auszuprobieren. Sie ergänzen sich perfekt, wie eine mächtige Pflanze, die sich an einen starken Baum schmiegt.
Wir gehen, nachdem sich Pansy vollkommen gefasst hat, zum Unterricht. Die Gryffindors, mit denen wir zusammen Unterricht haben, stehen schon vor dem Klassenzimmer. Ihre ausgelassenen Stimmen hallen durch die düsteren Gänge der Kerker, ein unüberhörbarer Kontrast zu der eher stillen Atmosphäre der Slytherins. Meine Augen treffen automatisch auf Harrys wunderschöne grüne Augen. Sie sind so leuchtend, als hätte jemand Smaragde in eine Flamme getaucht. Er lächelt mich an, und mir stockt der Atem. Sein Lächeln ist einfach der Wahnsinn – wie sich seine Mundwinkel nach oben ziehen und zwei Grübchen dadurch entstehen. Seine Augen leuchten warm und offen. Einfach zum Dahinschmelzen.
Sein Blick wandert weiter neben mich. Ich folge ihm mit einem Stirnrunzeln. Neben mir steht Millicent, die Weasley freudestrahlend und verliebt anschaut. Sie hat schon immer von Weasley geschwärmt – keine Ahnung, warum. Ich verstehe es wirklich nicht. Wie kann man auf jemanden stehen, dessen Haarfarbe eins zu eins wie die Farbe von Karotten aussieht? Aber okay, wo die Liebe hinfällt, nicht wahr?
Ich schaue wieder zu Harry. Dieser hat eine Augenbraue hochgezogen und schaut mich fragend an. Mein Blick fällt wieder auf Millicent, und ich raune ihr warnend zu: „Du starrst etwas zu lange auf den Karottenkopf.“ Ich wende meinen Kopf so, dass Harry meine Lippen lesen kann. Ich weiß, dass er das kann. Millicent zuckt getroffen zusammen, schaut schnell zu mir und sieht mich dankbar an. Vermutlich ist sie dankbar dafür, dass nur ich es bemerkt habe – oder eher, dass Harry mich darauf aufmerksam gemacht hat, aber das weiß sie ja nicht.
Millicent dreht sich wieder von mir weg und unterhält sich mit dem Schleimer Nott, der hinter ihr steht. Sie redet nur mit ihm, weil Pansy und Blaise weiter hinten in unserer Gruppe stehen. Sie lehnen sich jeweils gegenüber an die kalte Kerkerwand und reden anscheinend über ihr zukünftiges Date, denn Blaise grinst wie ein aufgeregter Erstklässler, der Hogwarts das erste Mal sieht. Ich vermute daher, dass sie Ja gesagt hat.
Ich drehe mich wieder zu Harry, der mich jetzt wissend angrinst und zu Weasley schaut. Dann schaut er wieder zu mir, und ich senke kurz meinen Kopf und tue so, als würde ich auf dem Boden etwas mit meinem Blick suchen. Dann sehe ich wieder auf. Harry erfasst meine Kopfbewegung als ein „Ja“, was ja auch stimmt, und grinst nur noch mehr. Er nickt mir zu und formt mit seinen Lippen ein „Auch“ und deutet mit seinen Augen wieder auf Weasley.
Meine Augen weiten sich vor Überraschung. Weasley ist auch verknallt in Millicent! Ach du großer Merlin. Wie haben die beiden es geschafft, das nicht zu merken? Nein, bessere Frage: Warum habe ich das nicht gemerkt? Ist Weasley so gut im Vertuschen seiner Gefühle? Das hätte ich nicht gedacht bei seinem oft cholerischen Auftreten.
Harry grinst mich leicht an und nickt nochmal. Es ist fast so, als könnte er meine Gedanken lesen. Aber das kann er nicht. Meine gedanklichen Mauern sind stabil und lassen nichts durch. Kennt er mich so gut? Harrys Blick verändert sich plötzlich von entspannt und belustigt zu gelangweilt und genervt. Ein Zeichen für mich, dass Professor Snape kommt. Ich straffe meine Schultern und rücke meine emotionale Maske zurecht.
Professor Snape rauscht an mir vorbei zur Tür, um sie zu öffnen. Wir trotten hinterher in das Tränke-Klassenzimmer. Ich mag Tränke; ich finde es spannend, dass man aus den richtigen Zutaten etwas erschaffen kann, das bei Verletzungen oder Schmerzen hilft, aber auch damit jemanden umbringen könnte. Es ist eine Vermischung der Grenzen von Gut und Böse – das gefällt mir. Blaise und ich setzen uns in die zweite Reihe.
An dem Tisch links neben uns sitzen Millicent und Pansy. Hinter den beiden sitzen die Zicke Greengrass und die Memme Nott. Neben den beiden, hinter uns, sitzen Crabbe und Goyle und tuscheln aufgeregt miteinander. Auf der rechten Seite des Zimmers sitzen die Gryffindors. Granger sitzt als Einzige der ganzen Klasse in der ersten Reihe. Streber. Parallel zu uns sitzen neben unserem Tisch die Schnattertanten Brown und der eine Patil-Zwilling.
Allerdings muss ich sagen, dass Brown gar nicht so schlimm ist. Sie ist eigentlich ganz nett, und im Kampftraining ist sie krass. Ich war eine Woche mit ihr in einer Gruppe, und sie hat jeden bei Weasleys Stunde fertiggemacht. Sie ist richtig gut, egal ob mit Waffen oder ohne – eine richtige Kampfmaschine. Hätte ich nicht gedacht bei ihrem normalen, eher dämlichen Verhalten, aber sie hat doch etwas in ihrem Schädel. Sie wirkt oft oberflächlich, aber wenn sie kämpft, ist sie fokussiert wie ein Raubtier auf der Jagd. Neben den beiden sitzen Finnigan und Thomas. Die sind mit Blaise befreundet, würde ich sagen – jedenfalls, wenn bei ihnen Freundschaft bedeutet, mit Blaise über alles, was sich bewegt, zu lästern. Es macht richtig Spaß, Blaise und Finnigan zuzuhören, wie sie zum Beispiel über McLaggen herziehen. Sie sind dabei so kreativ, dass ich manchmal nicht weiß, ob ich lachen oder sie für ihre Dreistigkeit bewundern soll.
Thomas ist eher ruhiger, aber beteiligt sich dennoch an ihren Gesprächen. Anders als ich, der einfach nur gerne zuhört und die Dynamik genießt. Hinter den beiden sitzen Neville und Tracy Davis. Sie ist aus meinem Haus, aber eine graue Maus, wenn ich das so sagen kann. Sie versteckt sich lieber vor allem und jedem, als etwas zu machen – sie ist verdammt schüchtern. Manchmal frage ich mich, wie sie es in unser Haus geschafft hat. Slytherins sind doch für ihre Ambitionen und ihren Ehrgeiz bekannt, aber Tracy scheint eher wie jemand, der sich im Hintergrund halten will. Vielleicht liegt ihre Stärke irgendwo verborgen, und ich habe sie nur noch nicht erkannt.
Neben den beiden sitzen Weasley und Harry. Es ist ein bescheuerter Platz, den die sich ausgesucht haben – war bestimmt Weasleys Idee. Der Tisch ist zu weit hinten, und ich kann Harry nicht sehen, ohne dass es auffällt, und das nervt mich. Ich würde ihn am liebsten jede freie Minute meines Lebens sehen. Sein Gesicht ist so ausdrucksstark, selbst wenn er sich nur auf den Unterricht konzentriert. Aber das kann ich nicht, weil er schräg hinter mir sitzt. Dafür spüre ich seinen Blick auf mir, der mich die ganze Stunde nicht loslässt. Es ist, als würde sein Blick auf meiner Haut brennen und mir gleichzeitig ein seltsames Kribbeln verursachen.
Ich kann mich kaum konzentrieren, obwohl ich mich wirklich bemühe, meinen Fokus auf Snapes Worte zu lenken. Seine tiefe, einschüchternde Stimme hallt durch den Raum, aber ich bekomme kaum mit, was er sagt. Jedes Mal, wenn ich mich zum Kessel drehe, fühle ich Harrys Augen auf meinem Rücken. Am Ende der Stunde habe ich keine Ahnung mehr, woran wir gearbeitet haben. Meine Notizen sind ein einziges Chaos, weil ich die Hälfte der Zeit damit verbracht habe, unauffällig zu versuchen, zu ihm zurückzusehen. Nachdem Snape seinen Unterricht beendet hat und wir zum Klassenzimmer von Professor Binns gehen, weiß ich nicht mehr, was wir in Zaubertränke überhaupt gemacht haben.
Dieses Mal haben wir mit den Ravenclaws Unterricht. Sie sitzen an ihren Tischen und schreiben gefühlt jedes einzelne Wort von Professor Binns auf, als hinge ihr Leben davon ab. Ihre Köpfe sind konzentriert über ihre Pergamente gebeugt, und die Federn kratzen ununterbrochen über das Papier. Wir hingegen machen das nicht – wir sind ja nicht bescheuert. Die Slytherins haben eine Abmachung mit den Ravenclaws jedenfalls in der Geschichte der Zauberei. Unsere Abmachung ist, dass wir im Unterricht bei Binns ruhig sind, damit sie sich konzentrieren können, und dafür bekommen wir im Gegenzug ihre Aufschriebe. Die sind immer ordentlich und akkurat, was uns das Lernen deutlich erleichtert. Es funktioniert auch überraschend gut, obwohl wir anfangs skeptisch waren.
Blaise kam auf die Idee, nachdem Pansy sich wieder einmal lautstark darüber beschwert hatte, dass sie nichts im Unterricht mitbekommt, weil sie bei Professor Binns’ monotoner Stimme regelmäßig eindöst. Ich konnte das gut nachvollziehen – Binns’ leiernder Ton könnte sogar einen aufgeregten Hippogreif in den Schlaf wiegen. Also hat Blaise in einer DA-Stunde die Ravenclaw Vertrauensschüler Padma Patil und Anthony Goldstein angesprochen und ihnen unseren Vorschlag unterbreitet. Die beiden schienen anfangs unsicher, aber sie fragten ihre Klassenkameraden und führten eine Abstimmung durch. Das Ergebnis war ein klares „Ja“.
Nach unserer Trainingseinheit haben wir uns dann alle in einem ungenutzten Klassenzimmer versammelt, um die Regeln festzulegen. Wir einigten uns darauf, dass wir keine lauten Geräusche machen und generell den Unterricht nicht stören dürfen. Im Gegenzug erhalten wir am Ende der Stunde Kopien ihrer Aufschriebe. Bis jetzt hat es keine Probleme gegeben, und das Abkommen funktioniert reibungslos.
Während Binns vorne in seinem typischen monotonen Tonfall einen historischen Vortrag hält, tippt Blaise mir plötzlich aufgeregt auf den Arm. Er schiebt mir eine leere Pergamentrolle hin, damit wir uns schriftlich unterhalten können. Das ist zu einer Art Tradition geworden. Was sollen wir auch sonst machen? Lesen? Schlafen? Löcher in die Luft starren?… Wir dürfen schließlich keine Geräusche machen, die die Ravenclaws stören könnten.
Blaise beginnt, auf das Pergament zu schreiben. Seine Stirn ist leicht gerunzelt, während er angestrengt nach den richtigen Worten sucht. Schließlich schiebt er mir das Pergament zu, und ich lese.
„Pansy hat „Ja“ zu dem Date gesagt! (vor Aufregung auf und ab hüpfen). Kannst du mir helfen? Ich weiß nicht, was ich zum ersten Date machen soll. Soll ich ihr davor was schenken, so Blumen, Schmuck, Schokolade? Mag sie überhaupt Schokolade? Bitte hilf mir. (Flehender Hundeblick) Mach mir ein paar Vorschläge, bitte!“
Ich muss grinsen und überlege kurz, bevor ich schreibe.
„Es war so klar, dass sie ja sagt (Augen verdrehen). Ich würde ihr eine Rose schenken, am Anfang des Dates. Nicht zu viel, aber auch nicht nichts. Keine Ahnung, was man beim ersten Date macht – denk dir selber was aus, es ist dein Date. Außerdem: Warum weißt du nicht, ob Pansy Schokolade mag oder nicht? Alter, wir sind seit wir Kleinkinder sind befreundet. (Zeigt einen Vogel)“
Ich schiebe das Pergament zurück zu Blaise und schaue wieder nach vorne zu Binns, um ihm Zeit zu geben, zu lesen und zu antworten. Dabei wandern meine Gedanken unweigerlich zu einem gewissen grünäugigen Gryffindor. Ich frage mich, ob er Schokolade mag. Bestimmt – immerhin trinkt er jeden Samstagmorgen eine Tasse heiße Schokolade zum Frühstück. Es würde doch keinen Sinn ergeben, wenn er die flüssige Variante mag, aber nicht die feste.
Was wir wohl bei einem ersten Date machen würden? Vielleicht etwas Einfaches, wie einen Spaziergang über die Ländereien von Hogwarts, oder doch etwas Spannendes, wie Quidditch zusammen spielen? Aber nein, wir sind nur Klassenkameraden. Vielleicht sogar Freunde, aber mehr auch nicht. Er fühlt bestimmt nicht das Gleiche wie ich.
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als Blaise mir das Pergament wieder zuschiebt.
„Ja, ich weiß, dass wir schon so lange befreundet sind, aber ich kann mich nicht erinnern, sie jemals Schokolade essen gesehen zu haben (Nachdenkliches Gesicht). Aber Draco, ich weiß nicht, was ich mit ihr machen soll! Mir fallen so viele verschiedene Sachen ein, ich kann mich nicht entscheiden. HILFE!!! (Panik)“
Ich muss schmunzeln und kritzle schnell meine Antwort.
„Wenn sie noch nie in deiner Gegenwart Schokolade gegessen hat, dann mag sie sie vermutlich auch nicht, oder? (Skeptisches Augenbrauenhochziehen). Dann sag mir mal deine Vorschläge, was du mit ihr machen willst. Ich kann dir ja sagen, was gut und was schlecht ist.“
Das Pergament findet wieder seinen Weg zu Blaise. Ich lehne mich zurück und beobachte ihn aus den Augenwinkeln. Er liest konzentriert, ein nachdenklicher Ausdruck liegt auf seinem Gesicht. Dann beginnt er zu schreiben, diesmal mit einem kleinen, zufriedenen Lächeln auf den Lippen. Es scheint, als habe er zumindest ein paar Ideen, die ihm gefallen. Dann schiebt er mir das Pergament zu. Darauf steht eine Liste:
„Spaziergang um den See
Ein Picknick auf dem Astronomieturm
Am Wochenende nach Hogsmeade in das eine romantische Restaurant“
Ich lese mir alle seine Vorschläge durch und überlege angestrengt, bevor ich antworte.
„Wann willst du am Wochenende nach Hogsmeade? Wir haben DA-Treffen! Es ist verdammt kalt draußen, da erfriert ihr doch. Oder willst du die ganze Zeit den Wärmezauber „Foveo“ aufrechterhalten? Glaub mir, das wird anstrengend. Oder wollt ihr in dicken Mänteln essen und frierend das Essen genießen? Das Spazierengehen finde ich noch am logischsten, weil du dabei nicht so große Wärmezauber brauchst und ihr flexibel bleibt. Es kann nicht so viel schiefgehen, und ihr könnt euch in Ruhe unterhalten.“
Ich gebe ihm das Pergament zurück, und Blaise liest konzentriert. Seine Augenbrauen ziehen sich kurz zusammen, dann nickt er an einigen Stellen zustimmend. Danach greift er wieder zum Federkiel und schreibt.
„Danke, Draco.“
Ich grinse und schreibe ein „Klar (flirtendes Zwinkern)“ darunter. Als Blaise es liest, presst er sich die Hand vor den Mund, um nicht laut loszulachen. Sein Lachen lässt seine Schultern leicht zittern, und ich sehe, wie er sich wieder sammelt, bevor er weiterschreibt.
„Heb dir das Flirten für deinen Gryffindor auf (Kichern).“
Mir wird ganz heiß, als ich „deinen Gryffindor“ lese. Ich spüre, wie mein Herz kurz schneller schlägt, aber zum Glück muss ich nicht mehr antworten, denn der Unterricht ist vorbei, und ich mache mich schnell auf den Weg zum Arithmantik-Klassenzimmer im 5. Stock. Dort habe ich mit ein paar Ravenclaws und Granger Arithmantik bei Professor Vektor.
Das Klassenzimmer von Professor Vektor ist eines der modernsten in Hogwarts. Es ist hell erleuchtet, mit hohen Fenstern, durch die man die verschneiten Ländereien von Hogwarts sehen kann. Die Tische sind in ordentlichen Reihen aufgestellt, und vor der Tafel hängt eine riesige mechanische Uhr, die Professor Vektor zur Erklärung von Formeln nutzt.
Nach einer Stunde habe ich endlich Mittagspause. Ich verbringe sie mit meinen Freunden im Gemeinschaftsraum. Pansy redet aufgeregt mit Blaise über irgendetwas – vermutlich über ihr bevorstehendes Date – während Millicent und ich uns über das Mittagessen unterhalten. Danach geht es für mich wieder hoch in den 5. Stock zur nächsten Arithmantik-Stunde.
Ich muss jedes Mal von ganz unten nach ganz oben laufen – ernsthaft, wer plant solche Stundenpläne? Meine Beine fühlen sich jedes Mal an, als hätten sie ein eigenes Leben, und ich bin sicher, dass diese Treppen magisch manipuliert werden, um uns noch mehr zu quälen.
Nach Arithmantik gehe ich endlich in die Kerker, in mein Zimmer. Ich nehme meine Tasche ab, werfe sie auf das Bett und setze mich an den kleinen Schreibtisch, der an der Wand steht. Der Raum ist still, bis auf das gelegentliche Knarren der Rohre. Ich bereite den Oklumentik und Legilimentik Unterricht für morgen und übermorgen vor, blättere durch dicke Bücher und schreibe mir Notizen auf, während ich hin und wieder aus dem Fenster blicke. Der Gedanke, wie viel ich noch erledigen muss, fühlt sich an wie ein unsichtbares Gewicht auf meinen Schultern.
Als ich fertig bin, schnappe ich mir meine Tasche und gehe mit den anderen zum Abendessen in die Große Halle. Das Essen ist wie immer reichlich, und ich lasse mich von der ausgelassenen Stimmung meiner Freunde mitziehen. Später in der Nacht, als die Kerker still werden und die meisten Schüler schon in ihren Betten sind, treffen wir uns – Pansy, Blaise, Millicent und ich – im Gemeinschaftsraum. Gemeinsam schleichen wir uns durch die dunklen Flure und Treppenhäuser zum Raum der Wünsche, wo wir mit der DA unser Training fortsetzen.