
Chapter 9
Uli sieht sie überrascht an. „Was meinst du? Bestimmt hast du sie mal im Hausflur gesehen.“
„Mhm, vielleicht. Weiß nicht…“ Ivy verzieht das Gesicht. „Egal. Aber ich glaub, sie mag dich wirklich sehr.“
„Ach ja? Und wie kommst du darauf?“ Uli lacht leise, neugierig auf die kindliche Beobachtungsgabe.
„Weil sie dich die ganze Zeit so angelächelt hat. Genau wie ich mein Eis anlächele.“
Uli lacht herzlich, beugt sich vor und gibt Ivy einen Kuss auf die Stirn. „Ach, Ivy, du spinnst manchmal. Aber jetzt Augen zu und schlafen, mein Schatz. Ich hab dich lieb.“
„Ich dich auch, Mama.“ Ivy kuschelt sich ins Bett. „Wenn was ist, du bist oben, oder?“
„Genau. Und Papa kommt bestimmt auch bald. Schlaf gut.“
Mit schnellen Schritten macht sich Uli auf den Weg zurück zu Eva. Als sie die Wohnung betritt, ist sie sofort von dem warmen Kerzenschein umhüllt. Eva sitzt entspannt auf dem Sofa, ihr Handy in der Hand, doch sobald sie Uli sieht, legt sie es beiseite und ihre Augen beginnen zu leuchten.
„Frau de Vries,“ flüstert Uli neckisch, setzt sich neben sie und schaut sie direkt an. Ihre Blicke bleiben aneinander hängen, ein Moment, in dem Worte fast unnötig erscheinen.
Doch Uli bricht die Stille mit einem schiefen Grinsen. „Also, du magst mich also sehr?“
Eva blinzelt verwirrt, dann überrascht. „Natürlich mag ich dich. Wie kommst du darauf?“
Uli lehnt sich leicht zu Eva hinüber, ihre Stimme wird weicher. „Ivy hat gesagt, du magst mich sehr. Weil du mich die ganze Zeit so angelächelt hast – so wie sie ihr Eis anlächelt.“
Evas Lippen verziehen sich zu einem Schmunzeln, ihre Augen glitzern vor Vergnügen. „Na, wenn deine Tochter das sagt, dann muss es wohl stimmen. Ich mag Erdbeereis sehr gerne, das stimmt schon.“
„Mann, Eva!“ Uli stupst sie spielerisch am Arm. „Das hier soll ein ernstes Gespräch sein!“
Eva wird für einen Moment ernst, ihre Stimme leiser und voller Gefühl. „Uli, was möchtest du hören? Ja, ich mag dich. Sehr sogar. Du bist wunderschön. Ich liebe deine Art, wie du sprichst, wie du denkst, wie du lachst… die Liste ist ewig lang. Und um ehrlich zu sein, mag ich dich schon mehr, als mir lieb ist. Das ist… kompliziert.“
Uli runzelt die Stirn, doch bevor sie etwas sagen kann, spricht Eva weiter:
„Du bist verheiratet. Du hast eine Familie. Und ich? Ich bin nur deine Chefin. Ich kenne meinen Wert, Uli, und ich weiß, dass ich mich eigentlich von dir fernhalten sollte. Ich will kein Herz brechen, keine Familie zerstören. Aber…“ Sie holt tief Luft. „Ich vertraue dir. Und das ist selten bei mir. Deswegen möchte ich unsere Zeit einfach genießen. Solange ich noch hier wohne.“
Uli sieht Eva an, sprachlos, überwältigt von den Worten. Ohne nachzudenken, nimmt sie Evas Hand, streichelt sie sanft und sieht ihr tief in die Augen.
„Danke für deine Ehrlichkeit, Eva. Ich vertraue dir auch. Und ja, das hier ist kompliziert, aber du bist… wirklich was Besonderes.“
Eva lächelt schwach, ihre Augen glänzen, und sie lehnt sich langsam in Ulis Arme. Die beiden umarmen sich fest, die Nähe bringt eine unerwartete Wärme und Geborgenheit.
Nach einer Weile löst sich Uli ein wenig und fragt plötzlich: „Eva, gehst du mit mir auf ein Konzert?“
Eva sieht sie überrascht an. „Ein Konzert? Natürlich. Ich geh mit dir überall hin, wo du willst. Aber… kein Schlager, oder?“
Uli lacht und schüttelt den Kopf. „Nein, nein. Was Rockiges, das muss schon krachen.“
Eva grinst erleichtert. „Gut, dann machen wir das.“
Bevor Uli etwas erwidern kann, zieht Eva sie sanft zu sich und küsst sie. Der Kuss ist intensiv, ihre Lippen verschmelzen, und ein spielerisches Lächeln schleicht sich auf Evas Gesicht, als Uli vorsichtig über ihre Zähne leckt.
„Du bist verrückt,“ murmelt Eva und beginnt zu lachen, während sie Uli ansieht.
„Tut mir leid,“ sagt Eva mit einem Grinsen. „Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du hier gerade bei mir bist.“
Uli wird wieder ernst. „Nicht mehr lange. Jeremy muss nicht wissen, dass ich heute hier bin. Ich will nicht, dass er misstrauisch wird.“
Uli seufzt, und streicht Eva über die Wange. „Keine Sorge. Wir bekommen das schon hin.“
Die beiden sitzen noch eine Weile zusammen, eng aneinander gekuschelt, während das Kerzenlicht flackert und der Moment fast zeitlos wirkt.
Am nächsten Morgen sitzt Eva in ihrem Büro. Ihre Gedanken sind so fixiert auf die Pläne, dass sie die Geräusche um sich herum kaum wahrnimmt. Der Tag vergeht in einem Strudel aus Notizen, Skizzen und Berechnungen – sie plant die Umstrukturierung der Lagerräume im Erdgeschoss. Niemand wagt es, sie zu stören. Eva ist wie ein Schatten, der durch das Hotel huscht, mit einem festen Ziel vor Augen.
Am Abend jedoch bleibt die ersehnte Ruhe aus. Uli und Eva sehen sich nicht, da Jeremy zu Hause ist – wie immer ein Hindernis. Uli ist frustriert, zieht sich beleidigt ins Badezimmer zurück und versinkt in einer viel zu heißen Badewanne. Ihre Gedanken sind ein einziges Chaos. Das Wochenende, das sie mit Eva verbringen wollte, ist ruiniert. Jeremy ist krank, und alle Pläne sind dahin. Kein Sport, kein Fußball mit Ivy, keine Zeit allein mit Eva.
Doch Uli fühlt sich selbst auch nicht gut. Seit Tagen quält sie ein seltsames Unwohlsein. Alles fällt ihr schwer, selbst das Atmen scheint anstrengender geworden zu sein. Ihre einzige Hoffnung ist, dass die Küche bald wieder nutzbar wird. Sie kann es kaum erwarten, wieder in ihrem Element zu sein – kochen, etwas erschaffen, Kontrolle zurückgewinnen. Doch das Hotel ist eine einzige Baustelle. Überall Lärm, Staub, Chaos. Und dann auch noch Evas Umbaupläne, die alle zur Weißglut treiben.
Am Mittwoch kommt endlich die erlösende Nachricht: Die Küche ist Freitag wieder bereit! Eva freut sich für Uli, die jetzt wieder ihrem Alltag nachgehen kann. Doch Jeremy liegt immer noch krank auf der Couch, und die Zeit, die Uli und Eva miteinander verbringen können, bleibt auf ein paar flüchtige Momente bei der Arbeit beschränkt.
Inzwischen hat Eva sich ein kleines Refugium aus den Lagerräumen geschaffen. Es ist noch längst nicht fertig – Fenster, Wände, ein Badezimmer –, aber die Vorstellung von etwas Eigenem gibt ihr Kraft.
An diesem Nachmittag sitzt Uli in Evas Büro. Die beiden trinken Kaffee, und für einen kurzen Moment fühlt sich alles normal an. Doch dann bricht Uli plötzlich das Schweigen.
„Ich glaube, ich bin schwanger, Eva.“
Eva verschluckt sich fast an ihrem Kaffee. Ihre Augen weiten sich. „Wie bitte?! Was hast du gerade gesagt?“
Uli nickt langsam, vermeidet aber Evas Blick. „Ich glaube, ich bin schwanger. Aber ich hab noch keinen Test gemacht. Jeremy ist ja die ganze Zeit zu Hause. Ich hatte keine Gelegenheit.“
„Uli! Du musst einen Test machen! Das kannst du doch nicht einfach so stehen lassen!“ Evas Stimme zittert vor Ungläubigkeit. Sie kämpft mit den Worten, versucht ihre Gedanken zu ordnen. Wie konnte das passieren? Natürlich weiß sie, wie so etwas passiert, aber… Uli? Ausgerechnet Uli?
„Eva, hör auf, so zu gucken. Es wird schon alles gut.“ Uli versucht, beruhigend zu klingen, aber ihre Stimme verrät sie.
Eva springt auf. „Ich besorge dir sofort einen Test. Wir machen das heute. Ich will wissen, was los ist!“
Uli seufzt. „Ich mach den Test bei dir, okay? Ich komme nach der Arbeit zu dir. Dann hab ich es hinter mir.“
„Und Jeremy?“ fragt Eva spitz.
„Ich sag ihm, dass ich zu meiner Nachbarin gehe. Er wird nichts merken.“
Evas Kopf schwirrt. Ihre Gefühle sind ein einziges Chaos. Uli – schwanger? Sie hatte sich ihre Zukunft so anders vorgestellt. Das Hotel, ihre Pläne, ihre Hoffnungen, Jeremy endlich loszuwerden… All das scheint plötzlich so weit weg.
Am Abend kauft Eva drei Tests in der Apotheke. Die Apothekerin mustert sie neugierig, aber Eva ignoriert es. Als sie zu Hause ist, sitzt sie nervös vor den Tests. Ihr Kopf ist voller Fragen. Was, wenn die Tests positiv sind? Was, wenn alles, was sie sich mit Uli aufgebaut hat, jetzt zerbricht?
Als Uli schließlich die Wohnung betritt, sieht sie Evas blasses Gesicht. „Na los“, sagt Uli und greift nach einem der Tests. „Ich will das hinter mich bringen.“ Sie drückt Eva einen schnellen Kuss auf die Stirn, bevor sie im Badezimmer verschwindet.
Eine Minute vergeht. Dann kommt Uli wieder heraus. Beide starren gebannt auf den Test, der auf dem Tisch liegt. Sekunden fühlen sich wie Stunden an. Als das positive Ergebnis erscheint, ist es Eva, die schließlich spricht.
„Herzlichen Glückwunsch?“ Ihre Stimme ist unsicher, fast fragend.