
In dem einiges wie gewohnt ist, anderes doch eher unerwartet und Harry sich Gedanken macht
Sie hatten Zaubertränke wieder zusammen mit den Gryffindors. Wie im letzten Jahr arbeiteten sie in Paaren und wie im letzten Jahr hatte sich Hermine zu Millicent und den beiden Jungen gesellt. Sie saßen in der vordersten Reihe und Hermine befragte ihre Freundin noch darüber, was sie in ihren Hausarbeiten geschrieben hatte, da kam Severus in den Raum. Sein langer schwarzer Umhang flatterte, während er nach vorn zum Lehrertisch zu gleiten schien. Es gab wirklich wenige Orte auf der Welt, an denen sich der hakennasige Mann wohler fühlte, als seine Unterrichtsräume. Obwohl er auch die Arbeit an seinen eigenen Pflanzen in Llanbedr mochte.
„Nun.“, begann er seine Ansprache, „Wir beginnen heute also unser zweites Jahr miteinander. Wobei ich hoffe, dass einige von euch versuchen werden, ihre Leistungen maßgeblich zu verbessern, und dass diejenigen, die sich nicht angesprochen fühlen, erst recht versuchen werden ordentliche Arbeit zu verrichten. Wobei ich nicht damit rechne, dass es tatsächlich vielen gelingen wird. Doch wenn ihr euch bemüht, könnt ihr vielleicht alle doch noch zumindest etwas lernen. Miss Granger?“
„Ja?“, meldete sich Hermine zu Wort und stand auf.
„Sammeln Sie doch bitte die Hausarbeiten ein, die ich über die Ferien aufgab und legen Sie sie mir dann nach vorne. Alle übrigen beginnen bitte damit auf Seite 121 das Rezept für einen einfachen Trank gegen Verbrennungen zu lesen und dann mit Zutaten aus dem Vorratsschrank paarweise nach zu brauen. Dieser Trank ist simpel und ähnelt einigen, die Sie im letzten Jahr gebraut haben“, Severerus Blick wanderte umher und blieb an einem nervösem Neville kurz hängen, „oder zu brauen versucht haben... Ich erwarte also, dass Sie keinerlei Probleme haben werden. Sollten Sie vor Ende der beiden Stunden fertig sein, können Sie sich an einem der beiden Tränke auf den nächsten beiden Seiten versuchen.“ Er nahm vorn hinter dem Lehrertisch Platz und begann dann ihre Arbeiten durchzusehen, während Hermine sich wieder setzte.
Das Rezept war tatsächlich im Grunde recht einfach, nur dauerte die Vorbereitung ziemlich lange und Harry musste sehr genau darauf achten, dass er sich beim Umrühren mit mehrfachem Wechsel der Richtung nicht verzählte, während Draco zermahlene, zerstoßene, zerschnittene und zerhackte Zutaten nach und nach dazu gab, die bei diesem Trank fast alle erst während des Brauens beigefügt werden mussten.
Irgendwie schaffte es jedes Paar ihren Trank ohne Unfälle oder größere Probleme zu brauen, während Severus vorne ab und zu einen Blick in die Klasse warf, um sich dann wieder ihren Arbeiten zu zu wenden. Nach einer Stunde waren Harry und Draco von dem ersten Trank zum zweiten übergegangen, während Severus aufgestanden war und von Kessel zu Kessel ging, um die bisherigen Ergebnisse zu betrachten. Sie schafften es schließlich sogar mit dem dritten Trank zu beginnen, bevor der Unterricht endete. Da sie für heute keinen weiteren Unterricht hatten, blieben beide noch, um auch den letzten Trank zu Ende zu bringen, während Millicent und Hermine neben ihnen saßen und sich unterhielten, und auf sie warteten. Anscheinend hatte Lockhart die Wichtel auf Gryffindors doch loslassen können, allerdings war Hermines Sicht der Dinge die, dass er es getan hatte, um ihnen gute praktische Erfahrung zu liefern. Millicents eher trockene kurze Kommentare dazu, wischte die Gryffindorschülerin zur Seite.
Severus ging zu ihnen hinüber, als der Rest der Klasse bereits gegangen war. Er begutachtete Dracos und Harrys Kessel und meinte dann: „Ihr wollt den Trank noch fertigstellen?“
Die beiden Jungen nickten und Severus runzelte die Stirn, dann meinte er: „Gut. Alles sieht aus, wie es aussehen müsste, aber wenn ihr nach dem Rezept im Buch geht, wird es noch eine Weile dauern. Wartet kurz.“
Damit ging er zu den Zutatenschränken, um mit einer kleinen Flasche mit dunklem Pulver zurückzukommen. Er ging wieder an ihren Tisch, streckte wortlos eine Hand aus und Harry reichte ihm, diese Geste gewohnt von den malen, wenn er Severus bei ihnen zu Hause einmal helfen durfte, wortlos den Rührstab, den sie beim Brauen dieses Trankes verwendeten.
„Das ist eine Abwandlung, die die Zeit, die wir hier benötigen, verkürzt, und die ihr sicherlich in keinem Lehrbuch finden werdet, da eine falsche Handhabung zu großen Unfällen führen kann.“, erklärte er, bevor er ein wenig von dem Pulver beigab und dreimal gegen und dreimal im Uhrzeigersinn rührte und dabei die Temperatur des Feuers unter dem Kessel langsam senkte. Einen Augenblick später nahm der Trank die hellgrüne Farbe an, die er haben sollte, wenn er fertig war.
„Wenn ihr in den nächsten fünf Wochen im Unterricht so arbeitet wie heute, verrate ich euch, was es damit auf sich hat.“, sagte Severus, „Und jetzt macht, dass ihr fort kommt. Ich bin sicher, ihr habt noch andere Dinge, die ihr heute tun könnt.“ Obwohl er wahrscheinlich genervt klingen wollte, war Harry sich sicher, dass er und Draco gerade ein Kompliment bekommen hatten.
„Lehrerlieblinge...“, murmelte Millicent, während sie zu viert Richtung Bücherei gingen. Harry hatte sich daran erinnert, dass er immer noch das Buch, das er und Severus im Gemeinschaftsraum gefunden hatten, abgeben musste.
„Ha!“, sagte Draco, „Er ist mein Pate, ich habe alles Recht sein Liebling zu sein.“
„Wenn du im Unterricht schludrig würdest, würdest du mehr Ärger bekommen, als irgendwer sonst.“, meinte Harry.
„Ich bin unfehlbar.“, erwiderte Draco mit übertriebenem Ernst, „Niemals könnte dies vorkommen.“
„Weißt du noch dieses eine mal im letzten Jahr, als du die zermahlenen Gänseblümchenwurzeln mit den zerriebenen Giftschlangenschuppen vertauscht hast...“, meinte Harry.
„Ksh. Das war nicht ich. Das muss jemand anders gewesen sein, der so getan hat, als wäre er ich gewesen.“
„Klar.“, meldete sich auch Hermine zu Wort, während sie um eine Biegung gingen. „Aber er war heute wirklich ziemlich... naja... irgendwie anders, Professor Snape meine ich. Die Tränke waren sehr leicht, er hat uns uns im Großen und Ganzen uns selbst überlassen und dann euch beiden einfach so geholfen. Ich frage mich...“, murmelte sie.
Sie unterbrachen ihr Gespräch, als sie Ginny Weasley und zwei der anderen Erstklässler aus Slytherin sahen. Auch diese drei schienen eine Unterhaltung zu führen, doch war dem Aussehen nach der Inhalt dieser möglicherweise nicht ganz freundschaftlich. Die Rothaarige wirkte, als wolle sie am liebsten fort und ihre Ruhe von den anderen beiden haben.
„Hey, sagt mal, was genau tut ihr da?“, fragte Draco, „Ich meine, vielleicht irre ich mich, aber es sieht nicht so aus, als ob Weasley mit euch reden will.“
Alle sechs sahen ihn verwundert an. Erstens, weil der Blonde sich als erster zu Wort gemeldet hatte und zweitens, weil er sich nicht nur für irgendjemanden sondern auch noch für Ginny Weasley einzusetzen schien.
„Gehen wir.“, sagte einer der beiden Erstklässler zu dem anderen nach einem Blick auf die vier älteren Schüler.
„Ist alles in Ordnung?“, erkundigte sich Hermine bei der zurückbleibenden Ginevra, während die zwei Erstklässler aus Slytherin fortgingen.
„Ja. Alles okay.“, erwiderte die Rothaarige und vermied es sie anzusehen, „Ich komme zurecht. Ihr hättet euch nicht einmischen müssen.“ Dann ging sie selbst in die entgegengesetzte Richtung davon.
Harry runzelte die Stirn. Ihm gefiel das nicht. Und er war sich sicher, dass die anderen drei genauso empfanden. „Sollten wir...?“, fragte er und wurde von Draco unterbrochen.
„Wenn sie sagt, wir sollen uns heraushalten, sollten wir das tun, denke ich.“
Hermine meinte: „Wenn sie in Ärger gerät, wird sie vielleicht niemanden um Hilfe bitten, aber ich glaube nicht, dass ihre Brüder nichts merken würden und nicht einschreiten würden. Zumindest die Zwillinge nicht.“
„Aber es ist traurig, dass Erstklässler aus unserem Haus sich so unangemessen benehmen. Und sich nicht mal Mühe geben nicht gesehen zu werden.“, sagte Draco. „So etwas schadet unserem Ruf. Und sie sind wie lange hier? Zwei Tage?“
„Manchmal weiß ich nicht, ob du so tust, als wärst du mitfühlend oder ob du so tust, als wärst du eingebildet...“, murmelte Hermine.
Der Blonde tat so, als hätte er nichts gehört, während Millicent nur die Augen verdrehte, nachdem sie aus den Gedanken, in die sie versunken war, nachdem die Erstklässler fortgegangen waren, wieder aufgetaucht war und Harry leise dachte, dass wahrscheinlich beide Dinge ein wenig auf Draco zutrafen.
Hatten die anderen Erstklässler in ihrem Haus ein Problem mit Ginny, weil ihre Familie stets mit Gryffindor zusammengebracht wurde? Sie waren neu in Hogwarts, sicherlich konnten sie nicht persönliche Probleme mit ihren Geschwistern haben? Er hoffte, dass sie zurecht kommen würde. Und dass Ginny auch Verbündete und Freunde unter den Slytherins fand.
Madam Pince begrüßte die vier Zweitklässler stumm mit einem Nicken und nahm Harry das ausgeliehene Buch ab. „Du solltest fragen, wer es vergessen hatte abzugeben...“, flüsterte Draco, „Wer es auch ist, du kannst vielleicht irgendwann einmal einen Gefallen einfordern... Was, denn, Hermine, ich sage nur, es könnte von Nutzen sein, etwas gut zu haben.“
Die Angesprochene verdrehte nur die Augen, bevor sie die anderen drei zu dem Tisch zog, den sie letztes Jahr quasi zu ihrem Stammtisch gemacht hatten, sooft hatten sie zu viert und manches mal auch zu fünft, an ihm gearbeitet.
„Wir können die Aufgaben für Zauberkunst heute erledigen, dann können wir morgen anfangen mit der Arbeit für Verwandlung.“, sagte sie.
„Nicht dein Ernst.“, stöhnte Draco.
„Und ob. Du und Harry ihr werdet diesen Samstag mit Quidditch beschäftigt sein, nicht wahr? Erst deine Auswahlspiele, dann sicherlich noch Training. Und danach haben wir Zeit, Hagrid zu besuchen. Am Sonntag können wir ein paar Übungen für Verwandlung und Zauberkunst machen, Professor McGonagall hat einen Aushang gemacht mit Klassenzimmer, die dafür genutzt werden können. Jetzt ist der ideale Zeitpunkt, um anzufangen, die ersten Hausaufgaben zu erledigen.“
„Du hast Zauberkunst noch nicht einmal gehabt, und wir haben Zeit bis Mittwoch...“, meinte Draco.
„Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Und ich habe zwar noch keine Aufgaben für Zauberkunst aber bereits einen Aufsatz in Verwandlung.“, erwiderte Hermine, stellte ihre Tasche ab und ging zwischen den Regalen nach einem Buch suchen, dass ihr bei ihren Aufgaben helfen könnte. Zwar waren die anderen drei nicht begeistert, doch sie folgten dann doch Hermines Beispiel und begannen mit dem Schreiben der elf Fuß Pergament, die ihnen Flitwick aufgegeben hatte. Wobei sie sich darauf einigten, den Lumos als Beispiel zu verwenden, weil er sie ihn alle drei gut beherrschten und weil Draco der Meinung war, es wäre am einfachsten mit dem Zauber, den sie am längsten kannten. Hermine bestand darauf, so viel wie möglich zu tun, deswegen blieben sie, bis Madam Pince die Bibliothek schloss und unterbrachen das Lesen und Schreiben nur zum Abendessen, zu dem Hermine jedoch eines ihrer eigenen Bücher mitnahm und es neben ihren Teller legte, um beim Essen gleichzeitig noch ein „spannendes Kapitel über alte Verwandlungstechniken“ zu lesen.
Es sollte sich jedoch als klug herausstellen, Hermines Rat befolgt zu haben. Am Freitag gab ihnen Professor Sprout in der gemeinsamen Doppelstunde von Slytherin und Ravenclaw, in der Terry Boot mit Millicent, Draco und Harry zu viert an einem der langen Tische im Gewächshaus drei arbeitete, das sie nun als Zweitklässler zum ersten mal nutzten, gleich noch ein paar neue Aufgaben auf. Und so interessant die Arbeit an den Alraunen, die Harry bisher nur als Zutat nie aber als lebende Pflanze gekannt hatte, war, so wenig war doch die Aussicht auf noch einen weiteren Aufsatz erfreulich. Die Lehrerin für Kräuterkunde mochte freundlich und wenig streng erscheinen, nichtsdestotrotz war sie jedoch vor allem eine Person die harte Arbeit schätzte und von ihren Schülern Fleiß und ebensolche verlangte. Auch wenn sie vielleicht schon viele andere Aufgaben haben könnten. Nun, genau genommen war wahrscheinlich Lockhart der einzige Lehrer, der seinen Schülern weniger gute Arbeit durchgehen lassen könnte. Nicht, dass Harry plante nachlässig zu sein oder schludrig (auch, wenn er fast neidisch auf Crabbe und Goyle war, die sich weniger Sorgen um Hausarbeiten machten, nur dass er nicht vorhatte Ärger deswegen zu bekommen, wie die beiden es schon im letzten Jahr öfter getan hatten). Es wäre allerdings angenehm, die ersten Schulwochen noch ein wenig Feriengefühle zu haben, bevor die Lehrer begannen ihnen fast jede freie Minute fürs Lernen abzuverlangen.
Am Samstagmorgen wartete dann auch der Kapitän der Slytherins bereits im Gemeinschaftsraum noch vor dem Frühstück auf seine Mannschaft und auf die Schüler, die hofften bald zu ihr zu gehören. Er hatte die Auswahl für Slytherin nämlich eine Woche vorgezogen mit der Begründung, dass sie am ersten Spiel der Hausmannschaften teilhaben würden.
„Wir gehen jetzt runter zum Feld.“, verkündigte er, „Und beginnen mit der Auswahl, dann machen wir eine Pause, in der ihr frühstücken könnt, dann wird trainiert. Wem das nicht passt, der kann sich gerne beschweren, aber sei versichert, dass er, oder meinetwegen auch sie, dieses Jahr kein Quidditch in meiner Mannschaft spielen wird.“
„Was ist mit denen, die zur Auswahl wollten, und noch nicht wach sind?“, erkundigte sich einer der Jäger ihres Teams.
Flint sah ihn nur kurz verächtlich an. „Leute, die verschlafen, können wir nicht gebrauchen, wenn wir dieses Jahr Wo... wenn wir die anderen Mannschaften schlagen wollen.“
„Er meint Wood, oder?“, sagte Adrian Pucey, ein weiterer Jäger zu Harry.
„Wen sonst...“, murmelte Harry zurück.
Wood war der Kapitän von Gryffindor. Und es gab weniger, das Flint mehr motivierte sie beim Training anzustacheln, als die Möglichkeit ihn und seine Mannschaft haushoch zu übertrumpfen. Oder auch nur ihn. Harry selbst war sich da zumindest nicht ganz sicher.
„Kann man es verschlafen nennen, wenn sie nicht halb fünf hier sind? Und es draußen gerade mal hell wird?“
„Ich habe eine Nachricht am Schwarzen Brett deutlich sichtbar aufgehängt, mit Uhrzeit, Datum und nachdrücklichem Hinweis. Wer versucht im Team von Slytherin zu sein, sollte zumindest das noch bemerken und dann befolgen können.“
„Wenn das bei deiner Auswahl gewesen wäre wie heute, und die Nachricht auch erst einen Abend vorher mit dem Vermerk: Treffen um halb fünf versehen worden wäre...“, begann Miles Bletchley, der Hüter von Slytherin, und setzte nach einem Blick des Kapitäns nach, „...wärst du heute natürlich genau, wo du jetzt bist.“
Sie waren zu zwölft, als sie zum Feld hinunter gingen. Gerade mal sieben Schüler hatten offenbar den Wunsch in der Mannschaft als Jäger oder Treiber zu spielen und hatten außerdem davon erfahren, dass Flint beschlossen hatte, die Auswahl in aller Herrgottsfrühe abzuhalten. Harry hatte die vage Vermutung, dass wenige von ihnen, oder viel mehr keiner der Bewerber, die nicht-anwesenden Konkurrenten informiert hatte. Draco zumindest hatte, soweit er sich erinnern konnte, niemand anderem Bescheid gegeben, nachdem Harry ihn auf die neue Nachricht am Schwarzen Brett aufmerksam gemacht hatte.
„Also“, begann Flint und drehte sich zur versammeltem Gruppe um, als sie ihre Besen in der Hand und nun auch umgezogen auf dem Feld ankamen, „wir haben hier“, er wanderte mit dem Blick über die Bewerber, „fünf, sechs, sieben Leute, die offenbar einen Platz haben wollen. Du und du“, er deutete auf zwei Jungen, „ihr beide könnt erst einmal nur zuschauen. Professor Snape, Flitwick und McGonagall haben mir gesagt, dass sie euch nicht spielen lassen werden, wenn eure Noten dieses Jahr nicht besser werden...“
„...und auch nach diesen Gedanken zufolge, wäre er heute...“, murmelte Miles und verstummte wie zuvor durch einen Blick des Kapitäns. Marcus Flint war, was schulische Leistungen betraf, kein wirkliches Vorbild.
„...falls sich die anderen fünf oder vier von ihnen als unmögliche Flieger herausstellen, ist es mir allerdings vielleicht auch lieber, wenn ich euch habe und nicht sie.“, fuhr der Kapitän der Slytherins fort. Angesichts der Tatsache, dass Harry unter ihren Bewerbern neben Draco auch zwei der anderen Schüler sah, die letztes Jahr versucht hatten, den Platz als Sucher zu bekommen, den schließlich Harry einnahm, und sich dabei als gute Spieler gezeigt hatten, war er sich ziemlich sicher, dass die beiden von Flint zur Seite geschickten Schüler keine große Chance auf einen Platz hatten.
„Gut. Nun, ich dachte mir, der beste und schnellste Weg, zu schauen, wer sich von euch für einen der beiden Plätze eignet, wäre ein paar kurze Testspiele mit der Mannschaft zu machen. Dabei lässt sich sicherlich am besten sehen, wie gut ein Zusammenspiel mit mir und Adrian“, dies war der zweite Jäger neben Flint, „beziehungsweise mit Thomas“, ihr Treiber, „werden kann. Wir passen ein wenig über das Feld, dann versuchen wir uns an einem Spiel Hüter, Sucher, Treiber und ein wechselnder Jäger gegen 4 Jäger, wobei immer nach drei Toren ein Wechsel von zwei Spielern kommt und einer die Hüterrolle übernimmt. Bis jeder von euch fünf Bewerbern einmal in beiden Mannschaften gespielt hat. So sollte dann die Auswahl recht schnell gehen und wir haben mehr Zeit um zu frühstücken. Und danach fürs anschließende Training.“
Es stellte sich schnell heraus, dass Flints Methode tatsächlich schnell von statten ging und obendrein überlegte Harry, dass sie vielleicht tatsächlich nicht schlecht war. Es war gut zu erkennen, wer sich als Jäger bzw. Treiber im Team und individuell einbringen konnte und außerdem ließ sich nachvollziehen, wie Draco und die anderen vier sich anzupassen vermochten, wenn sie die Seite wechselten. Es war die Stärke des Slytherinteams, nicht unbedingt die gelernten und viel geflogenen altbekannten Strategien und Taktiken anzuwenden, sondern vor allem auf Improvisation, schnelle Einschätzung der Situation und Anpassung an diese zu setzen. Wieder in der Mannschaft zu fliegen machte Spaß, auch wenn Harry doch noch ein kleinen wenig lieber nach dem Schnatz suchte anstatt einen Quaffel zu passen. Schon im letzten Jahr hatte er beim Training öfter mit den Jägern zusammengespielt, einmal hatte Flint ihn auch die Hüterrolle übernehmen lassen, bei einem Spiel vier gegen drei. Eher klein und schmal gebaut zu sein war dabei wenig von Vorteil. Theo hatte Harry erzählt, dass es bei den professionellen Spielern in den oberen Ligen nur zwei Hüter gab, die nicht über 1,80 groß waren oder breit gebaut und mit großen Händen und langen Armen ausgestattet.
Vielleicht war Harry ein wenig parteiisch, aber er fand, dass sich Draco nicht nur gut mit den anderen Jägern einspielte, sondern auch sonst zeigte, dass er ein sehr guter Flieger war. Als Hüter war er ganz okay, besser als er selbst auf jeden Fall, als Treiber, schien es Harry, machte sein Freund sich nicht allzu viel Mühe, sicher auch, weil ihn dieser freie Platz nicht interessierte. Hingegen war Pollonia Habicht, die als einziges Mädchen an der Auswahl teilnahm, nach kurzer Zeit Harrys Favorit für ihren neuen Treiber bzw. ihre neue Treiberin. Sicher, unter dem ausnahmslos aus Jungen bestehendem Team könnte sie es nicht leicht haben, aber sie teilte kräftig aus, war zwar nicht schnell, dafür aber geschickt darin, die Klatscher gekonnt zum zweiten Treiber zu schicken oder auf den jeweiligen gegnerischen erfolgreichen Jäger.
Die beiden Schüler, die Flint an den Rand geschickt hatte, schienen über ihr Schicksal nicht böse und machten sich bald einen Spaß daraus, je eins der beiden Teams anzufeuern und den Ansager der Quiddtichspiele des vorherigen Jahres, ein Gryffindor namens Lee Jordan, nachzumachen, wenn sie Pollonias Haare lobten (die eine dunkelblonde volle Farbe hatten, kurz geschnitten waren und ihr etwas Koboldhaftes verliehen), über die verschiedenen Besen schwärmten und Ansagen machten wie: „Flint in Ballbesitz und jetzt ein Pass zu Pucey... der abgefangen wird durch Malfoy... Schade.“ Woraufhin Draco nach einer Ballweitergabe zu einem anderem Auswahlspieler gespielt beleidigt und verärgert zu ihnen hinunter sah und mit einer dramatischen Geste, die man nicht unbedingt auf einem Besen machen sollte, wenn man nicht gut zu fliegen wusste, seine tiefe Kränkung zum Ausdruck brachte. Dann aber gleich wieder konzentriert ins Spiel einstieg.
Letztlich brauchten sie nur etwa eine Dreiviertelstunde, bevor Flint Harrys Favoriten bestätigte und Pollonia und Draco zu ihren neuen Spielern machte. Außerdem wies er zwei weitere Auswahlspieler an, sich im Laufe der nächsten drei Wochen einmal bei ihm zu melden, wenn er die Liste mit Reservespielern aktualisierte, die für den Fall, dass ein Spieler ausfiel, seinen Platz einnehmen konnten. Auch wenn die Theorie dabei zutreffender war als die Praxis, da zumindest die Reservespieler von Slytherin meist nicht am Training teilnahmen und auch, nach Harrys Wissen, zumindest in den letzten vier Jahren nie zum Einsatz gekommen waren. Außerdem gab es nicht für jeden Posten einen Ersatz, vielleicht weil Flint einfach keine Lust dazu hatte, die mit diesen Dingen verbundene Schreibarbeit zu erledigen.
„Siehst du.“, sagte Harrys blonder Freund stolz, während sie zum Schloss hochgingen. „Ich wusste doch, dass ich den Platz bekomme. Und eben habe ich mit einem Schulbesen gespielt, warte nur ab, bis ich den Nimbus benutze.“
„Oh gut. Dann werde ich nicht mal mehr den Schnatz fangen müssen, damit wir gewinnen, vermute ich.“, erwiderte Harry scherzhaft. Es stimmte, dass die Mannschaft, deren Sucher den kleinen goldenen Ball fing, meistens gewann, aber wenn die Jäger einer Mannschaft denen der anderen weit überlegen waren und viele Punkte holten, konnte es selten geschehen, dass ein Team zwar den Schnatz fing, aber dennoch verlor.
„Wehe dir.“, ließ sich dazu nur Flint vernehmen, der den letzten Teil aufgeschnappt hatte, „Wenn du nicht richtig mitspielst, dann muss ich dich aus der Mannschaft werfen, Harry.“
„Ja, genau.“, murmelte Miles, „Weil er auch unbedingt noch einen neuen Sucher suchen will. Deswegen hat er sich auch schon für die Auswahl eben so viel Zeit gelassen...“
Ihr Hüter hatte heute eindeutig nicht seinen Tag, dachte Harry, wohl auch weil, seinem Aussehen nach, Miles derjenige war, dem der meiste Schlaf fehlte. Sonst würde er nicht in einem fort ironische oder sarkastische Bemerkungen machen. So hatte er schon letztes Jahr reagiert, wenn er keine gute Laune hatte.
Sie kamen gerade richtig zum Frühstück. Die Halle war zwar bereits gefüllt, aber das Essen hatte erst begonnen und am Slytherintisch waren mehrere Plätze nebeneinander noch frei. Neben Millicent, die gleich bei der Reihe freier Plätze saß, die die Mannschaft besetzte, war Hermine und las in einem Buch, das so dick war und so alt aber eben doch wenig interessant wirkte, dass Harry sich nicht dafür hätte begeistern können, es zu lesen. Er las gerne in den Büchern, die in den Regalen in Llanbedr standen und die teilweise wirklich eher abschreckend wirken konnten, doch er war bei weitem kein solcher Bücherwurm wie Hermine. Außerdem sah das Buch vor ihr verdächtig nach einem Wälzer über geschichtliche Ereignisse von anno dazumal aus und Harrys Begeisterung für Geschichte war schon vor dem Unterricht bei dem für diesen Bereich zuständigen Professor Binns nicht allzu groß gewesen.
„Wer glaubt ihr, ist wohl der neue Jäger von Slytherin?“, sagte Draco, kaum dass er und Harry sich zu ihren beiden Freundinnen gesellt hatten.
„Keine Ahnung...“, murmelte Hermine geistesabwesend, „Dieser Typ, der so enthusiastisch war, wie hieß er noch? Der mit den braunen längeren Haaren aus der vierten Klasse, oder so? Kannst du mir mal den Orangensaft reichen, Harry?“
„Haha...“, meinte Draco, „Vielen Dank auch für dein Vertrauen in mich.“
„Du brauchst niemanden, der dein Ego aufpoliert.“, erwiderte Hermine immer noch mehr in das Buch als in das Gespräch vertieft, „Ah, ja. Danke dir.“, sagte sie dann zu Harry und sah kurz von den Seiten auf, um sich Saft einzugießen. Wobei Harry mit leichter Unruhe zusah, da ihre Aufmerksamkeit immer noch mehr dem Buch als dem Glas galt und er sich gut ausmalen konnte, wie sie den Saft über das Papier verschüttete.
„Pah.“, sagte Draco und schmollte gespielt übertrieben, noch mehr als ihm klar wurde, dass ein Großteil seines Publikums es nicht bemerkte.
„Wenn du Zeit zum reden hast, iss.“, meinte Adrian Pucey, der sich neben Draco gesetzt hatte, „Ich wette Marcus schickt uns zurück aufs Feld, sobald er fertig ist. Und er braucht für einen vollen Teller mit Frühstück oft nur ein paar Minuten. Wenigstens müssen wir uns nicht noch einmal extra umziehen.“
Tatsächlich verschwand ein paar Plätze weiter gerade das Essen vom Kapitän geradezu auf magische Weise, da in ungewöhnlicher Geschwindigkeit, in dessen Mund.
Harry beeilte sich mit seiner eigenen Portion und nahm sich noch einen Toast, während er mit Draco und den anderen wieder aufstand, um zurück zum Feld zu gehen.
„Wir kommen nachher mal vorbeischauen.“, sagte Millicent, während sie ihnen kurz zuwinkte, um sich dann wieder ihrem wunderbar vielfältigem Frühstück zuzuwenden, für das sie alle Zeit der Welt hatte, zumindest bis zum Mittagessen. Am Wochenende konnte man bisweilen durchaus den einen oder anderen Spätaufsteher noch frühstücken sehen, wenn die ersten Schüler mittags in die Große Halle zurückkehrten.
Sobald sie wieder auf das Feld kamen, wurde Harry klar, warum ihr Kapitän unbedingt früh am ersten Samstag des Schuljahres die Auswahl und das Training angesetzt hatte. Zumindest war er sich ziemlich sicher, den wahren Grund erkannt zu haben. Über dem Rasen sahen sie nämlich nun mehrere rotgekleidete Schemen, die offensichtlich ihr eigenes Spiel begonnen hatten. Und Flint hatte es geschafft, zeitlich genau so ins Schloss zu gehen und zurückzukehren, dass sie sie abpassten, ohne dass sie einander begegneten, bevor nicht die Gryffindor ihr Training begannen, wenn er sich nicht ganz täuschte. Die Spieler flogen über das Feld und übten Manöver ein, und passten den Quaffel, oder im Falle der beiden Treiber Fred und George Weasleys einen einzelnen Klatscher, hin und her. Die Weasleyzwillinge waren es auch, die sie zuerst bemerkten, Oliver Wood folgte ihrem Blick und dann wurde er sichtlich wütend, rief etwas, und die gesamte Mannschaft landete. Mit wenigen Schritten kam der Gryffindorkapitän bei Flint an, der breit zu grinsen begonnen hatte.
„Flint!“, begann Wood schon im Gehen zu bellen, kurz wanderte sein Blick über die Slytherinmannschaft, dann kehrte er sofort allein zum anderen Kapitän zurück „Was sucht ihr hier?“
„Wir wollen trainieren, was sonst?“, kam Flints Erwiderung, „Wir haben heute früh unsere beiden neusten Spieler gefunden und jetzt müssen wir uns natürlich einspielen.“
„Neue Spieler?“, rief Wood, sah auf ein Kopfnicken von Flint folgend mit gehobener Augenbraue zu Draco und dann zu Pollonia. Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse und er fuhr fort, „Schön und gut, aber jetzt könnt ihr nicht trainieren. Ich habe das Feld für heute schon am Mittwoch für den ganzen Tag gebucht. Und ich habe deutlich in einem Aushang darauf hingewiesen.“
„Ja, ja. Ich habe das schon gesehen, aber ich hielt es für wichtig, meine Mannschaft gleich einzuweisen und keine Zeit zu vergeuden. Und deswegen habe ich hier“, er zog ein Stück Pergament aus seinem Umhang, „Ein Schreiben von Professor Snape mit einer Sondergenehmigung zur Nutzung des Felds zur Ausbildung der beiden Neuzugänge.“
Wood nahm das Schreiben unwirsch entgegen, überflog es und es war klar, er war weder zufrieden mit der Sache noch willens sich das Ganze gefallen zu lassen.
„Wir waren eher hier.“
„Wirklich? Vor einer Stunde habe ich euch nirgends gesehen... Außerdem habt ihr doch keine neuen Spieler, die ein sofortiges Training unabkömmlich machen.“
„Wir hatten eine Mannschafts-Besprechung! Und wir brauchen das Feld, damit wir die Manöver einspielen können, die ich dort erläutert habe.“
„Ah, ist doch kein Problem, Oliver.“, meldete sich einer der beiden Weasleys zu Wort, die gemeinsam mit dem Rest der zweiten Mannschaft zu ihm gekommen waren, „Spielen wird doch einfach gegeneinander.“
„Damit sie unsere Taktiken ausspionieren können?“
„Sicher wollen sie das unbedingt. Sofern sie sie besser verstehen als wir...“, erwiderte der Weasley erneut.
„...was durchaus möglich ist, wenn sie wacher sind als wir...“, ergänzte der zweite Zwilling.
„...nun, das setzt sowieso voraus, dass wir eins deiner neuen Manöver jetzt gleich überhaupt umsetzten können...“
„...im Übrigen, wenn sie deine Taktiken verstehen, dann würden sie es verdienen, sie zu kennen.“
„Ihr könntet ja auch uns ausspionieren.“, ergänzte Draco hilfreich und wich dann den Blicken beider Kapitäne aus.
Egal, was sie nun zu dem blonden Jungen sagen wollten (vielleicht, dass er sich als neuer Spieler, oder viel mehr als nicht Wood und nicht Flint, nicht einzumischen habe), sie wurden unterbrochen, als auf einmal das Blitzlicht einer Kamera sie ablenkte. Alle Spieler drehten sich um und Harry erblickte Colin, der mit seinem Fotoapparat in der Hand am Spielfeldrand stand.
„Wer ist das?“, fragte Wood an Flint gewandt, „Dein privater Spitzel?“
„Unsinn. Ich muss nicht spionieren, damit ich di... wir euch im ersten Spiel platt machen können. Außerdem, wenn ich Informationen haben wollen würde, würde ich jemand schicken, der unauffälliger ist.“
„Ha! Als ob du wüsstest, was Unauffälligkeit bedeutet.“, meinte Wood.
Colin kam inzwischen zu ihnen, weil er bemerkt hatte, dass sie ihn bemerkt hatten und wahrscheinlich um ein bestimmtes Foto oder eine Nahaufnahme bitten wollte.
„Morgen Harry.“, grüßte der Erstklässler.
„Äh... morgen, Colin. Wie kommt es, dass du hier bist?“
„Ich wollte sehen, wie du spielst, und so eine nette Zweitklässlerin, Pansy Parkinson, hat mir gesagt, dass die Slytherinmannschaft heute früh trainieren wird, als ich einen Aushang dazu gesucht habe.“, erwiderte Colin und lächelte, „Kannst du mal fliegen, damit ich ein Foto von dir auf dem Besen machen kann? Von den anderen auch. Auf Besen zu fliegen sieht so toll aus. Ist es sehr schwer? Nächste Woche habe ich zum ersten mal Flugunterricht und ich weiß nicht, ob ich mich gut anstellen werde. Du bist Sucher für Slytherin, oder nicht?“
„Du kennst den Typen?“, meinte Wood zu Harry, „Ist er etwa dein Spion für Slytherin?“ Manchmal war sich Harry nicht sicher, ob die beiden Kapitäne einfach nur paranoid und eingebildet auf ihre jeweiligen Spielerqualitäten (und die Sicherheit besser als der jeweils andere zu sein) waren, oder ob sie nicht einfach nur deshalb Aussagen wie diese machten, weil sie einander grundsätzlich nur Schlechtes zutrauten und es auf die Mannschaften hinter ihnen übertrugen.
Flint zeigte dem Kapitän einen Vogel. „Unsinn. Wozu sollte mein Sucher einen Spitzel brauchen, wir sind selbst hier, außerdem ist der Typ da ein Gryffindor. Guck, er trägt einen Schal von deinem pathetischem Haus.“
„Ich bin erstaunt, dass du solche schwierigen Worte kennst.“
„Weißt du“, meinte Draco an Colin gewandt, „Ich glaube, Harry will immer noch nicht unbedingt fotografiert werden, aber du könntest ein Foto von diesen beiden machen und dich dann an diese Zweitklässlerin, die dir einen Tipp gegeben hat, wenden. Sie will dieses Jahr eine Schülerzeitung ins Leben rufen und ich bin sicher, sie würde dir gerne den einen oder anderen Schnappschuss abnehmen. Und Flint und Wood geben sicher gutes Material für einen schönen Artikel ab.“
„War Pansy nicht diese Dunkelhaarige, die letztes Jahr am Ende des Jahres alle nach ihren Noten und den Noten ihrer Mitschüler auszuquetschen versucht hat?“, erkundigte sich einer der anderen Gryffindorspieler, deren Interesse daran, wer Colin war, woher Harry oder offensichtlich auch Draco ihn kannten, oder was denn nun sein Ziel war (abgesehen davon Fotos zu machen), wohl auch wegen ihrer Müdigkeit nicht allzu groß zu sein schien.
„Seit wann will sie eine Schülerzeitung machen?“, erkundigte sich Harry, nachdem er zustimmend genickt hatte.
„Wie ich sie kenne, schon seitdem sie auf Hogwarts ist.“, erwiderte Draco, „Also, Colin, was denkst du? Pansy hätte auf jeden Fall sicher Interesse daran, dir hin und wieder zumindest ein Foto abzunehmen, solange etwas dabei ist, das sie für neuen Klatsch verwenden kann, und ihr wird dabei übrigens auch egal sein, ob du ein Gryffindor bist, erst ein Erstklässler, oder das Bild nicht ganz perfekt aussieht. Genau genommen denke ich, du solltest am besten gleich hoch ins Schloss gehen und sie aufsuchen und fragen, ob sie dich als Fotografen gebrauchen könnte. Du müsstest sie jetzt noch in der Großen Halle antreffen.“
Colin biss sich auf die Unterlippe und meinte, „Ich weiß nicht. Ich kann nur Muggelfotos machen, die sind sicher nicht so gut...“
„Ich glaube, Pansy hat einmal gesagt, sie weiß, wie man Zaubererfotos entwickelt.“, meinte Harry hilfreich, dem klar wurde, dass Draco einen guten Weg gefunden hatte, Colin erst einmal dazu zu bewegen, zurück zum Schloss zu gehen, und sich und anderen Ärger zu ersparen. Auch wenn die Idee, dass Pansy Colin als Fotografen/Paparazzi anheuern könnte, ihn nicht unbedingt wohl fühlen ließ.
„Wirklich? Also dann... ja, dann...“, sagte Colin, den die Vorstellung sich bewegende Fotos machen zu können sichtlich begeisterte. „Danke, Harry.“, meinte er nach einem Blick zu Wood und Flint, von denen er erst einmal kein Bild machte, er sagte, er wolle lieber gleich mit Pansy reden, und ging dann tatsächlich zum Schloss hoch.
„Und mir dankt er nicht?“
„Ich glaube, du machst ihm ein wenig Angst...“, erwiderte Harry.
Die anderen Spieler um sie herum hatten inzwischen begonnen eigene Gespräche zu führen, oder sich den Zwillingen angeschlossen, die Wood und Flint beobachteten und Kommentare abgaben über deren fortlaufenden Streit darüber, wer das Feld nutzen durfte.
„Wollen wir frühstücken gehen?“, fragte Katie Bell, eine Gryffindorspielerin.
„Oder wieder schlafen...“, meinte einer ihrer Mitspieler.
Doch anscheinend spürten die beiden Kapitäne nun inzwischen wie unruhig ihre Teams wurden (und, dass sie allein auf dem Feld zurückbleiben könnten), denn sie beendet ihre Auseinandersetzung, beide sahen aus, als hätten sie in einen wurmstichigen Apfel gebissen, aber Flint schien ein wenig bessere Laune zu haben als Wood. Irgendwie vermutete Harry, dass er auch dadurch nicht ganz so verdrießlich aussah. Wenn der Gryffindorkapitän verärgert war, machte das den Slytherinkapitän wahrscheinlich froh.
„Nützt nichts.“, sagte Wood laut, „Ich habe eine Genehmigung, Flint hier hat eine... Sondergenehmigung... Wir müssen alle trainieren. Wir teilen also das Feld.“
„Warum haben wir das nicht gleich gemacht?“, murmelte Miles und gab sich leise selbst die Antwort, „Weil unser Kapitän einfach nur einen Grund gesucht hat Wood zu ärgern und weil Wood sich nicht unterkriegen lassen wollte...“ Ihr Hüter hatte wirklich, wirklich nicht seinen Tag.
„Ah und damit wir uns nicht unsere heimlichen fantastischen Spitzen-Manöver zeigen“, ergänzte Flint und schaute dabei grinsend zu Wood, „Spielen wir in gemischten Teams. Jäger und Sucher einer Mannschaft und Hüter und Treiber der anderen.“
„Was ist, wenn das geheime Manöver ein reines Treiber- oder Jägermanöver ist?“, fragte einer der Weasleyzwillinge.
„Wie unsere ober-speziellen unvergleichlich unerwarteten Zwillingspässe zum Beispiel.“, ergänzte der andere.
Bevor Wood, der langsam rot anlief, beschließen konnte, noch wütender zu werden, wurden beide Teams etwas ruhiger und folgsamer. Selbst Flint hielt sich ein wenig zurück, als er und Wood gemeinsam das Zeichen für alle gaben, auf die Besen zu steigen und in die Luft zu fliegen. Die Spieler nahmen ihre Plätze ein. Wood und Flint hatten sich geeinigt, dass alle in der Luft auf ihrem Feld sein sollten, während sie die Bälle freiließen. Sie holten die Kiste, die am Rand des Feldes stand, wohin Wood sie gebracht haben musste. Harry erkannte in ihr die Kiste, auf die die Kapitäne Zugang für ihr Training hatten. Den beiden anwesenden Kapitänen wurde im Übrigen, während Schnatz, Quaffel und Klatscher losflogen und sie selbst auf ihre Besen stiegen, anscheinend zum ersten mal klar, dass ihre Mannschaftsaufteilung sie in ein Team steckte. Und dass es mehr als einen unter den anderen Spielern geben musste, dem dies bewusst gewesen war. Außerdem, dass es auch mehr als einen von ihnen offenbar amüsierte, die Kapitäne miteinander spielen zu lassen.
Harry schmunzelte bald in sich hinein, während Flint und Wood unter ihm zwar mehrfach einander zuriefen, sie sollen sich mehr Mühe geben und diesen Quaffel zu fangen wäre doch wohl nicht so schwer gewesen, aber überraschenderweise dennoch gut zusammen arbeiteten. Es war gewöhnungsbedürftig, sich daran zu erinnern, wer mit wem spielte, doch schnell schienen alle sich angepasst zu haben. Und die Spieler fanden sich in ihren Teams ein.
Ein wenig kam es Harry allerdings so vor, als wäre ihre Mannschaftsteilung doch sehr unausgeglichen. Schließlich spielten die beiden Kapitäne zusammen mit Fred und George in einem Team. Die Gryffindorjägerinnen waren gut aufeinander eingespielt und hatten als Trio Erfahrung, doch auch Draco und Adrian konnten sich bereits ordentlich mit Flint koordinieren. Der Gryffindorsucher war ein unauffälliger Spieler mit durchschnittlichen Fähigkeiten, Harry konnte ihn schwer einschätzen. Gespielt hatte er gegen ihn nur ein einziges mal und Flint hatte nie groß über ihn beim Training gesprochen. Er hatte die Jägerinnen mehr als einmal erwähnt und oft auch vor den Weasleyzwillingen gewarnt, aber nie vor dem anderem Sucher. Meist sprach er ohnehin über Wood. Der als Hüter im Übrigen zumindest heute in besserer Form zu sein schien als Miles, vielleicht auch, weil ihn zumindest der Gedanke anspornte, Flint in seiner eigenen Spielerrolle zu übertrumpfen.
Was die Geschwindigkeit ihrer Besen anging: Draco war zu recht stolz auf den Nimbus, den er bekommen hatte. Und Harry würde ihn demnächst einmal fragen, ob er auch ein wenig mit ihm fliegen konnte, denn es sah leicht aus und so, als würde es großen Spaß machen (Harry liebte es einfach, wenn er schnell durch die Luft fliegen konnte und den Wind an Kleidung und Haaren fühlte). Allerdings war er mit seinem eigenem Besen sicherlich auch zufrieden. Theo meinte manchmal, ein Besen sei mehr als nur ein Besen, wenn ein Spieler erst einmal eine Weile mit ihm geflogen war. Und das stimmte. Denn für Harry war der seine eben auch eine Erinnerung an jeden Moment, den er auf ihm verbracht hatte und die Stunden mit einem Besenkatalog, in dem er ihn gefunden hatte.
Die Gryffindors hatten durchschnittliche bis recht gute Besen, die der Weasleys waren, glaubte Harry zu wissen, ältere Modelle, aber die zwei waren eindeutig an sie gewohnt und wussten ihre Vorteile zu nutzen und Nachteile zu kompensieren. Allerdings schien es neben den Fähigkeiten auch bei den Besen so, als wäre die Mannschaft der anderen Hälfte leicht benachteiligt.
Es mochte ungewöhnlich sein, dass zwei Hausmannschaften zusammenspielten, doch obwohl seine eigene Mannschaft einen Tick besser war durch die Verteilung, war das Spiel für alle herausfordernd und zumindest Harry hatte Spaß daran auch einmal mit anderen Spielern zusammenzuarbeiten. Vor allem mit den Weasleys verstand er sich auch so recht gut. Sie hatten ihm im letzten Jahr im Scherz angeboten, in ihre Mannschaft zu kommen (was natürlich nicht möglich war), und Harry fand es fast ein wenig schade, dass er bei den Slytherins spielte, bis sein Blick auf Adrian, Draco und Flint fiel, die zu dritt ein Passmanöver durchführten und an Miles vorbei den Quaffel durch einen der drei Torringe warfen, die er deckte und auf Pollonia und Thomas, die ihnen dafür einen Klatscher hinterherschickten. Harry mochte seine eigene Mannschaft, wurde ihm klar. Die Gryffindors gekonnt spielen zu sehen, ob sie nun gerade Gegner oder Verbündete waren, machte ihn gespannt auf ihr offizielles Spiel.
Schließlich war es Harry, der den Schnatz fing, als dieser knapp vorbei an Miles flog, der fluchte, als der kleine Dunkelhaarige Sucher pfeilschnell auf ihn zukam und zur Seite auswich. Er fluchte erneut, als der Gryffindorsucher gleich hinterher sauste und ihn nur um Haaresbreite verfehlte. Der Slytherinhüter grummelte immer noch, als sie landeten und schimpfte vor sich hin, weil Harry ihm so einen Schrecken eingejagt hatte.
„Ihr Sucher seid doch wahnsinnig...“, murmelte er, „Niemand fliegt so waghalsig wie ihr... “
„Okay.“, sagte Wood. „Gryffindors, ihr wart sehr gut.“ und er nickte seiner Mannschaft zu, zögerte dann und ergänzte „Und Flint. Meine Hochachtung an euer Team. Ihr habt keine schlechten Neulinge erwischt. Ich freue mich darauf, gegen euch zu spielen.“
„Ha. Sie sind Slytherinspieler. Natürlich sind sie gut.“, erwiderte Flint, „Ihr wart nicht schlecht. Und natürlich haben wir uns zurückgehalten. Denke nicht, dass das alles war, was wir drauf haben.“
„Gleichfalls. Wir haben noch viele Trümpfe in der Hand.“, antwortete Wood, „Kommt, Leute, umziehen.“
„Frühstück!“, rief eine der Gryffindorspielerinnen begeistert, während die Mannschaft von Wood das Feld verließ.
„Wohl eher Mittagessen...“, murmelte eine weitere. Dann waren sie fort.
„Huh. Wood und Flint können ja richtig zivilisiert miteinander umgehen...“, sagte Adrian, der neben Harry und Draco zum Landen gekommen war.
„Schätze das Spiel hat ihnen beiden gutgetan.“, erwiderte Thomas, der neben Pollonia stand, „Und du bist wirklich nicht schlecht.“, meinte er dann zu ihr gewandt.
„Gut.“, sagte Flint, „Damit haben wir wohl wieder einen Eindruck von den Gryffindors gewonnen, ich gebe zu, wir sollten sie nicht unterschätzen.“, er nickte zu Draco und Pollonia, „Ihr beide werdet euch hoffentlich als die richtigen Entscheidungen erweisen. Und der Rest von euch: Ausgezeichnete Arbeit. Alle haben sich schnell angepasst und für das erste mal nach den Ferien und unter unvertrauten Umständen hervorragend gespielt. Natürlich werden wir noch viel trainieren müssen, bevor wir gegen Gryffindor und die anderen beiden Häuser gewinnen können. Aber ich denke, dass wir als Team keine schlechten Chancen in diesem Jahr haben. Ihr könnt euch umziehen gehen.“
Damit gingen Flint und die anderen Spieler vom Feld. Draco und Harry blieben jedoch stehen und warteten auf Hermine und Millicent, die von einer der Tribünen hinunterkamen. Sie waren während des Spieles aus dem Schloss gekommen und hatten ihnen dann zugesehen. Wobei Hermine gleichzeitig immer noch ab und zu in den Wälzer vom Frühstück gespäht hatte und Millicent ein Gespräch mit einem der beiden älteren Slytherins begonnen hatte, die Flint bei der Auswahl an den Rand gesetzt hatte, und der offenbar ebenfalls gekommen war, um das Spiel zu sehen.
Die Dunkelhaarige winkte ihm noch zu, bevor sie und Hermine schließlich vor den beiden Jungen zum Stehen kamen.
„Und?“, äußerte sich Draco, „Wie war ich?“
„Mh. Wenn du meinst, wie das Spiel war, dann ganz interessant.“, erwiderte Hermine, „Ich war überrascht, dass ihr und die Gryffindors zusammengearbeitet habt.“
„Flints Idee, zu der er Wood überredet hat, glaube ich.“, sagte Harry.
„Ich habe mich erst kurz gewundert, warum Draco und die anderen Jäger dauernd Eigentore gemacht haben. Nicht, dass ich viel von Quidditch verstehe, aber ich weiß doch, wie man ein Tor schießt und dass es der gegnerische Hüter ist, an dem man vorbei muss, nicht der eigene. Oh und Glückwunsch, Harry.“
„Hast du heute irgendwie ein Problem mit mir?“, fragte Draco.
„Nein?“
„Ach. Vergiss es... Habt ihr beide schon irgendwelche Pläne für den Rest des Tages. Außer Hausaufgaben in der Bibliothek erledigen.“
„Wir wollten doch bei Hagrid vorbeischauen... “, brummte Millicent.
„Stimmt ja.“, erwiderte Draco und klang wie schon zuvor bei dem Gedanken Hagrid zu besuchen nicht so begeistert. „Na schön. Gebt uns mal... äh... sagen wir dreißig Minuten. Dann kommen wir.“
„Dreißig Minuten, damit ihr einen Umhang und ein Oberteil gegen zwei andere austauschen könnt und Schoner ablegt? Ist das nicht ein wenig lange?“
„Nun, wenn ich Wert darauf lege, nicht nur aus den einen Sachen und in die anderen zu kommen, sondern auch halbwegs ordentlich auszusehen...“
„Wir beeilen uns.“, sagte Harry und zog dann sein Freund mit sich zu den Umkleidekabinen.
Mehrere Stunden später lag Harry hellwach in seinem Bett und sah auf die dunkle Fläche des Betthimmels über ihm. Hagrid hatte sich sehr gefreut, ihn und die anderen drei zu sehen. Auch sein Hund Fang war zumindest von Millicent, soweit Harry die Hundemimik verstand, begeistert gewesen. Die tierliebende Slytherin hatte ihn fortlaufend gestreichelt und mit krümeligem Zeug gefüttert, das sie in einer kleinen Tüte in ihrer Tasche mitgenommen hatte. Wahrscheinlich war es ein zerbröselter Hundekuchen aus dem Tiergeschäft in der Winkelgasse. Harry erinnerte sich, dass sie mit den Leckereien dort vertraut gewesen zu sein schien. Zweifellos hatte sie bei ihren letzten Besorgungen nicht nur an ihre eigenen Tiere, ein Fisch, ein Uhu, eine Kröte und Helena, gedacht, sondern auch den großen Hund Hagrids und die Tiere einiger Mitschüler. Die Kekse, die Hagrid ihnen angeboten hatte, waren Harry noch fester vorgekommen als im letzten Jahr. Er war sich nicht sicher, was man tun musste, damit Gebäck so hart wurde, dass man damit Stahlnägel in eine Wand schlagen könnte, aber er glaubte, Hagrid sei auf einem guten Weg, die Voraussetzungen zu erfüllen. Sie hatten dem Wildhüter ein wenig von ihren Ferien erzählt. Und danach natürlich von Dracos Ernennung zum Jäger. Wobei Harry zum ersten mal auch erfuhr, dass Dracos Vater vorgehabt hatte, auch allen anderen Slytherins einen Nimbus 2001 zu kaufen, damit sein Sohn in das Team kam. Sein Freund war nicht weiter darauf eingegangen, aber Harry war klar, dass er sich dadurch verletzt gefühlt hatte. Und von seinem Vater nicht ernst genommen. Auch jetzt dachte er darüber nach, was er in der kurzen Zeit, die er und Draco wieder beisammen waren, schon über die Veränderungen des Verhältnisses zu seinem Vater im Laufe der Ferien und sicher schon auch während des letzten Schuljahrs erfahren hatte.
Remus, Severus und Harry kamen normalerweise miteinander zurecht. Sie waren sicher keine normale Familie, eher drei Menschen, die einfach zueinander gefunden hatten und beieinander geblieben waren. Sein Pate war nicht sein Vater, auch wenn er dem, was er sich unter Eltern vorstellte, am nächsten kam. Aber Harry hatte das Gefühl, dass Remus und auch Severus ihm möglicherweise im Augenblick näher als Draco und seine Eltern waren. Wobei er nicht genau wusste, wie die Dinge mit Dracos Mutter standen.
Eine andere Sache, die Harry beschäftigte, war dieses seltsame Unbehagen, das er zu spüren begonnen hatte, kurz, nachdem er sich schlafen legte. Es war eine Art Unruhe in ihm, wie als käme ein Sturm näher und er sähe die grauen Wolken auf sich zukommen, fühlte die Veränderung im Wind und hörte die Stille, die vorausging. Es gefiel ihm nicht, sich so zu fühlen, nur wenige Tage nach Beginn des Jahres. Und so sehr er sich bemühte, es ließ ihn nicht schlafen. Obwohl er müde und der Tag anstrengend gewesen war.
Schließlich hielt er es nicht länger aus und erhob sich leise vom Bett. Er ertastete seine Brille auf dem Nachttisch, setzte sie auf und blinzelte in die Schwärze. Weil der Himmel bewölkt war, gab es wenig Licht, doch es reichte, um seine Augen nach einem Augenblick der Gewöhnung ein paar Schemen erkennen zu lassen. Vorsichtig, um niemanden zu wecken, bewegte sich Harry durch den Raum hin zur Tür. Als er sie öffnete fiel Licht hinein, das aus dem Gemeinschaftsraum kommen musste. Jemand hatte ein Feuer in einem der Kamine entzündet und später nicht gelöscht oder Harry war nicht der einzige, der nachts umherwanderte. Sein Blick fiel auf die anderen Jungen in seinem Schlafsaal und er dachte, dass er sie vielleicht auch nicht geweckt hätte, wenn er etwas weniger leise gewesen wäre. Crabbe und Goyle konnte er nicht sehen, da sie ihre Vorhänge zugeschoben hatten, doch Theodore atmete leise hinter seinen Quidditchzeitschriften, Blaise lag ausgestreckt auf seinem Bett, bewegte sich nur wenig und hatte seine Decke ans Bettende befördert und Draco schien vollkommen ruhig, während seine Haare in der Dunkelheit leuchteten.
Im Gemeinschaftsraum war, soweit Harry es sehen konnte, niemand. Er zog ein zufälliges Buch aus einem der kleinen unauffälligen Regale, die den Slytherins an freien Abenden Unterhaltung boten, und machte es sich im Lehnstuhl vor dem angezündetem Kamin bequem, dessen flackerndes Licht die Wände leuchten ließ und wellenförmige Schatten vom See weicher und durchscheinender machte. Das Buch stellte sich als ein Roman heraus, der die Geschichte eines jungen Zauberers erzählte, der als Hirte fernab anderer Hexen und Zauberer nur mit seinen Eltern, einer Magd und einem Knecht und den sieben Schafen, die er hütete, lebte. Der Zauberer wusste weder, dass er ein Zauberer war, noch, dass es noch andere Menschen neben ihm und den vier ihm bekannten gab. Doch eine Gruppe kriegerischer Hexenmeister kam schließlich eines Tages zu ihm auf das Feld, auf dem er mit den Schafen war. Sie waren erstaunt über das Unwissen des jungen Mannes, den sie vorfanden, aber sie erkannten in ihm einen mächtigen Zauberer, wie ihn eine Seherin vor vielen Jahren geweissagt hatte, der ihnen helfen könnte einen Krieg, den sie gegen eine verfeindete Gruppe von Zauberern und Hexen führten, zu gewinnen.
Harrys Augen wurden schließlich schwer, als er las, wie der junge Zauberer eine Hexe kennenlernte, die die Leute, die ihn aufgenommen und zum Teil ihrer Krieger gemacht hatten, verfolgten, weil sie die Tochter eines ihrer mächtigen Gegner war. Er dachte noch daran, vielleicht in den Schlafsaal zurückzugehen, doch da war es bereits zu spät und sein Körper gab der Müdigkeit nach.
Jedoch schlief er nicht lange. Ihn riss nämlich ein Geräusch aus der traumlosen Dunkelheit, kurz bevor das Buch, das auf seinem Schoß gelandet war, hinunterfiel. Er fühlte sich nicht ganz wach, aber beim zweiten mal, erkannte er, dass das Geräusch, das er gehört hatte, eine Stimme war. Und auch Worte konnte er ausmachen.
„Zerfetzen... zerbeißen... zerreißen... Komm... lass mich töten...“
Harry sprang auf. Schritte näherten sich dem Gemeinschaftsraum und er sah sich verstört um. Was war es, was er gehört hatte? Wer wollte wen umbringen? Woher kamen die Schritte? Er konnte keine genaue Richtung ausmachen, da die Steinwände in der Stille jeden Laut hallen ließen.
„Wer?“, fragte er, als sich eine verborgene Tür öffnete und den Blick auf einen Schatten hinter ihr freigab.
„Harry?“, hörte er. „Was machst du hier um diese Zeit noch?“
Es war Severus, der durch einen Eingang für den Hauslehrer in den Raum getreten war. Und Harry war über sein Auftauchen mehr als nur erleichtert.
„Sev.“
„Solltest du nicht lange im Schlafsaal sein?“, erkundigte sich Severus. Dann sah er leicht besorgt aus, auch weil Harry ihn selten bei seinem Spitznamen nannte. „Ist etwas passiert?“
„Ich... nein. Ich glaube nicht. Ich konnte nicht schlafen und bin hierher gekommen, um ein wenig zu lesen. Dann bin ich wohl eingenickt.“, erwiderte Harry, der sich nun wieder fasste. „Ich dachte, ich hätte etwas gehört, eine Stimme. Eine kalte Stimme.“
Severus sah ihn eindringlich an. „Ich habe nichts gehört. Vielleicht hast du geträumt?“
„Vielleicht.“, gab Harry zu. Er hörte die Stimme jetzt zumindest nicht mehr. „Was machst du hier?“
„Nicht, dass ich dir oder irgendjemandem sagen muss, was ich wann warum tue... aber ich kam her, weil ich gesehen habe, dass das Licht noch brennt. Es gibt einen Aufsichtszauber für die Hauslehrer, der darüber informiert, ob Feuer in den Kaminen in den Gemeinschaftsräumen brennen. Nun, es spielt keine Rolle für dich, aber ich hoffe es befriedigt deine Neugier. Vielleicht solltest du jetzt wieder hoch in deinen Schlafsaal gehen und dort ordentlich in deinem Bett schlafen, es sollte besser geeignet sein, als ein Lehnstuhl.“
Harry nickte und hob das heruntergefallene Buch auf, um es zuvor zurück in eins der Regale zu stellen, während Severus am Kamin stand und wartete, bis sein Schüler schlafen ging.
„Übrigens grüßt dich dein Pate. Wir haben vorhin kurz miteinander gesprochen.“
Das erstaunte Harry. Er hätte vermutet, dass Severus lange wach geblieben wäre, um Hausarbeiten zu kontrollieren oder um den Unterricht der nächsten Woche zu planen und vorzubereiten. Doch er war sich sicher, dass wenn Remus mit Severus über den Kamin in dessen Räumen mit ihm geredet hatte, er es nicht bei einem kurzen Austausch gehalten hätte. Das lag nicht in Remus' Art.
„Danke.“, erwiderte er. Und sagte nichts weiter zu der Angelegenheit. Denn erstens war er wirklich müde, auch weil ein Lehnstuhl tatsächlich zwar bequem aber weniger bequem als ein Bett war, und zweitens schien es ihm, dass Severus nicht weiter auf Remus eingehen würde.
„Also dann, gute Nacht.“, wünschte er dem Lehrer, während er die Treppe zu den Schlafsälen hochstieg.
Weil es schon etwas heller geworden war und der Nachthimmel sich gelichtet hatte, war es relativ einfach zurück in sein Bett zu finden.