We will rock you

Harry Potter - J. K. Rowling
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Träume und Ängste

In dieser Nacht träumte James Potter wieder einmal von Lily. Seit dem Konzert vor ein paar Tagen träumte er jeden Nacht von Lily. Ihren Haaren, ihrem Geruch, ihrem Gesicht, aber vor allem von ihrer Stimme. James würde alles tun, damit diese Stimme noch einmal mit ihm sprach. Seinen Namen sagte... Er war bisher erst einmal verliebt gewesen, und das war ganz anders gewesen. Keine Liebe auf den ersten Blick, oder auch nur auf den zweiten. Es war eine Liebe gewesen, die über Jahre gewachsen war...

Sirius hatte einen Albtraum. Dave und seine übergriffige Aktion ging ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf und sein Unterbewusstsein verarbeitete die Verdrängung dieses Themas, die er in seinen Stunden bei Bewusstsein an den Tag legte, mit Albträumen. Jede Nacht wachte er schweißgebadet auf und verfluchte sich selbst dafür, dass er nichts getan hatte. Er ging nun dreimal wöchentlich zu einem Selbstverteidigungskurs, es war Peters weise Idee gewesen, um sich nie wieder so hilflos zu fühlen, wie in diesem Moment.

Peter träumte eigentlich nicht. Oder zumindest nur über belanglose Dinge. Gerade hoppelte in seinem Traum ein Hase über eine rote Wiese und wurde von einer riesigen Ratte gejagt. Wusste Peter, was das zu bedeuten hatte? Absolut nicht. Würde er den Traum nach dem Aufstehen eh wieder vergessen haben? Definitiv.

Remus träumte von seinen Freunden. Seine Träume fingen immer mit seinen Freunden an. Mit seinen glücklichen Erinnerungen. Und endeten jedes Mal in seinem Vorfall. Diesmal aber war es anders. Er träumte nicht davon, dass ihm diese schrecklichen Dinge passierten, sondern sah statt sich selbst Sirius auf dem Boden vor sich liegen. Blutend und Wimmernd. Und das war es, was Remus aus seinem Traum hochschrecken ließ. Er erzählte Sirius nichts über die Veränderung seines Traums, als er sich um halb zwei nachts zu ihm in die Küche gesellte, damit sich die beiden Männer bei einem Tee von ihren Ängsten ablenken konnten.

Mary träumte von ihrer Vergangenheit. Meist waren diese Träume glücklich, aber heute wurden die glücklichen Erinnerungen von dem Tod ihrer Familie überschattet, der sich immer wieder in ihrem Kopf abspielte. Der Autounfall. Ein Auto war in das ihrer Familie reingerast, der Fahrer betrunken. Zwei Verletzte, drei Tote. Keiner aus dem Auto ihrer Familie hatte überlebt. Nur die anderen.

Marlene träumte von Dorcas, wie so oft. Sie standen auf einer Bühne und sangen, denn Marlenes Träume waren eigentlich immer ein einziges Musical. Dorcas war so schön wie immer und Marlene wachte mit einem Lächeln im Gesicht auf, als der Traum mit einer Liebeserklärung endete.

Dorcas träumte luzid, war also in ihren Träumen bei Bewusstsein. Etwas, worum Dorcas Freunde sier sehr beneideten. Gerade flog sier mit ausgebreitete Armen über die Landschaft Schottlands. Unter siem das Dorf, indem sier aufgewachsen war und über siem Wolken und blauer Himmel. Vielleicht konnte sier in den Wolken auch ein Gesicht erkennen. Aber da Dorcas sich geschworen hatte niemals reale Menschen in sies luzide Träume mit einzubauen, wischte sier die Wolke schnell weg und flog weiter.

Lily schlief in dieser Nacht gar nicht. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt zu lernen. Da sie wegen dieser ganze Bandgeschichte mit ihrem Stoff viel zu weit hinterherhinkte, hatte sie beschlossen einen All-Nighter zu schieben und ihr ganzes Uni-Zeugs zu erledigen. Lily dachte dabei an niemanden und wollte es auch nicht. Liebe lenkt ab.

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James Potter betrat gähnend die Küche, in der Sirius schon saß und ein Magazin laß.

"Wie lange sitzt zu schon hier?", fragte er und schaltete den Wasserkocher an um sich seinen obligatorischen Morgentee zu machen, während er Sirius wegen seines schwarzen Kaffees, der vor ihm stand böse Blicke zuwarf.

"Monny und ich sind beide in der Nacht aufgewacht und konnten nicht mehr einschlafen. Also schon eine ganze Weile."

James runzelte die Stirn, während er sich einen Teebeutel aus der Teesammlung aussuchte. Er wusste, dass Remus regelmäßig von Albträumen geplagt wurde, aber normalerweise konnte Sirius nur nicht schlafen, nachdem er von einem Familientreffen zurückkam oder eines bevorstand.

"Es ist wegen dieses Arschloches, das dich begrapscht hat!", stellte James fest. Er brauchte nicht zu fragen und musste auch nicht Sirius Nicken sehen um zu wissen, dass er recht hatte. Es gab niemanden, den er besser kannte als seinen Bruder.

"Ich denke einfach viel zu oft darüber nach, was passiert wäre, denn Marls nicht eingegriffen hätte."

James setzte sich an den kleinen Tisch, gegenüber seines Bruders und schüttete Milch in seine Tasse.

"Pads, es macht keinen Sinn sich darüber Gedanken zu machen. Marlene hat dir geholfen und du wirst nie wissen was passiert wäre wenn nicht. Hoffentlich zumindest. Und ich weiß, dass du Angst hast, dass er nochmal zurückkommt oder so, aber sei dir sicher, dass Pete, Monny und ich immer da sein werden um sich zu beschützen. Ganz ehrlich, wenn der Typ mir noch einmal unter die Augen kommt, wirst du ihn wohl eher vor mir beschützen müssen."

Sirius lachte leicht auf.

"Vor dir, du Knirps? Ich müsste ihn wohl eher vor Monny beschützen, der kann es körperlich zumindest mit ihm aufnehmen."

"Hey!", rief James beleidigt und wuschelte Sirius durch die Haare. "Wen nennst du hier Knirps? Darf ich dich daran erinnern, dass du kleiner bist als ich? Aber mit Remus hast du wahrscheinlich Recht. Wenn der mit diesem Arsch fertig ist müssen wir vermutlich Blut von den Wänden abwischen. Apropos Remus, wo ist der eigentlich?"

"Ich bin hier."

James fuhr zusammen und drehte sich zu Remus um, der im Türrahmen stand. Die Haare nass, offensichtlich kam er gerade aus der Dusche.

"Kommst du, Love?", fragte er in Sirius Richtung.

"Ja, ich komme gleich.", sagte Sirius lächelnd und Remus verschwand wieder.

James drehte sich mit einem schelmischen Grinsen wieder zu seinem Bruder um.

"Love?", fragte er und zog die Augenbrauen so hoch, dass sie in seinen lockigen Haaren verwanden.

Sirius stand schnell auf und gab James einen Klaps auf den Hinterkopf.

"Das ist ganz normal.", behauptete er und James brach in leises Gelächter aus.

"Heißt das, ich darf dich auch so nennen, oder klebt dann mein Blut neben dem vom Arschloch an der Wand?", fragte er und wich Sirius aus, der erneut nach ihm schlug.

Schon halb aus der Küche raus, schrie Sirius: "Wir sind dann jetzt mal weg."

Er packte Remus, der im Wohnzimmer auf ihn gewartet hatte am Arm um ihn hinter sich her zu ziehen, bevor James noch etwas peinliches sagte.

Doch gerade als sie die Wohnung verlassen wollten, hörten sie noch einmal die Stimme der Gruppenmom, aka James Potter aus der Küche.

"Viel Spaß bei eurem Date."

"Wir gehen zur Uni, du Vollidiot", schrie Sirius zurück, bevor er die Tür hinter Remus und sich zuknallte.

Schwer atmend stand er einige Momente im Flur, dann setzen sich die Beiden in Bewegung.

"Date?", fragte Remus amüsiert. Sirius machte nur eine wegwerfende Handbewegung, die suggerierte, Remus sollte das Thema fallen lassen. Doch das Grinsen auf Remus Gesicht wurde dadurch nur noch breiter.

"Wo wir schonmal beim Thema sind.", setzte er an und öffnete Sirius zugleich sie Tür, sodass sie beiden nach draußen treten konnten. "Wir sollten uns mal über den Kuss auf der Bühne unterhalten."

Sirius stolperte fast vor Schreck und schaute Remus verunsichert an.

"Ach ja, das.", fing er an, da Remus Blick eindeutig eine Reaktion von ihm verlangte. "Es tut mir leid. Ich hätte dich nicht so überrumpeln sollen, aber ich war in dem Moment so euphorisch und außerdem...hat es so gut in unsere Performance gepasst. Tut mir leid, wenn es dir unangenehm war."

Remus lachte hell auf und Sirius atmete sofort erleichtert aus. Dieses Lachen bedeutete, dass Remus nicht sauer auf ihn war.

"Ich hatte kein Problem mit dem Kuss. Und ich muss zugeben, dass es echt gut in unsere Performance reingepasst hat. Aber das nächste Mal hätte ich doch gerne eine Vorwarnung, wenn das möglich ist."

"Ähm, ja klar!"

Sirius kam gerade auf sein Leben nicht klar. Hatte Remus gerade gesagt, dass er für ihn okay war, wenn Sirius ihn küsste?

"Also, wollen wir das in unsere Performance mit einbauen?", fragte Remus.

"Hä?"

"Ja, den Kuss. Willst du, dass wir das in unsere Performance mit einbauen? Also ich habe kein Problem damit aber wenn du...."

"Nein! Also ja. Ähm ich meine...ich fände es schö...gut wenn wir das in unsere Performance mit einbauen würden! Das ist eine gute Idee, unsere Fans werden ausrasten."

Er grinste Remus an und beobachtete diesen, wie er geradeaus schaute und ein leichtes Lächeln seine Lippen schmückten.

"Na, dann ist das abgemacht. Du darfst mich während der Performance küssen. Am besten am Ende, oder?"

"Ähm ja. Du kannst mich übrigens auch küssen... also nur wenn du willst natürlich."

Remus grinste ihn an und zeigte dabei seine scharfen Schneidezähne, die ihm in den ersten Tagen an der Highschool, den Spitznamen "Vampir" eingebracht hatten. Damals war er noch kein Riese gewesen, sondern ein kleiner, blasser Junge, der Menschen und die Sonne mied, als wären es seine Feinde.

"Das würde ich natürlich super gerne, Love", setzte er mit leicht ironischem Unterton an. "Aber ich befürchte das ist nicht so produktiv. Du weiß, wann du mich küssen kannst, da du weißt, wann du singen musst und wann nicht. Ich brauche meinen Mund nicht um Bass zu spielen, dass kann ich zur Not auch synchron, aber du brauchst deinen Mund zum singen. Deswegen ist es vielleicht besser, wenn du diese Küsse initiierst."

Wieder einmal bewunderte Sirius Remus Gabe so weit voraus zu denken. Und deswegen konnte er ihm nur zustimmen.

Und der Gedanken Remus jetzt offiziell auf der Bühne küssen zu dürfen, wann immer er wollte ließ sein Herz anschwellen und höher schlagen. Und er freute sich nun noch mehr auf das nächst Konzert.

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"Mr.Black! Lassen sie sich bitte nicht von meinem Unterricht stören."

Sirius ließ den Blick von seinem Sitznachbarn, mit dem er sich eben noch angeregt unterhalten hatte ab und richtete den Blick auf seine Lehrerin. Professor McGonagall war eine strenge aber fair Lehrerin, aber Gequassel in ihrem Unterricht konnte sie nicht leiden. Sie unterrichtete Architektur.

"Sie stören mich nicht, kein Problem." Er setzte dieses typische Black-Lächeln auf, dass normalerweise alle Leute um den Fingern wickelte, aber die Professorin schien dagegen immun zu ein. Sie funkelte Sirius noch einmal böse an und drehte sich dann wieder zur Tafel um mit dem Unterricht fortfahren.

Sirius dachte, dass mit dieser Reaktion das Thema erledigt wäre, aber da hatte er sich getäuscht.

"Mr.Black. Würden sie bitte noch einen Moment länger bleiben?", verlangte McGonagall nach der Vorlesung .

Der Saal hatte sich inzwischen geleert und Sirius Schritte hallten in dem großen Saal wieder, als er sich auf den Weg, die Empore hinab zu dem Pult der Lehrerin machte.

Er blieb vor ihr stehen und wartet einige Augenblicke, bis sie die Tafel fertig gewischt hatte. Dann drehte sie sich zu ihm um.

"Mr.Black.", sie musterte ihn herablassend von oben nach unten und Sirius fühlte sich trotz des Fakts, dass er sie sicher um zehn Zentimeter überragte, merkwürdig klein. "Sie haben unglaublich viel Potential. Einer der Talentiertesten des Jahrgangs, wenn sie mich fragen. Aber sie werden es niemals weit bringen, denn sie haben keine Disziplin, sind nicht zuverlässig und sie hinken mit ihrer Technik zwei Semester hinter den anderen her. Wenn sie sich nicht benehmen und anfangen zu üben sehe ich trotz ihres großen Talents keinen Grund mehr für sie diese Universität zu besuchen. Kommen sie erst wieder in meinen Kurs, wenn sie sich zusammengerissen haben. Ich werde sie mit offenen Armen empfangen, aber strengen sie sich an. Sie dürfen jetzt gehen."

Sirius stand da, wie vom Donner gerührt, während die Professorin seelenruhig ihre Sachen packte und ihm keinen Blickes mehr würdigte.

"Auf Wiedersehen.", würgte Sirius heraus, bevor er fluchtartig den Saal verließ.

Er stolzierte nicht wie sonst durch die Flure der Universität, die Aufmerksamkeit genießend, die man ihm entgegengebrachte, sondern schlurfte den Gang entlang und versuchte nicht von irgendjemandem erkannt zu werden.

Bis er an dem Baum auf dem Campus angekommen war, an dem er am liebsten saß, lief sein Gehirn nicht richtig. Erst, als er sich einsetzte brach das Ausmaß von McGonagalls Worten auf ihn herein und die Sicht verschwamm vor seinen Augen.

Nicht viele Leute trieben sich auf dem Campus herum und trotzdem hatte Sirius Angst jemand würde sich ihm nähern und fragen, wie es ihm ging. Doch keine der verschwommenen Gestalten traute sich näher als auch nur zehn Meter an Sirius heran, und die Person, die sich ihm schlussendlich näherte, stellte sich als Remus Lupin heraus.

Er setzte sich wortlos neben Sirius und dieser vergrub seinen Kopf in der Brust des Größeren. Remus streichelte Sirius durch die Haare, murmelte immer wieder beruhigende Worte und küsste ihn leicht auf die Stirn.

Sirius erzählte Remus an diesem Tag nicht, was ihn so fertig machte. Und auch nicht am nächsten Tag. Und obwohl Remus ihn jeden Tag nach dem plötzlichen Stimmungswechsel befragte blieb Sirius zwei Wochen lang stumm.

Diese zwei Wochen empfand Sirius als höchst unangenehm.

Er war wortkarg und versuchte nachzudenken, schaffte es aber einfach nicht. Jedes mal, wenn er alleine in seinem Bett saß, oder am Fenster oder am Küchentisch und er auch nur den Versuch machte über das, was McGonagall gesagt hatte nachzudenken, darüber was er mit seinem Leben anfangen würde und über diese andere Sache, die ihm nicht aus dem Kopf ging, die er aber nicht in Worte fassen konnte, überkam ihn eine unglaubliche Unruhe und Kopfschmerzen stellten sich bei ihm ein, so stark, dass er sich zwei Tage lang nicht traute einen neuen Versuch zu starten.

Die Uni ließ er komplett hängen, besuchte keine Kurse und betrat das Uni-Gelände nicht einmal. Immerhin konnte er sich noch aufraffen zum Selbstverteidigungskurs zu gehen.

Auch mit seinen Freunden verbrachte er immer weniger Zeit und hätte er nicht die Abmachung mit Remus und James, hätte er vermutlich wieder angefangen mit so vielen Leuten wie möglich zu schlafen.

Nur die Bühne und das Singen brachten ihn ein wenig Freude. Alle seine Freunde waren besorgt, aber wenigstens bekamen seine Fans nichts von seinem Stimmungswechsel mit, denn auf der Bühne war er ganz der Alte. Er grölte sich die Seele aus dem Leib, sprang und tanzte, bis die Hölzer der Bühne knarrten und flirtete was das Zeugs hielt.

Nur eine Sache hatte er sich nicht noch einmal getraut.

Remus auf der Bühne zu küssen.

Bei jeden Gig fanden sich Remus und Sirius Blicke gegen Ende ihres Auftrittes und Remus zog abwartend die Augenbraue hoch, so als wollte er sagen: "Nun trau dich schon."

Doch Sirius traute sich nicht. Etwas in seinem Inneren sagte ihm, dass es eine schlechte Idee wäre Remus zu küssen und da er sonst so selten auf sein Bauchgefühl hörte und deswegen in so verdammt viele unangenehme Situationen geriet, hatte er sich vorgenommen, wenigstens ein Mal darauf zu hören.

Es war zweieinhalb Wochen nach dem Vorfall mit McGonagall und die Marauders hatten einen Gig in ihrer Stammkneipe.

Und Remus hatte einen Entschluss gefasst, von dem Sirius noch nichts wusste, als er das letzte Lied anstimmte.

Die Menge kreischte zu "We are the Champions" mit und Sirius bemerkte, wie sein beste Freund ihm immer wieder Blicke zuwarf. Es war so, wie die letzten Male. Remus würde ihn herausfordernd anschauen und Sirius würde sich trotzdem nicht trauen ihn zu küssen aus Angst vor... ja, was denn eigentlich?

Das Lied näherte sich dem Ende und Sirius spürte, wie Remus neben ihn trat. Die Seiten ihrer Körper berührten sich und Sirius hatte plötzlich das (un)gute Gefühl, dass Remus die Sache heute selbst in die Hand nehmen würde.

Er schielte zu seinem Freund hinüber, wie er da stand, durchgeschwitzt und trotzdem mit zugeknöpften Hemd, die Finger elegant über die Seiten des Basses fahrend und ein fettes Grinsen im Gesicht. Nein, kein Grinsen. Ein Lächeln. Und als Remus seinen Blick bemerkte und Sirius so offen und ehrlich anlächelte löste das in Sirius Herz eine Reaktion aus, dessen Ursachen er wohl später würde ergründen müssten.

Sirius dachte garnicht daran den Blick von Remus zu nehmen. Selbst wenn er gewollt hätte, hätte er es nicht gekonnt.

Schneller als er es geplant hatte, sang er die letzte Note und während James sein letzten großes Solo spielte und Pete noch einmal richtig reinhaute, ließ Remus seinen Bass los, sodass dieser nur noch lose vor seinem Körper hing und zog Sirius bei der Taille an sich heran um ihn zu küssen.

Er hat es wirklich getan!

Dieser Satz wiederholte sich so oft in Sirius Kopf, dass er vergaß zurückzuküssen. Und schneller als der Kuss gekommen war, war er auch wieder vorbei.

Remus trat einen Schritt zurück und Sirius fühlte sich, als könnte er nie wieder den Blick von seinem besten Freund abwenden.

______

Natürlich hatte Sirius irgendwann den Blick wieder von Remus loslösen müssen.

Die Marauders feierten hinter der Bühne in einem kleinen, privaten Raum den Gig mit einem Glas Bier, doch Sirius konnte sich nicht konzentrieren. Der Kuss war einfach zu viel gewesen. Er fühlte sich, als müsste er jeden Moment in Tränen ausbrechen. Normalerweise hatte er nur Probleme mit social anxiety, wenn er in einer unangenehmen Situation mit vielen Leuten war, aber nie mit seinen Freunden. Doch jetzt musste er hier weg. Alles in ihm zog sich zusammen. Die Stimmen der anderen vermischten sich zu einem Wörterbrei, jeden Moment würden sie Sirius fragen ob alles mit ihm okay wäre oder versuchen ihn in ihr Gespräch einzubinden, oder irgendetwas anderes machen, das er gerade nicht aushielt. Sein Herz klopfte und er begann zu zittern. Wenn er nicht schnell hier weg kam würde er eine Panik Attacke bekommen.

Sirius sprang auf und die Blicke der anderen richteten sich verwirrt auf ihn. Er bemühte sich um einen normalen Gesichtsausdruck, aber der Nebel in seinem Kopf ließ ihn die Kontrolle über seine Gesichtsmuskel verlieren, sodass er nicht genau wusste, ob es klappte.

"Es tut mir leid, aber ich bin todmüde und muss wirklich ins Bett. Ich glaube ich geh jetzt zurück. Ihr könnt gerne noch ein bisschen feiern, wie gesagt ich geh sofort schlafen."

Er lächelte seine Freunde an und packte seine sieben Sachen. Als er den kleinen Raum verlassen wollte, traf sein Blick den von James. Geht es dir gut? fragte James Blick. Er zog dabei die Augenbrauen herausfordernd hoch. Mir geht es gut, mach dir keine Sorgen. Antworteten Sirius Blick und das kleine Kopfnicken. Doch sie wussten beide, dass James ihm das nicht abkaufte.

Sirius verließ den Raum.

Er durchquerte den Schankraum, der vollgestopft war mit anderen Gästen und musste sich zusammenreißen um nicht zu zittern oder mit dem Gesicht merkwürdig zu zucken. Er hielt diese vielen Menschen gerade nicht aus. Er atmete erst richtig durch, als die kühle Nachtluft über sein Gesicht strich und er sich auf den Weg zu seinem Apartment machen konnte.

Es waren nicht viele Menschen unterwegs und die Straßen waren nur spärlich beleuchtet, aber es war eine gute Gegend, deswegen hatte Sirius nur wenig Angst auf seinem Nachhauseweg. Früher hatten sie in einem viel schlimmeren Teil Londons gewohnt und deswegen fühlte er sich hier tatsächlich vergleichsweise sicher.

Er überquerte die Millenium Bridge und atmete die frische Luft des Flusses ein. Tagsüber nahm man gar nicht war, dass es auf den Brücken und am Wasser anders roch als in der Stadt, aber Nachts, wenn nicht mehr so viele Autos fuhren und man nicht von allem möglichen abgelenkt wurde, konnte man den süßlichen Geruch des Wassers wahrnehmen. Es war nur eine kleine Nuance, aber Sirius genoss es doch jedes Mal, wenn er nachts über die Brücke lief. Er spürte, wie die Angespanntheit und Angst förmlich von ihm abfiel

Keine fünfzehn Minuten später bog er in ihre Straße ein. Fast wäre er dabei mit einer Person zusammengestoßen, hatte aber noch die Aufmerksamkeit den anderen zu stabilisieren.

Es war ein alter Mann, den er noch nie gesehen hatte. Er stützte sich auf einen Gehstock und lächelte Sirius dankbar an. Sein Haar war silbrig und lang, er trug einen extravaganten Anzug, in den kleine Monde und Sonnen eingestrickt waren. Durch die halbmondförmigen Brillengräser blinzelten ihn wache, junge Augen an.

"Vielen Dank, mein Junge. Sie sind ein guter Mensch."

Und damit ließ der alte Mann ihn einfach stehen. Sirius war wie vom Donner gerührt und aus irgendeinem Grund brachte dieser Satz das Fass in ihm zu überlaufen. Er brach mitten auf der Straße in Tränen aus. Sie liefen ihm heiß über die Wangen und in den Kragen seiner Jacke. Mit eingeschränkter Sicht versuchte er so schnell wie möglich zum Haus zu kommen, hantierte ungeschickt mit den Schlüsseln herum, da er das Schlüsselloch nicht richtig sehen konnte und stürzte in den Flur. Er machte sich auf den Weg in den zweiten Stock und öffnete dort, wieder ungeschickt die Tür zur Wohnung.

Kaum angekommen ließ er alles fallen, was er in der Hand gehalten hatte. Die Schlüssel klirrten, als sie auf dem Boden aufkamen, aber Sirius war viel zu sehr damit beschäftigt sich die Jacke von den Schultern zu reißen, als es zu bemerken. Er zog sich auch noch sein Oberteil aus. Ihm war so unglaublich heiß. Und die ganze Zeit schluchzte er weiter.

Nur in Unterhemd und Hose stürzte er in sein Zimmer und riss das Fenster auf. Er streckte den Kopf aus dem Fenster und entspannte sich wieder leicht. Sie Tränen versiegten für den Moment und sein Herzschlag wurde wieder regelmäßiger. Hier, in seinem Zimmer fühlte er sich sicher. Er drehte sich herum und lehnte sich mit dem Rücken an das Fensterbrett. Er ließ den Blick durch den Raum schweifen, sich ermahnend langsam zu atmen.

Dann entdeckte er das Buch, das er gerade laß und das auf seinem Bett lag. Das Buch, das Remus ihm zum Geburtstag geschenkt und für ihn annotiert hatte.

Und Sirius Black kletterte auf das Fensterbrett um sich an sein Fenster zu setzen, während seine Tränen wieder flossen.

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Eigentlich hatte Sirius erwartet, dass James nach ihm gucken kommen würde, so besorgt, wie er ausgesehen hatte. Aber James hatte sich wohl dazu entschieden Remus vorzuschicken.

Dieser stand jetzt in Sirius Tür und schien überfordert damit, mit dem auf dem Fensterbrett heulenden Sirius umzugehen.

Langsam näherte er sich der in sich der zusammengekauerten Gestalt und legte ihm eine Hand auf den Rücken. Sirius schaute auf und seine von Tränen erfüllten Augen trafen die Grünen des anderen Marauders. Einen Augenblick später stand Sirius und war fest in Remus Arme geschlossen. Der Größenunterschied war gerade richtig, sodass Sirius sein Kinn auf Remus Schulter ablegen konnte. Remus Hände lagen tief in seinem Rücken und pressen ihn an sich, als wollte er den anderen festhalten, damit er ihm nicht entglitt. Und ein wenig war es auch so. Während Sirius leise in Remus Brust schluchzte flüsterte der andere ihm, wie vor ein paar Tagen beruhigende Worte ins Haar. Remus raue Hände strichen über die nackte Haut seiner Arme, was unter normalen Umständen eine Gänsehaut in Sirius ausgelöst hätte, aber ihn in diesem Moment einfach nur beruhigte.

Es war wieder einer der Momente, in dem für die beiden die Zeit stehen blieb. Eine kleine Welt, das Apartment im zweiten Stock mit Ausblick auf die hässlichste Straße Londons und den winzigsten Dönerladen der Welt. In einem Film hätte die Kamera sich um die beiden gedreht und sie hätten sich wie der "Main Charakter" gefühlt, aber das hier war kein Film und Sirius wollte gerade alles andere als der "Main Charakter" sein. Er wollte nur, dass es aufhörte.

Erst nach zwanzig Minuten kam Sirius aus dem Schluchzen heraus. Es dauerte noch weiter fünf, bis er imStande war ganz, sinnvolle Sätze zu formulieren. Remus und er saßen auf seinem Bett, um genau zu sein einer Matratze auf dem Boden und Remus wartete mit unglaublicher Geduld, bis Sirius sich beruhigt hatte, sprach ihm gut und zu hörte nie auf ihn zu streicheln. Sirius war unendlich froh ihn als Freund zu haben.

Dann fing er an zu erzählen. Erst erzählte er ihm von dem, was seine Lehrerin gesagt hatte, dann davon, wie sich daraufhin alles für ihn verändert hatte.

"Ich kann es nicht genau beschreiben, aber es hat irgendwie "Klick" gemacht. Mir ist plötzlich bei jeder Gelegenheit aufgefallen, wie beschissen mein Leben eigentlich ist und wie unglücklich ich bin. Ich will etwas ändern, weiß aber nicht wie und in welchen Bereichen. Ich hab mich einfach so hilflos gefühlt. Ich konnte nicht darüber nachdenken, es hat mir unglaubliche Kopfschmerzen bereitet und da ich meine Gefühle nicht in Worte fassen konnte, konnte ich auch mit niemandem darüber reden. Es hat mich einfach fertig gemacht. Und plötzlich hat mir nichts mehr Freude bereitet, außer das Singen."

Remus schaute ihn mit unlesbaren Gesichtsausdruck an. Er machte nicht die Anstalten etwas zu sagen, er wusste dass Sirius noch nicht fertig war. Sirius wiederum überlegt, ob er das, was er gerne sagen wollte wirklich sagen sollte.

"Und ehrlich gesagt hast du die Situation auch nicht besser gemacht. Versteh mich nicht falsch, ich hab dich unendlich lieb und du hilfst mir gerade sehr, aber diese Sache mit dem Küssen auf der Bühne hat mich wahnsinnig gemacht. Ich hatte Angst davor. Ich weiß gar nicht so genau warum, vielleicht hatte ich Angst vor dem was der Kuss in mir auslöst...vor meinen Gefühlen, aber auf jeden Fall hat mein Bauchgefühl mir davon abgeraten dich zu küssen. Wie gesagt, keine Ahnung warum. Und dass du mich heute geküsst hast war einfach zu viel. Nicht, weil es mir nicht gefallen hätte...ehrlich gesagt war das vielleicht das Problem. Mir hat es echt gut gefallen und ich hab Angst davor was das bedeuten könnte. Jedenfalls habe ich daraufhin einfach Panik bekommen. Ich hatte eine Panikattacke und musste weg, aber ich möchte dir wirklich nicht die Schuld dafür geben. Es ist auch nicht meine Schuld es war einfach die Situation, die mich überfordert hat."

Erst jetzt traute er sich Remus wieder in die Augen zu schauen. Immer noch dieser unlesbare Gesichtsausdruck, aber immerhin zierte ein Lächeln das hübsche Gesicht.

"Ich glaube, ich brauche Zeit zum Denken. Ich muss mein Leben ändern. Irgendetwas muss sich ändern, ansonsten gehe ich kaputt."

Nach diesem Monolog fiel Sirius in sich zusammen und lehnte seinen Kopf gegen Remus Brust. Dieser zögerte nicht ihn wieder in den Arm zu nehmen. Doch Sirius brach dieses Mal nicht in Tränen aus, sondern lächelte in Remus Shirt. Er fühlte sich leicht.

Offensichtlich schien Remus der Meinung zu sein Sirius sei fertig mit reden.

"Darf ich dir einen Rat geben?"

Sirius nickte.

"Übermorgen beginnen die Semesterferien. Fahr zu deiner Cousine Andromeda nach Brighton und denk nach. Zwei Wochen lang abgeschieden sein von allem, dass du kennst und nur mit dem Meer Zeit zu verbringen, wird dir gut tun. Denk nach. Komm wieder. Und änder dein Leben."

Sirius löste sich von ihm. Er schaute Remus in die Augen und betrachtete das ehrliche Lächeln seines Freundes.

"Danke, Remus.", brachte er leise heraus. "Das werde ich machen."

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