
Chapter 3
„Entschuldigung, aber das gleiche könnte ich Sie fragen“, antwortet Uli mit einem spöttischen Grinsen und beginnt, sich zu bücken, um die Kartons aufzuheben.
Eva folgt ihr und hilft mit. Sie sieht Uli verwirrt an.
„Erdgeschoss“, sagt Uli und steht wieder auf.
„Erste Etage…“ murmelt Eva, ohne es wirklich zu realisieren.
Uli zuckt mit den Schultern. „Das sollten Sie besser für sich behalten. Man weiß hier nie, wer einen Scherz macht oder ständig klingelt.“
Eva nickt, aber ihr Blick bleibt bei Uli hängen. Im Jogginganzug, mit einem Dutt und den Adiletten sieht sie immer noch unglaublich gut aus.
„Haben Sie schon gegessen?“ fragt Uli plötzlich, und Eva schaut sie irritiert an. „Wir haben doch vorhin zusammen gegessen…?“
Uli verdreht die Augen. „Sie müssen mehr essen, das ist nicht gesund. Kaffee alleine stillt den Hunger nicht.“
„Danke für den Tipp“, erwidert Eva schroff. „Aber ich glaube, ich bin alt genug, um auf mich selbst aufzupassen. Ich muss jetzt weiter… Ich habe noch einiges zu tun.“
Uli sieht ihr nach, und ein mulmiges Gefühl beschleicht sie. Sie kann es kaum fassen, dass die Chefin jetzt im selben Haus wohnt. Ein solcher Zufall… Doch es ist ja nur für eine kurze Zeit. Eva wird das Leben in der Wohnung sicher nicht mögen, schließlich liebt sie den Service des Hotels. Uli behält diese Gedanken für sich, auch wenn sie nicht aufhören kann, sich zu fragen, wie Evas Wohnung aussehen wird.
Als Jeremy zum Training geht, setzt sich Uli mit einem Glas Wein vor den Fernseher. Ivy, die im Zimmer mit ihrem Tablet spielt, reagiert kaum auf sie. Ulis Gedanken sind immer noch bei Eva, und sie spürt eine Neugierde, die sie nicht ignorieren kann. Was mag wohl hinter der Türe in der ersten Etage auf sie warten? Wie sieht Evas Wohnung aus?
„Ivy“, sagt Uli schließlich und schaut auf die Tochter, „ich gehe mal zu der neuen Nachbarin in der ersten Etage. Ich lasse die Türe auf, falls du etwas brauchst, einfach klingeln, okay?“
„Mhm…“ murmelt Ivy und bleibt vollkommen in ihrem Spiel vertieft.
Uli wirft einen letzten Blick auf sich selbst im Spiegel. Ihr Herz schlägt schneller, und sie fühlt sich unruhig, doch sie schüttelt die Gedanken ab. „Egal“, denkt sie sich. Sie nimmt eine Flasche Wein und einige Snacks und macht sich auf den Weg zu Evas Wohnung.
Vor Evas Tür bleibt sie stehen, hört kein Geräusch. Sie atmet tief durch, klopft dann.
Drinnen sitzt Eva auf der Couch, das iPad in der Hand. Ihre Augen fliegen über den Bildschirm, während ihre Finger durch verschiedene Profile auf einer Dating-App scrollen. Ziemlich oberflächlich, denkt sich Eva. Ihr Blick bleibt an einer der Frauen hängen, und für einen Moment fragt sie sich, was sie hier eigentlich tut.
„Ähm, ja?“ fragt sie, als sie die Tür einen Spalt weit öffnet.
Uli lächelt, fast schon schelmisch, und hält die Flasche und die Snacks vor Evas Nase. „Ich würd gerne die Wohnung sehen“, sagt sie, dabei so selbstbewusst, als ob sie eingeladen worden wäre.
„Ich habe nicht aufgeräumt und das ist ja schon etwas privat“, antwortet Eva etwas zögerlich.
„Ach, kommen Sie“, sagt Uli und schmunzelt. „So viel privaten Kram haben Sie doch gar nicht. Und aufgeräumt wird es bestimmt sein. Sie sind nicht der Typ für Unordnung.“
Eva hebt skeptisch die Augenbraue. „Sie kennen mich ja sehr gut“, sagt sie, dabei hört sie Uli zustimmend nicken und sogar zwinkern.
Eva seufzt, verdreht die Augen und öffnet dann doch die Tür. „Na gut, kommen Sie rein.“
Uli blickt sofort um sich. „Der Parkett ist neu geölt“, bemerkt sie schnell, und Eva nickt nur beiläufig. „Oh, und Ihr Badezimmer wurde sogar neu gemacht!“, ruft Uli überrascht aus, als sie einen Blick hineinwirft.
„Okay“, sagt Eva ohne große Emotion und schließt dann rasch die Tür zum Schlafzimmer. „Privatbereich“, fügt sie hinzu und zwinkert dabei.
Uli sieht sich weiter um, ihre Augen wandern durch die kleine Küche. „Genau wie meine“, stellt sie fest. „Die Wohnung hat den gleichen Schnitt, aber ihre ist definitiv moderner.“
Eva zuckt mit den Schultern. „Also, viele Sitzmöbel habe ich nicht“, erklärt sie, während sie das Sofa freiräumt und ihr iPad auf den Tisch legt. „Ich kann nur das Sofa anbieten.“
Uli stellt Wein und Snacks ab, dann fragt sie: „Weingläser?“
Eva überlegt einen Moment und schüttelt dann den Kopf. „Werden wohl überbewertet. Ich kann dir ein normales Glas anbieten. Tut mir leid… Ihnen.“
„Dann wohl die Flasche“, sagt Uli und lacht. „Hast du einen Öffner?“
Eva lacht ebenfalls. „Nein, ich trinke nie Wein.“
„Okay, dann hol ich unten einen“, sagt Uli und steht auf.
Eva schaut ihr hinterher, geht zum Kühlschrank und holt zwei Bier. Als sie zurückkommt, nimmt Uli das Bier entgegen und sie stoßen an.
„Ist noch sehr farblos hier“, bemerkt Uli und sieht sich um. „Machst du noch was mit den Wänden?“
„Nein, die bleiben weiß“, antwortet Eva. „Aber ein paar Bilder und Pflanzen kommen noch. Die sind allerdings noch im Hotel.“
„Und wer weiß, wie lange ich hier überhaupt bleibe“, fügt Eva nachdenklich hinzu.
Uli blickt sie an, die Frage nach dem Ausmaß von Evas Unzufriedenheit liegt in der Luft. „Du willst weg aus Schwerin?“ fragt sie dann, und ihre Stimme klingt vielleicht ein wenig zu aufgeregt, als sie es hätte tun sollen.
Eva nimmt einen Schluck Bier und sieht Uli nachdenklich an. Der Moment zwischen ihnen wird von Evas leiser Unsicherheit überschattet, die sie nicht so leicht ablegen kann.
Eva blickt ihr in die Augen und fragt sich, was wohl in diesem Kopf vor sich geht. In dieser Wohnung? Nein, sie sehnt sich nach dem Leben im Hotel.
Uli sieht sie an. “Trink mal schneller”, fordert sie sie auf.
“Warum?” fragt Eva, irritiert.
Uli zögert einen Moment, erwidert dann ihren Blick. “Damit wir den Wein aufmachen können.”
Schnell greift Uli nach einer Salzstange, als ihr Blick erneut auf das iPad fällt.
Eva bemerkt die Ablenkung und greift ebenfalls nach den Salzstangen.
Plötzlich dreht sich Uli zu Eva, die sich ganz nah an ihr vorbeizieht, um an die Snacks zu kommen. Ihre Gesichter sind kaum einen Atemzug voneinander entfernt.
Für einen Moment starren sie sich tief in die Augen, irritiert und doch fasziniert.
“Ich sollte wohl mal wieder runtergehen und nach Ivy sehen”, sagt Uli nach einer Pause.
Eva nickt, und ihr Blick folgt Uli, als sie aus der Wohnung stürmt.
Seufzend schüttelt Eva den Kopf, dann greift sie zu ihrem iPad und beginnt, durch die Profile der Frauen zu scrollen.
Zu alt. Zu jung. Zu blond. Zu viel Make-up. Es geht alles viel zu oberflächlich los.
Genervt denkt sie: Das macht doch keinen Spaß.
Sie lässt das iPad sinken und räumt die Wohnung auf, bevor sie sich ins Bett begibt.
Uli sitzt unten auf dem Sofa, ihre Gedanken schweifen zurück zu dem Moment, der gerade zwischen ihr und Eva war. Es war anders. Spannend, aufregend. Als ihr Blick die leuchtend eisblauen Augen von Eva traf, hatte sich etwas verändert, etwas Intensives, das in ihr brannte.
“Uli, was machst du da?” fragt Jeremy, als er sie beobachtet. Sie fährt ihre Zunge über ihre Lippen, die Augen geschlossen.