
Ein unerfreuliches Wiedersehen
Amy Benson bot wahrhaftig keinen schönen Anblick mehr, als Voldemort und Clarissa mit der Erlaubnis von Mrs Cole kurz alleine mit Amy sein durften. Ihr einst so wohlproportionierter und gebräunter Körper war leichenblass und knochig wie der ihrer Mutter und ihre Haare, die knapp über ihre Schultern reichten, waren fettig. Sie sah mehr tot als lebendig aus, wie sie auf dem Bauch lag, angeschlossen an mehrere Geräte. Neben ihr lag ein Seestern aus Plüsch, den sie hatte, seit sie klein war, weil sie immer gerne eine Meerjungfrau gewesen wäre, als sie Kind war. Voldemort musterte sie und schluckte. „Bringen wir es hinter uns“, sagte er zu Clarissa, zückte seinen Zauberstab und schloss die Tür ab. Zusätzlich versah er sie mit einem Muggelabwehrzauber. „Bereit?“, fragte er Clarissa. Tränen liefen ihr über den freien Teil ihres Gesichts, beide trugen FFP2 Masken. Clarissa nickte langsam. „Rennervate!“, er weckte die regungslose Amy auf. Er ging näher zu ihr hin und sah ihr in die Augen. „Hallo, Amy! Ich werde gleich in deinem Kopf mit dir sprechen und du wirst ausnahmslos alles tun, was ich dir sage, verstanden? Wir holen dich hier heraus und zwar lebendig!“ Tom…, dachte sie und ihre Augen zuckten wieder leicht schläfrig. „Rennervate!“, rief Voldemort erneut und Amy war wieder hellwach. Wir machen dich jetzt los und wenn ich dir den Trank in den Mund schütte, dann schluckst du ihn herunter, okay? Egal, ob du nebenbei atmen kannst, oder nicht, schluck den Trank einfach herunter, dann kannst du wieder atmen, ordnete er in Gedanken an. Wie…?, dachte Amy und sah ihn mit trübem Blick an. Junge, das kann doch nicht so schwer sein. Wenn ich Schluckauf hatte, habe ich teilweise zehn Schlucke Wasser getrunken, ohne zwischendurch zu atmen, damit das wegging. Und du kannst das auch. Ich habe gelesen, vier Schlucke von diesem Trank reichen, dass man wieder atmen kann, regte sich Voldemort in Gedanken auf, Bist du bereit? Amys bleiche Stirn legte sich in Falten. Irgendwie erinnerte sie Voldemort stark an ihre Mutter. Gleich… Ich habe Angst… Was ist, wenn du dich rächen willst?, dachte sie zweifelnd. Ich habe mich schon gerächt. Wir beide haben keine Rechnung mehr offen, dachte er. Wenn du das sagst… Na gut…, dachte Amy. Sie war einfach so herrlich gehorsam und unkompliziert! Irgendwie mochte Voldemort das an ihr, auch wenn sie ein Muggel war. Voldemort holte die Flasche mit dem Zaubertrank heraus und reichte sie Clarissa. „Mach sie schon einmal auf. Aber pass auf, dass der Zaubertrank nicht verunreinigt wird und nichts, aber auch gar nichts mit dem Zaubertrank passiert, sonst ist der nämlich tödlich!“, schärfte Voldemort ihr ein, „Gleich muss alles ganz schnell gehen.“
Er setzte sich neben Amy aufs Bett und nahm ihr mit einem Ruck die Atemmaske ab, drehte sie herum und richtete sie auf. „Gib mir den Zaubertrank, schnell!“, rief er Clarissa zu und mit zitternden Händen reichte sie ihm die Flasche an. Amy versuchte gerade reflexartig einzuatmen, doch sie bekam keine Luft. „Halt die Luft an, die paar Sekunden schaffst du!“, zischte Voldemort ihr zu, klappte ihren Kiefer herunter und schüttete ihr einen Teil des Zaubertranks in den Mund. „Schluck runter!“, ordnete er an und Amy tat ihr Bestes. „Drei Schlucke brauchst du noch, dann kannst du wieder atmen!“ Er schüttete ihr erneut Zaubertrank in den Mund. Amy verzog ihr Gesicht und schluckte erneut herunter, verschluckte sich jedoch und musste husten. „Verdammt!“, zischte Voldemort, „Anapneo!“ Ihre Atemwege waren wieder frei und sie konnte einen weiteren Schluck nehmen, doch sie wurde langsam blau im Gesicht und Panik zeichnete sich auf ihrer Miene ab. „Sei tapfer!“, fuhr er sie an und hob ihr Kinn leicht an, dass sie den Trank komplett herunterschluckte. „Nun noch der vierte Schluck und dann kannst du wieder atmen!“ Er füllte ihr den Trank in den Mund und Amy versuchte herunterzuschlucken, aber sie konnte nicht und voller Panik schlug sie um sich. HILFE!, dachte sie sich und spuckte den gesamten Trank, den sie im Mund hatte, auf Voldemorts Schoß. „Amy!“, schrie Clarissa panisch. Draußen hörten sie ein paar Krankenschwestern, die herangeeilt kamen, doch der Muggelabwehrzauber wurde aktiv. „Oh, ich habe vergessen, Mr Wilson das Frühstück zu bringen, ich muss los!“, sagte die eine Krankenschwester. „Ich habe noch ein Rendezvous mit meinem Schatz, ich hätte es beinahe absagen müssen!“ Beide Krankenschwestern eilten davon. Amy wurde ohnmächtig. „Tommy, tu was!“, schrie Clarissa und ihre Stimme überschlug sich. „Jaja, ich habe die Situation im Griff!“, fuhr Voldemort sie an, „Und hör auf, mich Tommy zu nennen! Rennervate!“ Amy wachte für einen kurzen Moment auf, Voldemort packte ihren Kopf, klappte ihren Kiefer herunter und schüttete so viel es ging von dem Trank in ihren Mund und hob ihr Kinn erneut feste an, sodass sie gezwungen war, den Trank herunterzuschlucken, was sie nach langem Kämpfen auch tat. Dann auf einmal, als hätte jemand einen Schalter umgelegt, sog sie einmal tief Luft ein und atmete wieder aus. Ihre Brust hob und senkte sich und langsam nahm ihr Gesicht wieder eine gesunde Farbe an.
„Du… du hast es geschafft!“, rief Clarissa ungläubig. „Natürlich habe ich es geschafft, ich habe dir doch gesagt, ich bekomme das hin!“, fuhr Voldemort sie an, „Das ist einer der einfachsten Tränke, die es gibt und es wäre eher peinlich, wenn ein Zauberer das nicht hinbekommen würde! Ein Armutszeugnis wäre das!“ Clarissa ignorierte seine Vorwürfe und stürmte auf Amy zu, um sie zu umarmen, doch Voldemort ließ sie in der Bewegung erstarren. „Stopp!“, sagte er scharf, „Sie ist immer noch ansteckend! Gib mir eine FFP2 Maske, das Virus an sich ist nicht weg, nur die Symptome!“ „Ich hole eine!“, sie verließ das Zimmer. Amy setzte sich auf. Voldemort hatte sie bis jetzt immer noch gestützt. „Dankeschön!“, murmelte sie, „Das war echt lieb von dir, dass du mein Leben gerettet hast! Ich möchte dich aber nicht anstecken, deshalb nehme ich jetzt mal Abstand.“ Amy kletterte von seinem Schoß und lief zum Fenster. Sie musste sich, weil das Fenster relativ weit oben war, auf Zehenspitzen stellen, um es zu erreichen, doch es gelang ihr, das Fenster zu öffnen. Sie blickte hinaus. Voldemort war es nur zu recht, dass sie nicht mehr in seinem Arm lag, irgendwie war das zu viel körperliche Nähe für ihn gewesen. In der Notsituation war ihm das aufgrund des Adrenalins relativ egal gewesen, doch nun fand er die Situation irgendwie komisch. Zumal sie immer noch ein Muggel war und er aufgrund der gescheiterten Romanze zwischen seinen Eltern der festen Überzeugung war, dass sich Zauberer und Hexen nicht mit Muggeln paaren sollten. Unangenehme Stille breitete sich aus. Amy schien das zu bemerken und versuchte, ein Gespräch anzufangen. „Cooler Ring“, sie sah ihn aus ihrem blassen und ausgemergelten Gesicht an, „Ist der neu? Hab so ähnliche Ringe mal bei Shein gesehen, ne Freundin von mir war dort Online Shoppen, nur, dass deiner teurer aussieht.“ „Gehörte meinem Opa, er hat ihn von einem berühmten Zauberer aus unserer Familie geerbt“, erzählte Voldemort. Damit hatte er nicht wirklich gefährliches Wissen verraten und Amy war sowieso zu dumm, um die ganzen Zusammenhänge zu verstehen. Er könnte ihr einfach irgendwelche Lügengeschichten auftischen. Er ertappte sich dabei, wie er schon wieder abwertend über sie dachte. Er beschloss, das nicht mehr zu tun. Es war gut, dass sie nicht so gefährlich raffiniert und schlau war wie Ella. „Oh… Hast du deine Familie kennengelernt?“, wollte Amy wissen, „Wenn ich fragen darf und du nichts dagegen hast, darüber zu sprechen…“ „Du darfst. Ich habe meine Familie kennengelernt. Leider. Mein Opa mütterlicherseits war schon tot, aber mein Onkel hatte den Ring. Über meinen Vater und seine Eltern möchte ich nicht sprechen. Aber dass meine Mutter tot ist, das weißt du ja bereits“, erklärte Voldemort. Amy nickte. „Bist du traurig, dass dein Opa bereits tot war und du ihn nicht kennenlernen konntest?“, wollte sie wissen. „Wieso sollte ich traurig über den Tod von jemandem sein, den ich nicht kannte?“, fragte Voldemort. „Weiß nicht, hätte sein können. Wegen verpasster Gelegenheit und so“, sagte Amy in Richtung Fenster gewandt, „Sorry, wenn ich nicht in deine Richtung schaue, aber ich will nicht die ganzen Viren in deine Richtung pusten während ich spreche.“ „Ich trauere grundsätzlich keinen verpassten Gelegenheiten nach“, informierte Voldemort sie, obwohl es manchmal nicht ganz stimmte, „Und ich komme über deine Unhöflichkeit hinweg.“ „Sorry“, murmelte Amy erneut und ein heftiger Hustanfall schüttelte sie.
Voldemort stand auf und reichte ihr die Flasche mit dem Zaubertrank. „Einen Schluck, jedes Mal, wenn das Atmen schwerfällt, wenn es gar nicht mehr geht, vier Schlucke. Wenn Clarissa, diese lahme Ente mal wieder zurück ist, gehen wir nach Hause und ich mache Nachschub für dich.“ Gierig nahm Amy die Flasche entgegen und nahm einen großen Schluck. Erneut verzog sie ihr schneeweißes Gesicht. „Ist schon ein bisschen bitter und schmeckt irgendwie nach Gras“, stellte sie fest, „Aber der Zaubertrank ist definitiv sehr effektiv. Du musst echt ein ungeheuer mächtiger Zauberer sein!“ Bewundernd schaute sie in seine Richtung. Voldemort war geschmeichelt. Clarissa hatte Recht behalten, Amy wusste seine Hilfe zu schätzen im Gegensatz zu Billy Stubbs, der ihn als Weirdo abstempelte. „Bin ich“, bestätigte Voldemort, denn es stimmte. Ella zeterte wieder in seinem Hinterkopf. Verdammtes Schlammblut! Allerdings… Wenn er Muggelgeborene beleidigte, beleidigte er ja auch Muggel und Amy war gerade nett zu ihm und Jonathan auch. Und Ella war in der Regel auch nett zu ihm, wenn er keine selbstgefälligen Aussagen machte. Er müsste nur darauf verzichten, oder… Ella hatte ihm eigentlich gesagt, dass er tatsächlich ein guter und talentierter Zauberer war… Aber andere eben auch. Dann sollte er eventuell schon seine eigenen Errungenschaften gut finden, aber andere nicht entwerten. Nach langem Überlegen fügte er leicht widerwillig hinzu: „Es gibt aber durchaus auch noch andere talentierte Zauberer und Hexen. Draco Malfoy und Hermione Granger zum Beispiel sind auch hervorragend darin, Zaubertränke zu brauen.“ „Naja, aber die kenne ich ja nicht. Ich freue mich, dass der Zaubertrank von DIR kommt“, Amy drehte sich zu ihm herum und lächelte ihn an. Ihre schneeweiße Haut wurde extrem rot und sie sah zu Boden. „Meine Exe… sie waren alle zwar schon irgendwie cool, aber kein Junge… Ach, nichts…“, Amy schwieg verlegen. Voldemort grinste und las ihre Gedanken. Kein Junge hat mir jemals so viel bedeutet wie Tommy, aber wie soll ich es ihm sagen? Er lacht mich dann sicher aus, er hatte sich immer nur über mich lustig gemacht oder war wütend, wenn ich da so sentimental geworden bin! Sein Lebensmotto war ja, man solle gar nicht flirten und die Liebe sei der letzte Bullshit… „Ich weiß, was du gerade denkst“, grinste er unter seiner Maske, aber sie sah ein leichtes Funkeln und… Moment einmal… Seine Augen! Erschrocken keuchte Amy auf. „Deine Augen… Was ist das? Verursacht Corona etwa Halluzinationen?“, japste sie hysterisch. Voldemort schüttelte den Kopf. Er genoss die Angst in den Augen der Muggel und Amys Entsetzen fand er irgendwie toll. Es war eine Bestätigung seiner Macht. „Du kannst ein Geheimnis bewahren und versprichst mir, keine, aber auch keine Nachfragen zu stellen und dich mit dem Wissen zufriedenzugeben, das ich dir vermittle?“ „Okay, keine Fragen, ich habe verstanden.“ „Es gibt eine bestimmte Magie, die man praktizieren kann, die das auslöst, so als Nebeneffekt. Außerdem ist auch meine Haut blasser geworden, wie ich gesehen habe, als ich mich im U-Bahn Fester gespiegelt habe“, erklärte Voldemort, „Aber sag das nicht Clarissa, auf gar keinen Fall und auch sonst niemandem, okay?“ Amy nickte. „So ein braves Mädchen!“, sagte Voldemort, „Das bleibt unser Geheimnis, meine Süße.“
Amy verwandelte sich in eine menschliche Tomate und Voldemort triumphierte innerlich. Nur ein paar Worte und sie war sein Knecht! Aber so wollte er nicht mehr von ihr denken, schließlich hatte das zu ihrem Verrat geführt. Wenn er ihr jedoch das gab, was sie wollte, war sie eventuell eine gute und angenehme Freundin. Er schwankte irgendwie dazwischen, in wessen Gegenwart er sich lieber aufhielt. Denn manchmal fühlte er sich schon besser, wenn er auch Personen hatte, mit denen er sein Leben teilen konnte, auch wenn er es vor seinen Todessern niemals zugeben würde. Vor denen musste er sich beweisen und Stärke zeigen, sie waren eine Machtallianz und nur aus Zweck mit ihm unterwegs. Er erinnerte sich nur zu gut daran, wie Pansy ihn bis zu dem Tag geflissentlich ignoriert hatte, an dem er ihr feierlich beweisen konnte, dass er nicht muggelgeboren war. Sie mochten ihn nicht bedingungslos, sie mochten sein Image und seine Leader Qualities. Amy und Ella hingegen mochten ihn nicht für irgendeinen Zweck. War das Liebe? Er würde Amy fragen! „Amy, du schuldest mir auch eine Antwort!“, forderte er, „Du hast mir eine unangenehme Frage gestellt, nun stelle ich dir eine unangenehme Frage. Du hast mich immer über Liebe zugetextet. Was ist Liebe für dich? Warum ist sie dir so wichtig, obwohl Macht einen eigentlich viel weiter bringt und weniger abhängig von anderen macht?“ Amy blickte aus dem Fenster. „Puh, Liebe als Gefühl ist für mich auf jeden Fall etwas, was ich für andere besitze, aber sie nicht für mich, etwas, das ich nie haben konnte und nicht verdient habe, etwas, das ich mir immer erarbeiten musste, indem ich mich dafür verbiege und tue, was die Menschen, die ich liebe, von mir wollen, wie zum Beispiel meine drogenabhängige Mutter… Eventuell ist das nicht so eine gesunde Definition und Macht wäre irgendwie gewinnbringender, aber es ist auch etwas, das ich nicht besitze und ich bin zu faul, danach zu suchen, weil sie mich nicht so glücklich machen würde, wie Liebe. Es sind beides Dinge, die ich nicht habe und niemals kriegen werde, aber wenn ich die Wahl zwischen Macht und Liebe habe, würde ich Liebe wählen. Wie schön muss es sein, wenn jemand einen liebt. Wenn jemand freiwillig Zeit mit einem verbringt, einen auch mit seinen Schwächen annimmt und auch noch hinter einem steht, wenn man einen Fehler gemacht hat. Wie schön muss es sein, wenn jemand sich auch mal für meine Meinung und meine Interessen begeistert und mich nicht immer nur als Knecht oder Wunscherfüller sieht!“ Sehnsüchtig starrte Amy aus dem Fenster und eine kleine Träne kullerte ihre Wange herunter. „Tut mir leid, war eventuell eine lange Definition und das ist auch nur meine Definition von Liebe, eventuell würde Clarissa etwas ganz anderes dazu sagen“, fügte sie hinzu. „Oder Ella…“, warf Voldemort ein.
„Wer ist Ella?“, erkundigte sich Amy, „Woher kennst du sie, wenn ich fragen darf?“ Auf einmal ging die Tür auf und Clarissa kam herein. „Hier, ich hab die Maske!“, sie warf Amy die Maske zu und Voldemort kam nicht mehr dazu zu antworten. Amy setzte sich die Maske auf. „Gehen wir dann?“, wollte sie wissen. „Ja“, entschied Voldemort, stand auf, nutzte den Tergeo-Zauber, um den Zaubertrank, den Amy versehentlich über seinen Schoß gespuckt hatte, zu entfernen. Dann schaltete Clarissa die Geräte aus, beendete den Muggelabwehrzauber und sie gingen hinaus. Voldemort machte einen kurzen Abstecher zu den Krankenschwestern bei der Verwaltung der Intensivstation und veränderte ihre Erinnerungen so, dass sie Amy entlassen hatten. Amy trug die Flasche mit dem Trank. „Amy, du siehst echt hässlich aus, wollte ich dir schon die ganze Zeit sagen“, sprach Clarissa das aus, was insgeheim alle dachten. Amy schlug die Augen nieder. „Ich weiß. Ich werde mich auf jeden Fall, wenn ich die Erlaubnis von Mrs Cole dazu habe, mal duschen.“ Voldemort war überrascht, wie Amy den Seitenhieb ihrer Schwester aufnahm. Er selbst hätte, wenn ihm irgendjemand das gesagt hätte, die Person schon längst fertiggemacht. Und Ella wäre lautstark in Tränen ausgebrochen und hätte das alles superpersönlich genommen. Aber Amy nahm das einfach als Fakt. Nicht als Majestätsbeleidigung oder so. Tatsächlich SAH Amy bemitleidenswert aus. Ihre Schultern waren spitz und knochig und drückten sich unter dem inzwischen viel zu groß gewordenen T-Shirt ab. Erneut wurde ihr magerer Körper von einem heftigen Husten geschüttelt und Amy nahm einen Schluck von dem Zaubertrank. „Ich glaube, wir sollten uns beeilen, der ist fast leer“, stellte sie fest, als sie in der Eingangshalle waren. Mrs Cole, die Tränen in den Augen hatte, war völlig perplex. „Amy, großer Gott, ist das möglich?“, rief sie, „Du wurdest entlassen?“ Amy grinste verstohlen in Voldemorts Richtung. „Ja“, sagte sie und warf Voldemort einen fragenden Blick zu. Darf ich ihr sagen, dass du mich gerettet hast? Eventuell wird sie dann auch netter zu dir sein, hoffe ich, dachte sie. Nein, Geheimhaltung ist alles, auch wenn mir das Lob und die Anerkennung für meine gute Tat sehr entgegenkommen würden, gab Voldemort zurück. Schade, dachte sich Amy und schaute zu Voldemort herüber. Ihr war nicht bewusst, dass er ihre Gedanken immer noch lesen konnte. Irgendwie hätte ich es gerne, wenn er wieder meine Hand nimmt, er sieht so unfassbar toll aus, aber es ist nicht nur das. Wir kennen uns schon so lange und auch wenn all meine Ex Boyfriends ihm verdammt ähnlich sahen, irgendwie konnten sie einfach nie unseren freundschaftlichen Aspekt ersetzen. Vielleicht bin ich einfach nie darüber hinweggekommen, dass er mich nicht so sehr gemocht hatte, wie ich ihn und meine Ex Boyfriends mussten deshalb er sein. Irgendwie hätte ich auch so gerne Nähe und Liebe zu jemandem, meine Mutter hat mich nie geliebt und meinen Vater kannte ich nicht, auch wenn Clarissa so nett war und dem Zuhälter mithilfe ihrer Magie auch die Liste mit meinen potentiellen Vätern geklaut hat… Nun gut, wenn sie wollte… Irgendwie hatte Voldemort nichts dagegen, auch wenn er nicht wusste, warum. Allerdings gab es auch noch Ella und sie konnte wenigstens zaubern! Aber Amy war immer so sanftmütig und still, während Ella laut und temperamentvoll war.
Andererseits war diese laute und temperamentvolle Art trotz den damit verbundenen Anstrengungen irgendwie auch interessanter und brachte ihn zum Nachdenken. Amy sagte immer, was man hören wollte und reagierte kaum emotional auf irgendwelche Dinge. Das war einerseits extrem entspannend, aber andererseits war sie auch so eine Person, die sich dann stillschweigend zurückzog, wenn man ihre Bedürfnisse, die sich nie traute zu äußern, über einen zu langen Zeitraum nicht beachtete. Für Voldemort war das natürlich zuerst praktisch gewesen, weil er sich grundsätzlich nur für seine eigenen Bedürfnisse interessiert hatte, aber es hatte ihn dann doch geärgert, als Amy ihn dann plötzlich im Stich gelassen hatte. Ella sagte immer lautstark, wenn ihr etwas fehlte, was zuerst eine Menge Wut in ihm ausgelöst hatte, aber er sah, dass es praktischer war und dass seine zwischenmenschlichen Beziehungen irgendwie auch besser wurden, seit er nicht mehr komplett auf die Bedürfnisse seiner Freunde pfiff. Mit Freunde meinte er Amy und Ella, nicht die Todesser. Und Clarissa war, wenn man es recht betrachtete, für ihr Alter auch eine gute Freundin. Aber nun würde er Amys emotionales Bedürfnis erfüllen, denn er war ja durch ihre Gedanken darauf aufmerksam geworden. Er lief zu ihr hin und griff entschlossen nach ihrer Hand. Amys Hand war kalt und nass, ganz anders als damals, als er zum ersten Mal ihre Hand genommen hatte. Sie sah zu ihm hoch. Inzwischen war ihr Größenunterschied noch fataler geworden, er war mittlerweile ganze zwei Köpfe größer als sie, weil sie während der Pubertät kaum gewachsen war. Klar, sie war von den Gesichtszügen her gereift und war glücklicherweise keine Lolita, denn sonst hätte er sie nicht attraktiv gefunden, aber viel größer war sie nicht geworden. Sie liefen zu Mrs Coles Auto und setzten sich nach hinten. Mrs Cole ordnete an, die Autofenster herunterzulassen. Dann fuhr sie los. Amy schlief auf der Rückfahrt ein und hielt Voldemorts Hand immer noch fest umklammert. Auch wenn sie ein Muggel war, war es ein angenehmes Gefühl, dass sie sich wieder vertragen hatten und ihre Freundschaft vielleicht zum ersten Mal richtig führen konnten. Andererseits wollte Voldemort nicht, dass es angenehm war, mit einem Muggel befreundet zu sein oder auch nur daran zu denken. Wie tief konnte er bitteschön sinken? Seit er das mit seinem Vater herausgefunden hatte, gab es für ihn die klare Regel, dass er, wenn überhaupt, eine reinblütige Hexe daten würde. Niemals sollten es Zauberer und Hexen mit Muggeln treiben, fand er. Dass die Leiterinnen vom Waisenhaus ihn so abweisend und manchmal sogar feindselig behandelt hatten und es so Missgeburten wie Billy Stubbs, seine Klassenkameraden oder Lexy gab, hatte ihm auch schon vorher eine gewisse Ablehnung gegenüber Muggeln auf den Weg gegeben.
Andererseits war Amy ein Faktor gewesen, der seine Zeit im Waisenhaus einigermaßen erträglich machte. Sie war immer ein guter Knecht für ihn gewesen, bis sie ihn an Lexy verraten und den Hasen bemitleidet hatte. Aber halt… Er musste das so schnell wie möglich beenden, bevor sie vom Knecht zu seiner Freundin wurde. Auch wenn er das Verlangen, sich mit ihr zu vertragen und wieder mit ihr anzufreunden verspürt hatte, er durfte es nicht zulassen. Sei stark, sei frei, sei unabhängig! Die Macht in einer Beziehung hat der, dem sie egal ist!, sagte er sich immer wieder wie ein Mantra. Clarissa schaute mit gerunzelter Stirn zu ihm herüber. Du bist nicht der einzige, der Legilimentik beherrscht, sagte sie in seinem Kopf, Darf ich eine Frage stellen? – Nein!, gab Voldemort empört zurück, Was fällt dir ein, einfach in meinen Angelegenheiten herumzuschnüffeln? – Das war keine Absicht. In der Regel schnüffle ich nicht herum, aber wie du sicher aus eigener Erfahrung weißt, schnappen wir, wenn jemand sehr wütend oder traurig oder glücklich ist, die Gedanken teilweise automatisch auf. Und du scheinst sehr wütend zu sein. Aber ich lasse dich in Ruhe. Nur bedenke: Selbst Connor Mead aus Ghost of Girlfriends Past hat irgendwann eingesehen, dass seine Einstellung zur Liebe verkehrt und nur ein Schutz davor war, verletzt zu werden, dachte Clarissa. Dich will ich nicht mehr bei meinen Todessern haben. Ich habe von Anfang an gewusst, dass nach Hufflepuff nur bemitleidenswerte Flaschen gehen!, sprach Voldemort voller Zorn in Clarissas Kopf und entzog Amy seine Hand. Clarissa rollte genervt mit den Augen. Seit ich erfahren habe, dass man bei den Todessern nicht so agiert wie bei La Grande Bouffe wollte ich sowieso nicht mehr mitmachen. – Ich mache dich in der Schule so dermaßen fertig, egal, ob du ein Halbblut bist oder nicht, du Blutsverräterin! Willst mich einfach dazu überreden, mit einem Muggel was anzufangen. – Warum auch nicht? Meine Schwester braucht einen Ehemann und weil wir beide keinen Vater haben und unsere Mutter nur Crack im Sinn hat, muss ich sie eben unter die Haube bringen. Eigentlich hätte ja ihr Dad oder meiner als der Mann im Haus losziehen müssen, sie ist ja bereits fünfzehn, wenn man es ganz religiös und altmodisch betrachtet, aber nun muss ich das eben tun. – Du bist tot, Clarissa, dachte Voldemort und feilte bereits an seinem Plan für einen dritten Horkrux. Er müsste einen passenden Gegenstand finden! Es wurmte ihn ungemein, dass er für seinen zweiten Horkrux nur die Kette einer schmutzigen Muggelfrau besaß. Allerdings war es vonnöten gewesen, einen zweiten Horkrux zu erstellen, da er die ursprünglich geplante Gelegenheit für seinen ersten Horkrux nicht wahrnehmen konnte. Eigentlich wollte er seinen ersten Horkrux auf den Nacken seiner muggelgeborenen Mitschüler erstellen, doch daraus war nichts geworden, weil er Ella noch brauchte. Naja, zurück zum dritten Gegenstand. Was für ein Gegenstand wäre seiner kostbaren Seele würdig? Hatte Morfin nicht von einem Anhänger gesprochen, den Merope gestohlen hatte? Das Medaillon von Slytherin? Das müsste er finden!
Auf einmal wurde er aus seinen Gedanken gerissen, als Amy neben ihm hustete. Voller Schreck wachte sie auf und nahm die Flasche mit dem letzten bisschen Zaubertrank. „Du weißt schon, dass du dann keine Reserve mehr hast, bis wir da sind und dass das dann mindestens eine Dreiviertelstunde dauert, bis ich Nachschub habe?“, gab Voldemort zu bedenken. Amy, deren dürrer Körper vom heftigen Husten geschüttelt wurde, nickte und rang nach Luft. Sie trank den letzten Rest aus der Flasche. „Zum Glück sind wir jetzt gleich da“, informierte sie Mrs Cole, „Was ist das für ein Mittel, von dem du dann Nachschub besorgst?“, misstrauisch sah Mrs Cole ihn an. „Oh, das ist nur ein äußerst effektiver Hustensaft, den wir immer in Hogwarts zu uns nehmen, wenn wir krank sind“, log Voldemort, „Ich habe den Amy mitgebracht und wie sie sehen wirkt der vorzüglich.“ „Allerdings, hat der denn Nebenwirkungen?“, wollte Mrs Cole wissen, „Manche Menschen missbrauchen Hustensaft ja auch als Droge, beziehungsweise haben es getan, als es noch Hustensaft mit Heroin gab. Du weißt, dass Amy und Clarissa als Babys beide nach der Schwangerschaft erst einmal Entzugserscheinungen hatten? Wegen Crack? Bitte bring Amy nicht wieder an Drogen, das Jugendamt hat sich das nämlich bei ihrer Geburt notiert, daher weiß ich das.“ „Der Hustensaft hat keine Nebenwirkungen und Hogwarts ist ein seriöses Internat. Wir nehmen keine Drogen an Hogwarts“, sagte Voldemort beleidigt. Auf was für Ideen kam Mrs Cole denn bitteschön? Einfach den Zauberern und Hexen zu unterstellen, keine Medikamente ohne Nebenwirkungen herstellen zu können! Im Gegensatz zu den schmutzigen Muggeln konnten sie das sehr wohl! Voller Groll blickte Voldemort aus dem Fenster, bis sie am Wool’s Orphanage angekommen waren. Billy Stubbs und ein paar andere Kinder kamen ihnen entgegen. „Wie lange lebt Amy noch?“, fragte Billy Mrs Cole mit Tränen in den Augen. Voldemort amüsierte sich insgeheim. Geschah Billy recht, dass er weinte! Mrs Cole strahlte über das ganze Gesicht. „Amy durfte nach Hause, ihr geht es wieder besser!“, teilte sie allen freudig mit und öffnete die Tür. Amy stieg aus, Voldemort folgte ihr. Billy blieb der Mund offen stehen, als er Amy sah. Offensichtlich schien sie nicht das Mädchen gewesen zu sein, das er vermisst hatte. Sie war ausgemagert und ihre Haare waren fettig. Ihre einst wohlgeformten, mandelförmigen Bambiaugen waren von dunklen Schatten umrandet und ihre Wangen waren hohl. „Meine Fresse, du siehst aus wie ein Skelett! Und deine Haut… Wie deine Mutter…“, murmelte Billy vor sich hin, ungeachtet dessen, dass Mrs Cole direkt daneben stand. „Billy, das ist unverschämt!“, rügte sie ihn. Amy ging nicht auf Billy ein und wandte sich Mrs Cole zu. „Darf ich duschen? Und welchen Tag haben wir heute?“, erkundigte sie sich. „Du darfst. Aber lüfte gut durch, nachdem du im Badezimmer eures Ganges warst. Und es ist Dienstag. Gestern bist du ins Krankenhaus gekommen“, informierte Mrs Cole Amy. „Echt, so spät schon? Von den letzten Tagen habe ich so gefühlt auch fast gar nichts mitbekommen. Dann war ich ja ewig nicht mehr duschen! Und gegessen habe ich auch seit Tagen nichts mehr, aber irgendwie habe ich auch keinen Hunger. Ich kann verstehen, dass mich jetzt alle hässlich finden, ich muss wahrhaftig grauenhaft aussehen!“, sagte Amy. „Ich werde sehen, dass ich Amy während sie duscht diesen hocheffektiven Hustensaft besorge“, beschloss Voldemort und machte sich auf den Weg, den Trank zu brauen. Hoffentlich beobachtete ihn Billy Stubbs nicht!
Während der Trank über dem Bunsenbrenner köchelte, klopfte es auf einmal an seiner Zimmertür und er hörte lautes Husten. Verdammt, der Trank brauchte noch zehn Minuten! „Alohomora!“, rief er und die Tür öffnete sich. Amy stürmte herein. Sie trug noch ihre FFP2 Maske, aber trotzdem war ihm leicht unwohl. Er stand auf und stürmte zum Fenster, um es zu öffnen. Amy stolperte zum Trank. „Nicht!“, fuhr er sie an, „Wenn der nicht fertig ist, verätzt du dir deine Lunge!“ Voller Schreck machte Amy einen Schritt zurück, ihr dürrer Körper bebte unter dem Hustanfall, den sie erlitt. „Zehn Minuten dauert es noch!“, informierte er sie ungnädig, obwohl sie bereits zu Boden gefallen war und sich krümmte. Er konnte auch nichts tun und er bezweifelte, dass man mit dem Anapneo-Zauber irgendetwas bewirken konnte. Er musste sie leiden lassen. „Leg dich auf den Bauch!“, knurrte er, „Vielleicht hilft das ein wenig, bis der Trank fertig ist.“ „Acht Minuten“, informierte er sie, während sie auf dem Bauch lag und ihre Finger sich zusammenkrümmten. Ihr Gesicht wurde zuerst rot, dann nahm sie eine leicht bläuliche Färbung an und sie brauchten noch sieben Minuten. Eigentlich sollte es ihm ja egal sein, ob ein Muggel starb oder nicht. Und sie hatten ja auch ihren Streit geklärt. Sie würde in Frieden von ihnen gehen. Emotionslos sah Voldemort zu ihr herüber. „T- Tom“, hustete sie, „Wie… Wie viel…Zeit?“ „Vier Minuten“, informierte Voldemort sie mit einem Blick auf die Uhr, „Ich habe dir gesagt, es war eine dumme Entscheidung, alles leer zu trinken. Wer nicht hören will, muss fühlen.“ Kannst du nicht irgendwie einen Zauber anwenden? Ich ersticke gleich, dachte Amy verzweifelt und Voldemort fragte sich, ob sie im Krankenhaus nicht eventuell doch die besseren Überlebenschancen gehabt hätte. So um ein paar Stunden… Er wollte keine Leiche in seinem eigenen Zimmer haben. „Tut mir leid, ich bezweifle, dass der Anapneo-Zauber wirklich hilft. Slughorn hat den angewendet, als sich jemand verschluckt hat, bei dir hingegen ist die Lunge wahrscheinlich vorübergehend kaputt. Aber ich lasse nichts unversucht. Anapneo!“, er richtete seinen Zauberstab auf sie, während er immer noch konzentriert auf die Uhr starrte. Zwei Minuten… Amy schnappte kurzfristig nach Luft, versank jedoch wieder in ihrem Reizhusten. „Anapneo!“, sagte er erneut, auch wenn die Wirkung gerade einmal eine Sekunde lang anhielt. Verdammt! Neunundfünfzig, achtundfünfzig… Voldemort begann, herunterzuzählen, während Amy in Ohnmacht fiel. So ein Mist, hoffentlich schaffte er es noch! Warum hoffentlich? Er fragte sich, warum er sich überhaupt um die Angelegenheiten des Muggelmädchens scherte. Wahrscheinlich, weil es imageschädigend für ihn wäre, ihre Leiche in seinem Zimmer zu haben, redete er sich ein. Er durfte als Schüler keinen zu offensichtlichen Mord begehen!
Er umfasste ihr knochiges Handgelenk und fühlte ihren Puls. Ganz schwach schlug ihr Herz noch. Zehn, neun, acht… Als die Zeit endlich um war, drehte Voldemort den Bunsenbrenner ab und füllte den Trank in eine Flasche. „Rennervate!“, er weckte Amy auf. Amys mittlerweile geschminkte Augenlider zuckten. Er zog sie nach oben, lehnte sie an sein Bett und gab ihr die offene Flasche mit dem Trank. „Fertig“, informierte er sie. Mit zittrigen Händen nahm sie ihre Maske herunter und trank mit gierigen Schlucken den Trank, bis Voldemort ihn ihr wegnahm. „Mach denselben Fehler nicht nochmal!“, knurrte er, „Ich werde jetzt noch eine Portion machen und diese fünfundvierzig Minuten muss der Trank reichen, verstanden? Fünfzehn Minuten für das Zusammensuchen und Mischen der Zutaten und dreißig Minuten für das Kochen!“ „Tut mir leid“, murmelte Amy, „Danke, dass du mir geholfen hast. Darf ich in deinem Zimmer bleiben? Alleine hab ich Angst.“ Voldemort kniff die Augen zusammen. Wusste dieses Mädchen gar nicht, mit wem sie es zu tun hatte? Sie war schwer krank, klar, aber sie war ein Muggel und bevorzugte ausgerechnet im Zimmer des größten Muggelhassers der Welt zu bleiben, als alleine in ihrem Zimmer zu warten, bis der Trank fertig war. Sie war lebensmüde! Allerdings hatte er zurzeit keine Gelegenheit, sie umzubringen und hätte er es wirklich gewollt, dass sie starb, hätte er sie einfach im Krankenhaus ihrem Schicksal überlassen. Aber das gestand er sich nicht ein. Die Macht in einer Beziehung hat der, dem sie egal ist. Und daran, die Hosen in der Beziehung anzuhaben, hielt er fanatisch fest. „Oh, ich darf nicht?“, erkundigte sich Amy, als sie seine abweisende Miene sah, „Verstehe, eigentlich magst du mich gar nicht. Ich kann auch gehen.“ Voldemort war sich unsicher. Eigentlich hatte er sie ja am Leben behalten wollen, weil sie unter den Muggeln seine einzige Freundin, zumindest aus ihrer Sicht, gewesen war und er irgendwie den Konflikt klären wollte. Andererseits wollte er sie nicht mögen. Muggel und Zauberer durften sich seiner Ansicht nach nicht paaren. Punkt. Außerdem war er der Erbe Slytherins und hatte eine reinblütige Hexe an seiner Seite verdient. Aber fürs Image gewann seine charmante Seite. „Du kannst bleiben“, erlaubte er ihr. „Echt? Dankeschön“, freute sie sich, „Dir macht es wirklich nichts aus?“ Doch, natürlich.
„Nein“, log Voldemort. „Könnte ich mir vielleicht aus meinem Zimmer noch meine Isomatte und meinen Seestern holen? Ich bin müde“, murmelte Amy, „Aber ich habe Angst, wenn ich alleine wäre, dass ich einschlafe und dann auf einmal ersticke und niemand ist da.“ „Ne, ist verboten, dass du den Seestern holst“, höhnte Voldemort. Amy zuckte zusammen. „Das war ein Witz, hol den Seestern und lass mich arbeiten!“, fuhr er sie an und Amy folgte ihm aus seinem Zimmer. „Hier, der Schlüssel“, Voldemort überreichte ihn ihr, „Ich brauche sicher länger als du.“ „Dankeschön“, Amy nahm den Schlüssel entgegen und lief zu ihrem Zimmer. Voldemort ging nach draußen und besorgte mal wieder die Grasbüschel und anderen Zutaten. Diesmal wurde er von Seth, Zac und Ryan beäugt, Seth aß ein Fischbrötchen. (Das ist nach wie vor der Running Gag, I know.) „Was machst du da?“, fragte er mit vollem Mund. „Geht dich nichts an“, knurrte Voldemort. Mussten diese Opfer ihm die ganze Zeit auf den Geist gehen? „Billy hat auch herumerzählt, dass du in letzter Zeit die ganze Zeit Grasbüschel abschneidest!“, sagte Zac. „Also gut, ich werde euch ein Geheimnis verraten“, sagte Voldemort verschwörerisch, „Ich habe mir heimlich ein Haustier angeschafft, aber ihr dürft es niemandem sagen, okay? Sonst gibt es grausame Rache und so manch einem wäre blutige Rache lieber!“ Seth, Zac und Ryan schauderten und gingen weg. Die waren immerhin noch angenehmer als Billy Stubbs! Man konnte sie so herrlich an der Nase herumführen und sie glaubten auch alles, was er ihnen erzählte. Als ob er sich ein pflanzenfressendes Haustier anschaffen würde! Nein, wenn überhaupt mussten es schon Schlangen sein! Aber das müsste er den dreckigen Muggeln ja nicht auf die Nase binden! Nachdem er alle Zutaten besorgt hatte, ging er wieder auf sein Zimmer. „Alohomora!“, sagte er und die Tür öffnete sich. Amy hatte seinen Schlüssel auf seinen Schreibtisch gelegt und schlief selig auf ihrer Isomatte, welche sie auf den Boden gelegt hatte. Sie trug nach wie vor, rücksichtsvoll wie sie war, ihre Maske. Zu ihrem Glück! Sonst hätte er sie noch im Schlaf erwürgt und seinen dritten Horkrux gemacht. Schließlich wollte er sich auf gar keinen Fall anstecken, Horkruxe hin oder her, seine übriggebliebene Seele hätte sich dann erst einmal einen Körper suchen müssen und er hätte erst einmal Kontakt zu seinen Todessern aufnehmen müssen, damit sie den Wiederbelebungszauber ausführten. Daran wollte er gar nicht denken. Er setzte sich auf den Boden und fing an, Nachschub von dem Trank zuzubereiten. Während der Trank köchelte, schaute er hin und wieder zu Amy herüber. Sie hatte innen golden und außen dunkel glitzernden Lidschatten so ähnlich wie Avril Lavigne und ordentlich Mascara aufgetragen. Ihre frisch gewaschenen Haare glänzten wieder angenehm und sie duftete nach einem süßlichen Shampoo und Duschgel. Irgendwie sah sie süß aus, während sie schlief. Sie hielt ihren Seestern feste umklammert und hatte so einen friedlichen Gesichtsausdruck. Sie sah irgendwie so aus wie so ein schlafender Engel von einem der Krippenspiele, welche in der Kirche aufgebaut waren. Als er noch klein war, war er von Mrs Sweeney dazu genötigt worden, zu Weihnachten in die Kirche zu gehen und es war jedes Mal eine Krippe mit täuschend echten Figuren aufgebaut gewesen. Sein Blick schweifte wieder auf die Uhr. Noch vier Minuten, er hatte die Zeit völlig vergessen! Und das nur, weil er einen Muggel angeschaut hatte! Wenn das seine Todesser sehen würden, wäre er seine Glaubwürdigkeit in null Komma nichts los!
Mit verbissener Miene schaute er einzig und allein auf den Trank. Reintheoretisch könnte er Amy jederzeit umbringen, bevor SIE anfing mit ihrem unglaublich niedlichen Aussehen und ihrer unschuldigen Ausstrahlung, Tochter einer Prostituierten hin oder her, in irgendeiner Form Macht auf ihn auszuüben. Aber wenn er sie umbrachte, gab es kein Zurück mehr und wollte er das wirklich? Er würde noch viele weitere Gelegenheiten für Horkruxe bekommen. Er würde Personen töten, um die es aus seiner Sicht nicht schade war und die nicht so aussahen wie schlafende Engel mit einem Seestern in den Armen. Eine Minute noch. Voldemort widmete sich voll und ganz der Uhrzeit. Er dürfte sie nicht umbringen, nein. Und er dürfte sich nicht von ihr ablenken lassen. Er zählte die Sekunden, bevor er den Bunsenbrenner erneut abdrehte, den Trank herunternahm und eine weitere Flasche herbeizauberte. So langsam wurde das zur Routine. Auf einmal klopfte es an seiner Zimmertür. „Wer da?“, rief er. Endlich mal eine willkommene Ablenkung, auch wenn er sich fragte, wer etwas von ihm wollen könnte. „Du hast Besuch, Dumbledore und ein Mr Weasel oder…“ „Arthur Weasley!“, korrigierte Mr Weasley sie. Genervt stand Voldemort auf und öffnete die Tür. Dass ausgerechnet Dumbledore mitkommen musste! Er hasste diesen Mann schon seit er ihn zum ersten Mal getroffen hatte! „Guten Tag, Sir“, begrüßte Voldemort ihn steif, als Dumbledore sein Zimmer betrat, „Guten Tag, Mr Weasley. Möchten sie Platz nehmen?“ Die beiden Zauberer zauberten zwei Stühle herbei und setzten sich hin. Die durften das also! Nur, weil sie erwachsen waren. Voldemort setzte sich auf sein Bett, zu seinen Füßen lag Amy auf ihrer Isomatte. „Das ist sie also, deine Kindheitsfreundin?“, wollte Dumbledore wissen und versah Amy mit einem Muffliato-Zauber, sodass sie nichts von dem Gespräch mitbekam. Voldemort nickte. „Ist das also Amy Benson?“ Voldemort nickte. Dumbledore sah ihn prüfend an. Er hatte sehr wohl noch das Gespräch mit Mrs Cole vor Augen, die ihm das mit der Höhle erzählt hatte. „Tatsächlich wurden in eurer näheren Umgebung nur lebensrettende Zauber ausgeführt und es ehrt dich auf jeden Fall, dass du ihr geholfen hast. Im Krankenhaus, wo die Zauber ausgeführt worden sind, haben wir außerdem festgestellt, dass die Gedächtnisse der Muggel bereits verändert waren und du das ziemlich gut zu beherrschen scheinst“, sagte Dumbledore und Voldemort nutzte ganz starke Okklumentik. Er durfte sich auf gar keinen Fall irgendetwas anmerken lassen. „Ach, das war Anfängerglück, Sir, wahrscheinlich aufgrund der Verzweiflung, die ich empfunden habe, als es Amy so schlecht ging“, log Voldemort mit engelsgleicher Unschuldsmiene. Auf gar keinen Fall durfte Dumbledore davon erfahren, was er alles konnte, sonst würde er sich verdächtig machen und eventuell würde der Verdacht für den Mord an den Riddles auch auf ihn zurückfallen. Dumbledore ging darauf nicht ein. „Jedenfalls dürfte dich die Mitteilung doch sicher erfreuen, dass du trotz der Nutzung von Magie in den Sommerferien weiterhin einen Platz auf Hogwarts hast, oder?“ „Gewiss Sir, ich danke ihnen für ihre Großzügigkeit und ihr Verständnis“, sagte Voldemort steif. Amy fing an, wieder zu husten. „Oh, ich glaube, deine kleine Freundin braucht dich“, Dumbledore lächelte gütig und Voldemort hätte erbrechen können, „Ich bin froh, dass du doch noch Gefallen an der Liebe gefunden zu haben scheinst.“ Bla, bla, bla… Als ob er Amy liebte oder so. „Bis in ein paar Wochen, Tom Riddle. Schöne weitere Ferien noch!“, wünschte ihm Dumbledore. „Danke gleichfalls, Sir“, gab Voldemort zurück und schloss die Tür hinter ihm.
"Finite incantatem!“, beendete er den Muffliato-Zauber und Amy konnte ihn wieder hören. Er reichte ihr die Flasche mit dem Trank, die sie bereits angebrochen hatte und stellte die Ersatzflasche daneben. „Ich werde noch zwei weitere Tränke für die Nacht brauen und dann würde ich mir nachträglich etwas zum Essen aus der Küche erbitten“, informierte Voldemort sie, „Hast du gut geschlafen? Möchtest du auch etwas essen?“ Amy trank gierig. „He, das ist kein Wasser, sondern Medizin! Aguamenti!“, Voldemort holte ein Glas aus seinem Schrank und befüllte es mithilfe seines Zauberstabes mit Wasser. „Geh nicht zu verschwenderisch mit dem Zaubertrank um, ich habe durchaus noch Besseres zu tun, als mich um so einen verwöhnten kleinen Muggel wie dich zu kümmern! Wenn du Durst hast, dann frag mich, ob ich dir ein Glas mit Wasser befülle, das geht schneller!“, befahl Voldemort und gab ihr das Wasser. „Dankeschön. Tut mir leid. Jedenfalls möchte ich nichts essen, ich habe keinen Appetit“, sagte Amy. Geringschätzig musterte Voldemort ihren heruntergehungerten Körper. Wie konnte jemand tagelang nichts essen und dann keinen Hunger haben? Sie sah schlimmer aus als Harry Potter und seine Figur war Voldemorts Ansicht nach auch schon eine Strafe für die Augen. Harry war ein schrecklicher Lauch! „Hast du Fieber, oder warum hast du keinen Appetit?“, Voldemort verwandelte einen zerknüllten Zettel in ein Fieberthermometer und Amy schrie überrascht auf. „Kleinigkeiten für einen Zauberer“, murmelte er, nahm jedoch gleich wieder den Befehlston an, „Hinsetzen!“ Er deutete auf sein Bett. Amy gehorchte, er hob ihr Gesicht an und steckte ihr das Fieberthermometer ins Ohr. Einundvierzig Grad Fieber. Okay, das war eindeutig. Eigentlich war Amys Körper schon kaputt und sie war nur noch durch seine Magie am Leben. Jetzt musste er auch noch den hochrisikoreichen Fieberheiltrank brauen, wenn die Muggel es nicht geschafft hatten, sie zu heilen!
„Amy, wenn du weiterhin so verschwenderisch mit dem Trank umgehst, dann blüht dir so eine dermaßen grausame Rache, dass du dir wünschst, ich hätte dich sterben lassen! Du nimmst einfach meine wertvolle Zeit in Anspruch und weil ich ein gnädiger Lord bin und ein wenig Mitleid empfinde, habe ich dir dein wertloses Leben gerettet. Ich hätte das nicht tun müssen! Nun muss ich dir auch noch einen Trank gegen Fieber… Moment einmal, der finstere Lord muss natürlich gar nichts. Es ist natürlich nur notwendig, dass du nicht früher oder später stirbst. Soll ich dich sterben lassen?“ „Bitte nicht…“, flehte Amy mit großen Augen, „Tut mir leid!“ „Lass das mal meine Entscheidung sein, die Frage war rhetorisch, du dummer, wertloser Muggel!“, echauffierte sich Lord Voldemort. Amy kullerte eine Träne die Wange herunter und verschwand unter ihrer Maske. Sie hob den Seestern von ihrer Isomatte auf und drückte den an sich. Absolut kindisch! „Ich esse jetzt erst einmal etwas, du musst dann entscheiden, ob du lieber den Trank gegen Fieber oder den gegen Atemwegserkrankungen haben willst, denn mehr als einen risikoreichen Trank will ich dir heute nicht mehr brauen! Erfordert zu viel Konzentration über einen langen Zeitraum und ich habe ein Recht auf Erholung!“, Voldemort verließ den Raum und schloss mithilfe seiner Magie ab. Den Schlüssel ließ er bei Amy, falls sie irgendwie Atemnot kriegen sollte und dann schnell rausmüsste. Er wollte sein Zimmer nicht mit der wertlosen Leiche eines Muggels beschmutzen. War seine Meinung dazu. Es war immer noch sein Zimmer, fand er. Natürlich wissen wir alle, dass es nicht nur an seinen vorgeschobenen Gründen lag, aber Voldemort wollte sich das nicht eingestehen. Er eilte zum Speisesaal, denn er war reichlich spät dran. Und schuld daran war einzig und allein Amy durch ihre bloße Anwesenheit! Alle saßen bereits an Tischen, doch als Clarissa ihn erblickte, winkte sie ihn zu sich und ihren Freunden herüber. Sie saß mit Seth, Zac, Ryan und ein paar anderen unbedeutenden Mädchen, mit denen Voldemort noch nie ein Wort gewechselt hatte, am Tisch. Wie geht es Amy? Ist sie noch bei dir im Zimmer?, wollte Clarissa wissen. Ja, ihr geht es blendend, auf meine Kosten und sie geht mir ziemlich auf den Geist. Allerdings hat sie hohes Fieber, was ich aber durch den Fieberheiltrank später beheben kann, gab Voldemort zurück und setzte sich widerwillig zu ihr. Hastig schlang er sein Essen herunter, er war müde und wollte einfach nur ins Bett und wenn es ganz schlecht laufen sollte, musste er sich sein Zimmer auch noch mit Amy teilen, falls sie irgendwelche Probleme bekommen sollte. Sie stand so tief in seiner Schuld, das könnte sie nur schwer begleichen. Allerdings fiel ihm etwas ein, wozu sie perfekt geeignet wäre und ihm einen großen Nutzen erweisen könnte…