Das sinkende Schiff

Hotel Mondial (TV)
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Das sinkende Schiff
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Chapter 12

Eva fährt mit gemischten Gefühlen nach Hamburg. Die Reise ist lang, die vorbeiziehende Landschaft verschwimmt vor ihren Augen, während ihr Kopf voller Gedanken ist. Sie denkt an das Hotel, das noch immer eine Baustelle ist – ihr großes Projekt, das ihr so viel abverlangt, aber auch Hoffnung gibt. Doch ihre Gedanken wandern auch zu Uli. Diese Nähe, die sie immer wieder zwischen sich spürt, die unausgesprochenen Worte, die Berührungen, die mal zufällig, mal gewollt erscheinen. Was sind sie eigentlich füreinander? Ein Paar? Nein, nicht wirklich. Freunde? Vielleicht, aber auch das fühlt sich nicht richtig an. Sie hat so viele Fragen, die auf der Zunge brennen, doch sie traut sich nicht, sie laut auszusprechen.

Als Eva schließlich in ihrem Hotelzimmer ankommt, überkommt sie ein Gefühl der Erleichterung. Für einen Moment fühlt sie sich wie ein Teil von etwas Normalem. Der Blick fällt auf die große Badewanne im Badezimmer, und plötzlich ist alles andere vergessen. Ein warmes Lächeln huscht über ihr Gesicht. Endlich etwas, das mich entspannt. Ohne zu zögern, lässt sie das Wasser einlaufen, schlüpft aus ihrer Kleidung und gleitet in das warme Nass. Augenblicklich spürt sie, wie die Anspannung der letzten Tage von ihr abfällt. Sie schließt die Augen, lehnt den Kopf zurück und genießt das Gefühl, endlich wieder Zeit für sich selbst zu haben.

Während das Wasser sanft an ihrem Körper entlangläuft, streicht Eva langsam mit der Hand über ihre Haut. Der Gedanke an Uli schleicht sich wieder in ihr Bewusstsein. Sie sieht Ulis Gesicht vor sich, erinnert sich an den letzten Moment, in dem ihre Hände sich zufällig berührten – oder war es Absicht? Ihre Finger wandern weiter, eine unbewusste Geste, die ihrer inneren Sehnsucht folgt. Ein leises Stöhnen entweicht ihren Lippen, doch dann hält sie inne. Plötzlich taucht sie unter Wasser, als könnte sie sich dadurch von diesen Gedanken befreien. Doch auch unter der Oberfläche bleibt die Fantasie. Uli. Ihr Lächeln, ihr Geruch, die Art, wie sie Eva ansieht, als wüsste sie genau, was in ihr vorgeht.

Als Eva wieder auftaucht, fährt sie sich mit den Händen über das Gesicht. Sie atmet tief durch, versucht, ihre Gedanken zu ordnen. Dann greift sie nach ihrem Rasierer. Während sie langsam über ihre Haut fährt, murmelt sie mit einem schiefen Lächeln: „Jetzt sehe ich aus, als wäre ich 14. Aber wenigstens fühle ich mich wieder sauber.“ Es sind einfache Worte, aber sie geben ihr ein Gefühl der Kontrolle – in einer Zeit, in der so vieles ungewiss ist.

Am nächsten Morgen hat sie einen wichtigen Termin beim Notar. Heute wird es offiziell: Das Hotel gehört ihr. Als sie die Dokumente unterschreibt, spürt sie eine Welle der Erleichterung. All die Arbeit, all die Mühe – es hat sich gelohnt. Sie verlässt das Büro mit einem neuen Gefühl der Zuversicht und beschließt, sich am Abend etwas Gutes zu tun. Ein schönes Essen, ein Moment nur für sie.

Doch dann passiert etwas Unerwartetes. Während sie noch überlegt, was sie bestellen soll, hört sie plötzlich eine vertraute Stimme. „Eva? Bist du das wirklich?“ Sie blickt auf und sieht eine Frau aus ihrer Vergangenheit. Die Überraschung ist ihr ins Gesicht geschrieben, doch dann huscht ein Lächeln über ihre Lippen. Sie beginnen zu reden, Eva erzählt von ihrem Hotel, von all den Herausforderungen, den Schwierigkeiten, aber auch den Träumen, die damit verbunden sind. Die Stunden vergehen wie im Flug, sie lachen, erinnern sich an alte Zeiten, und für einen Moment fühlt sich alles unbeschwert an.

Eva starrt auf die Nummer in ihrer Hand, dreht das kleine Stück Papier zwischen den Fingern. Es wäre so einfach, es zu zerknüllen und wegzuwerfen. Doch irgendetwas hält sie davon ab. Sie schüttelt den Kopf und murmelt leise: „Noch mehr Chaos? Brauche ich das wirklich?“ Sie lacht kurz, fast ironisch, als würde sie sich über ihren eigenen Mut wundern – oder über ihre Unfähigkeit, sich aus diesem Strudel aus Entscheidungen und Unsicherheiten zu befreien.

Am nächsten Morgen sitzt sie im Zug zurück nach Hause. Der Blick aus dem Fenster verliert sich in der vorbeiziehenden Landschaft, doch ihre Gedanken sind nicht annähernd so ruhig wie das Bild vor ihr. Das Hotel. Die Baustelle. Die unzähligen offenen Fragen. Wann wird es fertig sein? Wann kann sie endlich durchatmen? Sie weiß, dass es noch ein langer Weg ist, aber jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Kaum zu Hause angekommen, wirft sie ihre Tasche in die Ecke, zieht die Schuhe aus und lässt sich auf das Sofa fallen. Doch Ruhe findet sie nicht. Überall liegen Baupläne, Notizen, Berechnungen – Spuren ihres neuen Lebens, das sie sich gerade erst aufbaut. Sie greift nach ihrem Laptop, doch bevor sie sich der endlosen Liste an Aufgaben widmen kann, bestellt sie sich eine Pizza. Wenigstens eine Entscheidung, die ich heute ohne Kopfzerbrechen treffen kann, denkt sie trocken.

Während sie isst, fliegen ihre Hände über den Tisch, ordnen Papiere, sortieren Dokumente, schreiben neue To-Do-Listen. Die Baustelle ist noch lange nicht fertig, aber jeder kleine Schritt bringt sie weiter. Doch dann – ein lautes Geräusch aus dem Hausflur. Geschrei. Türen, die knallen. Eva schließt für einen Moment die Augen, atmet tief durch.

„Bin ich froh, wenn ich hier weg bin“, denkt sie. Der Lärm, die Unruhe – sie fühlt sich erdrückt, als würde alles sie einengen. Bald ist sie raus aus dieser Wohnung, bald beginnt ein neuer Abschnitt. Doch noch ist es nicht so weit. Noch muss sie durchhalten.

Eva trat ins Badezimmer und schloss die Tür hinter sich. Der Spiegel war bereits von der warmen Luft beschlagen, während das Wasser in der Dusche rauschte. Sie zog sich aus, trat unter den heißen Strahl und seufzte leise. Die Hitze entspannte ihre Muskeln, aber ihr Kopf blieb wach.

Sie dachte an das Hotel, an die vielen Dinge, die verbessert werden mussten. Die Buchungen liefen schleppend, die Gäste hatten Beschwerden, und sie fragte sich, ob sie irgendwo einen Fehler gemacht hatte. Ihre Finger fuhren durch ihr nasses Haar, als plötzlich ein Geräusch durch das Rauschen des Wassers drang.

Ein Schrei. Laut. Verzweifelt.

Eva erstarrte. War das… von draußen? Oder aus dem Haus?

Sie drehte das Wasser leiser, lauschte angestrengt. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Dann – Schritte. Direkt vor der Badezimmertür.

Sie wirbelte herum, ihr Atem stockte. Einen Moment später wurde die Tür geöffnet.

Uli.

Eva blinzelte. „Was…?“

Uli stand dort, klatschnass vom Regen, ihre dunklen Haare klebten ihr am Gesicht. Ihre Augen waren weit, ihre Brust hob und senkte sich schnell. Sie trug nur eine dünne Bluse, die an ihrer Haut klebte.

„Eva…“ Ihre Stimme war heiser.

Ihre Lippen fanden die von Eva, fordernd, verzweifelt. Ein Kuss voller Angst, voller ungesagter Worte. Eva wollte sich wehren, wollte nachfragen, wollte verstehen – doch dann spürte sie, wie Ulis Körper an ihren presste, wie sie zitterte.

„Was machst du eigentlich hier? Dein Mann ist doch da“, fragt Eva schließlich, während sie sich langsam von Uli löst. Ihre Finger streifen die kühlen Glaswände der Dusche, als bräuchte sie einen Halt, etwas Greifbares inmitten der Spannung, die zwischen ihnen in der Luft liegt.

Uli schnaubt leise, ihr Blick verdunkelt sich. „Kannst du ihn bitte endlich Jeremy nennen? Es nervt mich, wenn du von ‚meinem Mann‘ redest.“ Ihre Stimme ist schärfer als sie es vermutlich beabsichtigt hat, aber sie macht keine Anstalten, es zu mildern. „Wir haben uns gerade gestritten. Ivy ist übers Wochenende bei einer Freundin. Er wollte Sex. Ich nicht. Also hat er rumgeschrien, seinen Kram überall liegen lassen und ist dann mit seiner Sporttasche abgehauen.“

Eva nickt langsam. Ihre Gedanken wirbeln durcheinander, doch sie sagt nichts. Stattdessen lauscht sie den Echos des Streits, den sie vorhin nur als dumpfes Geräusch durch die Wand wahrgenommen hat.

„Ach, ihr wart so laut…“, murmelt sie schließlich. „Ich hab mich über den Lärm gewundert.“

Uli sieht sie an, ihre dunklen Augen ruhen schwer auf Eva. Es gibt keinen Zorn darin, keine offene Wut – nur diese durchdringende, prüfende Stille. Und dann, nach einem Moment, kommt die Frage, die wie ein unausgesprochenes Gewicht zwischen ihnen gehangen hat.

„Hast du mich betrogen, Eva?“

Eva erstarrt. Es ist, als würde für einen Sekundenbruchteil die Zeit stehen bleiben. Ihre Kehle wird eng, ihr Herz schlägt schneller.

„Wie kommst du auf so etwas?“, fragt sie, bemüht um einen ruhigen Ton, doch die Unsicherheit in ihrer Stimme ist nicht zu überhören. „Ich war zwei Tage weg und hab die ganze Zeit an dich gedacht. Ich hab mich mit einer alten Bekannten getroffen. Das war alles. Mehr nicht.“

Doch Uli bleibt skeptisch. Ihr Blick ist hart, als würde sie jede Regung in Evas Gesicht analysieren. Und dann, fast beiläufig, wirft sie die nächste Bemerkung hin – eine Klinge, die Eva unvorbereitet trifft.

„Und wieso siehst du dann untenrum aus, als wärst du zehn?“

Eva lacht. Ein nervöses, gezwungenes Lachen, das zu selbstbewusst klingen soll, aber genau das Gegenteil bewirkt. Es gefällt ihr nicht, wie es aus ihrem Mund klingt.

„Du denkst, ich hatte mit jemandem Sex, nur weil ich mich rasiert habe?“ Sie hebt eine Augenbraue, versucht, die Situation ins Lächerliche zu ziehen. „Und wenn ich Haare hätte, wäre das dann der Beweis, dass ich treu bin?“

Uli verzieht keine Miene. Ihre Stimme ist ruhig, doch ein dunkler Unterton schwingt mit. „Nein, Eva. Ich dachte nur, du hättest dich für jemanden frisch gemacht.“

Eva spürt, wie ihr Magen sich zusammenzieht. Sie schluckt. Die Stille dehnt sich aus, lastet auf ihrer Brust. Schließlich schüttelt sie den Kopf, als wolle sie die ganze Situation abschütteln.

„Ich hatte endlich eine Badewanne, Uli.“ Ihre Stimme ist leiser jetzt, fast sanft. „Ich konnte mich entspannen, mich reinigen, mich von allem befreien. Das ist alles.“

Sie sieht Uli an, sucht in ihrem Gesicht nach einer Regung, nach irgendeinem Zeichen, dass sie ihr glaubt. Doch Uli bleibt unbeweglich, ihre Gedanken verborgen.

Dann, nach einem Moment des Schweigens, spricht Eva erneut. Ihre Stimme ist rauer, als sie es erwartet hatte.

Eva sieht Uli an, ihre Augen verengen sich ein wenig. „Ich darf keinen Sex haben, Eva“, sagt Uli, ihre Worte fast wie ein Bekenntnis. „Und ja, ich habe Haare. Hat bisher niemanden gestört.“ Ihre Stimme ist ruhig, doch Eva hört die Bitterkeit darin.

„Mich stört es auch nicht“, erwidert Eva leise, fast nachdenklich. „Und ehrlich – die paar Haare… die sind irgendwie sexy.“ Sie versucht ein Lächeln, doch es erreicht ihre Augen nicht. Ihre Stimme wird kühler, schärfer. „Aber ob du mir im Kopf fremdgehst, das frage ich mich.“

Ulis Miene verändert sich nicht sofort, aber in ihrem Blick liegt etwas Undurchdringliches, etwas, das Eva nicht einschätzen kann. Es stört sie. Sie spürt, wie sich eine alte Wut in ihr regt – oder ist es Unsicherheit?

„Das erste Mal, dass wir Sex hatten, weißt du noch?“, fragt sie plötzlich, ihre Worte präzise, fast schneidend. „Die Frage ist doch eher: Würdest du mit jemand anderem schlafen, wenn du die Chance hättest?“

Eva zögert. Ihr Herz schlägt schneller, als die Worte den Raum füllen. Sie sieht Uli an, für einen Moment scheint alles still zu stehen. Dann, mit einem Atemzug, sagt sie es.

„Ich hatte gestern die Chance, Uli.“ Ihre Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. „Und ich habe sie nicht genutzt. Also nein, ich würde mit niemand anderem schlafen.“ Sie hält Uli fest in ihrem Blick, als wollte sie jede Regung in ihrem Gesicht erfassen. „Und du?“

Eine Sekunde lang glaubt Eva, dass Uli nicht antworten wird. Doch dann hebt sie das Kinn leicht, ihr Ausdruck fest. „Ich würde auch mit keiner anderen Frau schlafen.“

Eva hebt eine Augenbraue. „Und mit einem Mann?“ Die Worte sind messerscharf, eine Falle, in die Uli hineintappen soll.

Uli atmet tief durch, ihr Blick wird einen Hauch kälter. „Was soll ich dir darauf antworten, Eva? Ich bin mit einem verheiratet. Und ja, wir haben auch Sex. Auch wenn er ein Arsch ist.“

Ihre Stimme klingt hart bei den letzten Worten, doch dahinter liegt etwas anderes – ein Schmerz, den sie nicht zu verbergen versucht. Ihr Gesicht verzieht sich leicht, als ob das Eingeständnis sie selbst mehr treffen würde als Eva.

Eva spürt, wie sich ihr Magen verkrampft. Sie wollte eine Antwort, aber nicht diese. Und nun hängt sie zwischen ihnen, unausgesprochen und doch laut genug, um den Raum zu füllen.

„Okay, dann wissen wir jetzt beide Bescheid“, sagt Eva kühl, ihre Stimme bleibt kontrolliert, aber in ihren Augen liegt etwas, das fast zerbricht. Die Kälte, mit der sie spricht, passt nicht zu der Zerrissenheit, die sie in diesem Moment fühlt. Sie spürt die Erschöpfung in sich, die Anspannung der letzten Stunden, und etwas in ihr hat den Halt verloren. Ein stiller Seufzer entweicht ihr, als sie weiter spricht: „Ich bin müde. Kommst du mit in mein Bett, oder gehst du in deins?“ Ihre Stimme schwankt ein wenig zwischen Müdigkeit und einer seltsamen Entschlossenheit, als wollte sie sich selbst vor etwas schützen.

„Ich geh mit in deins erstmal“, antwortet Uli, doch kaum hat sie das gesagt, fängt sie sich. Etwas an Evas Ausdruck hält sie zurück, und ohne ein Wort bleibt sie stehen, wartet ab.

„Nein, Uli. So geht das nicht“, sagt Eva mit einer Klarheit, die nicht zu der Unsicherheit passt, die sie gerade verspürt. Ihr Blick ist fest, als würde sie eine Grenze ziehen, und doch fühlt sie sich in diesem Moment unsicherer als je zuvor. „Du kannst nicht mit in mein Bett kommen und dann verschwinden, sobald dein Mann wieder da ist. Ich bin kein Lückenfüller.“

Uli starrt Eva an, als hätte sie einen unerwarteten Schlag erlitten. „Mein Gott“, murmelt sie, ihre Worte sind eine Mischung aus Enttäuschung und Verletztheit, und sie kann nicht anders, als Eva lange anzusehen, als suche sie nach einer Antwort in ihren Augen.

„Du bist kein Lückenfüller, aber ich gebe meine Familie nicht auf für etwas, bei dem ich nicht einmal weiß, was es ist“, antwortet Uli schließlich, ihre Stimme bricht fast unter der Last ihrer eigenen unterdrückten Wut. Der Schmerz, der hinter ihren Worten steckt, ist deutlich zu spüren. Mit einem abrupten Schritt wendet sie sich ab und geht zur Tür. „Ich muss…“ Ihre Worte bleiben ungesagt, als sie die Tür hinter sich zuschlägt, und der Klang hallt in der Stille des Raumes nach.

„Lückenfüller? Ich glaub, es hackt“, flucht Uli laut, ihre Schritte hallen im Flur wider, als sie den Raum verlässt. Der Zorn steigt in ihr auf, immer stärker, als sie sich durch den Flur bewegt. Es ist eine Wut, die sich nicht nur gegen Eva richtet, sondern auch gegen sich selbst und gegen Jeremy. Es ist die Wut auf das, was ihr Leben geworden ist, auf das Chaos, das sie nie gewollt hatte, und auf die Tatsache, dass sie sich in einer Situation wiederfindet, die sie selbst nicht versteht. Ihre Gedanken wirbeln, jeder einzelne Schlag ihres Herzens scheint mit den Konflikten in ihrem Inneren zu kollidieren. Sie fühlt sich entfremdet – von allem. Von Eva, die sie immer noch nicht ganz begreifen kann, und von ihrem eigenen Leben, das sich wie ein fremder Film anfühlt. Und dennoch ist sie hier, mitten in diesem Labyrinth von Gefühlen und unklaren Entscheidungen, mit keiner Ahnung, wie sie jemals herausfinden soll, was sie wirklich will.

Eva liegt allein in ihrem Bett und starrt an die Decke. Die Dunkelheit umhüllt sie wie ein schwerer Mantel, und ihre Gedanken kreisen unaufhörlich. War sie zu hart? Hätte sie anders reagieren sollen, als sie Uli vorhin abgewiesen hat? Doch dann fühlt sie eine seltsame Ruhe in sich aufsteigen. Sie weiß, was sie braucht – und es ist nicht, sich weiterhin in eine Situation zu drängen, die sie immer mehr von sich selbst entfremdet. Uli ist mit Jeremy zusammen. Uli liebt Jeremy. Eva dagegen… sie liebt Uli, und diese Liebe hat nichts mehr mit Vernunft oder gesunden Gefühlen zu tun. Es ist ein ständiger Kampf zwischen dem, was sie fühlt, und dem, was sie für richtig hält.

„Ich bin keine Lückenfüllerin“, murmelt Eva, als könnte sie sich damit beruhigen. Sie will sich nicht weiter aufreiben, will nicht das Gefühl haben, dass sie immer nur der Ersatz ist. Nur weil Jeremy mal nicht da ist und Uli sich nach Nähe sehnt, heißt das nicht, dass Eva in diese Rolle schlüpfen wird. Sie ist nicht bereit, sich in die Lücke zu drängen, die ein anderer hinterlassen hat. Und trotzdem fühlt sich ein Teil von ihr leer und verletzt, ein Teil von ihr schreit nach dieser Nähe, die sie bei Uli vermisst. Sie hatte gehofft, dass es etwas anderes sein könnte – vielleicht nicht Liebe, aber zumindest etwas, das tiefer geht als bloßes Verlangen. Aber Uli hat diese Grenze gezogen, sie hat es deutlich gesagt, und Eva muss akzeptieren, dass sie nicht mehr ist als ein flüchtiger Trost in einem Moment der Einsamkeit. Es schmerzt, aber es ist die Wahrheit.

Das Wochenende über zieht sie sich zurück, konzentriert sich auf das Hotelprojekt und auf alles, was sie tun muss, um sich abzulenken. Ihre Gedanken sind chaotisch, und sie merkt, wie sie immer wieder in alte Muster verfällt, immer wieder von Uli träumt, sich vorstellt, was hätte sein können. Doch sie tut ihr Bestes, sich davon zu befreien. Es gibt keine Zeit für Schwäche. Die Arbeiten im Hotel sind wichtiger – die Projekte müssen vorangehen, und sie muss sicherstellen, dass alles läuft, wie es geplant ist. Zum Glück ist es Wochenende, und sie kann Uli aus dem Weg gehen, so wie sie es sich vorgenommen hat.

Am Montagmorgen ist Eva wieder im Büro, voll konzentriert und energisch. Ihre Augen sind scharf, ihre Stimme bestimmt, als sie Pit klare Anweisungen gibt. „Holen Sie Frau Kersting dazu“, sagt sie mit einem Hauch von Dringlichkeit. „Lassen Sie sie ein paar Gerichte vorbereiten, die auf die neue Karte kommen. Und richten Sie ihr bitte aus, dass ich diese Woche die Abrechnungen pünktlich im Büro liegen habe, bevor das Wochenende beginnt. Noch besser wäre es, wenn sie endlich alles digital hinbekommt, damit wir Papier sparen und uns auf die ökologische Linie einstellen können.“

Pit nickt zustimmend, aber er bemerkt, dass Eva heute besonders kühl wirkt, besonders distanziert. Und als er zur Teamsitzung geht, in der Uli ebenfalls anwesend ist, spürt er die angespannte Atmosphäre, die zwischen den beiden herrscht. Eva verhält sich, als wäre Uli Luft. Es ist, als würde sie ihre eigene Enttäuschung hinter einer Wand aus Kälte verbergen.

Die Sitzung läuft, wie sie immer läuft – sachlich und effizient. Doch es ist offensichtlich, dass Eva nichts anderes im Kopf hat, als ihre Arbeit, um sich abzulenken. Uli merkt die Abwehr, spürt das Eis, das sie um sich geworfen hat. Pit überbringt Uli die Nachricht, dass Eva sich ein paar Menüs wünscht.

„Kann sie mir das nicht persönlich sagen, die blöde Eisfee?“ flucht Uli in einem Moment der Wut. Ihre Stimme ist scharf, und der Ärger blitzt in ihren Augen auf. Eva hat es geschafft, sie wirklich zu treffen, sie wirklich zu verletzen. Es fühlt sich an, als wäre Eva diejenige, die eine Mauer gebaut hat, während Uli auf der anderen Seite zu ihr will.

Pit schaut sie überrascht an. „Seit wann nennst du sie Eisfee?“

„Seit sie eine ist“, erwidert Uli, ihre Stimme voller Zorn. „Unglaublich. Was die neue Karte betrifft, ich hatte ihr gesagt, dass ich mir etwas ausdenke. Aber sie hört mir anscheinend nicht zu.“

Eva geht Uli aus dem Weg. Sie kann es nicht anders, sie muss sich schützen, muss sich von dieser Verwirrung und dem Schmerz distanzieren. Sie lässt Pit alles regeln, bespricht die Details mit ihm und arbeitet weiter an den Hotelprojekten. Sie will keine Nähe zu Uli spüren, denn je näher Uli kommt, desto mehr erinnert sie sich an ihre eigenen Gefühle – Gefühle, die sie nicht loslassen kann. Uli hat ihre neue Karte fast fertiggestellt. Die Gerichte stehen fest. Nun müssen Pit und Uli zusammen die Tests durchführen und die Ergebnisse Eva präsentieren.

Doch Eva hat keine Zeit, sich mit dem Essen zu beschäftigen. Die Tage vergehen schnell, und immer wieder vergisst sie, etwas zu essen. Die Arbeit fordert sie immer mehr, ihre Gedanken sind ständig bei den nächsten Aufgaben. Zuhause ist es dasselbe: Sie bestellt sich schnell etwas oder greift nach Süßigkeiten, um den Hunger zu stillen, der nie wirklich einsetzt. Sie fühlt sich müde und ausgelaugt, doch sie kann nicht aufhören.

Es war ein normaler Arbeitstag, als die neue Frau das Hotel betrat. Sie war freundlich, ein wenig aufgeregt, und ihre Anwesenheit schien für einen Moment den Raum zu füllen. Sie war höflich, doch Uli konnte ihren Blick nicht von ihr abwenden. Eva war gerade dabei, ihr etwas zu erklären, und Uli spürte, wie ihre Eifersucht, die sie bis dahin gut unter Kontrolle gehalten hatte, plötzlich wie ein Funken aufflammte.

Ohne ein Wort, ohne eine Geste von Eva, wuchs dieses ungreifbare Gefühl in Uli. Ihre Augen verengten sich leicht, als sie sah, wie die neue Frau Eva ansah, als sie miteinander sprachen. Es war dieser Moment, der in Uli wie ein Schockwellen-Ereignis durch den Körper zog, auch wenn sie es niemandem zeigen konnte. Ihre Eifersucht war so stark, dass sie sie fast physisch spürte. Warum fühlst du dich so, Uli? fragte sie sich, aber die Antwort war in diesem Moment genauso schwer zu fassen wie der Druck, der sich in ihrer Brust aufbaute.

Der Gedanke kam blitzschnell: So viel zum Thema, dass ich nicht mit anderen Frauen schlafe. Ein bitterer, schmerzhafter Gedanke, der sie wie ein Messerstich traf. Es war nichts, was sie je öffentlich gesagt hätte, nicht einmal zu sich selbst, aber jetzt, in diesem Moment, war es die einzige Wahrheit, die sie kannte. Die Eifersucht, die sie so lange unterdrückt hatte, brach plötzlich in ihr auf. Sie hatte nie erwartet, dass dieses Gefühl sie so überwältigen würde, dass es sie so in den Bann ziehen könnte, ohne dass es einen richtigen Grund dafür gab.

Sie wusste, dass es irrational war. Sie wusste, dass Eva ihre Entscheidung getroffen hatte und dass es keine Gefahr gab. Doch die Vorstellung, dass jemand anderes im Moment mit Eva sprach, ließ etwas in ihr aufsteigen, das sie nicht kontrollieren konnte. Ihr Verstand kämpfte gegen die Gefühle an, aber sie war machtlos. Eva war die Person, die sie begehrte, die sie wollte – und jetzt stand da jemand, der in ihre Nähe trat, in einen Raum, den sie für sich alleine beanspruchen wollte.

Eva spürte die Spannung, die plötzlich in der Luft lag, doch sie verstand nicht sofort, woher sie kam. Sie bemerkte, wie Uli ihr einen flüchtigen Blick zuwarf, der mehr sagte, als Worte es jemals hätten tun können. Es war ein Blick, der Uli verriet, dass etwas zwischen ihnen unausgesprochen blieb, etwas, das immer mehr Gewicht bekam. Aber Eva wusste auch, dass sie es nicht ansprechen konnte – dass sie den Moment abwarten musste, um zu verstehen, was es bedeutete. Doch der Gedanke, dass Uli sich in diesem Augenblick innerlich zurückzog, machte sie gleichzeitig unsicher und traurig.

Uli versuchte, sich nicht von ihrer eigenen Eifersucht überwältigen zu lassen. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben, und tat so, als sei alles normal. Aber tief in ihrem Inneren wusste sie, dass es schwerer und schwerer wurde, diese Gefühle zu ignorieren. Sie wusste, dass sie sich nicht mehr länger in die Illusion flüchten konnte, dass alles in Ordnung war. Was zwischen ihnen war, konnte nicht länger ungesagt bleiben – und die Eifersucht war nur der erste Hinweis auf das, was sich in ihr zusammenbraute.

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