
Der Gedanke in meinem Kopf
Ich werde von etwas oder jemandem geweckt, das auf mein Bett springt. Die Matratze wackelt unter dem Gewicht, und ich höre ein fröhliches: „Aufstehen, Draco, es ist sieben Uhr!“ Blaises Stimme schallt durch das Zimmer, viel zu laut für diese unchristliche Uhrzeit. Ich murmele etwas Unverständliches und ziehe mir meine schwarze Decke über den Kopf, als könnte ich mich vor seiner guten Laune verstecken.
Doch Blaise, wie immer unerbittlich, er lässt sich davon nicht entmutigen. Ich höre, wie er einmal tief einatmet – das Vorzeichen seiner typischen Übertreibungen – bevor er meine Decke packt und mit einem Schwung in eine Ecke des Zimmers wirft. Die kalte Luft, die in unserem Zimmer herrscht, trifft mich wie ein Schlag. „Hey, das ist nicht fair!“ murre ich und schieße ihm einen wütenden Blick zu, während ich halb aufrecht im Bett sitze. Die Sonne scheint noch nicht einmal richtig, nur ein fahles Morgenlicht fällt durch die Kerker Fenster herein, und ich überlege ernsthaft, ob ich ihm nicht den „Spuck Schnecken“ Fluch entgegenschleudern soll.
Blaise ignoriert meinen Protest vollkommen. Stattdessen grinst er breit, als hätte er gerade den besten Witz seines Lebens gemacht. Ohne ein weiteres Wort schlendert er zu seinem Kleiderschrank und beginnt mit einer Ruhe, die fast provokativ wirkt, seine Sachen für den Tag herauszusuchen. Er nimmt jedes einzelne Kleidungsstück heraus, mustert es, als ginge es um Leben und Tod, und legt es dann doch zurück. Er braucht dafür immer eine Ewigkeit, was der Hauptgrund ist, warum er früher aufsteht als ich. Wobei – warum zur Hölle macht er sich eigentlich die Mühe? Wir haben eine Schuluniform, verdammt noch mal. Wie schwer kann es sein, eine schwarze Robe und ein paar graue Hosen auszuwählen?
Mit einem genervten Seufzen schwinge ich meine Beine aus dem Bett. Der stein Boden ist eiskalt, und ein leichter Schmerz sticht in meine Schläfen, als ich aufstehe. Es ist die Strafe dafür, dass ich gestern nicht einschlafen konnte. Dank Harry fucking Potter, der es mal wieder geschafft hat, sich in meinen Kopf einzunisten. Plagen mich jetzt Kopfschmerzen , weil ich zu wenig geschlafen habe. Ich schüttle den Kopf, um den Gedanken loszuwerden, aber er sitzt wie ein Fluch in meinem Schädel fest.
Na schön, dann muss ich wohl einen Schmerztrank nehmen. Wenigstens haben die DA-Treffen und Grangers Unterricht einige Vorteile. Wir brauen – egal, welches Projekt wir gerade selber haben – immer die wichtigsten Tränke in ausreichender Menge. Diptam-Essenz, Aufpäppel Trank, blutbildender Trank, schmerzlindernder Trank, Vielsafttrank und Stärkungstrank stehen immer bereit. Es ist fast absurd, wie gut Granger’s Organisation ist– nicht, dass ich das jemals laut sagen würde.
Und dann ist da noch die Schokolade, die ich immer in der Tasche habe. Gut, Schokolade ist zwar kein Trank, aber sie kann wahre Wunder wirken, besonders nach einem Dementoren-Angriff. Ich habe mir angewöhnt, all diese Vorräte in meinen Umhangtaschen aufzubewahren. Mit dem Vergrößerungszauber „Engorgio“ passen sie problemlos hinein, und dank „Soccus“ fühlen sie sich nicht schwerer an, als hätten sie die Größe eines Knopfes. Blaise nennt das immer meine „tragbare Apotheke“, aber ich nenne es Überlebensinstinkt.
Zusätzlich trage ich einen kleinen braunen Lederbeutel bei mir. Auch der wurde auf dieselbe Weise verzaubert. Ich trage ihn nun ständig an meinem Körper, am Anfang war es nervig aber mittlerweile ist er zu einem teil meines Körpers geworden. Der Gedanke, im Notfall keinen Trank zur Hand zu haben, ist unerträglich – vor allem, wenn wir unterwegs angegriffen werden könnten.
Außerdem habe ich mir einen zweiten Zauberstab besorgt. Zur Sicherheit. Falls ich meinen ersten verlieren sollte – was selbstverständlich nie passieren wird. Oder für den Fall, dass ein Kamerad aus der DA im Kampf einen Ersatz braucht. So kann ich ihm einen der Stäbe geben, ohne meine eigene Verteidigungsfähigkeit zu riskieren. Mein zweiter Zauberstab ist aus hellem Birkenholz gefertigt. Der Kern besteht aus Einhornhaar und einer Phönixfeder. Mit seinen 11 Zoll liegt er etwas schwerer in der Hand als mein alter Stab, aber er fühlt sich trotzdem vertraut und richtig an – fast, als hätte er nur auf mich gewartet.
Ich hole mir aus meinem Umhang einen schmerzlindernden Trank und kippe mir das eklige Zeug in den Rachen. Der Geschmack erinnert an muffigen Regenwald – nicht angenehm, aber er wirkt. Während ich warte, dass der Trank seine Wirkung entfaltet, gehe ich ins Badezimmer. Jedes Zimmer hat ein eigenes Badezimmer, und je nachdem, wer in dem Zimmer wohnt, verändert das Bad sich. Es ist eine dieser magischen Eigenheiten von Hogwarts, die man irgendwann einfach akzeptiert.
Zum Beispiel im Zimmer von Nott, Crabbe und Goyle ist das Badezimmer größer – logisch, sie sind auch eine Person mehr. Außerdem ist es in den Farben Schwarz, Grün und Silber gehalten. Soweit ich weiß, sind die Dusche, die Badewanne und die drei einzelnen Waschbecken aus schwarzem Marmor. Die Fliesen an den Wänden und auf dem Boden sind grün und aus Granit. Alles, was sich verzieren lässt, ist mit silbernen Stuckelementen versehen. Es wirkt übertrieben protzig, fast wie eine schlechte Karikatur eines Slytherin-Badezimmers. Persönlich finde ich es ungemütlich, aber das überrascht mich bei diesen drei auch nicht.
Unser Badezimmer ist natürlich kleiner. Wir haben zwei Duschen, weil wir so viele Produkte für unsere Haare oder Körperpflege brauchen – vor allem Blaise. Ich glaube, der hat fünf verschiedene Seifen und doppelt so viele Shampoos. Eine Dusche ist weiß, und eine ist schwarz. Ich glaube, das Schloss hat sich da an unserer Haarfarbe orientiert. Es gibt einen kleinen Schrank, in dem wir Handtücher und andere Utensilien aufbewahren. Außerdem haben wir ein großes Waschbecken aus Keramik, das so breit ist, dass wir beide nebeneinander Platz haben. Der Boden besteht aus großen mahagonifarbenen Steinfliesen, die angenehm warm wirken, und die Wände sind weiß gestrichen. Unser Badezimmer fühlt sich viel wohnlicher an als das der anderen – fast schon heimelig, wenn man so will.
Ich werfe einen kurzen Blick in den großen Spiegel über dem Waschbecken und fange an, mich fertig zu machen: Zähneputzen, Gesicht waschen, Haare stylen. Duschen muss ich nicht mehr, das habe ich ja gestern schon erledigt. Als ich fertig bin, gehe ich wieder in unser Schlafzimmer und sehe Blaise, der vor dem Ganzkörperspiegel, der an der Steinwand hängt, posiert. Sein Lächeln ist so selbstverliebt, dass ich grinsen muss, bevor ich theatralisch stöhne: „Blaise, ernsthaft, wenn du weiter so machst, denken alle, du bist schwul, und ich bin dein Lover!“ Blaise lacht, dreht sich um und antwortet gespielt schwul: „Ach, Draco, Baby, wir sind doch schon Lover im Geiste.“ Er tippt sich an die Schläfe und zieht einen Schmollmund.
Ich starre ihn an. Bei seinem Gesicht und vor allem dem Schmollmund kann ich nicht mehr an mich halten und pruste vor Lachen los. Mir treten Tränen in die Augen, und ich falle fast um, so sehr schüttelt es mich. Blaise stimmt ein paar Sekunden später mit ein, sein Lachen ist so ansteckend wie immer. Es hallt durch das Zimmer und verstärkt meinen eigenen Lachanfall nur noch mehr. Nach ein paar Minuten, in denen wir kaum Luft holen können und uns vor Lachen schon alles weh tut, beruhigen wir uns endlich. Ich wische mir eine Träne aus dem Augenwinkel, hole tief Luft und gehe zu meinem Schrank, um mir eine Garnitur der Schuluniform herauszusuchen.
Es ist kalt draußen – es ist ja schließlich Anfang Februar – und obwohl die Kälte in den Gemäuern von Hogwarts durch Zauber gedämpft wird, spürt man sie doch. Also greife ich nach den langärmligen Kleidungsstücken. Der Stoff fühlt sich angenehm glatt und warm an, während ich die Kleidung anziehe. Der Blick aus dem kleinen Fenster verrät, dass es draußen vermutlich frostig ist. Ein dünner Nebel hängt über den Ländereien, und ich kann mir vorstellen, wie sich Raureif über die Bäume und die Wiese gelegt hat.
Als wir fertig sind, gehen Blaise und ich Seite an Seite in den Gemeinschaftsraum. Unsere Gesichter erstarren automatisch in einer arroganten, kalten Maske, die jegliche anderen Emotionen ausschließt. Es ist wie ein Schutzschild, das uns von den anderen abgrenzt, eine Fassade, die wir seit Jahren perfektioniert haben. Es fällt mir mittlerweile kaum noch auf, wie automatisch ich in diese Rolle schlüpfe.
Im Gemeinschaftsraum treffen wir auf die anderen unseres Jahrgangs. Wir sind mal wieder die Letzten, aber die anderen kennen das schon. Sie alle wissen, wie lange Blaise braucht, um sich fertig zu machen. Ich stelle mich an die Spitze der Gruppe, mit einem selbstbewussten Schwung, der fast schon zur Gewohnheit geworden ist.
Hinter mir folgen Pansy und Nott, weil sie die Vertrauensschüler dieses Jahr von Slytherin sind. Meiner Meinung nach ist das eine echt schlechte Mischung. Pansy hasst Nott und auch umgekehrt, es ist eine unausgesprochene Regel, dass sie kaum miteinander reden, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Ich kann es ihr auch nicht wirklich verdenken – Nott ist ein blinder Idiot, der dem Dunklen Lord hinterherläuft, als würde davon seine gesamte Existenz abhängen. Er ist nerv tötend und eine Memme; er heult fast, wenn Snape ihn streng anschaut.
Nach den beiden kommen Blaise und Millicent. Sie flüstern miteinander, ihre Köpfe nah beieinander. Vermutlich tauschen sie den neuesten Klatsch und Tratsch aus, was bei Blaise keine Überraschung ist. Er hat ein Talent dafür, Gerüchte aufzuspüren und sie mit einer Mischung aus Amüsement und Distanz weiterzugeben. Millicent wiederum hat eine Vorliebe für dramatische Geschichten, was die beiden zu einem unerschöpflichen Reservoir an Klatsch macht.
Hinter den beiden läuft Greengrass. Sie hat wie immer einen kühlen, fast abwesenden Ausdruck im Gesicht. Ihre Haltung ist tadellos, und sie bewegt sich mit einer Eleganz, die ein wenig einschüchternd wirkt. Greengrass hat nicht wirklich Freunde. Sie bleibt eher unter sich und tauscht nur gelegentlich ein paar Worte mit ihrer Schwester aus. Beide sind treue Anhänger des Dunklen Lords, was sie zwar in unserer Gruppe verankert, aber nicht unbedingt beliebt macht. Ich habe oft den Eindruck, dass Greengrass mehr für ihre Familie als für sich selbst lebt. Ihre Schwester Astoria, die ein Jahr jünger ist, wirkt manchmal ganz anders – offener, neugieriger – aber es ist klar, dass ihre Familie sie zurückhält, damit sie so verschlossen wird wie ihre Schwester.
Am Ende der Gruppe laufen Crabbe und Goyle. Sie sind wie Nott überzeugte Anhänger des Lords, aber bei weitem nicht so anstrengend. Im Gegensatz zu ihm sind sie meistens still und entspannt, aber das macht sie nicht weniger gefährlich. Sie haben eine Vorliebe für Folterflüche und eine sadistische Ader, die bei ihnen unerwartet ausbrechen kann. Man sollte sie nicht unterschätzen, auch wenn sie oft wie dumpfe Schatten wirken.
Wir kommen in der Großen Halle an. Es ist jetzt acht Uhr, und die meisten Schüler sind schon da. Ein geschäftiges Summen erfüllt die Halle, während Teller und Tassen klirren und Gespräche die Luft füllen. Die langen Tische der vier Häuser sind reich gedeckt – dampfende Teekannen, frisch gebackene Brötchen, Aufschnitt, Eier und vieles mehr. Der Duft von heißem Kaffee und gebuttertem Toast liegt in der Luft und mischt sich mit der kühlen Morgenluft, die durch die hohen Fenster strömt.
Ich halte meine Emotionen wie immer unter Kontrolle und versuche, nicht zum Gryffindor-Tisch zu sehen. Es ist ein Kraftakt, der mir schwerer fällt, als ich zugeben möchte, ich will Harry unbedingt wieder sehen . Stattdessen schreite ich mit ausladenden Schritten zu meinem Platz am Haustisch der Slytherins. Neben mir lassen sich Blaise auf der linken und Nott auf der rechten Seite nieder.
Gegenüber von uns sitzen die Mädchen. Millicent kaut gedankenverloren auf einem Croissant herum und blickt zu Pansy, die wie ein Wasserfall auf Blaise einredet. Sie diskutiert mit ihrem üblichen Eifer über die Verwandlungsaufgabe, während Blaise mit einem strahlenden Lächeln nickt und gleichzeitig seelenruhig seinen Tee umrührt. Manchmal verstehe ich nicht wie Pansy nicht sehen kann das Blaise total verknallt in sie ist. Greengrass schweigt, wie so oft, und wirft nur hin und wieder einen gelangweilten Blick in die Runde. Ihre Bewegungen sind minimal, aber elegant – als würde sie sich nicht mehr Mühe geben, als unbedingt nötig. Sie und Nott flüstern gedämpft, vermutlich über den Unterschied zwischen Rein Blut und Schlammblut – ein Thema, das mich mittlerweile nur noch anödet. Es ist immer dasselbe Gerede, die gleichen hohlen Überzeugungen.
Wo Crabbe und Goyle sind, weiß ich nicht, und ehrlich gesagt will ich es auch nicht wissen. Vermutlich haben sie sich wieder ein zusätzliches Tablett besorgt oder planen ihre nächste Dummheit – wahrscheinlich etwas, das nur ihnen komisch vorkommt.
Mein Blick wandert automatisch zum Gryffindor-Tisch und zu Harry. Da ich denke das niemand von meinen Hauskameraden mich beachtet. Er sitzt ungefähr in der Mitte des Tisches, umgeben von Granger und Weasley. Seine schwarzen Haare stehen wild von seinem Kopf ab, als wäre er gerade erst aufgestanden, was er vermutlich auch ist. Seine smaragdgrünen Augen leuchten hinter der Brille, die er gerade ein wenig hochschiebt, als er über etwas lacht, das Neville gesagt haben muss.
Neville sitzt direkt vor ihm und grinst breit. Er ist nicht mehr der ängstliche Junge, der bei jeder Kleinigkeit zusammenzuckt. Das Training in der DA hat ihn verändert, stärker gemacht – und das nicht nur körperlich. Sein Gesicht ist kantiger geworden, die kindlichen Rundungen sind verschwunden, und ihm sprießen die ersten Barthaare. Seine Augen, früher oft unsicher und scheu, haben jetzt einen festen, entschlossenen Ausdruck. Selbst bei Professor Snape weicht er nicht mehr zurück, sondern hält den Blick. Man merkt sofort: Neville hat keine Angst mehr.
Er ist unser Stratege. Niemand denkt so logisch wie er. Jeder Schritt eines Plans wird von ihm durchdacht, jede Möglichkeit analysiert. Eigentlich war Weasley immer der Stratege der Gryffindor-Truppe, aber Neville? Neville ist besser. Und das will schon etwas heißen, denn Weasley hat großes Talent, dass er beim Schach spielen unter Beweisstellt. Ich frage mich, ob Harry ihn auch gebeten hat, am Wochenende in den Kampf Stunden von Weasley zu unterrichten. Wahrscheinlich würde es Sinn machen.
Ich reiße meinen Blick von Neville los und schaue wieder zu Harry. Diesmal schaut er mich direkt an. Sein Blick ist ruhig, fast herausfordernd, und dann – ganz unverschämt – hebt er die Mundwinkel zu einem schelmischen Grinsen. Mein Herz setzt kurz aus, als er mit einer unauffälligen Geste auf Granger deutet und mir dabei tief in die Augen sieht.
Ich erstarre. Scheiße! Hat Granger Harry etwa erzählt, dass ich gestern Nacht wie der letzte Idiot gefragt habe, warum er nicht da war? Mir wird abwechselnd heiß und kalt. Es ist, als würde sein Blick mich durchbohren und mein Innerstes nach außen kehren. Harry nickt kaum merklich, ein triumphierender Ausdruck auf seinem Gesicht. Scheiße! Ich bin so am Arsch!
Harry grinst immer noch – wie ein Raubtier, das seine Beute genau im Blick hat. Mein Gesicht wird heiß, und ich breche den Blickkontakt so abrupt wie möglich ab und starre stattdessen auf meinen Teller. Verdammt. Jetzt denkt er bestimmt, ich bin total verknallt oder einfach nur dämlich.
Okay, ich bin verknallt in ihn, aber das muss er doch nicht wissen! Er hat doch Weaselette, diese blöde rothaarige Schnepfe, die ihn ununterbrochen anhimmelt. Was könnte er dann von mir wollen? Es gibt keine Chance, dass er mich je so sieht wie ich ihn. Außerdem ist er gar nicht Schwul, dass wüsste ich.
„Hey Draco, was hat dir dein Marmeladen-Toast denn getan, dass du es mit deinen Blicken durchbohrst?“ Millicents tiefe, sanfte Stimme holt mich aus meinen Gedanken. Sie lehnt sich ein wenig über den Tisch und schmunzelt, als ich zu ihr aufsehe.
Heute trägt sie ihre rabenschwarzen Haare in einem strengen Knoten, der ihre hohen Wangenknochen betont. Ihre warmen, karamellfarbenen Augen funkeln belustigt, als sie mich mustert. „Nichts, Millicent. Ich habe nur keinen Hunger mehr,“ sage ich kühl, mit einer leichten Schärfe in meiner Stimme. Vielleicht versteht sie dann, dass ich nicht in Stimmung für ein Gespräch bin.
Doch Millicent ignoriert meinen Tonfall. Sie lässt sich davon nie abschrecken, das ist eine ihrer Eigenarten. Stattdessen beugt sie sich noch ein wenig näher zu mir und raunt leise: „Neuer Schwarm oder alter Schwarm?“ Ihre Stimme hat diesen neckenden Unterton, den sie immer hat, wenn sie mich ärgern will.
Dann lehnt sie sich wieder zurück, ihre Augen funkeln jetzt vor Neugier. Millicent weiß seit ein paar Monaten von meiner Schwärmerei für Harry. Sie hat mich damals erwischt, wie ich ihn – wie sie es nennt – „angestarrt habe, als wäre ich von einem Liebeszauber getroffen worden“.
Zuerst habe ich alles abgestritten, aber sie hat nicht locker gelassen, also habe ich es schließlich zugegeben. Ihr Gesicht hatte sich sofort aufgehellt, als hätte ich ihr das beste Geschenk ihres Lebens gemacht. Ich bin mir sicher, sie hätte am liebsten sofort Pansy und Blaise alles erzählt. Innerhalb einer Woche wäre mein Ruf auf Hogwarts ruiniert gewesen – und nicht nur, weil dann herausgekommen wäre, dass ich schwul bin. Nein, die Krönung wäre gewesen, dass ich ausgerechnet in Harry fucking Potter verliebt bin.
Also hatte ich sie in eine Ecke gezogen und ihr mit so viel Ernsthaftigkeit wie möglich gedroht, sie umzubringen, wenn sie auch nur einer sterbensseele davon erzählt. Sie hatte nur gelacht, ihre Augen voller Belustigung, und mir dann auf ihre Magie geschworen, dass niemand je etwas von ihr erfahren würde.
Am Ende hatten es Pansy und Blaise aber sowieso selbst herausgefunden. Sie sind nicht dumm, und anscheinend bin ich nicht so subtil, wie ich dachte. Beide mussten ebenfalls schwören, nichts weiterzusagen.
Ich schaue Millicent jetzt finster an und murmle: „Alt.“ Sie nickt zufrieden, ein breites Grinsen auf den Lippen, und wendet sich wieder ihrem Essen zu.