
Die ersten Horkruxe
Voldemort hatte am nächsten Tag nach langem Hin- und Herwälzen seines Zaubertrankbuches einen uralten magischen Trank gefunden, den, als Zauberer und Muggel noch zusammenlebten, bereits die Druiden der Kelten und Medizinmänner der Ureinwohner Amerikas gebraut hatten und der gegen Atemwegserkrankungen jeder Art geholfen hatte. Die Zutaten waren relativ basic und leicht zu finden, da es ein ziemlich geläufiger Trank war. Dumm nur, dass der Trank unter anderem Gras enthielt und er am Wool’s Orphanage mit der Gartenschere größere Grasbüschel abschneiden musste. Billy Stubbs lief vorbei und runzelte die Stirn. „Was zum Fick machst du da?“, fragte er, vulgär wie immer, aber sie waren praktisch im Ghetto aufgewachsen und wäre Voldemort nicht so ein arroganter, snobistischer Kerl gewesen, hätte er vielleicht auch den asozialen Slang übernommen. „Holst du Gras für so ein Süppchen, das kleine Kinder wie du kochen, oder was?“ „Korrekt, nur dass nicht ICH das Süppchen koche, sondern weil ich im Gegensatz zu dir ein netter und sozialer Mensch bin, bringe ich den Kleinen das Gras“, log Voldemort. Billy schnaubte. „Dass ich nicht lache! Ein Hasenmörder und sozial! Ich glaub, es hackt. Ne, ich glaube, du hast einfach eine Psychose. Mrs Cole hatte Recht, du solltest ins Irrenhaus. Sprichst du immer noch in deiner selbsterfundenen Sprache mit Schlangen und hörst Stimmen, Freak?“ Drohend richtete Voldemort sich auf. „Halt einfach deinen Mund oder du wirst das bereuen!“, knurrte er. Früher hatten die Muggel es nicht gewagt, sich über die Druiden und Medizinmänner lustig zu machen! Damals wussten die Muggel wenigstens noch, wo ihr Platz war. Sollten sie doch alle verrecken, ohne die Zauberer und Hexen! „Das sagst du nur, weil du weißt, dass ich recht habe!“, grinste Billy mit verschränkten Armen. Voldemort zog instinktiv seinen Zauberstab und Billy brach in brüllendes Gelächter aus. Wie dumm, dass Voldemort nicht zaubern konnte, weil er getrackt wurde und Dumbledore der Schulleiter war! Dumbledore hatte ihn sowieso schon auf dem Kieker und es kam ihm nicht in den Sinn, dass Voldemort eventuell vorher durch die Muggel provoziert worden war. „Du hast echt nen Dachschaden, das erzähle ich all meinen Freunden! Und Mrs Cole! Und ich bitte sie gleich darum, Clarissa auch noch mit in die Psychiatrie zu schicken, auch wenn sie Amys Schwester ist, ist sie genauso bescheuert wie du! Man könnte nämlich meinen, sie nutzt ihre komischen Kräfte, um andere zu stalken! Sie wusste nämlich über manche meiner Gedanken Bescheid, die sonst keiner wissen konnte. Hoffentlich werdet ihr weggesperrt, eine Schande, dass euer Psychointernat euch nicht einfach auch über die Ferien dabehält!“, rief Billy ihm beim Davongehen zu.
Und genau wegen solchen Leuten hasste Voldemort Muggel. Die hatten einfach vergessen, wo ihr Platz war! Machten sich über IHN lustig, obwohl er ihnen überlegen war. Wieso sollte er dann überhaupt noch einen Muggel retten, wenn sie die Zauberer und Hexen nicht mehr zu würdigen wussten? Die Muggel hatten doch ihre Technik! Sollten sie Amy doch mit ihrer Technik retten! Wütend warf Voldemort die Grasbüschel zu Boden und brachte die Gartenschere in den Geräteschuppen zurück. Er hatte auch seinen Stolz, oh ja, den hatte er und wenn die Muggel ihm für seine Gnade keine Dankbarkeit zeigten, dann sollten sie alle sterben! Er lief zurück in sein Zimmer und holte die U-Bahn Karte mit den Verbindungen nach Little Hangleton hervor. Dann raffte er seinen Zauberstab, seine Umhängetasche mit einem Geldbeutel, Essen, Getränken und seinem uralten Notfallhandy, welches ihm Mrs Cole geschenkt hatte, zusammen und machte sich auf den Weg zur U-Bahn Haltestelle in London. Er löste ein Tagesticket und wartete auf seine Linie. Die U-Bahn Fahrt war langweilig und er dachte während der Zeit in der U-Bahn voller Wut über Billy Stubbs nach. Zur Hölle mit seinem Vater, der ihm das angetan hatte! Wegen ihm musste er seine wertvolle Lebenszeit mit solchen Hunden verbringen! Sein Handy klingelte. „Ja?“, bellte er ins Telefon, er hatte überhaupt keine Lust darauf, zu telefonieren. Er hörte ein Mädchen weinen. Es war Clarissa. „Hast… Hast du dich entschieden?“, schniefte sie. „Habe ich. Meine Antwort lautet Nein“, knurrte Voldemort. Clarissa heulte überrascht auf. Sein armes Ohr! „Warum? Bist du etwa immer noch so sauer auf Amy, dass du ihr nicht helfen willst?“, schluchzte sie, „Bitte sei ein gnädiger Lord und lass Gnade vor Recht ergehen!“ „Darum geht es nicht. Ich wollte helfen und habe sogar einen Trank gefunden und versucht, die Zutaten zu besorgen, da ist Billy Stubbs gekommen und hat sich darüber lustig gemacht. Muggel sind undankbare Kreaturen die den Tieren ähnlicher sind als vernunftbegabten Wesen und sie verdienen meine Gnade nicht. Sie wissen es nicht zu würdigen“, sagte er verbittert. „Amy wüsste es zu würdigen, wenn sie dann noch leben würde!“, schniefte Clarissa, „Das ist unterlassene Hilfeleistung…“
Voldemort legte auf. Er wollte sich das Gesülze von Muggelregeln nicht mehr anhören. Genervt rieb er sich über sein Ohr. Dass die Mädchen aber auch immer so viel plärren mussten! Er stieg aus der U-Bahn Linie aus und konnte endlich in die U-Bahn Linie umsteigen, die nach Little Hangleton fuhr. In der U-Bahn waren ein paar betrunkene Asis, die Lieder grölten und zwischendurch rülpsten und Voldemort hatte große Probleme, seine Aggressionen zu unterdrücken. Er müsste nur seinen Zauberstab zücken, zwei Worte murmeln und schon würden diese Muggel nie wieder ein Lied singen und auch viele weitere Dinge nie wieder tun. Nach einer ewig langen Fahrt konnte er endlich aussteigen und erblickte wieder Tageslicht. Er lief eine Landstraße entlang, bis er zu einem alten, heruntergekommenen Schuppen gelangte. Er konnte die Magie darin spüren. Er lief auf den Schuppen zu und entdeckte eine an die Tür genagelte Ringelnatter. Voldemort verzog sein Gesicht. Wie konnte man einer Schlange so etwas antun? Niemals hätte er Jeanette so etwas zugemutet, dafür… dafür MOCHTE er sie zu sehr. Mit einem Zauber öffnete er die Tür und trat ein. Überrascht und innerlich extrem angewidert starrte er in die Hütte. Er entdeckte einen selten hässlichen, verwahrlosten Mann, der betrunken zu sein schien und war extrem negativ überrascht. DAS war sein Onkel? Der Mann hob den Kopf und sah ihm in die Augen, auf einmal sprang er auf. „DU!“, brüllte er, „DU!“ Er erhob seinen Zauberstab und zog ein Messer. Heiliger Strohsack! (Voldemort wollte sich immer noch nicht aufs Asi Niveau von Billy Stubbs herabbegeben, dazu war er viel zu sehr Snob.) Dass dieser Mann so durchgeknallt war!
„Halt“, sagte Voldemort auf Parsel. Damit schien sein bescheuerter Onkel nicht gerechnet zu haben, denn er schleuderte gegen den Tisch. „Du sprichst es?“ „Ich spreche es“, bestätigte Voldemort, „Wer bist du?“„Ich bin Morfin, oder?“, fragte der Mann, bei dem Voldemort nun die Gewissheit hatte, dass er sein Onkel war. Ernsthaft, kannte dieser Kek nicht einmal seinen Namen? Er war wahrhaftig ein Loser! Voldemort hatte sich seine Zaubererverwandtschaft irgendwie cooler und fancier vorgestellt. „Du bist also Marvolos Sohn?“, erkundigte sich Voldemort mit einem geringschätzigen Blick. „‘türlich bin ich das“, er strich sich die langen, schmutzigen Haare aus seinem Gesicht und versuchte, ihn mit seinen schielenden Augen zu fixieren. Dieser Hornochse konnte nicht einmal richtig sprechen! Was für ein erbärmlicher Onkel! Voldemort schämte sich für beide Seiten seiner Familie. Die letzten Nachkommen der Gaunts waren echt hässlich, Versager und zu nichts zu gebrauchen, fand Voldemort. Wie kam es dann, dass er so großartig, mächtig und gutaussehend war? „Ich dachte, du bist dieser Muggel, du siehst so aus wie er“, flüsterte Morfin. Heiße Wut ergriff Voldemort. Dass er seinem Vater ähnlich sehen musste, hatte er sich vorstellen können, von dem, was er über seine Mutter gehört hatte, aber dass man ihn auch noch mit ihm verwechselte, war zu viel für ihn! Er wollte individuell sein und nicht so aussehen wie dieser Kek, der ihm sein Leben ruiniert hatte. Irgendwie war Kek sein neues Lieblingsschimpfwort nach Schlammblut geworden, Ella färbte leider auf ihn ab, auch wenn er sich heftigst dagegen sträubte. Er musste Informationen über den Kek besorgen! „Welcher Muggel?“, fragte er Morfin deshalb gereizt, vielleicht konnte Morfin ihm etwas dazu sagen. Morfin antwortete ihm, dass im großen Haus gegenüber ein Herr Riddle wohnte und dass der aber älter sein müsste als Voldemort. Was für ein Blitzmerker, endlich hatte er es geschnallt! Morfin teilte ihm außerdem mit, dass der Riddle zurückgekommen war, weil er seine Mutter verlassen hatte. Wusste er es doch, sein Vater war an allem schuld! Blinder Hass überrollte Voldemort. Morfin textete ihn unter anderem darüber zu, dass Merope das Medaillon von Slytherin geklaut hatte und dass sie eine Schlampe sei… Er hatte seine Mutter beleidigt und Voldemort dadurch indirekt als Hurensohn bezeichnet. Das konnte er, Lord Voldemort nicht auf sich sitzen lassen! Außerdem schwang Morfin erneut das Messer und schrie: „Und wer bist du, dass du einfach herkommst und alles wissen willst? ‘s ist vorbei, sag ich…‘s ist vorbei…“ Voldemort beschloss, dass er sich genug von seinem minderbemittelten Versageronkel auf der Nase hat herumtanzen lassen und er versetzte ihm einen Schockzauber.
Dann nahm er Morfin seinen Zauberstab ab. Auf diesen Moment hatte er so lange gewartet, endlich wusste er, wo sein dreckiger Muggelvater wohnte und konnte ihn ins Jenseits befördern! Voldemorts Blick fiel vorher auf den Ring, den Morfin am Finger trug. Das Peverell-Erbstück! Diesen Ring würde er als Horkrux-Gegenstand wählen! Er streifte Morfin den Ring ab und verließ die Hütte. Über die satte grüne Wiese lief er auf die große, herrschaftliche Villa zu. Ein wahrhaft prunkvolles Landgut, auf dem er die ganze Zeit hätte wohnen können! Es hätte ihm zugestanden, anstatt gemeinsam mit so Miststücken wie Billy Stubbs im Ghetto aufzuwachsen! Seine Schritte wurden schneller. Er war so wütend! Sein Handy klingelte und er schaltete es aus. Wahrscheinlich war es wieder Clarissa, die ihn mit unterlassener Hilfeleistung nerven wollte. Er war im Begriff zu morden, da kam es, was Verbrechen anbelangte, auf unterlassene Hilfeleistung auch nicht mehr an. Zumal die Muggel ja nicht wussten, dass er fähig gewesen wäre, zu helfen. „Gott sieht alles“, pflegte Mrs Sweeney immer zu sagen, als sie noch lebte, aber bei Gott hatte er, wenn er Mrs Sweeney Glauben schenken wollte, sowieso schon seit er existierte versagt, weshalb er gar nichts auf Religion gab. Und wegen seines Vaters hatte er auch Mrs Sweeney ertragen müssen, die ihn aus Prinzip nie leiden konnte und Mrs Cole, die schon von Anfang an so gefühlt zwanzigtausend Ärzte mit ihm aufgesucht hatte, weil sie ihn von Beginn an für komisch hielt. Er kam vor das Eingangstor des stattlichen Herrenhauses. „Alohomora!“, rief Voldemort und das Schloss knackte. Voldemort öffnete das Tor und betrat die herrschaftliche Eingangshalle. Der Parkettboden war elegant und die Decke schmückten wunderbar aussehende Gemälde von gutaussehenden Männern auf Pferden wie in einem Schloss. Ja, das wäre wahrhaftig ein angemessenerer Wohnort für LORD Voldemort gewesen. Er schloss die Tür wieder und sah sich weiterhin staunend, aber auch wachsam um.
Er musste seinen Vater finden! Ziellos streifte er durch die verlassenen Gänge, bis er aus einem Raum Stimmen hörte. Auf leisen Sohlen schlich er sich an, um näher zu kommen. Durch den Türspalt sah er einen Mann Mitte Dreißig, der ihm unglaublich ähnlich sah, bis auf die Augenfarbe, die etwas spitzere Nase und den minimal kräftigeren Kiefer. Der Mann hatte seine leicht welligen schwarzen Haare mit Pomade zurückgegelt und das Kinn mit arroganter Miene angehoben, während er sprach. Seine Augen waren ebenfalls dunkel wie die von Voldemort, doch die Augen des Mannes waren ein dunkles Braun, während Voldemorts Augenfarbe eher dunkelgrau mit leichtem Blaustich war. Wahrscheinlich hatte er das von seiner Mutter Merope Gaunt oder seinen Großeltern, die sich auch in dem Raum befinden mussten. Er bezweifelte stark, dass sein Vater Selbstgespräche führte, auch wenn er sich selbst offensichtlich gerne reden hörte. Plötzlich verstummte sein Vater und voller Schreck starrte er in Voldemorts Richtung. „Was machst du in meinem Haus, junger Mann, hast du dich in deinem zarten Alter etwa schon eines Einbruchs schuldig gemacht?“, rief sein Vater mit scharfer Stimme und irgendwie tat Voldemort das unglaublich weh, ein Elternteil von ihm so mit ihm reden zu hören. Das war nicht die Begrüßung, die er sich trotz seiner Bitterkeit und seines Grolls insgeheim erhofft hatte. Insgeheim hatte ein ganz naiver Teil in ihm darauf gebaut, dass sein Vater vielleicht doch freudig überrascht sein könnte ihn zu sehen, auch wenn das recht unwahrscheinlich war. Voller Wut stieß er also die Tür auf und marschierte schnurstracks in den Raum.
„Hallo, Papa“, er spie das Wort nur so aus und zog Morfins Zauberstab hervor. Seine Großeltern starrten ihn stumm und entsetzt an. „Avada Kedavra!“, er richtete den Zauberstab zuerst auf seine Oma, dann auf seinen Opa und ganz zum Schluss starrte er hämisch grinsend in die Richtung seines Vaters, der voller Entsetzen die regungslosen Körper seiner Eltern betrachtete. „Mama“, wimmerte er und Voldemort lachte ein hohes, irres Lachen. Sein Vater, dieser feige, faule, nutzlose, gewöhnliche Hund winselte nach seiner Mama. „Jetzt siehst du, was dir blüht, Papa“, feixte Voldemort mit vor Hohn triefender Stimme, „Aber keine Sorge, möglicherweise ist es völlig schmerzlos zu sterben, aber ich weiß es nicht, ich bin ja nie gestorben.“ „Gnade“, Riddle Senior kniete neben den leblosen Körpern seiner Eltern und weinte. „Nein, tut mir leid. Du hast mein Leben zerstört, bevor ich geboren worden bin. Ich hasse dich. Geh und sei mit deinen verstorbenen Eltern vereint. Avada Kedavra!“, rief Voldemort und beobachtete, wie der grüne Blitz seinen Vater mitten ins Herz traf und das Licht aus seinen dunklen Augen verblasste. Alle Riddles starrten mit leeren Blicken in die Ferne, die beiden Toms mit ihren dunkelbraunen Augen und Mary mit denselben Augen wie Voldemort. Er musterte seine verhasste Muggelfamilie eine Weile, dann hörte er Schritte.
Schnell klaute er Mary Riddles Kette als Gegenstand für einen zweiten Horkrux, öffnete das große Fenster des Salons und sprang heraus in den einwandfrei gepflegten Garten. Durch seine Magie flog er und landete sanft auf dem Boden. Er richtete sich auf, lief los und drehte sich nicht noch einmal um. Geschwind eilte er zu Morfin, pflanzte ihm die Erinnerung ein, dass Morfin der Mörder wäre und extrem stolz auf seinen Mord an den Riddles wäre, bevor er den Zauberspruch murmelte, der die durch die Morde abgespaltenen Teile seiner Seele in den Ring und die Halskette mit dunkelroten Granatedelsteinen pflanzte. Er hatte seine ersten zwei Horkruxe gemacht! Voller Euphorie steckte er die Kette in seine Tasche und den Ring an seinen Finger und rannte über die Hauptstraße davon zur Bushaltestelle, die ihn zu dem nächsten U-Bahnhof brachte. Als er in der U-Bahn saß, war er bester Laune und ließ noch einmal den Mord Revue passieren. Das Wimmern seines Vaters war Musik in seinen Ohren gewesen. Wie er seinem Vater so schnell die arrogante Miene vom Gesicht gewischt hatte! Er und seine Mutter waren gerächt gewesen! Und Morfin, der ihn einfach indirekt als Hurensohn bezeichnet hatte, würde nun in Askaban sitzen und von den Dementoren nach und nach seines ohnehin schon spärlich vorhandenen Verstandes beraubt werden. Voldemort war stolz auf sich, bis er bemerkte, dass ihn ein Muggelmann, der ihm mit seiner Aktentasche gegenübersaß, seltsam anstarrte.
„Ist was?“, erkundigte sich Voldemort mit höflichster Stimme. Der Mann zuckte erschrocken zusammen. „Nein, nein, entschuldigen sie meine Unhöflichkeit, vielleicht habe ich mir das nur eingebildet, aber es sah vorher so aus, als würden sie rote Kontaktlinsen tragen und jetzt auf einmal nicht mehr“, quatschte der Mann nervös drauf los, „Wahrscheinlich brauche ich einen Termin beim Augenarzt. Haben sie übrigens ihre Maske vergessen? Ich habe hier eine Ersatzmaske!“ Er zog eine verschlossene Verpackung mit einer FFP2 Maske hervor. So ein Mist, Voldemort hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, dass bei den Muggeln eine Pandemie vorherrschte. Genervt nahm er die Maske entgegen, öffnete sie und setzte sie sich auf. „Sie müssen wissen, ich bin Geschäftsmann im Außendienst einer großen Firma. Professionalität ist bei uns sehr wichtig und dass wir alle Regeln einhalten. Viele halten das zwar für spießig und ich bin offen gegenüber allen Ansichten, aber ich muss professionell bleiben, bin häufig auf Reisen und in Kontakt mit vielen Menschen. Darf ich fragen, woher sie kommen? Sind sie auch auf der Durchreise nach London?“ Immer diese Leute, die im Zug oder in der U-Bahn Gespräche mit ihren Nebensitzern anfangen mussten, Voldemort hasste diesen Typ Mensch ungemein. Aber gut, von Businessmännern aus dem Außendienst konnte man nichts anderes erwarten. „Ja, bin ich“, sagte er lapidar, um trotz allem höflich zu wirken, „Ich komme auch aus London. War nur zu Besuch bei meinem Onkel.“ „Interessant, hört sich nett an. Ich komme auch aus London, beziehungsweise ich arbeite dort und bin deshalb dorthin gezogen. Meine Frau hat mittlerweile fertig studiert und eine Weile gearbeitet, bis unser kleiner Sohn geboren wurde. Nun ist sie mit dem Baby Zuhause. Sie war auf Oxford.“
Voldemort wurde hellhörig. Hatte Ella ihm nicht erzählt, dass ihre Stiefcousine auf Oxford studiert hatte und nun ein Baby hatte? „Interessant, die Stiefcousine einer Mitschülerin von mir hat auch auf Oxford studiert und ist jetzt relativ frisch Mutter geworden. Ihr Sohn heißt Richard“, erzählte Voldemort. „Oh, heißt diese Stiefcousine zufällig Vivien? Und deine Mitschülerin Myrtle Ella Warren? Denn wenn ja, dann dürften wir ja in einigen Wochen die Freude haben, uns zu begegnen, oder? Mein Name ist Jonathan, aber alle nennen mich Jo oder Jon, aber ohne ‚H‘, nicht so wie John Lennon.“ Der Geschäftsmann streckte die Hand aus und zögerlich ergriff Voldemort diese. Er müsste sich gründlich die Hände desinfizieren, nachdem er einem Muggel die Hand gereicht hatte. Was wohl Malfoy dazu sagen würde? „Tom Marvolo Riddle“, stellte er sich mit seinem verhassten Geburtsnamen vor, aber er konnte sich ja wohl schlecht mit Lord Voldemort vorstellen, bevor er die Macht ergriffen hatte und alle ihn fürchten würden. „Oh, cooler Ring, der sieht sehr wertvoll aus und auch ein wenig düster. So wie viele Gothics den tragen. Bevor ich studiert habe, war ich auch so Gothic mäßig unterwegs, so vom Style her, musst du wissen, aber leider durfte ich mir mit BWL keine Freiheit mehr erlauben, was Style anbetrifft. Und erst recht nicht bei meinem Job. Ich würde ihn dir nicht empfehlen, wenn ich ehrlich bin. Ich mache den nur wegen des Geldes. Damit es meinem Sohn gut geht.“ Voldemorts Gesicht versteinerte. Damit es meinem Sohn gut geht.
Er beneidete den kleinen Richard jetzt schon dafür, dass sein Vater einen Job annahm, der ihn so dermaßen in seiner individuellen Freiheit einschränkte, alles seinem Sohn zuliebe. „Alles in Ordnung? Deine Augen… Sie haben gerade wieder so rot geflackert… Gibt es jetzt seit neuestem auch Kontaktlinsen, die die Farbe wechseln können?“ „Was? Hab die geschenkt bekommen, kann ich dir nicht sagen, wo man sich die holen kann. Tut mir leid. Auch mit dem Job. Ich hatte aber tatsächlich sowieso nicht das Ziel vor Augen gehabt, BWL zu studieren.“ Bei dem Gedanken daran, wie es wäre, den seiner Ansicht nach langweiligsten Muggeljob überhaupt zu erlernen, wurde ihm ganz schlecht. Was für einen Job hatte überhaupt sein fauler Vater? Wahrscheinlich hatte er sich, bis Voldemort ihn von seinem sinnlosen Leben befreit hatte, von seiner Mama durchfüttern lassen. „Vernünftiger Junge, du bist mir gleich sympathisch. Ella hat echt Geschmack bei der Auswahl ihrer Freunde! Ich bin auch echt froh, dass sie jetzt welche gefunden zu haben scheint, weil sie ja bevor sie ins Internat kam andauernd von den Schulen geflogen ist. Armes Mädchen! Es ist ihr zu wünschen, dass nun alles besser wird.“ „Ja, definitiv“, pflichtete Voldemort ihm bei, schließlich würde er zwei Wochen lang mit Jonathan verbringen müssen, bis Ellas verhasster Muggelvater wiederkam, weshalb Voldemort nicht daran gelegen war, Streit mit Jonathan zu suchen. Er musste an seinen eigenen Vater denken. Es fuchste ihn, dass er nicht einmal versucht hatte, sich für seine Fehler bei ihm zu entschuldigen. Dieser Hund hatte einfach nur herumgeheult, weil seine Mutter gestorben war und nur sein eigenes Überleben im Sinn gehabt. Und er war neidisch, so neidisch auf Richard, dass er Jonathan als Vater hatte. „Vermisst du deinen Sohn, wenn du auf Reisen bist?“, fragte Voldemort. „Whoa, deine Augen waren diesmal leuchtend rot, als du diese Frage gestellt hast, aber ja, definitiv, ich finde es auch absolut traurig, dass der kleine Richard, wenn ich zu lange weg war, teilweise echt schnell wieder zurück zur Mama will, wenn ich ihn auf den Arm nehme. Wir Väter haben es schon nicht leicht. Vivien und ich hätten es zwar durchaus auch umgekehrt machen können, dass ich Zuhause bleibe mit Richard, aber sie hielt die Fläschchenmilch für ungesund und hielt es für sinnvoller, wenn sie sich um das Baby kümmert.“
„Ich wurde nur mit Fläschchenmilch abgespeist, meine Mutter ist tot!“, knurrte Voldemort, „Sie wollte nicht mehr leben, wegen meinem Vater. Er hat uns beide sitzen gelassen.“ „Was für ein Drecksack!“, schimpfte Jonathan, „Ein guter Vater kümmert sich um seine Kinder und zieht sie auf. Tut mir leid, dass ich die Etikette so sausen lasse, eigentlich dürfen mir solche Respektlosigkeiten wenn ich amtlich unterwegs bin nicht passieren, aber dein Vater scheint echt ein schlechter Mensch zu sein.“ „Ja, endlich mal jemand, der das genauso sieht. Ella hat mir da auch bei einem unserer ersten Treffen zugestimmt“, sagte Voldemort, denn diese Erinnerung hatte er ihr gelassen. „Ich glaube jeder, der nicht selbst so ein Drecksack ist, würde das so sehen wie Ella und ich“, meinte Jonathan, „Wenn man Kinder in die Welt setzt, hat man sich auch um sie zu kümmern.“ „Naja, die Eltern von den anderen Kindern im Waisenhaus sind aber alle so wie mein Vater, wenn nicht sogar schlimmer. Der Vater von Billy Stubbs hat Billys Mutter vor den Augen von Billy erstochen und nicht indirekt getötet so wie mein Vater“, erzählte Voldemort, „Und Amy und Clarissa sind Töchter einer Prostituierten, ihre Väter haben auch nur ihren Spaß gehabt.“ „Können wir vielleicht ein anderes Thema anschneiden und über anständige Väter sprechen? Mir wird schon schlecht, wenn ich überhaupt von so Vätern HÖRE“, bat Jonathan. Schade, es war gerade so interessant! Endlich konnte Voldemort über alle Muggelväter herziehen, die er nicht leiden konnte! „Darf ich nur kurz eine Frage stellen, Ella mag ihren Vater auch nicht sonderlich, magst du ihn?“ „Nein, natürlich mag ich ihn nicht, er ist der spießigste Stiefonkel, den man haben kann und er hat Vivien aufgeschwatzt, sie müsste eine Nasen OP und einen Brazilian Butt Lift bei ihm machen lassen, was sie leider auch getan hat. Außerdem hat er ihr letztens auch ihre Lippen aufgespritzt, zwar nur leicht, aber trotzdem. Ich halte von ihm absolut gar nichts. Er zieht auch andauernd über Ella her und betont bei jeder Kleinigkeit, wie sehr er sich dafür schämt, so eine Tochter wie sie zu haben, sperrt sie ein, damit niemand aus der High Society sie sieht und Maddy mag er auch nur, weil sie praktisch sein Knecht ist. Sie ist permanent auf Diät und es klappt bei ihr, ist erfolgreich im Ballett und hat sogar Preise gewonnen, hat sehr reine Haut und ein hübsches Gesicht, hat nicht die starke Sehschwäche ihrer Mutter geerbt… Kurzum, sie ist eine Tochter zum Herzeigen. Und irgendeinen Grund gibt es auch noch, warum er ungerne über Ella spricht, aber offensichtlich ist ihm diese Sache so peinlich, dass er mir nichts Konkretes sagen will. Er druckst dort nur herum und sagt, dass das die Ursache für ihre Streiche und außerdem der Grund ist, warum er sie auf dieses Internat namens Hogwarts geschickt hat.“
„Danke für die Info und Vorwarnung, nur ich muss dich korrigieren. Er hat sie nicht nach Hogwarts geschickt, sondern dort können nur Schüler hingehen, die eine Einladung erhalten, weil sie eine Sonderbegabung haben. Schade, dass Ellas Vater ihre Sonderbegabung nicht respektiert, die Sonderbegabungen die Ella und ich haben, sind um einiges toller und vielfältiger als gut auszusehen oder unschlagbar im Ballett zu sein, finde ich“, brachte Voldemort ihn auf den neuesten Stand. „Ah, Ella hat eine Sonderbegabung? Hat sie ihre Streiche mithilfe der Sonderbegabung gespielt?“ „Dazu kann ich nichts sagen, frag Ella am besten persönlich“, lenkte Voldemort ab und blickte auf die digitale Anzeige, wie viele Stationen sie noch bis zum Umstieg zu fahren hatten. „In drei Haltestellen müssen wir umsteigen“, informierte er Jonathan. „Oh, gut, dass du so aufmerksam bist. Vor lauter Lästern hätte ich ohne deine Hilfe fast die Haltestelle verpasst“, bedankte sich Jonathan. Sie stiegen gemeinsam um und fuhren dann nach London, aber da trennten sich ihre Wege. „Mach’s gut, ich wünsche dir auf jeden Fall noch eine schöne Zeit und freue mich darauf, wenn wir uns wiedersehen“, Jonathan winkte ihm mit seiner freien Hand zu, in der anderen trug er seine Aktentasche. „Ja, ich freue mich auch“, sagte Voldemort und winkte steif zurück. Dann lief er das letzte Stück der Strecke zum Wool’s Orphanage und ging auf sein Zimmer. Er packte seine Sachen aus und versteckte die Granatkette sorgfältig zwischen seiner Kleidung im Schrank. Dann machte er einen Muggelabwehrzauber an den Schrank, dass kein Muggel dazu kommen würde, seine Sachen daraus zu stehlen. Schließlich legte er sich aufs Bett. Dadurch, dass seine Laune aufgrund der geglückten Morde so gut wie noch nie war, wäre er eventuell auch bereit dazu, seinen enorm ausgeprägten Stolz beiseite zu legen und Amy zu retten, auch wenn er Billys Spott ertragen musste. Er war Lord Voldemort und hatte seine ersten Horkruxe erstellt. Nun war er unsterblich! Sein Tag war gerettet. Er schaltete sein Handy an und hörte die Nachricht von Clarissa ab, vielleicht hatte sie ihm etwas Wichtiges zu sagen gehabt.
„Tommy, warum bist du so? Ich meine es ernst! Ich bin so schlecht darin, Zaubertränke zu brauen und ich hätte deine Hilfe gebraucht. Ich habe die Nachricht erhalten, dass wir heute Abend, falls wir Amy nochmal sehen wollen… Dass wir dann herkommen sollen, weil… Man glaubt nicht, dass es noch besser werden kann… Die Hoffnung stirbt zuletzt heißt es zwar, aber…“, Clarissa legte auf. Voldemort schnaubte. Das würde zeitlich knapp werden. Müde raffte er sich auf und holte sein Buch hervor. Dann holte er diesmal klammheimlich noch einmal die richtige Menge an Gras, die in den Trank kam, stahl sich einen Topf aus der Küche und verwandelte ein Taschentuch in einen Bunsenbrenner und fing an, die anderen Zutaten zu dem Trank hinzuzufügen. Eine halbe Stunde lang musste der Trank köcheln. So lange setzte sich Voldemort daneben und begutachtete den Trank, ob alles richtig war. Der Trank hatte genau die Farbe und Konsistenz, die verlangt war. Voldemort war brillant im Tränkebrauen. Nicht umsonst war er einer von Slughorns Lieblingsschülern. Die Zeit war ermüdend, doch er konnte und durfte sich keinen Ausrutscher leisten, weil der Zaubertrank sonst anstatt zu heilen die Lunge verätzen würde. Und irgendwie wollte er nicht, dass Amy durch seine Hand starb, keine Ahnung, warum. Beziehungsweise wir wissen natürlich alle warum, aber Voldemort wusste es nicht oder wollte es nicht wissen, dass Amy als seine ehemalige Sandkastenfreundin doch wichtiger für ihn war als er dachte. Er konnte sich nie eingestehen, eventuell doch andere zu brauchen und erst recht konnte und wollte er sich nicht eingestehen, insgeheim einen Muggel zu brauchen. Endlich, als die Zeit auf seiner Uhr herum war, überprüfte er den Trank und nahm ihn vom Bunsenbrenner herunter. Auf einmal öffnete sich sein Zimmerfenster und eine Posteule mit einem Zettel flog herein. Dieser Zettel war vom Zaubereiministerium und darauf stand, dass ein Verwandlungszauber stattgefunden hatte und er verwarnt worden war. Voller Wut befahl Voldemort der Eule zu warten und nahm einen Kugelschreiber, mit welchem er eine Nachricht auf die Rückseite schrieb:
Sehr geehrte Mitglieder des Zaubereiministeriums,
als ich den Zauber ausgeführt habe, war ich alleine und kein Muggel war in der Nähe.
Es handelt sich um einen absoluten Notfall, eine Kindheitsfreundin von mir ist schwer
erkrankt und ich muss sie retten, sonst stirbt sie. Leider war das Brauen eines
Heiltrankes ohne einen Bunsenbrenner nicht ohne weiteres möglich und es werden
leider auch noch einige Zauber notwendig sein, um zu ihr zu gelangen und sie aus der
Intensivstation zu holen. Würde ich nicht helfen, obwohl ich es kann, wäre es
unterlassene Hilfeleistung und wenn man für das Retten eines Lebens von der Schule
verwiesen wird, dann tut es mir leid.
Viele Grüße,
T. M. Riddle
Dann gab er den Brief der Eule zurück, sie solle den bitte an das Ministerium aushändigen. So viel Aufregung und er hoffte, dass er nicht wirklich von Hogwarts verwiesen werden sollte, wenn er noch weitere Zauber ausübte. Er war sich ziemlich sicher, dass er zwar völlig legal und ohne Zaubertricks in das Krankenhaus gelangen könnte, aber erstens müsste er, wenn sie im Zimmer waren und Amy von den Beatmungsgeräten trennten, damit sie den Trank zu sich nehmen konnte, bereits einen Muggelabwehrzauber praktizieren und zweitens müssten sie, falls die Einnahme des Zaubertranks nicht reibungslos klappte und Amy in Ohnmacht fallen sollte, den Rennervate-Zauber anwenden. Dann, wenn sie das Krankenhaus verließen, müsste er die Erinnerung der Muggel verändern, dass es Amy in den letzten Stunden wieder besser ging und sie das Krankenhaus wider Erwarten lebendig statt tot verlassen hatte. Doch damit all das klappte, musste er erst einmal Clarissa Bescheid sagen, dass er den Trank gebraut hatte und sie gerne begleiten würde. Er blickte auf die Uhr. Es war sechzehn Uhr dreißig. Abends wäre ungefähr ab siebzehn Uhr, könnte man sagen, zumindest, wenn man abends früh definierte. Er verwandelte ein weiteres Taschentuch in eine Trinkflasche und füllte den Zaubertrank hinein. Er wollte nicht riskieren, dass so ein kleines Miststück wie Billy Stubbs in der Zwischenzeit, während er eine Trinkflasche holte, einfach seinen Zaubertrank ruinierte. Billy war alles zuzutrauen und weil der Zaubertrank bei den minimalsten Verstößen gegen das Rezept unfassbar letal wirken konnte, bewachte Voldemort diesen mit Argusaugen. Das Ministerium war schließlich informiert, dass er einen Trank für Amy braute, die Verantwortung lastete auf seinen Schultern und er wollte auch einfach nicht, dass Amy starb. Es regte ihn ungemein auf, dass es ihm bei ihr nicht egal war, weil eigentlich wollte er, dass ihm alle egal waren, aber irgendwie hätte es ihm bei Amy ein wenig leidgetan. So ganz unter uns gesagt zwar nicht nur ein wenig, aber psssst… (Voldemort: Ich habe gesagt, nur ein wenig und das meine ich auch so, verstanden? Ich: Stehe zu deinen Gefühlen, sei ein Mann. Voldemort: Ich bin ein Zauberer und habe gottgleiche Fähigkeiten, ich bin kein Mann, dazu bin ich zu hoch. Ich: Schon gut…) Voldemort nahm die Flasche in seiner Tasche mit und lief zu Clarissas Zimmer. Der Brief vom Zaubereiministerium blieb aus. Offensichtlich hatten sie Verständnis. Er klopfte. Eine tränenüberströmte Clarissa öffnete ihm. „Du! Was willst du noch?“, schrie sie, knallte die Tür wieder zu und schloss ab. Undankbares Geschöpf! Nun gut, so ließ der finstere Lord nicht mit sich reden! Er sah sich um. „Alohomora“, murmelte er, als niemand in Sichtweite war. Das Schloss knackte und er öffnete die Tür. Schnell ging er in Clarissas Zimmer und schloss die Tür zu. „Colloportus!“, sagte er und fuhr zu Clarissa herum. „Was fällt dir ein, so mit mir zu reden, du vergisst wohl, wen du hier vor dir hast, Mrs Dumbledore?“, herrschte er sie an. „Ich bin nicht Dumbledores Tochter auch wenn du das gerne so hättest“, Clarissa verschränkte ihre Arme, „Und meine Frage war durchaus berechtigt. Ich…“ „Psssst!“, machte Voldemort, „Schon gut, Amy wird nicht sterben. Mein Tag war nach einem erfreulichen Ausflug doch noch besser, ich habe mich beruhigt und habe den Trank gebraut.“ Clarissas verweintes Gesicht mit den verquollenen Augen hellte sich schlagartig auf. „Oh mein Gott, du bist echt der Beste!“, quietschte sie, sprang von ihrem Bett auf und umarmte ihn stürmisch und feste. Voldemort stand stocksteif da. Er wusste nicht, was er damit anfangen sollte. Einerseits fühlte er sich mit seinem Ego poliert, dass sie ihm sagte, er sei der Beste, aber andererseits fand er so intensive körperliche Zuneigungsbekundungen immer sehr befremdlich.
Er hasste es generell, Leuten nahe zu sein, es sei denn, er bezweckte irgendetwas damit, aber da heiligte der Zweck die Mittel. Nur diese Umarmung hatte er nicht initiiert und sie verfolgte keinen Zweck. Sie war einfach… eine spontane Zuneigungsbekundung und damit konnte Voldemort nicht umgehen. Clarissa sah mit ihren verquollenen, rötlich schimmernden Augen zu ihm hoch und sagte: „Ich bin dir so unendlich dankbar für das, was du getan hast. Wirklich.“ „Schon gut, das ist für mich eine Kleinigkeit“, sagte er leicht arrogant und in seinem Hinterkopf regte sich, dass Ella ihm schon längst gesagt hätte, wie abgehoben und taktlos sie das fand. Ein Glück, dass die Bensons allesamt so ruhig waren, wenn es drauf ankam. Clarissa ließ ihn los und sah mit seltsamer Miene beiseite. Sie verkniff sich ein leichtes Grinsen. „Was ist so lustig?“, wollte Voldemort wissen. Clarissa winkte ab. „Gar nichts ist lustig, ist nicht wegen dir. Ich habe gerade an etwas anderes gedacht.“ Auch wenn sie die Okklumentik perfekt beherrschte, konnte sich Voldemort zusammenreimen, dass sie seine Aussage offensichtlich auch arrogant fand, aber im Gegensatz zu Ella einfach nur höflich sein wollte und irgendwie stellte er fest, dass eine unhöfliche, aber ehrliche Aussage doch weniger frustrierend war. Konnte es sein, dass die Freundschaft zwischen Amy und ihm eventuell auch gescheitert war, weil er so arrogant war? Nein, diesen Gedanken wollte er nicht zulassen, es war auf gar keinen Fall seine Schuld, der finstere Lord machte keine Fehler! Und doch nagte immer ganz leicht der Gedanke an ihm, dass er eventuell ein paarmal zu oft auf Amy herabgesehen hatte. Dass er sie nicht als gleichwertige Freundin, sondern als Fangirl betrachtet hatte. Also als Person, die IHN bewunderte, aber der er nichts zurückgeben musste, die allein schon das Glück hatte, sich in seiner Nähe aufhalten zu dürfen. Auch wenn er den Gedanken, selbst ein paar Fehler gemacht zu haben und diese vor sich selbst, oder noch schlimmer, vor anderen zugeben zu müssen, unerträglich fand, eventuell könnte er ja mal versuchen, anderen ein wenig mehr als gleichwertigen Personen zu begegnen. Ella hatte keinesfalls Recht, nein, aber er wollte ihr zukünftig nicht mehr die Möglichkeit geben, ihn zu kritisieren. „Tut mir leid, dass ich so abgehoben war“, sagte er zu Clarissa.
Er sah sie nicht an, es war ungeheuerlich demütigend für ihn, diese Worte auszusprechen, auch wenn sie wahrscheinlich ein Halbblut und deshalb in der sozialen Hierarchie mit ihm gleichrangig war. „Passt“, sagte Clarissa, „Eigentlich weiß ich, dass du nur so tust, als wären wir dir alle komplett egal. Ich finde es gut, dass du nun dazu stehst, dass wir es nicht sind. Das macht dich viel stärker, als du sowieso schon bist.“ Sie lächelte ihn an. Er war völlig perplex. Irgendwie war es doch nicht so schlimm, Fehler zuzugeben, wenn man ihm mit Nachsicht begegnete und ihn sogar dafür belohnte, wenn er zugab, dass er falsch gelegen hatte. Voldemort lächelte leicht zurück. „Ich komme dann mit zu Amy. Wir werden ihr helfen. Allerdings ist es ein hochrisikoreiches Unterfangen, weil damit sie den Trank zu sich nehmen kann, müssen wir sie erst einmal von den Geräten entfernen und ich glaube, das wird dann sehr heftig, weil… Du musst stark sein.“ „Du aber auch!“, warf Clarissa ein. „Ich will jetzt nicht selbstverliebt rüberkommen, aber ich würde schon sagen, dass ich recht starke Nerven habe. Ich habe kein so großes Problem damit, Leuten zuzusehen, wie sie nach Atem ringen“, sagte Voldemort. „Du klingst wie ein Serienkiller. Und ich bin alleine mit dir im Zimmer eingesperrt. Das ist gruselig. Wie im Film“, Clarissa sah ihn leicht verstört an. Wenn die wüsste, wie nahe sie an der Wahrheit dran war! Doch das würde er ihr auf gar keinen Fall auf die Nase binden. „Es gibt auch Ärzte, die so starke Nerven haben. Denkst du ernsthaft, das sind Serienkiller?“ „Nein, aber vielleicht hochfunktionale Psychopathen. Nicht jeder Psychopath ist ein Serienkiller, aber auch nicht jeder Serienkiller oder Massenmörder ist ein Psychopath. Es gibt auch maligne Narzissten, so wie sehr bekannte Diktatoren, deren unheilige Namen ich nicht nennen möchte. Manche Amokläufer sollen auch maligne Narzissten gewesen sein. Und es gibt natürlich auch noch viele andere Störungsbilder, die man haben kann, um ein Massenmörder zu sein. Soll Dylan Klebold nicht irgendwie schizophren gewesen sein?“, philosophierte Clarissa. Voldemort war sich nicht sicher. Es war doch nahezu unmöglich, dass Mrs Cole tatsächlich recht haben könnte und er wirklich eine psychische Störung hätte? Nein, diese Unterstellung war furchtbar! „Ich habe keine psychische Störung!“, sagte er scharf. „Entschuldigung“, murmelte Clarissa, „Ich weiß auch nicht, für mich ist es nur einfach unvorstellbar, wie jemand dann so völlig unberührt sein kann, wenn jemand nach Luft ringt, allein schon bei der Vorstellung gerate ich in Panik.“ „Du bist halt eben noch ein kleines Kind, vielleicht hätte ich in deinem Alter auch so reagiert“, log Voldemort, um das unselige Thema abzuhaken, „Ruf an, wenn ihr losfahrt!“ Dann schloss er die Tür auf und verließ das Zimmer. Er machte sich auf den Weg zu seinem eigenen Zimmer.