Eine Slytherin-Harry-Geschichte: Die Kammer des Schreckens

Harry Potter - J. K. Rowling
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Eine Slytherin-Harry-Geschichte: Die Kammer des Schreckens
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In dem Harry über seinen Besuch bei seinen Verwandten nicht gerade glücklich ist, sich auf sein zweites Schuljahr vorbereitet, Severus übel gelaunt ist und ein neuer Lehrer seinen ersten Auftritt hat

Im Ligusterweg 4 gab es eine einfache Regel: Die Existenz eines Neffen des das Haus bewohnenden Ehepaares, bzw. Cousins des gemeinsamen Sohnes, war eine Tatsache, die entweder verschwiegen oder geradeheraus verleumdet werden sollte. Ebenso ewig unaussprechlich war die Tatsache, dass betreffende nicht-existente Person nicht „normal“ war. Die Familie Dursley hielt viel davon „normal“ zu sein, dass also ein Teil ihrer Familie nicht-“normal“ war, war nicht möglich. Nicht in der Art heiler Welt, in der sie lebten.

Nun war aber eine ärgerliche Folge der nicht-existenten Verwandtschaft der Dursleys und einer Abmachung zwischen Mrs Dursley und einem gewissen Mann, dessen Dasein sie ebenso leugneten wie die eines Neffen, dass die Familie verpflichtet war, besagte nicht-existente Verwandtschaft einmal im Jahr sieben Tage lang bei sich aufzunehmen. Und gut zu behandeln, wollten sie nicht Ärger mit zwei weiteren Männern haben, die sie niemals gekannt zu haben versichern würden, würde jemand sie mit ihnen in Verbindung bringen.

Dieses also waren die Gründe dafür, dass Petunia, Vernon und Dudley Dursley sich in einer eigentlich ganz angenehmen Woche in den Sommermonaten mit dem Dasein ihres nicht-existenten Neffen Harry herumschlagen mussten, der an diesem Morgen mit ihnen am Frühstückstisch saß und sie auf eine ganz sicher unverschämte Art und Weise ansah, um sie wieder und wieder mit der Tatsache zu konfrontieren, dass seine Nicht-Existenz eventuell doch keine war.

„Schau nicht so, Junge.“, brummte Vernon ärgerlich über seinen mit Rührei und Speck gefüllten Teller hinweg dem nicht-existenten Neffen zu. Seiner Meinung nach hätte diese Person an ihrem Tisch mit der niemals-existent gewesenen Schwester seiner Frau Petunia und dessen niemals-existent gewesenen Mann bei dem Vorfall sterben sollen, bei dem diese beiden unglücklichen Anhängsel seiner Familie umgekommen waren. Geflissentlich überging er bei seinen Gedankengängen und dem Kauen seines Frühstücks, dass dieses nur auf seinem Teller sein konnte, weil der nicht-existente Neffe es am Morgen zubereitet hatte, um sich seine Anwesenheit zumindest zu geringem Teil zu verdienen.

Der Junge wandte den Blick ab und seinem Teller zu, auf dem er Toast mit Marmelade und ein paar frische Tomaten hatte, was wiederum seine Tante übermäßig reizte. Der ihnen aufgelastete Sohn ihrer Schwester schien dem Rest der Familie mit seiner Ernährung immer wieder sagen zu wollen, dass er sich besser ernähren würde, oder zumindest dachte, er würde dies tun und sich deswegen für besser hielt als ihren geliebten Sohn und ihren ebenso geliebten Ehemann. Dabei war ihr Neffe der eindeutig nicht-normale, eindeutig weniger gute. Nur ein Blick auf die Dinge, die er in ihr Haus gebracht hatte, Dinge, die sie, Petunia Dursley, niemals in ihrem Haus zugelassen hätte, wäre es nach ihr gegangen, musste dies doch klar machen.

Da war dieser furchtbare Vogel, den der Junge zu wer-weiß-was für schrecklich un-normalen Dingen einsetzte, wie um Kontakt zu seinen sicherlich schrecklich un-normalen Freunden aufzunehmen. Dann natürlich die drei Bücher, die er dieses Jahr dabei hatte mit Titeln, die bereits deutlich machten, welchen Unfug ein Leser in ihnen finden konnte, Unfug, an den normale Menschen mit einem gesunden Verstand niemals glauben würden.

Die letzten Jahre war der Besuch des Jungen noch in Ordnung gewesen, unangenehm, aber in Ordnung. Doch dieses Jahr... dieses Jahr hatte er lauter neue Flausen im Kopf. Nun, er zeigte sie nicht, er redete nicht von ihnen, aber sie wusste, dass er sie im Kopf hatte. Sie wusste es, weil sie ihre Schwester gesehen hatte, nachdem diese zum ersten mal aus der Schule, auf die der Junge im letzten Sommer gegangen war, heimgekehrt war.

Auch der Sohn der Dursleys betrachtete den derzeitigen „Gast“ in ihrem Haus ausgesprochen missmutig. Seit er ein kleiner Junge war, war diese Person einmal im Jahr zu ihnen gekommen. Seine Mutter und sein Vater konnten den anderen nicht leiden und sie hatten ihn immer ausdrücklich vor ihm gewarnt. Aber im Grunde war ihm nie wirklich gesagt wurden, welche grundlegende Verdorbenheit in seinem Cousin lag. Manchmal sagte seine Mutter, dass ihre niemals gewesene Schwester (die Ursache des regelmäßigen Eindringlings) eine Verrückte gewesen sei, manchmal, dass sie und ihr Mann Drogen genommen hätten. Gestorben seien die beiden bei einem Autounfall, sicherlich sturzbetrunken, und aus Gründen, die weder Petunia noch Vernon ihrem Sohn Dudley je sagten, mussten sie seit diesem Unfall seinen Cousin einmal im Jahr bei ihnen aufnehmen.
Wahrscheinlich war nicht zu wissen, was mit dem Jungen nicht stimmte (außer, dass er komplett bescheuert aussah und sicher strohdumm war und überhaupt Dudley selbst weit unterlegen), was den Sohn der Dursleys wirklich störte. Denn alle Informationen, die Harry Potter, seine Lebensumstände und die tote Tante Dudleys betrafen gehörten zu den wenigen Dingen, die Dudley nicht von seinen Eltern bekam. Dudley hasste es, wenn ihm irgendetwas verweigert wurde.
Außerdem nervte ihn die Tatsache, dass sein Cousin/der Junge schon wieder eine ganze Woche lang sein zweites Schlafzimmer in Anspruch nahm und er den anderen dafür nicht einmal piesacken durfte. Seit einem ihm tief im Gedächtnis sitzendem Vorfall vor zwei Jahren, bei dem er seinen nicht-existenten Cousin bei dessen natürlich auch nicht stattfindenden Besuch bei ihnen im Garten mit Steinen als Wurfgeschossen ausgerüstet auf den Baum gejagt hatte, woraufhin der düster aussehende Mann, der den Jungen manchmal zu ihnen brachte und abholte, ziemlich wütend und ziemlich furchteinflößend geworden war, hatten Dudleys Eltern ihm verboten den anderen zu verletzen oder offen zu ärgern.

 

Harry Potter, der seiner ihn zu ignorieren bemühten Verwandtschaft gegenüber saß, hatte nicht viel mehr Freude an dem Essen als seine Tischnachbarn. Doch ihn tröstete die Tatsache, dass die Woche, egal wie lang sie sich sicher für alle Beteiligten anfühlte, bald vorüber sein würde. Sein Pate würde ihn heute abholen und dann konnte er ein ganzes Jahr nicht angeschaut werden, als wäre er irgendwie giftig, wahnsinnig oder abstoßend.

Die Dursleys gaben ihm immer wieder das Gefühl falsch zu sein, eine Art von Unmensch, der nicht existieren sollte. Weswegen jeder Kontakt mit ihnen stets unangenehm und befremdlich gewesen war. Es war irgendwie schade, dass seine einzige lebende Blutsverwandtschaft kein Interesse an ihm hatte. Und das sie nicht ein wenig sympathischer war. Zum Glück hatte er viele andere Menschen um sich, seine Freunde, seine Bekannten, seinen Paten und ihren Mitbewohner, der ihm fast ein zweiter Pate war und auch seine Nachbarn bei sich daheim.

Er leerte seinen Teller schnell, um rasch in einen Dursley-freien Teil des Hauses zu verschwinden.
Beim Aufstehen hatte Harry das Gefühl, dass die drei anderen merklich aufatmeten, nun da der Eindringling in ihrer Mitte wieder an einen Ort entfloh, wo er leichter ignoriert werden konnte. Warum er einmal im Jahr zu diesen Leuten kommen musste, war ihm wirklich ein Rätsel.

 

Das Zimmer, das 51 Wochen im Jahr als eine Art Abstellkammer für Dudley fungierte, und in dem Harry die eine übrige Woche des Jahres schlief/wohnte, war sichtlich nicht wirklich dazu gedacht einem elfjährigem Jungen als Unterkunft zu dienen. Doch wenn nicht die Androhung vom Zorn von Severus Snape, der mit Harry und dessen Paten Remus Lupin zusammen wohnte, die Dursleys davon abgehalten hätte, wäre er sicher nicht einmal in einem eigenem Zimmer gewesen. Der Mann hatte die Begabung beinahe jedem Angst einzujagen, wenn er es wollte, vor allem, wenn betreffende Person einem der Menschen drohte, denen er gegenüber loyal war. Weswegen das eine mal, als er seinen Zorn auf die Dursleys hatte niedergehen lassen, reichte, um Harrys „Familie“ dazu zu bringen, ihn mehr oder weniger in Ruhe zu lassen und ein Bett und regelmäßiges Essen zu geben, wenn er bei ihnen war.

In Dudleys zweitem Schlafzimmer hatte Harry in diesem Jahr eine kleine Ecke freigeräumt, gleich neben dem alten Bett, das sein Cousin nicht mehr hatte haben wollen (auf das er aber auch gleichzeitig ungern verzichtete, da er es immer noch „brauchte“). Hier lagen die paar Dinge, die er dieses mal mitgenommen hatte: Drei Bücher, zwei davon Schulbücher, da er am Anfang der Ferien wenig gegen den Berg an offenen Hausaufgaben getan hatte, ein Paar Bögen Pergamentpapier, zwei Federkiele und ein Fässchen einfacher schwarzer Tinte.

Auch eine kleine Tüte mit Leckereien waren in dem Zimmer für seine Eule Hedwig, die ihn schon zweimal diese Woche kurz besucht hatte und die zu verwöhnen Harry begonnen hatte, nachdem sie innerhalb der ersten drei Ferienwochen sooft herumgeflogen war, um Briefe von ihm an seine Freunde aus der Schule zu schicken, dass sie sich (bestimmt auch nach eigener Meinung) eine Pause und eine Belohnung verdiente. Erst hatte sein Tante protestieren wollen, als sie Hedwig bei ihrem ersten Besuch bei ihm entdeckte, doch Harry hatte geschworen, sich um sie zu kümmern, keinen Dreck zu machen und auch (seinetwegen) sie nicht am helllichten Tag fliegen zu lassen, wo neugierige Nachbarn (die die perfekte Normalität seiner Verwandtschaft hinterfragen könnten), die davon fliegende Eule mit einem Brief im Schnabel oder einer kurzen Nachricht an ihr Bein gebunden sehen konnten.

Alles in allem war sein „Besuch“ bei den Dursleys dieses Jahr doch ganz okay. Harry begann das Kapitel über feuerempfindliche Pflanzen in seinem Kräuterkundelehrbuch zu lesen und sich Notizen für seine Hausarbeit in dem Fach zu machen.Die Lehrerin, Professor Sprout, war die einzige gewesen, die allen Schülern unterschiedliche Themen für ihre Aufgaben gegeben hatte. Keiner hätte dies wohl erwartet, auch weil das Fach bei der kleinen leicht pummeligen Lehrerin eigentlich als einfach galt und sie oft ein Auge zudrückte bei „zusammen“ erarbeiteten Hausaufgaben... Nun, sie war auch Hauslehrerin des Hauses, das für strebsames Arbeiten und Fleiß stand. Sie hatten Lose gezogen und im Grunde war Harry ganz froh über sein Thema.

Seine Freunde hatten da durchaus weniger Glück gehabt. So hatte Millicent zum Beispiel, deren Enthusiasmus für theoretische Kräuterkunde nicht existierte, ein staubtrockenes Gebiet abbekommen, das sich mit historischer Betrachtung der Benutzung von Magenleidenheilpflanzen befasste, während Draco, der in Kräuterkunde sein fast schwächstes Fach hatte, einen anspruchsvollen komplexen Arbeitsauftrag zur Drachenrotalge bekommen hatte, an dem er, wie er Harry, Millicent und ihrer zweiten gemeinsamen Freundin Hermine anvertraut hatte, als sie sich zu einer zwanglosen Nachfeier seines Geburtstages getroffen hatten, sich die Zähne ausbiss. Sie hatten an einem Tisch bei Florian Fortescues Eisladen gesessen und gemeinsam Eis gegessen und miteinander geplaudert, nachdem sie alle Draco noch einmal zum Geburtstag gratuliert hatten.

Nur Hermine war zu diesem Zeitpunkt, noch ganz am Beginn der Ferien, im Prinzip schon mit allen Aufgaben fertig gewesen, die sie aufbekommen hatten. Obwohl sie meinte sie müsse hier und da sicher noch etwas korrigieren, wozu Millicent die Augen verdrehte und Draco meinte, dass sie ihm doch vielleicht, sozusagen als nachträgliches Geschenk, die Verwendung der Drachenrotalge oder die Lösungen ihrer Zauberkunstaufgaben näherbringen könnte.

Hermine hatte natürlich nichts dergleichen getan (schließlich würde er so nichts lernen), aber später hatte Harry sie im Gespräch mit Draco zwei- dreimal Dinge wie „Trank aus zermahlenen getrockneten Blättern“, „historischer Farbstoff“ („Ich habe das in „Eine historische Abhandlung über Pflanzen in der zauberischen Malereikunst des 16. und 17. Jahrhunderts“ gelesen.“) oder „Chlorophyllanteile“ sagen hören. Er vermutete, dass das der Arbeit seines Freundes einen kleinen Aufschwung gegeben hatte. Millicent hatte derweil eine kleine streunende Katze aufgelesen und hatte sie auf ihrem Schoß drapiert, wo diese sich ausgiebig streicheln ließ, obwohl die Streunerin sich das im Normalfall wohl nie erlaubt hätte und niemand außer Millicent wohl auch je auf die Idee gekommen wäre, es zu versuchen.

Harry vermisste die drei. Es war sehr seltsam gewesen, zu sich nach Hause zurückzukehren und dort nicht mehr jeden Morgen auf die vertrauten Gesichter seiner Freunde oder Schlafsaalnachbarn zu treffen. Nicht Schule zu haben war natürlich nicht schlecht, aber gleichzeitig fehlte ihm Hogwarts doch. Das Schloss war schließlich fast ein zweites Zuhause. Und er war gewöhnt daran den Tag umgeben von seinen Mitschülern zu beginnen und zu beenden.

Hogwarts war ein Ort ständigen Kommen und Gehens und pausenloser Gespräche, mal laut, mal im Flüsterton, tagsüber und des Nachts das Heim der leise umherziehenden Geister und des wachsamen Hausmeisters in Begleitung seiner alten Katze. In dem Gemeinschaftsraum von Slytherin hörte man abends bisweilen Lebewesen aus dem See dumpf gegen das dicke verzauberte Glas klopfen, das es vom See trennte und die Porträts an den Wänden führten leise Gespräche oder schnarchten. Laut Hermine war in Gryffindor ebenfalls oft zu später Stunde noch einiges zu hören. Kurzum in Hogwarts hatte man immer das Gefühl, das irgendwo etwas los war.

In dem Haus, in dem er seit fast zehn Jahren mit Severus und Remus lebte war es hingegen immer recht ruhig und verhalten. Das Dorf, in dem sie lebten war auch recht klein und viele Bewohner blieben meist innerhalb ihrer Familien und Freundeskreise und waren zudem alle mindestens ein Jahrzehnt älter als Harry selbst.

Nun hier hatte er zwar einen Gleichaltrigen, den er jeden Tag sah – Dudley – aber wirklich angenehm war das auch wieder nicht. Lustig allerdings war, wie anfällig die Dursleys dieses Jahr auf einige Worte reagierten. Harry war nicht ganz klar, ob sie wirklich glaubten, er könne sie nun, da er an seiner Schule begonnen hatte Zauberei zu studieren und anzuwenden, gezielt mit einem Zauber verschwinden lassen oder in Frösche verwandeln, aber sie schienen ein wenig auf der Hut vor ihm zu sein. Und sie wussten schließlich nicht, dass er gar nicht zaubern durfte. Allerdings war es auch seltsam wie widersprüchlich sie sich nach einem Moment von scheinbarer Angst vor ihm wieder verhielten, als wäre er eben doch nur ihr verleugneter Verwandter, den sie weit fort wünschten.

Harry zog ein Blatt Pergament hervor, auf dem er vorgestern begonnen hatte, den Aufsatz für Zaubertränke zu schreiben, den sie über die Ferien aufbekommen hatten. Von allen Lehrern war Severus, Professor Snape zu ihm zu sagen, kam Harry immer noch komisch vor, derjenige, der die längste Arbeit gefordert hatte. Und obwohl Harry sowohl das Fach als auch den Lehrer gut leiden konnte, verfluchte doch ein Teil von ihm seit Beginn der Ferien den Auftrag sechs Seiten Pergament zu dreißig Zentimetern Länge und 24 Zentimetern Breite mit seinem Wissen über die Auswirkungen und Einflüsse verschiedener Zubereitungsmethoden einzelner ausgewählter Zutaten bei Heiltränken zu füllen. Vor allem da irgendein Teil von ihm den Anspruch hatte eine wirklich gute Arbeit abzuliefern und nicht nur ein paar kopierte Informationen aus seinem Lehrbuch.

„Die Temperatur bei der Wellhornschnecken geschmort werden und die Geschwindigkeit beim Umrühren des unfertigen Tranks während deren Zugabe wirken sich maßgeblich auf die Potenz des Heiltranks aus und interessanterweise auch auf die Wirkungsweisen der Mixtur. So kann eine lange bei niedriger Hitze geschmorte Schnecke bei inneren Heilungen effizienter sein, eine hingegen kurz bei hoher Hitze geschmorte für die äußerlichen geeigneter.“, schrieb er und erinnerte sich an ihre erste Stunde, in der sie einen Heiltrank für Furunkeln hergestellt hatten.

Eine weitere Zutat, die ihm ins Auge gefallen war, war Eisenhut. Sie sollten mindestens zwei Zutaten explizit erwähnen, maximal fünf Zutaten, um nicht zu allgemein zu schreiben. Nun war aber der Trank, der ihm bereits seit Vergabe der Aufgaben im Kopf herumging, und bei dem ihm Eisenhut eingefallen war, der Wolfsbanntrank, den er durch Remus kannte, der ihn einmal im Monat um den Vollmond herum zu sich nahm. Aber dieser Trank für Werwölfe war nicht offiziell Teil der Heiltränke, da umstritten war, ob ein Trank, der ein Leiden nicht wirklich linderte, sondern nur ein Bewusstsein förderte und es einem Werwolf ermöglichte bei Vollmond mehr oder weniger friedlich und im Besitz seiner eigenen Gedanken zu sein, wirklich zum Bereich der Heilung zählte. Andererseits war es ein Trank mit dem sich Harry wirklich gut auskannte und er wusste auch, dass Severus der Meinung zugeneigt war, er solle zu den Heiltränken gezählt werden. Er könnte auch einfach die im Lehrbuch unter Heiltrankzutaten aufgeführten Alraunen schreiben oder zermahlene Kuri-Nüsse. Er hatte zwar bisher nicht mit Alraunen gearbeitet, aber müsste ja auch nur nachlesen, was sie bewirkten und dies dann anhand eines Beispiels näher erläutern. Was einfacher wäre. Aber...

Harry nahm seinen Federhalter vom Beistelltisch, den er zu Beginn der Ferien freigeräumt hatte von allen möglichen Kleinteilen von Dudleys zerbrochenen Spielsachen (sein Cousin neigte zu Wutausbrüchen, bei denen er seine Sachen zerstörte und ließ sich dann durch seine Eltern besänftigen, indem sie ihm neue Dinge kauften).

Er benetzte den Kiel mit Schreibtinte aus einem kleinem blauen Fass und begann über Eisenhut zu schreiben.

Nun, wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

 

Harrys Plan, die Zeit totzuschlagen und die Aufgaben etwas voranzubringen, ging auf, als er einige Zeit später seine Tante rufen hörte, aufblickte und sah, dass es draußen bereits um einiges dunkler geworden war und sich der Abendhimmel ankündigte. Er packte seine Dinge schnell zusammen und ging nach unten, wo er seine missbilligend dreinschauende Tante und Remus antraf, der von Kopf bis Fuß gegen alles ging, was Petunia Dursley für anständig hielt. Seine Haare waren derzeit schulterlang und offen, er trug einen dunkelblauen Umhang unter dem eine sichtlich abgetragene Weste und eine bequem – unmodische Hose hervorschauten. Außerdem hielt er einen Besen in seiner linken Hand und seinen dunklen Zauberstab in seiner rechten, die er locker neben sich baumeln ließ.

An seinem einem Ohr hing der seltsam wirkende Ohrring mit dem Zahn eines Drachen, ein Geschenk eines Mannes aus Russland, den Remus bei einer Recherche zu einem Buch über nordasiatische und osteuropäische Fauna und Flora kennengelernt hatte, und ein paar der Strähnen seines Haars waren mit geflochtenen hellen bunten Bändern durchzogen, die er von seiner letzten Reise mitgebracht hatte.

Man hätte meinen können die Kombination dieser Dinge sähe recht bescheuert aus, aber Harrys Pate schaffte es irgendwie sie miteinander zu verbinden auf eine Art und Weise, dass er weder zu alt noch zu jung für seine Aufmachung schien und ganz natürlich und sympathisch wirkte. Nun nicht unbedingt sympathisch aus Sichtweise von Petunia, der Remus zu unkonventionell war.

Dennoch bemerkte Harry auch die Müdigkeit in den Augen seines Paten und die sich bildenden Falten um Augen und Stirnpartie. Der Vollmond war nicht lange her und es schien die Verwandlung zum Werwolf war dieses mal besonders kräftezehrend gewesen.

Neben Remus schwebte Harrys Besen scheinbar schwerelos in der Luft und ließ Petunia noch mehr als der so unnormale Mann die Brauen zusammenziehen. Von allen Abarten des nicht-Normalen war Zauberei zweifellos die Schlimmste.

Harry rannte zu seinem Paten, der ihn erblickte und lächelte. „Harry.“, sagte er und nickte kurz, „schön, dich wieder zu sehen.“ dann umarmten sie einander einen Moment. Petunia betrachtete sie beide, als wären sie irgendwie ansteckend oder auf besondere Art und Weise widerwärtig, doch Harrys Pate blieb unbeeindruckt, reichte dem Jungen seinen Besen und wandte sich dann der Tante zu.

„Petunia. Wir gehen jetzt. Wie immer war es eine Freude.“, und er sagte den letzten Satz so, dass er nicht ironisch oder spöttisch klang, sondern von Herzen ehrlich. Wie jedes Jahr, wenn Remus höflich und freundlich gegenüber seiner Tante blieb, schwankte Harry zwischen Bewunderung und Unbegreifen darüber.

Harrys Tante verzog die Lippen zu einem falschen bemühten Lächeln, mehr aus Reflex denn absichtlich, und dann beeilte Harry sich das Haus seiner Verwandten gemeinsam mit seinem Paten zu verlassen.

Vor der Tür bewegte Remus leicht seinen Zauberstab und Harry wusste, dass sein Pate wortlos einen Zauber wirkte, der sie vor Muggeln wie seiner unliebsamen Verwandtschaft verbergen würde. Dann bedeutete er ihm auf seinen Besen zu steigen. In seinem ganzen Körper fühlte Harry die Vorfreude darauf zu fliegen. Seit er im letzten Jahr im Flugunterricht festgestellt hatte, wie es sich anfühlte auf einem Besen durch die Luft zu gleiten, konnte er es jedes mal kaum erwarten erneut zu fliegen.

Vorher waren sein Pate und er (und wenige male Severus und er) mit dem Bus oder einem Taxi zu den Dursleys gekommen und wieder zu sich heimgekehrt. Einmal waren sie auch appariert, aber es gab sehr strenge Regeln diesbezüglich, wollte man in ein Gebiet, das von Muggeln bewohnt war. Zu Fliegen hingegen... Es gab wenige Dinge, die Harry besser vorkamen, als die Idee den Besuch bei seiner Verwandtschaft mit einem Flug zu beginnen und zu beenden.

Remus stieß sich von Boden ab und Harry folgte ihm, fühlte, den Wind in den Haaren und die Sonne, die nun langsam unterging tauchte die Welt in einen rötlichen Schimmer. Das war es, was er ewig hätte tun können: Auf einem Besen sitzen, die Welt unter sich klein werden sehen und den Horizont zum Ziel haben. Sein Pate flog voran und sie überquerten erst Little Winging, dann einige kleinere Orte und eine Stadt, deren Häuser hoch waren, doch niemals höher als sie auf ihren Besen, bis die Landschaft langsam immer grüner wurde und Hügel und Wälder sich abzeichneten nur durchzogen von dem hie und da auftauchendem und wieder verschwindendem blau von kleinen Flüssen und Seen.

Als sie erste Meerluft erreichte, wusste Harry, dass sie bald da sein würden und Remus gab ihm zu verstehen, dass sie landen sollten. Sie beugten sich leicht nach vorne und sanken dann nach unten auf eine Baumgruppe zu. Und Harry war stolz auf seine sehr gute Landung, als sie schließlich auf dem Boden ankamen. Ein kleiner Weg war ganz in ihrer Nähe, kaum mehr ein Trampelpfad, den sein Pate betrat.

„In Ordnung.“, sagte Remus, „Jetzt ist es nicht mehr weit. Den Rest gehen wir zu Fuß.“

Llanbedr, der Ort, in dem das Haus stand, in dem sie wohnten, unterlag als Dorf, in dem Muggel und Zauberer nah beieinander lebten und viele ihre Privatsphäre suchten, einigen besonderen Sicherheitsmaßnahmen. Nur ein Bewohner des Ortes oder ein mit einer temporären oder permanenten Erlaubnis ausgestatteter bestätigter Besucher konnte Llanbedr einfach so betreten. Mit Ausnahme von gelegentlichen Post- oder Paketboten, die jedoch selten in den Ort kamen, weil innerhalb Llanbedrs selten Post aneinander geschickt wurde und zumindest die Zauberer oder diejenigen mit Zauberern in ihren Familien sich der Eulenpost bedienten. Nur wenige Bewohner von Llanbedr wussten nicht um die Existenz der Zaubererwelt und viele der Nicht-Zauberer, die in dem Ort lebten hatten Verwandten oder Ehegatten, die Zauberer oder Hexen waren.

Wer nicht von der Zaubererwelt wusste, wusste auch nicht, um den Schutz, der auf dem Ort lag, obwohl er auch sie betraf. Die Magie, die hinter den Sicherheitsvorkehrungen lag, existierte schon länger und wurde von den Anwohnern instand gehalten und regelmäßig kontrolliert und auch das Zaubereiministerium warf ab und zu ein Auge auf Llanbedr, wenn auch nicht immer ohne Zähneknirschen, denn der Ort unterlag seinen ganz eigenen Idealen und Regeln.

Der Pfad, dem Harry und Remus nun, die Besen in der Hand und Harrys kleinen Rucksack auf dessen Rücken, folgten, war einer der Wege, die einen Bewohner leicht in das Dorf kommen ließen. Harry kannte ihn und sah bald die vertrauten hohen Bäume, deren Anzahl stetig zunahm. Der dichte Wald, in den sie hineingingen, lag ganz in der Nähe von dem Hügel, auf dem das Steinhaus stand, in dem sie wohnten. Manchmal ging Harrys Pate bei Vollmond hierher, wenn er die Gestalt eines Wolfes angenommen hatte.

Die Leute in Llanbedr wussten größtenteils nicht, dass Remus Lupin ein Werwolf war, abgesehen von Harry, Severus und einer ihrer Nachbarin Polly McGregor. Letztere da sie sich schon oft abends um Harry gekümmert hatte, wenn die beiden Männer nicht da waren, weil Severus als Lehrer in Hogwarts arbeitete und Remus wegen des Vollmonds den Wolfsbanntrank, der ihn als Werwolf sein Bewusstsein behalten ließ, aber nicht ungefährlich machte, genommen hatte und in seiner verwandelten Gestalt im Keller des Hauses in einem Korb lag und auf den Morgen wartete. Oder durch den Wald stromerte. Dennoch hielten die Leute von Llanbedr sich nachts vom Wald fern, auch wegen einiger Gerüchte um wilde Tiere.

Tatsächlich hatte Remus als Wolf schon einmal einen Bären, zwei Füchse und einige andere Wesen getroffen. Ein wenig erinnerte Harry der Wald Llanbedrs fast an den Wald bei seiner Schule, dem Verbotenem Wald, der Teil der Gelände Hogwarts' war. Aber der Verbotene Wald war ein Mischwald mit vielen Nadelgehölzen, während in Llanbedrs Wald die Laubbäume überwogen und kleine Farne den Boden an vielen Teilen gänzlich bedeckten.

Während sie den Weg langgingen, fragte Remus Harry nach der Woche bei den Dursleys, erzählte ihm von einer neuen Katze ihrer katzenliebenden Nachbarin Mrs Figg und von einem Buch, das er möglicherweise demnächst korrigieren würde, über die Geschichte der Sprache der Kobolde und der Zusammenhänge mit der Entwicklung ihrer Kultur.

„Ein ziemliches Randthema“, meinte Harrys Pate und schüttelte dann den Kopf, so dass der Ohrring mit dem Drachenzahn hin und her baumelte, „Wenige Zauberer können sich für andere magiebegabte Wesen interessieren. Gut, Drachen sind spannend, viele junge Leute sehen in ihnen eine Art ausreizbare Gefahr, einige eine Möglichkeit und Kobolde akzeptieren wir als Genies auf den Gebieten der Einschätzung des Wertes von Dingen, wir lassen sie unsere Vermögen verwalten und uns von ihnen beraten. Alles andere außer Meermenschen und Hauselfen, die viele ignorieren oder nur nutzen, ist entweder Objekt der Forschung oder potentielle Gefahr, vor der wir uns zu schützen lehren, aber machen wir uns Gedanken um ihre Kultur? Ihre Wünsche und Träume? Die Art wie sie denken, die Dinge, die sie können, von denen wir nichts wissen?“

Harry hörte ihm zu und dachte dabei an die Erfahrungen, die er gemacht hatte. Kobolde kannte er auch nur aus Gringotts, der Zaubererbank in der Winkelgasse, einer großen Einkaufsstraße in London, die sie bald wieder besuchen würden, um die Bücher für Harrys nächstes Schuljahr und andere Dinge, die er in seinem zweiten Jahr für Hogwarts brauchen würde, zu kaufen. Sie waren eher klein, hatten große Ohren, feine Finger und scharfe Augen und sie verstanden wirklich viel von Edelsteinen, Schmuck und dem Geldgeschäft. Möglicherweise könnte er ja einmal welche von ihnen in ihrer Sprache miteinander sprechen hören, nur um zu wissen, wie sie dann klangen. Er selbst konnte neben Englisch nur ein wenig Latein, ein paar Brocken Französisch, die er durch seinen Freund Draco gelernt hatte, der öfter mal mit seiner Familie nach Frankreich fuhr, Bruchstücke Deutsch, die ihm Remus einmal beigebracht hatte, als er ein Buch übersetzte, und beherrschte weder die Sprache der Kobolde noch die der Hauselfen oder der Meermenschen.

Erfahrungen mit einem Drachen hatte er gesammelt, als er im letzten Schuljahr auf Norbert gestoßen war, den kleinen norwegischen Stachelbuckel, ein Drachenbaby, das der Wildhüter von Hogwarts, mit dem Harry und seine drei besten Freunde befreundet waren, ausgebrütet hatte und behalten hatte wollen, bis sie ihn überzeugten, dass dies nicht möglich war. Allein schon als Baby war Norbert mit einer großen Zerstörungsfähigkeit ausgestattet und wuchs schneller als man es ihm hätte zutrauen wollen. Falls Drachen eine Sprache hatten, dann sicher eine, die über Feuer und Rauch und Fauchen und Beißen bestand, Dinge die Norbert mit Vorliebe getan hatte. Harry hatte großen Respekt vor Charlie Weasley, einem jungen Mann, der bereits ein Abgänger der Schule war und in Rumänien mit Drachen arbeitete. Wohlgemerkt den ausgewachsenen Exemplaren.

Meermenschen wiederum kannte Harry nur aus Büchern. Angeblich lebten auch im See von Hogwarts einige von ihnen, doch obwohl er oft an dem See gesessen hatte und durch ein großes Fenster unter dem See, wo der Gemeinschaftsraum lag, in dem er mit Millicent und Draco Schach spielte oder Bücher las, direkt in die Tiefe hineinblicken hatte können, hatte er noch nie einen vom Meervolk gesehen.

Auch Hauselfen kannte er mehr vom Hörensagen. Sie waren oft Bedienstete von reicheren Zaubererfamilien. Harry wusste, dass Dracos Familie einige Hauselfen in ihrem Anwesen hatte und Mr. Peters, der ganz am Rand von Llanbedr und ein ganzes Stück von Harry, Remus und Severus entfernt lebte, hatte einmal einen alten Hauself namens Grumpy gehabt, den er ein, zweimal im Dorf gesehen hatte. Grumpy war klein, gebeugt und grauhäutig gewesen, hatte fast so viele Falten wie Mr. Peters selbst, große Augen, die er zukniff und große Ohren, die herunterhingen. Er war lange schon taub, wusste Harry noch. Vor ein paar Jahren dann war Grumpy am Alter gestorben, Mr. Peters, der zu dem Elfen durchaus eine Bindung aufgebaut zu haben schien, hatte ihn hinter seinem Haus begraben und keinen weiteren Hauselfen gesucht.

Über Remus Erzählung und Harrys Gedanken hinweg waren sie schließlich bald am Rand des Waldes angekommen. Ein paar Minuten später schon gelangten sie zu dem größer-werdendem Landweg, der zu ihrem Haus führte. Inzwischen hatten sie die unsichtbare Barriere, die Llanbedr von der umliegenden Landschaft abschnitt durchschritten und Remus ließ mit einer kurzen Bewegung seines Zauberstab und einigen gemurmelten Worten ihre Besen und Harrys Rucksack, den er an dessen Besen gebunden hatte, vorausfliegen. Aus dem Schornstein ihres Hauses, das Harry bereits erblicken konnte, kam weißer Dampf, Severus war zu Hause und hatte wahrscheinlich schon ein Abendessen zubereitet. Und zwar nicht eines der Art wie Harrys Tante Petunia ihrem Neffen eine Woche lang gequält gezwungener-weise aufgetischt hatte, sondern ein richtiges Essen, ein warmes gutes Abendbrot, das auf Harry und Remus wartete.

Auch Remus hob leicht und erwartungsfroh die Nase, um den Vollmond herum waren seine Sinne meist etwas geschärft und er konnte sicher bereits riechen, worum es sich bei dem Essen handelte. Harry sah ihn lächeln, es war etwas Gutes. Als er jünger gewesen war, hatten sie beide immer ein Spiel daraus gemacht, wenn Remus etwas sah, roch oder hörte, dass Harry nicht wahrnahm.

„Was hörst du?“, hatte Harry zum Beispiel gefragt und dann „Ist es... ein Geräusch von einem Tier?“

„Nein“, hatte Remus erwidert und geschmunzelt.

„Dann... ist es ein Geräusch von einem Menschen?“

„Nicht ganz.“

„Ist es ein Geräusch, dass durch einen Menschen entstanden ist?“

„Ja.“

„Mh.“, hatte Harry gemacht und Severus, der bei einigen Gelegenheit neben ihnen ging, warf dann Dinge ein wie „Ist es etwas Musikalisches?“

„Ja.“, erwiderte dann Remus und Harry ging „Ein Lied?“ „Ein Instrument, das jemand gerade spielt?“ „Eine Aufnahme?“ „Eine Kassette?“ durch, bis er und Severus schließlich auf das Grammophon von Mrs Brown kamen, dass gerade einen Walzer abspielte, zu dem Mrs Brown mit dem Fuß klopfte, während sie einen Kuchen machte.

Es hatte Harry immer beeindruckt wie viel Remus wahrnehmen konnte. Aber dennoch war ihm auch klar gewesen, welchen Preis sein Pate dafür zahlen musste. Ein Werwolf zu sein bedeutete viele Schmerzen, ausgegrenzt zu werden oder sich isolieren zu müssen und zu wissen, dass man eine große Gefahr für die werden konnte, die man liebte. Und viele Zauberer waren beispielsweise dagegen, dass Werwölfe Kinder groß ziehen durften, Arbeit in der Zaubererwelt bekamen oder überhaupt am Leben gelassen wurden. Zum Glück gab es keine Gesetze, die diese Dinge durchsetzten.

 

Freilich hatte sich ihr Haus in der einen Woche, in der Harry fort gewesen war, nicht viel verändert, dennoch hatte er das Gefühl, als wäre er ewig nicht bei sich zu Hause gewesen. Schließlich konnte eine Woche Dursleys sich fast so lang ziehen wie eine Ewigkeit wie es mit allen eher unangenehmen Dingen im Leben war. „Zeit ist relativ.“, hatte Severus zu einem Kommentar dieser Art einmal zu Harry vor ein paar Jahren gesagt und Remus hatte erklärt, dass Zeit abhängig vom Standpunkt des Betrachters sei. Zum Beispiel käme Harry es doch sicherlich immer vor, als vergehe ein Tag sehr schnell, wenn es ein sehr schöner Tag war, eine Stunde bei einem guten Buch, einem schönen Spiel war scheinbar viel kürzer als die dreißig Minuten in denen sich ihre Nachbarin Mrs Figg bemühte Harry die Grundlagen der Mathematik beizubringen, die ihn langweilten und wenig interessierten.

Nun würde aber jemand der nicht Harry war und diese Zeit anders verbrachte ein ganz anderes Gefühl von der Geschwindigkeit in der der Tag, die Stunde oder die Minuten vergingen haben, eben weil er etwas sehr Schönes, sehr Ermüdendes oder für ihn nur Alltägliches machte. Außerdem veränderte die Anzahl an Ereignissen, die innerhalb einer Zeitspanne von statten gingen die scheinbare Dauer dieser Zeitspanne. Manche Tage schienen vollkommen ereignislos und vergingen fast unbemerkt und blieben nicht im Gedächtnis, an manchen Tagen wiederum passierte aus Sicht Harrys zum Beispiel so viel, dass sie ihm möglicherweise viel länger und ausgefüllter vorkamen.

Dann hatten Severus und Remus eine Diskussion über die Beeinflussung von Zeit in der Zaubererwelt und derer möglichen Folgen begonnen, die Harry zu theoretisch und unverständlich wurde und er hatte aufgehört ihnen zuzuhören und stattdessen angefangen etwas zu zeichnen. Aber der Gedanke davor war ihm im Gedächtnis geblieben.

Severus begrüßte sie knapp aus einem Sessel heraus, der in der Ecke des Esszimmers stand und senkte dann seine Nase wieder in ein dickes Buch, das er sich sicher aus ihrem großen Bücherregal im Wohnzimmer geholt hatte, in dem oben die älteren und viel gelesenen Bücher über Zaubertränke, -sprüche und Zutaten jeder Art standen, über Remus' kleiner Ecke mit Romanen, den verschiedenen Lexika und Verzeichnissen und dem großen Atlas, in dem Harry ihr eigenes Haus fand, wenn er ihn aufschlug und mit dem Finger auf die obere linke Ecke der ersten Seite tippte, woraufhin sich Llanbedr leuchtend von einer Karte von Europa abhob und sich vergrößerte.
Ganz unten standen dann Harrys eigene Bücher, einige Gartenratgeber und diverse Sachbücher. Die Bücher, an denen Remus als Korrektor mitgearbeitet hatte und einige speziellere Bücher zu Fachgebieten der Magie waren in den Regalen in Remus und Severus eigenen Zimmern, bei Harry standen einige seiner Schulbücher seit Ende des Schuljahres auf den drei Regalbrettern, die bei ihm neben dem Nachttisch an der Wand hingen.

Es gab Kartoffelbrei mit paniertem Gemüse, Pilzsoße und frischen Tomaten und es schmeckte sehr gut, auch weil Severus' Kartoffelbrei der beste war, den Harry kannte. In Hogwarts hatte es zwar im ganzen Jahr über gutes Essen gegeben, aber der Kartoffelbrei dort war eben doch nicht so gut wie der von Harrys dunkelhaarigem, hakennasigem Mitbewohner.

Remus und Harry aßen ruhig und gaben beide ein Kompliment an Severus, das dieser nickend und sichtlich zufrieden mit sich selbst annahm, auch wenn er natürlich versuchte, diese Zufriedenheit nicht allzu deutlich zu zeigen. Es war schön und angenehm und das warme Essen tat gut, denn obwohl es Sommer war, war es doch am Abend recht kühl. Harry wusste, dass Severus sich durchaus bewusst in das Esszimmer gesetzt hatte, um die Gesellschaft seiner beiden Mitbewohner zu teilen und es war ein schönes Gefühl, die beiden Männer, die durchaus seine Väter hätten sein können, neben sich zu wissen.
Dieses schöne Gefühl war es auch, dass er hatte, als er schließlich schlafen ging.

 

Ein paar Tage später besuchte sie ihre Nachbarin, Polly, samt zwei ihrer Katzen und selbstgebackenem Kuchen. Sie kam gerade zurück von einem Kurzbesuch bei ihrem Sohn Fergus. Der junge Zauberer lebte in Glasgow. Polly, die die meiste Zeit ihres Lebens in Llanbedr verbracht hatte, das nicht nur sehr viel kleiner war, sondern auch sehr viel ungewöhnlicher, wenn man bedachte, das das Dorf ein Ort war, an dem Zauberer, Squibs und wenige Muggel zusammenlebten. Und dass in Llanbedr das ungeschriebene Gesetz galt, das ständig irgendwo Magie im Gange war. Natürlich gab es auch in Glasgow Zauberer, aber alles war viel verborgener und Zauberer und Muggel waren sehr unter sich. Außer dem Umgang mit Magie war Polly vor allem, wieder einmal, wie sie meinte (sie war bereits einmal in Glasgow gewesen vor längerer Zeit), die Vielzahl an Gebäuden und Geschäften aufgefallen. Sie hatte einiges an Dingen gekauft und auch Fotos gemacht, die sie Harry und Remus zeigte, Severus hatte mit einem Blick deutlich gemacht, kein Interesse zu haben, während sie zu viert im Garten saßen und den Kuchen aßen.

Harry erzählte ihr von der üblichen Woche bei den Dursleys und unterhielt sich mit ihr über das Exemplar von „Huckleberry Finn“, das sie ihm zum Geburtstag geschenkt hatte und das vorher ihr eigenes gewesen war, voller kleiner Zeichnungen am Seitenrand, die teilweise richtig gut waren. Er hatte noch nicht viel gelesen, aber er mochte das Buch. Auch weil die Figuren alle recht ungewöhnlich waren. Es war ein sehr persönliches Geschenk. Und er machte ihr Komplimente für ihre Bebilderung. Polly verstand es, Buchszenen zu zeichnen, die einem beim Lesen ins Auge fielen, verdeutlichen und wiedergeben konnten, was man sich selbst vorstellte, ohne die eigenen Ideen von den Szenen zu stören. Harry zeichnete selbst öfter einmal und als er jünger gewesen war, hatte Polly manchmal mit ihm zusammen etwas gezeichnet.

Remus hingegen berichtete ihnen beiden von dem letzten Projekt bei dem Verlags, für den er als Korrekturleser arbeitete. Wobei der Beruf sehr viel mehr umfasste, als nur nach kleinen inhaltlichen oder grammatikalischen Fehlern zu suchen. Harrys Pate musste oft Zaubersprüche, Rezepte für Tränke oder Tipps für den Umgang mit Pflanzen auf ihre Wirksamkeit testen, verreisen, um Quellen nachzuprüfen oder vor Ort Fakten zu bestätigen und mit manchen Autoren oder Übersetzern einen Briefaustausch führen, darüber wie sie diese oder jene Stelle in ihren Werken meinten, wo es Missverständnismöglichkeiten geben könnte oder wenn sich etwas als falsch oder fehlerhaft erwies.
Er war in diesem Fall recht viel unterwegs gewesen. Und anscheinend hatte er sich während der Arbeit gut mit dem Autor vertraut gemacht. Der ziemlich eigen war, recht eloquent, aber dennoch kein Mann vieler Worte, weder in seinem Buch noch von Angesicht zu Angesicht. Harrys Pate meinte, sein Werk wäre gut, aber es würde wahrscheinlich eher unbekannt bleiben, weil es seinem Autor in seiner Art ähnlich sei.

Nachdem Polly sich verabschiedet hatte, verbrachte Harry dann etwas Zeit mit Severus bei den Beeten bei ihrem Haus. Sie hatten dieses Jahr neben etlichen Pflanzen, die als Zaubertrankzutaten dienten, auch mehrere Gemüsebeete, um die sich meistens Remus kümmerte. Viel war bereits geerntet, aber ein paar Dinge wurden auch gerade erst reif und sowohl die zwei Kürbisse als auch die Zucchini würde Remus erst ernten, wenn Harry und Severus bereits in Hogwarts waren. Da das Wetter gutes Gartenwetter war, war der Tag genau der richtige, um sich um einige der Pflanzen zu kümmern. Außerdem hatte Severus drei neue Pflänzchen gekauft, die sie gemeinsam einsetzten. Er machte daraus auch wie so oft eine kleine Lernstunde für Harry, indem er ihn die Pflanzen identifizieren ließ, ihm ihren Gebrauch erläuterte und dann nach den besten Orten fragte, um sie zu pflanzen. Der Mann war beileibe kein großer Gärtner im Großen und Ganzen, Remus war der eigentliche Gartenenthusiast, aber meist hatte er doch sichtlich Freude daran, diese oder jene Pflanze zu pflegen und bereits ihren Gebrauch im Kopf zu bestimmen.

Und er war vor allem Dingen, das wusste Harry nur allzu gut, sehr stolz auf mehrere der exotischeren Zaubertrankzutatenlieferanten. Ihn bei der Arbeit im Garten zu helfen oder zu beobachten war schön. Wenn auch manchmal anstrengend. Vor allem freute Harry es, wenn Severus ihm eine schwierigere Aufgabe anvertraute und ihm damit zeigte, dass er ihn für kompetent genug hielt, diese zu erfüllen, andernfalls würde er ihm sie nicht zuweisen.

Severus Laune war außergewöhnlich gut. Die drei neuen Pflanzen waren eine großartige Errungenschaft, da er sie günstig und in guter Qualität hatte bekommen können und zwei bereits eine Weile lang gesucht hatte. Eine der Pflanzen hatte er nicht selbst besorgt, Remus hatte sie von einem seiner Bekannten geschenkt bekommen, der wusste, dass sein Mitbewohner eine blaue Münzwurzel suchte. Severus meinte zwar zu Remus Kommentar zu dem beiliegendem Brief, in der Bekannte schrieb, die Pflanze beim Kartenspiel gewonnen zu haben und nicht gebrauchen zu können, das der Mann zweifellos ein Idiot sein müsse, sie nicht zu schätzen, aber natürlich hatte er bestimmt kein Problem damit, sie selbst anzupflanzen.

Harry pflanzte die Münzwurzel, pflegte das Kräuterbeet und erntete ein paar Tomaten. Danach aßen sie im Haus mit Remus Abendbrot, der die frischen Tomaten gleich im Salat verarbeitete.

Im Anschluss spielten sie drei Partien Zaubererschach im Wohnzimmer, wobei sie je eine Runde aussetzten. Für gewöhnlich spielte Severus selbst im Grunde nie, aber er schien einen wirklich guten Tag zu haben, so dass Remus ihn dazu überreden konnte, sich ihm und Harry anzuschließen. Harry gewann das Spiel gegen seinen Paten knapp und verlor gegen Severus, der sich als sehr guter Spieler entpuppte. Remus wiederum besiegte den anderen schließlich zuletzt im längsten der drei Spiele, sodass jeder von ihnen einmal gewonnen hatte. Harrys Mitbewohner schienen schon öfter gegeneinander gespielt zu haben, denn sie konnten einander gut beurteilen. Es war für Harry spannend zu beobachten, wie sie einander auf dem Spielfeld in diese oder jene Fallen zu bringen versuchten, bis schließlich Remus Severus mit einem Springer und seiner Dame Schachmatt stellte. Und er sah wie sehr beide das Spiel gegeneinander reizte. Obwohl Severus verlor, war er am Ende nicht weniger zufrieden mit der Partie, merkte Harry und verstand es gut, denn es war ein sehr schönes und herausforderndes Spiel. Auch wenn er sehr müde war, konnte er das doch erkennen. Und er sah beide lächeln, als sie ein weiteres Spiel begannen, während er selbst ihnen eine gute Nacht wünschte und schlafen ging.

 

Er hätte gedacht, die gute Laune könnte anhalten, aber am nächsten Morgen schien Severus dann doch eher weniger guter Stimmung zu sein, als Harry in der Früh in die Küche kam. Harrys Pate machte gerade ein kleines spartanisches Frühstück. Remus schien ein wenig nachdenklich und schaute leicht besorgt zu ihrem gemeinsamen Mitbewohner hinüber. Währenddessen runzelte dieser die Brauen beim Lesen des Tagespropheten, der Zeitung der Zaubererwelt, die er bevorzugte. Er wirkte als hätte Remus oder irgendein Hausgeist, der heimlich bei ihnen wohnte, in den Kaffee gespuckt, den er ihm auf den kleinen Tisch gestellt hatte, an dem er saß. Neben der Tasse lag ein geöffneter Brief und Harry hatte eine leise Ahnung, dass die schlechte Laune mit dem Lesen des selbigen zusammenhing und nicht damit, dass Remus Severus noch mehrfach im Schach besiegt hatte. Wenn Harrys Pate der Grund für seinen leisen Ärger, denn man fast in der Luft fühlen konnte, gewesen wäre, würde er anders reagieren.

Er und Remus verzogen sich mit vier Brötchen, zwei Teller und Messern und Butter und Marmelade ins Esszimmer. Remus hatte Severus noch einen Teller mit ein paar Scheiben Brot mit Frischkäse auf die Theke gestellt, das dieser meist vorzog und Harry einen Kakao gemacht. Er selbst hatte eine Tasse frischen Tee aufgebrüht. Wenn Severus schlechte Laune hatte, ließ man ihn am besten eine Weile für sich allein.

„Wir gehen heute in die Winkelgasse.“, sagte Remus zu Harry nach dem Essen. Harrys Brief war bereits in der Woche angekommen, in der er bei den Dursleys gewesen war. Sein Pate hatte gemeint, dass sie in diesem Jahr wirklich sehr früh dran wären. Zum Glück hatte Severus Professor McGonagall gebeten den Brief nach Llanbedr zu schicken, falls Harry bei seinen Verwandten wäre. Petunia wäre wohl wenig über Eulenpost von der Schule begeistert gewesen.

Wirklich gelesen hatte Harry den Brief allerdings noch nicht. Hausaufgaben konnten der Schulzeit doch ein kleinen Dämpfer geben. So sehr er sich darauf freute, wieder nach Hogwarts zu kommen, so wenig war sein Enthusiasmus gegenüber einer Liste mit neuen Schulbüchern und Materialien nach dem ersten Schuljahr. Er war auch irgendwie nicht dazu gekommen. Schließlich war es nicht so, als hätte er nichts mit seiner Zeit anzufangen. Aber viel Neues konnte ohnehin nicht hinzu gekommen sein, da sie mehrere Sachen weiterverwenden würden.

„Was ist mit Sev? Kommt er mit?“, verwendete Harry seinen Spitznamen für Severus, den er nur Harry und Draco verwenden ließ, letzteren weil er sein Patensohn war.

„Ich glaube, wir sollten Severus heute in Ruhe lassen. Er muss ein paar unerwartete und obendrein unangenehme Angelegenheiten regeln und will sicher lieber hier bleiben. Aber ich habe einen Brief von der Mutter von deiner Freundin Millicent erhalten, die vorschlägt, dass wir heute gemeinsam eure Sachen für das zweite Schuljahr einkaufen gehen. Sie scheint eine sehr praktisch veranlagte Frau zu sein.“

Harry dachte an Millicent, seine bodenständige und gnadenlos ehrliche Freundin, die oft tat, was ihr richtig erschien, egal, was andere dazu sagen könnten. Irgendwie konnte er sich gut vorstellen, dass ihre Mum, von der sie mehrfach geredet hatte und mit der sie gemeinsam mit einer Schar Haustiere irgendwo südlich von London in einer kleineren Stadt lebte, in der Tat eine praktisch veranlage Frau war. Vor allem, wenn Millicent nach ihrer Mutter kam.

„Und möglicherweise treffen wir noch auf andere Mitschüler von dir. Heute ist ein guter Tag zum Einkaufen der Schulsachen. Das Wetter in London soll angenehm werden, Geschäfte die eine Ferienpause hatten, öffnen wieder und bei „Flourish & Blotts“ findet ein Ausverkauf statt, weil einer der Autoren eine Autogrammstunde gibt.“

„Oh gut. Dann sehen wir ja vielleicht Draco oder Hermine. Oder Theo, Neville, Blaise... wenn wir Pansy sehen, muss ich mich irgendwie verstecken. Sie ist seit Ende des Schuljahres damit beschäftigt zu versuchen, herauszubekommen, was Draco, Hermine, Milli und mir zugestoßen ist und wie es dazu gekommen ist, dass Professor Quirrell ins St. Mungo's musste. Wir haben sie getroffen, als wir Dracos Geburtstag nach gefeiert haben, ich habe dir doch davon erzählt, und sie hat nicht aufgehört zu versuchen uns Löcher in den Bauch zu fragen.“

Harrys Pate runzelte bei der Erwähnung von Harrys ehemaligem Lehrer die Stirn. Professor Quirrell hatte sich am Ende als ein Verbündeter Voldemorts herausgestellt, des dunklen Zauberers, der Harrys Eltern getötet hatte und Harry töten wollte, dabei jedoch beinahe umkam und seither mehr zu einem Gerücht als einem lebendigem Mann geworden war, bis er durch den Lehrer versucht hatte, unsterblich zu werden und sich von dem fehlgeschlagenem Tötungsversuch zu erholen. Quirrell hatte in Harrys erstem Schuljahr zweimal versucht Remus' Patensohn umzubringen und allein die Erwähnung seines Namens ließ ihn sich Sorgen machen.
Harry wusste darum, doch erstens glättete sich die Stirn seines Paten bald wieder und zweitens war er zu froh darüber, Milli und vielleicht auch ein paar seiner anderen Freunde wiederzusehen, dass er sich nicht selbst Gedanken machen wollte.

 

Sie überließen Severus also sich selbst und reisten über das Flohnetzwerk zum Tropfendem Kessel, einem Pub, in dessen Hintereingang der Zugang zur Winkelgasse verborgen war. Harry klopfte sich gerade noch Asche aus seinen Sachen, da wurde er auch schon in eine Umarmung eines dunkelhaarigen kräftigen Mädchens gequetscht, die ihm fast sämtliche Luft raubte. „Hallo Harry, toll dich zu sehen.“, sagte Millicent und ließ ihn dann sicher auch zur Erleichterung von Remus, der leicht besorgt ob der Atmung seines Patensohns schien, wieder los. „H-h-h-e-e-y, Milli.“, erwiderte Harry, nachdem er wieder seinen Brustkorb fühlen konnte. Er holte tief Luft. Dann lächelte er ihr zu.

Seine Freundin sah gut erholt aus. Ihre Haare waren heute beinahe in schlimmerer Verfassung als Harrys eigener unkämmbarer Haarschopf, sie trug eine weite sehr bunte Tunika und eine lange bunte Kette aus Holz. Die Sachen sahen neu aus und wirkten leicht orientalisch. Sie schienen nicht ganz zu Millicent zu passen, weder farblich, vom Stil her noch größenmäßig, aber wenn es jemanden gab, dem so ziemlich egal war, wie sie aussah, solange ihre Kleidung bequem war, war es Millicent. Alles andere wäre auch gar nicht natürlich gewesen für sie.

Harry hatte eine Postkarte von ihr aus Nordafrika bekommen, wo sie und ihre Mutter eine Woche lang Urlaub gemacht hatten. Auf der Karte, die ein sich bewegendes Zaubererfoto war, hatte die Dunkelhaarige eine große gelbe Löwenkönigskatze geknuddelt, eine besondere Art von Haustier, die es in Ägypten zu finden gab und die Abkömmlinge einer Sphinx waren, wie sie ihm geschrieben hatte. Sicher hatte sie dort ihre jetzigen Sachen gekauft.

Millicents Mutter, die Harry und Remus kurz die Hand reichte, hatte eine große Ähnlichkeit mit ihrer Tochter,auch wenn ihre Haare etwas heller und dünner waren und ihre Nase knolliger schien. Nach Standardideen von Schönheit hätte sie wohl keiner besonders attraktiv genannt, aber sie strahlte eine erdige tiefe Ruhe und stete Kraft aus, die sie jedem, der über das Äußere hinweg schaute sympathisch machen musste.

„Remus Lupin.“, sagte Harrys Pate und reichte der Frau vor ihm die Hand.

„Margret Bulstrode.“, erwiderte Millicents Mutter.

„Angenehm.“, antwortete Remus und lächelte, dann wandte er sich an Millicent und Harry. „Und du bist sicherlich Millicent. Schön, dich kennenzulernen.“ und reichte auch dem dunkelhaarigem Mädchen die Hand.

„Harry.“, sagte Harry seinerseits zu Millicents viel gerühmter Mum.

„Nun denn. Habt ihr alles? Deinen Verliesschlüssel, Harry? Eure Briefe mit den Listen der Bücher, einen Finde-mich?“, fragte dann Remus.

Und Harry nickte, nachdem er noch einmal in die Taschen seines Umhangs gefühlt hatte und den Umschlag mit dem kleinem Schlüssel darin, den Brief und den kleinen Anhänger, der seinen Paten ihn wiederfinden lassen würde, sollten sie sich aus den Augen verlieren, gespürt hatte. Auch Millicent nickte.

„Sehr gut. Auf geht’s.“

Die Winkelgasse war voller Hexen und Zauberer, als sie sie durch den verborgenen Eingang im Hinterhof des Tropfenden Kessels betraten. Vor ihnen war ein Meer von Umhängen, Spitzhüten, einzelnen umherfliegenden Eulen und überall erklingenden Stimmen.
Remus hatte recht gehabt, viele der Menschen hier waren eindeutig Eltern und Kinder, die sich für das nächste Schuljahr ausrüsteten, sicher waren unter den Schülern auch einige, die Harry kannte, doch ob sie wirklich jemanden treffen würden und sich auch unterhalten könnten schien ihm bei dem unaufhörlichem Getöse eher unwahrscheinlich.

Millicents Mutter und Remus nahmen Harry und Millicent in ihre Mitte und sie bahnten sich einen Weg durch die Menge. Gesprächsfetzen erklangen um sie herum. Harry hörte mehrfach „Hogwarts“, Dinge wie „...zerstoßene Salamanderaugen“, „neuer Besen“ und einmal seinen Namen, als einer der Zauberer offensichtlich den „berühmten Harry Potter“ erspäht hatte, zum Glück war es so voll und laut und unübersichtlich, dass der Kommentar unterging und mit ihm der ihn aussprechende Zauberer. Harry war berühmt dafür, als Baby nicht gestorben zu sein, als Lord Voldemort ihn zu töten versuchte und er fand darauf angesprochen zu werden eher unangenehm.

Auch ein weiterer Name fiel mehrfach, den Harry allerdings nicht recht zuzuordnen wusste. Er erinnerte sich dunkel, ihn irgendwo gelesen zu haben. Vor allem vor Flourish & Blotts, wo die Menge noch dichter zu sein schien, hörte er den Namen mehrfach. Ihm fiel ein, dass Remus erwähnt hatte, dass ein bekannter und beliebter Autor eine Autogrammstunde gab und er schloß, dass „Lockhard“/“Lockhart“? jener Autor sein musste. Vor allem Frauen schienen sich am Eingang des Buchladens zu drängen, Hexen in Umhängen in allen Farben und Formen, teilweise schienen sie sehr herausgeputzt, es erschien Harry ein wenig übertrieben aber andererseits was verstand er schon von Mode oder von dem Autor, der sie alle so begeistern musste?

Womöglich sah dieser Lockhart nach Meinung all der Hexen gut aus, oder er schrieb vor allem Romane für Frauen. Millicent und ihre Mutter jedenfalls schienen dem Ganzen keine Aufmerksamkeit zu schenken. Entweder war ihnen Lockhart kein vertrauter Name oder was immer das Interesse der anderen fing ließ die beiden unberührt.

Sie mussten ein ganzes Stück sehr langsam laufen, doch nach einigen Geschäften zerstreuten sich die Leute ein wenig. Als sie bei dem großen Gebäude der Gringotts – Zaubererbank ankamen, waren nur noch vereinzelte Menschen um sie herum. Neben dem großen Tor der Bank stand ein griesgrämig schauender Kobold und beäugte sie misstrauisch, so als wären Remus, Millicent, deren Mutter und Harry die törichten Einbrecher auf die er und die Sicherheitsvorkehrungen von Gringotts quasi ihr „Leben“ lang gewartet hatten.

Weder die beiden Frauen noch Harry selbst störten sich jedoch daran und Remus nickte dem Kobold zu, der daraufhin immer noch leicht argwöhnisch aber doch beinahe schon freundlich oder doch zumindest höflich das Nicken erwiderte. Wahrscheinlich geschah es nicht oft, dass ein Zauberer sein Dasein wohlwollend zur Kenntnis nahm, geschweige denn grüßte. Doch sicherlich war das kein Grund betreffenden seltenen Individuen gegenüber weniger wachsam zu sein.

Sie betraten die große Halle mit den Schaltern hinter denen weitere Kobolde saßen, Kunden betreuten, Edelsteine prüften und Gold, Kupfer und Silber abwogen, durch das große Portal der Bank. Gemeinsam traten sie vor eine der Theken, an der ein Kobold mit einem Monokel vor einem aufmerksam sie betrachtendem braunem Auge mit besonders großen Ohren saß und wartete. Harry erinnerte sich an seinen letzten Besuch bei Gringotts vor einem Jahr, bei dem er zum ersten mal das Verlies gesehen hatte, in dem das Vermögen, das seine Eltern ihm vererbt hatten, lag.

An genau so einem Schalter hatte er damals den Wildhüter von Hogwarts kennengelernt, Hagrid, der im Auftrag des Schulleiters wie sich später herausstellen sollte einen wirklich einmaligen Schatz aus Gringotts geholt und nach Hogwarts gebracht hatte. Der riesenhafte Mann hatte neben Remus und Harry gestanden und nach dem Brief gesucht, der ihn ermächtigte, das Verlies von Nicolas Flamel zu betreten und den Stein der Weisen von dort zu holen. Der Kobold, der ihn bedient hatte, war sichtlich wenig begeistert davon gewesen, dass der Tisch vor ihm sich mit dem Inhalt von den zahllosen Taschen füllte, die Hagrids Kleidung hatte.

Remus hatte ihm mit einem Zauber geholfen, den Brief zu finden und damit sowohl Hagrid als auch dem Kobold vor ihm Erleichterung verschafft. Es schien Harry so, als sei der Kobold vor ihm derselbe wie der, der Hagrid an diesem Tag vor sich gehabt hatte und Hundekekse, allerlei Krümel, diverse Papierstücke, Murmeln und anderen Klimbim auf seinem Tisch gehabt hatte. Tatsächlich verzog sich das Gesicht des Beamten ein wenig, als er Remus erblickte, zu einem zwar immer noch grimmigen doch etwas freundlicherem Ausdruck.

„Guten Tag“, grüßte Harrys Pate ihn, „Wir sind hier, um mehrere Verliese einzusehen.“

„Die Namen und Schlüssel?“, erwiderte der Kobold.

„Remus Lupin, Harry Potter und Margret Bulstrode.“, erwiderte Remus und er, Harry und
Millicents Mutter reichten dem Kobold je einen Schlüssel.

Der Beamte besah sich die drei Schlüssel, nickte und rief nach einem seiner Kollegen, der sofort hinübergeeilt kam und die vier Kunden beäugte. „Alle gemeinsam?“, fragte er, „Ich kann nur drei von ihnen fahren, mehr Personen sind aufgrund unserer Sicherheitsvorschriften nicht zugelassen.“

Millicent meldete sich zu Wort und meinte, sie würde oben warten. Sie klang nicht so, als sei sie traurig darüber, nicht mitzukommen. Harry fiel ein, dass sie, obwohl sie sonst sehr taff war, ein leichtes Problem mit dem Befahren von Wasser hatte, weil sie zur Seekrankheit neigte. Und eine Fahrt in einem der Wagen in den unterirdischen Tunneln des Gringotts konnte durchaus einer besonders heftigen Seereise nahekommen. Kein Wunder, dass sie ganz froh zu sein schien, als sie sich von ihr mit einem „Bis gleich“ verabschiedeten.

Tatsächlich hatten sie einen der besonders klapprigen Wagen, besonders geschwindigkeitsfreudigen Fahrer und besonders holprigen Strecken erwischt. Harry war froh, dass er nicht viel gefrühstückt hatte und dass er immer schon besser mit hohem Tempo zurecht gekommen war. Ihr Fahrer war für einen Kobold (gegenüber einem Zauberer) auch außergewöhnlich gesprächig. Er plauderte mit Remus und gab Kommentare zu den schönsten und steilsten Kurven der Strecke ab, für die er eine Zuneigung zu hegen schien. Harry war sich zwar nicht ganz sicher, er kannte sich nicht so gut mit Kobolden aus, aber er glaubte auch, dass ihr Fahrer relativ jung war, aber doch schon eine Weile für die Bank arbeitete. Zumindest kannte er offenbar jeden Teil des Schienensystems und alle Verliese zu denen ein jeweiliger Abzweig führte.

Millicents Mutter teilte die Probleme ihrer Tochter offenbar nicht, sie wirkte als genoss sie die Fahrweise des Kobolds ebenso wie dieser selbst und zweimal gab sie ihm ein Kompliment für seine Manövrierfähigkeit. Zuerst kamen sie zu Harrys eigenem Verlies, in dem der kleine Schatz lag, den seine Eltern ihm hinterlassen hatten. Er entnahm sowohl Geld für die Schulmaterialien als auch einen kleinen Betrag für sonstige Kosten im kommenden Schuljahr. Es war nicht zum ersten mal ein seltsames Gefühl das viele Gold zu sehen und zu wissen, dass es ihm gehörte. Danach fuhren sie zu Remus' Verlies, dessen Vermögen darin kleiner war, was fast noch seltsamer war, dafür aber auch ein paar Bücher ein begriff, die nicht leicht zu bekommen waren.

Das Verlies der Bulstrodes lag einige Ebenen tiefer, war älter und hatte etwas leicht Unheimliches. Außerdem schien es leicht chaotisch zu sein. Denn Millicents Mutter brauchte eine ganze Weile, bis sie wieder heraus kam und war danach leicht verstaubt., wie als hätte sie mehrere dort gelagerte Dinge zur Seite bringen müssen, um die Stelle zu finden, an der ihr Geld lagerte. Normalerweise wurde das Gold, das eine Hexe oder ein Zauberer verdiente, wenn er oder sie es nach Gringotts schickte, durch spezielle und streng geheime Koboldmagie transferiert und ordentlich gelagert.

Der Kobold erklärte Harry, der sich danach erkundigte, dass einige der älteren Verliese jedoch anders funktionierten. Es gab solche, in denen es einen einzelnen speziellen Punkt gab, an den das Geld immer gelangte, auch wenn dieser Punkt versperrt war und solche, die dazu neigten, sich nach ihren Besitzern zu richten. Ein Besitzer, der einen genauen Plan seines Verlieses im Kopf hatte, konnte also Geld und/oder auch andere Dinge gezielter ordnen. Ein Verliesinhaber, der, wie offenbar Millicents Mutter, nicht weiter darüber nachdachte, oder nicht genau wusste, wie es in seinem Verlies aussah, konnte hingegen leicht den Überblick verlieren lassen.

Als sie wieder nach oben und in die große Halle zurückkehrten, war Millicent nicht alleine. Sie unterhielt sich mit einem leicht gebückten und sehr leise sprechenden Jungen. Harry erkannte einen seiner Mitschüler, mit dem er den Schlafsaal teilte. Es war der eher zurückhaltende Theodore Nott, der meist fast gar nicht bemerkbar war, es sei denn, das Thema Besen wurde angesprochen. Theo war ein hoffnungsloser Besen- und Quidditchfanatiker und kannte sich mit beidem sehr gut aus.

Im Normalfall konnte man irgendeinen Besennamen nennen und er wusste, wann der Besen in Serie gegangen war, welche Eigenschaften er hatte, wie viel er im Durchschnitt kostete, welche Vorteile er gegenüber welchen anderen Besen hatte und welche Hersteller ihn entwickelt hatten. Möglicherweise auch, welche professionellen Spieler den Besen flogen oder geflogen hatten.

„Hallo, Theo.“, grüßte Harry, „Kaufst du auch für Hogwarts ein?“

Theodore nickte ihm zu. „Ja. Ich bin mit meinem Vater hier. Er ist unten beim Verlies, als ich Millicent gesehen habe, habe ich ihm gesagt, ich werde auch hier warten. Wir werden aber erst noch zum St. Mungos apparieren, sonst verpassen wir die Besuchszeit für meinen Großvater.“

Harry erinnerte sich, dass Theodores Großvater im Sterben lag. Er konnte sich gut vorstellen, dass der Junge und sein Vater die Zeit zum Besuchen nutzen wollten.

„Es geht ihm ganz gut. Im Großen und Ganzem.“, setzte der stille Junge noch nach, „Er hat keine Schmerzen und sagt, dass sich die Ärzte gut um ihn kümmern.“

Theodore stellte sich auch Remus und Millis Mutter vor. Sie unterhielten sich noch ein wenig, darüber, was sie bisher in den Ferien gemacht hatten (Harry berichtete von den ersten Wochen, ließ die Dursleys aber fast komplett unter den Tisch fallen, Millicent von den diversen Wesen, die sie gefunden hatte (die Löwenkönigskatze war das Hauptthema) und Theodore erwähnte den neu erschienen Nimbus 2001, der quasi noch nicht einmal erhältlich war, „nicht ohne Vorbestellung“). Dann verabschiedeten sie sich von dem Jungen, als sein Vater kam und verließen die Bank.

Draußen erwartete sie erneut der Trubel an Menschen, als sie zu den Bücherregalen von Flourish & Blotts drängten. Im Laden standen mehrere Hexen und vereinzelte Zauberer in einer langen Schlange. Mehrere Stapel sehr neu wirkender Bücher standen herum und als Harry sie näher betrachtete, merkte er, dass sie alle vom selben Autor waren. „Gilderoy Lockhart“ stand auf den Einbänden. Außerdem schienen sie ausschließlich verschiedene Fotos ein und desselben Mannes auf dem Umschlag zu zeigen, einen blonden Zauberer mit Locken und bekleidet in elegante Umhänge unterschiedlicher Farben. Er hatte blauen Augen und weißen Zähnen, die man sah, wenn er einem aus seinen Fotos heraus zulächelte oder dem Beobachter zuzwinkerte.

Als Harry mit den Augen der Menschenschlange folgte, sah er an dessen Ende einen Tisch, umgeben von Porträts desselben Mannes, an dem jemand saß, der ihm den ganzen Fotos verdächtig ähnlich erschien. Offensichtlich jener Autor, über den er hier und dort bereits etwas gehört hatte, als sie an den Leuten vorübergingen und der heute eine Autogrammstunde abhielt.

„Das ist dieser Gilderoy Lockhart, oder? Weißt du, warum alle so einen Wirbel um ihn machen?“, fragte er Millicent leise, während sie weiter hinein in den Laden gingen.

Sie zuckte mit den Schultern. „Ist vor ein paar Monaten recht bekannt geworden. Und seine Bücher sind dieses Jahr fast alle auf unserer Liste.“

Harry betrachtete eines der Fotos im Vorübergehen genauer. Es war seltsam, dass Schulbücher alle nur Bilder eines einzigen Mannes in verschiedenen Posen auf ihrem Umschlag hatten. Im Normalfall waren sie eher schmucklos und schlicht. „Ich hoffe nur, er ist auch ein guter Autor und nicht nur jemand mit einem hübschen Gesicht. Alle sagst du?“

Er zog seine Bücherliste hervor und las sie durch. Acht Bücher, sieben davon von Lockhart. Den Titeln nach zu urteilen wahrscheinlich für das Fach Verteidigung gegen die Dunklen Künste. „Nun, zumindest ist es nicht schwer, sie zu finden...“, sagte er und nahm sich je zwei Exemplare von Tanz mit einer Todesfee und Gammeln mit Ghulen, die gerade in seiner Reichweite waren. Er gab je eines an Millicent, die ihm dafür Ein Jahr bei dem Yeti und Abstecher mit Vampiren hinüberreichte.

Remus fand Wanderungen mit Werwölfen, das er misstrauisch betrachtete, nachdem er einen Blick auf den Klappentext geworfen hatte. Er sah so aus, als fühlte er sich als immerhin echter Werwolf in Person (auch wenn das natürlich außer ihm und Harry in dem Laden keiner wissen konnte), wenig angesprochen. Millicents Mutter fand Trips mit Trollen und Harry erspähte bei dem Tisch, an dem Lockhart saß, mehrere Exemplare von Ferien mit Vetteln. Er gab den anderen drei ein Zeichen, gab seinem Paten seine Bücher und bahnte sich dann alleine einen Weg nach vorn, um das letzte Buch von Lockhart zu holen. Er war der kleinste, schmalste und gewandteste von ihnen, darum fiel es ihm leichter, an den verschiedenen Büchern und Hexen und Zauberern um sie herum vorbeizukommen.

Harry lotste sich an kleinen, großen, dicken, dünnen, blonden, brünetten, schwarzhaarigen und rothaarigen Hexen in Umhängen aller Art vorbei und schaffte es bis zu den Büchern. Er nahm zwei von ihnen und machte sich auf den Rückweg, stieß jedoch plötzlich unvermittelt gegen einen Mann, der ihm in den Weg trat und dem er nicht ausweichen konnte. Der kleine Zauberer vor ihm, der zu schimpfen anhob, hielt eine große Kamera in Händen und hatte eine Haltung, die aussagte, dass er sich für recht wichtig hielt, wichtiger als die Leute um ihn herum vor allen Dingen. Bevor er jedoch seiner Wut darüber, dass Harry ihm im Weg stand und ihn obendrein angerempelt hatte, Ausdruck verleihen konnte, hatte sich Remus, den Korb mit Harrys Büchern in der Hand, zu ihnen durchgedrängt und entschuldigte sich, wobei er Harry sorgsam aus der Bahn des Fotografen zog.

Auf einmal hatte Harry eine Art schlechter Vorahnung, eine mulmige Unruhe in seiner Magengegend. Sofort wurde es bestätigt, als Gilderoy Lockhart, der sie bemerkt hatte, zu ihnen wandte und ihn ansah.

„Ist das nicht...“, rief der Autor theatralisch aus und klang dabei, als würde er eine Szene auf einer Bühne spielen, in der er der Held und Hauptdarsteller wäre, „...Harry Potter?“

Dann bevor Harry es sich versah, stand Lockhart auf, kam direkt zu ihm und zog ihn an der Hand zu dem kleinen freien Raum vor dem Tisch, an dem er gesessen hatte. Der Fotograf, der bis dato Harry beschimpfen wollte, machte eine Wende um 180 Grad und schien nun schwer begeistert von Harrys Anwesenheit, die er sofort mit dem Fotoapparat einzufangen begann. Remus hingegen wirkte leicht verdattert, ebenso überrumpelt wie Harry selbst, der sah, wie Millicent und ihre Mutter zu Harrys Paten gingen.

Einige der Umstehenden brachen spontan in Beifall aus und Lockhart begann laut zu plappern über Berühmtheiten und zerquetschte gleichzeitig Harrys Hand, während er in die Kamera sah und immer wieder lächelte und seine weißen Zähne aufblitzen ließ. Harry begann zu überlegen, wie er dieser Lage entkommen konnte, er hatte wirklich kein Interesse daran, vor allen Leuten vorgeführt zu werden und seine Hand fing wirklich an weh zu tun. Im letzten Jahr hatte er zu Beginn seiner Zeit in Hogwarts oft Blicke auf sich ruhen fühlen können und Getuschel gehört, wenn er an anderen vorüberging. Es war ihm unangenehm gewesen, auch wenn er mit der Vorstellung nicht der Betrachtete sondern der Betrachtende zu sein, ein Rat von Draco, sich besser hatte fühlen können. Die jetzige Situation war allerdings ein wenig anders, denn das vor ihm waren keine Mitschüler sondern lauter vollkommen Fremde und der Fotograf und Harry war dank Lockhart mitten auf dem Präsentierteller.

„...richtiger Augenblick um etwas anzukündigen...“, hörte er Lockhart neben sich, während er die Blicke einiger der umstehenden Hexen sah, die besagten, dass sie viel geben würden um entweder ebenfalls Harrys Hand zu zerquetschen oder um mit Harry zu tauschen. Er hätte kein Problem mit Letzterem. „...denn der junge Harry hier wird neben meiner Autobiografie, die ich ihm selbstverständlich schenke, bald noch etwas viel Besseres haben...“, fuhr Lockhart fort und machte dann eine dramatische Pause. Harrys schlechtes Gefühl verstärkte sich. Und ihm war nicht ganz wohl bei der aufgesetzt kumpelhaft wirkenden Bezeichnung seiner selbst durch den Mann neben ihm.

„...denn: Meine Damen und Herren, es ist mir eine außerordentliche Freude ihnen mitteilen zu dürfen, dass nicht nur er, sondern auch seine lieben Mitschüler bald neben meinen gesammelten Werken etwas noch viel Besseres bekommen werden. Den Autor dieser Werke in Person: Denn, ja, ich höchstselbst werde zu meinem großen Stolz in diesem September ihr neuer Lehrer in Verteidigung gegen die Dunklen Künste sein.“ Das sorgte erneut für Beifall. Und in Harrys Fall dafür, dass das neue Schuljahr ein wenig an Reiz verlor. Eigentlich hatte er nämlich Interesse an Verteidigung gegen die Dunklen Künste, aber letztes Jahr hatten sie darin Quirrell zum Lehrer, der mehrfach versucht hatte, Harry umzubringen und sich im Unterricht vor allem auf viel Stottern beschränkte, und dieses Jahr offenbar Lockhart, der ihm bereits jetzt den Eindruck vermittelte, dass er das Fach möglicherweise erneut zu einem der unangenehmeren machen würde.

Nachdem einer der Angestellten Harry je eine Ausgabe sämtliche Bücher mit Lockharts Bild auf dem Einband gereicht hatte, ehe er ihm hatte klar machen können, dass er die meisten bereits hatte, schaffte er es davon zu kommen, auch weil Millicents Mutter sich zwischen ihn und den Fotografen schob. Wie ihre Tochter schien sie die Fähigkeit zu haben, andere dazu zu bringen eine Idee, wie zum Beispiel Harry weiter davon abzuhalten, sich Lockhart zu entwinden, schnell aufzugeben, wenn sie sich in deren Weg stellte.

„Danke.“, sagte Harry zu ihr und zu Millicent meinte er: „Stellen wir je eins der Bücher zurück und teilen den Preis.“ Er konnte sie sich selbst leisten und es fühlte sich gut an, sie zu teilen.

„In Ordnung.“, erwiderte seine Freundin und reichte ihm das letzte Buch von der Liste, das beruhigenderweise keinen Lockhart auf dem Umschlag hatte. Sie musste es geholt haben, während Harry bei dem Autor gewesen war. Im Hinausgehen hörte er noch, wie Lockhart laut weitere Autogrammstunden in den folgenden beiden Wochen ankündigte. Harry würde bestimmt nicht zu denen gehören, die diese besuchen würden.

Sie gingen in „Scribbulus Schreibwarenladen“, einen kleinen Laden für Schreibwarenbedarf. Der Unterschied zu Flourish & Blotts war bemerkenswert: Hier waren sie, zusammen mit dem alten Verkäufer, der hinter der Kasse in eine Ausgabe des Tagespropheten spähte, beinahe allein zwischen den Regalen in aller Größe, in denen Pergamentpapier unterschiedlicher Qualität, Tinte in verschiedenen Farben und vereinzelte Füllfederhalter sich den Platz mit Briefbeschwerern, staubigem Siegelwachs und Stempeln teilten.

Remus suchte zusammen, was er zur Auffüllung seiner Vorräte brauchte und Millicent und Harry holten Pergament und Tinte. Kurz stand die Dunkelhaarige auch vor einem der Briefbeschwerer, der nach Ansicht Harrys nicht wirklich schön war, einem Stück dunkelgrauem Fell ähnelte (oder einer toten Maus) und sich angeblich bewegte, wenn ein Brief unter ihm dringend beantwortet werden musste. Er erinnerte an das Erinner-mich von Neville Longbottom, das sich rot färbte, wenn man etwas vergessen hatte, jedoch nicht zeigen konnte, was man vergessen hatte. Harry selbst machte die Vorstellung eher nervös, zu wissen, dass etwas zu tun war, aber nicht was es war.

Danach gingen sie noch in die „Magische Menagerie“. Natürlich war das für Millicent der Höhepunkt des Tages, den hier fanden sich Tier in allen Formen, Größen und Farben. Das dunkelhaarige Mädchen verschwand fast zwischen den Käfigen und Terrarien, die herumstanden oder sogar von der Decke hingen. Sie kam beladen mit diversen Nahrungsmitteln für ihren kleinen Privatzoo an Haustieren zurück, von denen Harry sämtliche von Fotos und ihre Katze Helena von Troja und den Uhu Perkes quasi persönlich kannte. Er selbst holte einen kleinen Beutel mit Eulenkeksen, die gleich an der Kasse angeboten wurden. Seine eigenen gingen zu Neige.

Sie verabschiedeten sich von Millicent und ihrer Mutter, die mit ihrer Tochter apparierte, und nachdem Remus in der Apotheke zwei Bestellungen für Severus aufgegeben hatte, reisten sie per Flohpulver zurück nach Llanbedr.

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