
Chapter 11
Zwei Tage später befinden sich Eva und Uli im Beratungsgespräch. Es ist ein stiller Moment. Eva hört aufmerksam zu, doch ihre Gedanken sind bei Uli, die neben ihr sitzt, als wäre sie selbst in diesem Raum nicht ganz anwesend. Uli lässt sich die Fragen über sich ergehen, beantwortet sie kurz und präzise, während ihre Miene ernst und konzentriert bleibt. Es ist, als würde sie in sich selbst versinken, um diesem ganzen Prozess standzuhalten. Eva sieht sie nicht an, doch in ihrem Inneren fühlt sie die Last dieser Entscheidung schwer wie Blei.
Endlich erhält Uli den Schein für den behandelnden Arzt. In drei Tagen wird sie die Abtreibung vornehmen lassen können. Der Moment, den sie so lange gefürchtet hatte, ist nun greifbar. Die Realität trifft Eva wie ein Schlag. Doch sie bleibt ruhig, obwohl ihr Herz schwer ist.
„Eva, fährst du mich kurz zum Arzt, damit wir den Termin ausmachen?“, fragt Uli mit gedämpfter Stimme. „Das Wochenende ist ja zu, also muss es wohl nächste Woche sein. Dann brauch ich auch einen freien Tag, und Jeremy muss beschäftigt sein.“
Eva legt ihre Hand auf Ulis. „Ich kümmere mich um Jeremy“, sagt sie leise. „Er wird mich hassen, aber das wird er auch, wenn er von uns erfährt.“
Uli sieht sie entsetzt an. „Er soll von uns erfahren?“
Eva zuckt mit den Schultern, unsicher. „Ich weiß nicht… Wenn er es herausfindet… oder so“, murmelt sie.
Trotz der unsicheren Worte bleibt Uli ruhig. Die beiden fahren gemeinsam zum Arzt, und Uli macht für den kommenden Montag einen Termin aus. Während des Wochenendes haben sie keinen Kontakt – Eva arbeitet nicht, und Uli muss sich mit ihrer Arbeit und all den Gedanken in ihrem Kopf auseinandersetzen.
Am Montagmorgen, kurz vor dem Termin, geht Uli zu Eva. Eva hat Jeremy mit Aufgaben im Hotel beschäftigt, sodass er den ganzen Tag damit verbringen kann, ohne Verdacht zu schöpfen.
„Eva, das ist so eine Scheiß-Situation“, sagt Uli, als sie sich gegenüber sitzen. Ihre Augen sind müde, aber fest. Sie sieht Eva an, als suche sie nach einem Ausweg, doch dieser scheint ihr so fern.
Eva sieht sie mitfühlend an. „Wenn du es dir doch anders überlegst… Wir können noch fahren“, sagt sie vorsichtig. „Ich bin bei dir, was auch immer du entscheidest.“
„Nein, Eva“, erwidert Uli bestimmt. „Ich will kein Kind mehr – nicht mit diesem Mann, und nicht von diesem Mann. Es passt einfach nicht mehr in mein Leben.“ Ihre Stimme bricht nicht, doch in ihren Augen sieht Eva den unbändigen Schmerz.
Der Name „Frau Kersting“ wird aufgerufen. Uli sieht Eva an und gibt ihr einen letzten, flüchtigen Kuss auf die Lippen. „Bis gleich“, flüstert sie.
Eva sieht ihr nach, als sie in den Behandlungsraum geht. Die Minuten dehnen sich, während sie auf ihr Handy starrt, aber auch sie spürt die Last des Moments. Nach 15 Minuten darf sie wieder zu Uli. Sie nickt ihr nur stumm zu, ihre Miene ist eine Mischung aus Erleichterung und innerem Zorn.
Eva beugt sich vor und gibt Uli einen sanften Kuss auf die Stirn. „Ich bin stolz auf dich“, flüstert sie.
Uli muss noch zwei Stunden zur Beobachtung bleiben, und während der Wartezeit sprechen die beiden viel miteinander. Uli erzählt, dass sie nach dem Eingriff zehn Tage keinen Sex haben darf. „Wie erklär ich das Jeremy?“, fragt sie hilflos.
Eva rollt mit den Augen. „Ich dachte bei euch läuft es eh nicht so gut“, sagt sie mit einem Schmunzeln. „Sonst sag einfach, du hast deine Tage – das geht immer.“
„Und wie erkläre ich ihm die hohe Rechnung?“ fragt Uli weiter, die Sorgen in ihrer Stimme sind unverkennbar.
Eva atmet tief durch, überlegt kurz. „Sag einfach, du hast dir die Pille fürs Jahr geholt oder keine Ahnung. Wird doch nicht so teuer sein, oder? 400–600 Euro?“, murmelt sie, unsicher, aber pragmatisch. „Das fällt schon nicht auf. Egal, mir wird schon was einfallen.“
„Kannst du mal fragen, ob ich gehen darf?“, fragt Uli mit einem schiefen Lächeln.
Eva geht zum Empfang, um nachzufragen. Wenig später begleicht sie die Rechnung für Uli und sorgt dafür, dass der Stresspunkt wenigstens für den Moment verschwunden ist.
„Komm, ich bring dich nach Hause“, sagt Eva und nimmt Uli an der Hand. Langsam gehen sie zum Auto, die Straße scheint endlos und still.
„Eva, du hättest meine Rechnung nicht bezahlen müssen“, sagt Uli, ihre Stimme ist scharf. „Ich war es, die nicht aufgepasst hat. Nicht du. Du musst nicht für meine Dummheit bezahlen.“
„Uli, sei still“, sagt Eva sanft, aber bestimmt. „Ich will nicht, dass du Ärger mit deinem Mann bekommst – und schon gar nicht, dass er rausfindet, was wir hier tun.“
„Und jetzt fahr ich dich nach Hause. Du musst dich schonen“, fügt Eva hinzu, ihre Stimme fest, aber voller Zuneigung. Sie schließt die Autotür und startet den Motor. Die Reise geht weiter, doch die Stille zwischen ihnen fühlt sich gleichermaßen wie ein Neubeginn und ein Abschied an.
„Ich muss übermorgen nach Hamburg für zwei Tage. Also, wir sehen uns dann wohl länger nicht“, sagt Eva leise, während sie Uli ansieht. „Da du am Wochenende arbeiten musst und ich frei habe… Aber vielleicht komme ich ja im Hotel vorbei.“
Uli nickt, ihre Augen schwer vor einer Traurigkeit, die sie nicht verbergen kann. Sie weiß, dass Eva noch ein Leben hat – eines, das nicht um sie kreist. Diese Erkenntnis schmerzt, auch wenn sie es sich nicht eingestehen will. Eva legt ihre Hand auf Ulis Arm, als wollte sie sie beruhigen, doch die Worte klingen ungewiss.
„Wir werden das überleben“, sagt sie, aber der Satz fühlt sich irgendwie hohl an. Es ist mehr ein Versuch, sich selbst Mut zu machen