Lord Voldemort today

Harry Potter - J. K. Rowling
F/M
G
Lord Voldemort today
Summary
Diese Story ist ein Gedankenspiel, wie Lord Voldemort wohl wäre, wenn er heutzutage aufgewachsen wäre, welches eine meiner besten Freundinnen und ich uns gemeinsam ausgedacht haben (60% der Ideen kommen von ihr, ich habe sie nur für uns beide umgesetzt). Tom Marvolo Riddle ist ungefähr im Jahr 2003 oder so geboren und wurde über einen anonyme Geburt im Wool's Orphanage abgegeben. Bloß der Vorname seines Erzeugers und seines Großvaters sind ihm bekannt. Mit den anderen Kindern des Waisenhauses und seinen Mitschülern versteht er sich nicht sonderlich gut, da diese ihn als Weirdo abstempeln. Bloß Amy Benson, ihre jüngere Halbschwester Clarissa und sein Klassenkamerad Dennis Bishop bewundern ihn für seine Andersartigkeit. Doch dann wird er von Amy verraten und Dennis schlägt sich auf ihre Seite. Auf einem Trip ans Meer plant Tom grausame Rache. Danach ist er alleine, bis er auf einmal einen Besucher empfängt, der ihn auf eine mysteriöse magische Schule einlädt, auf der er nach einigen Jahren Myrtle Elizabeth Warren begegnet, die er als Knecht braucht. Allerdings begegnet er Amy nach einigen Jahren wieder und braucht sie ebenfalls als Knecht. Zum Ende hin stellt sich die Frage, welche der beiden er lieber mag.
All Chapters Forward

Der Hase

Zuerst schaute sich Tom Amys Bildergalerie an. Er entdeckte ein gemeinsames Selfie, wozu Amy ihn genötigt hatte. Es war von seinem Geburtstag, ein Snapchat Selfie mit Hundefilter, weil es einer der einzigen Filter war, der keine Fake Wimpern enthielt, denn dazu hätte Tom sich geweigert. Amy hatte ihm einen Arm um die Schulter gelegt und sie streckte die Zunge heraus. Tom hatte seinen „Model-Blick“ aufgesetzt und schaute ernst und verträumt drein. Er fand auch ein Selfie, das Amy, Dennis und er ebenfalls an seinem Geburtstag zu dritt aufgenommen hatten, auf dem er leicht schräg stand und in die Kamera sah, während Dennis Amy huckepack trug, damit sie alle drei aufs Bild passten. Dann fand er Selfies mit anderen, etwas jüngeren Mädchen aus dem Wool’s Orphanage, wie sie in Sportkleidung in der Sporthalle des Waisenhauses posierten, ein Bild, wie Amy ein Rad schlug, ein Bild, auf dem ihre Freundin Lissy aus dem Waisenhaus eine Brücke machte und viele weitere, eher irrelevante Fotos. Sah bis jetzt noch nicht so aus, als ob Amy etwas vor ihm zu verbergen hätte. Er klickte sich durch die anderen Alben. Unter den Screenshots fand er lauter verstörende Fotos von einem halbnackten Justin Bieber und Fotos von Little Mix und BTS. Außerdem hatte Amy einige Screenshots von Cardan und Jude Fanarts gemacht. In dem Ordner WhatsApp Images wurde es langsam interessant. Er fand unvorteilhaft bearbeitete Bilder von einer Mitschülerin aus Amys Schulklasse, die eine Außenseiterin war. Hatte Amy etwa damit zu tun oder hatte sie die Bilder nur zugeschickt bekommen? Hätte sie die Bilder selbst aufgenommen, hätten sie im Ordner Kamera oder Downloads zu finden sein müssen, falls sie diese mit einer App bearbeitet und dann heruntergeladen hätte. Also musste sie wahrscheinlich Teil einer Lästergruppe sein. Zeit für eine kleine Recherche! Er öffnete WhatsApp und schaute sich Amys Account an. Als Profilbild hatte sie das Bild, auf dem sie ein Rad schlug. Ihre Info lautete: Schlafe. Also eine der Standard Infos, die es gab. Nun zu ihren Kontakten und Gruppen. Er schaute sich die Profilbilder ihrer Freundinnen an. Eine von ihnen, die laut Amys Erzählungen zwei Klassen wiederholt hatte und dementsprechend elf, nahezu zwölf Jahre alt sein musste, war stark geschminkt, hatte für ihr Alter erstaunlich viel Oberweite und trug ein Spaghettiträgertop, aus welchem ihr knallroter, aufreizender Büstenhalter hervorschaute. Ihre Lippen waren scharlachrot geschminkt und ihre Augenmakeup war extrem dunkel. Sie wirkte auf ihn wie ein klassisches Bad Girl, weshalb er sich zuerst ihren Chat mit Amy ansehen wollte. Sie hieß Lexy. Tom wunderte sich, dass Amy den Chat mit diesem Mädchen fast zuoberst auf ihrer Liste hatte. Er meinte, sich zu erinnern, dass Lexy erst seit einem Jahr an ihrer Schule war, weil sie neu hinzugezogen war. Seiner Ansicht nach passte Amy überhaupt nicht zu ihr, zumindest nicht die Amy, die er von früher kannte. Vielleicht hatte Lexy etwas mit ihrer negativen Entwicklung zu tun. 

Lexy: Hast du eigentlich auch mal endlich einen Freund, oder kriegst du keinen ab?

Amy: Ääääähhh…

Lexy: Dachte ich mir. Wenn du einen suchen solltest, ich kenne da so ein paar Dudes, die würden dich für 20 Pfund küssen.

Amy: Ich bin grad mal neun Jahre alt…

Lexy: In anderen Ländern sind Mädchen deines Alters schon längst verheiratet und haben Kinder, ich würde mal sagen, du bist, außer Maisie natürlich, aber die zählt nicht, die einzige, die noch nie einen Freund oder rumgeknutscht hat. Alle aus unserer Gang haben schon einmal rumgeknutscht. Ich hatte meinen ersten Freund mit acht und er war nicht der einzige. Nur Maisie und dich will halt keiner, aber Maisie ist ja auch potthässlich, die würde man nicht mal für 1000 Pfund küssen. BTW, wo wir schon mal bei Maisie sind… Wir haben zwar eine Klassengruppe, aber wir haben auch eine zweite Gruppe erstellt, und zwar die We hate Maisie – Gruppe. In der sind so gut wie alle coolen Mädchen drin. Hier ist der Einladungslink.

Amy: Ich weiß nicht, ob das richtig ist… Die Polizei hat doch letztens Medienprävention gegeben. Wenn irgendjemand das erfährt, dann kriegen die Eltern aller Gruppenmitglieder so richtig Ärger. Wir sollten das echt unterlassen.

Lexy: Bei deiner Mutter kann es doch schlimmer gar nicht kommen. Bei dir wäre es keine Beleidigung, dich als Tochter einer Prostituierten zu bezeichnen, sondern die Realität. ;-)

            Du hast Lexy blockiert.

            Du hast Lexy freigegeben.

Lexy: Wenn du mich nochmal blockierst, hast du bald ein gehöriges Problem, hast du mich verstanden? Dann bist du ganz schnell nicht mehr Teil unserer Clique und endest so wie Maisie und Tom Riddle. Ich werde dich rausschmeißen und so richtig fertigmachen.

Tom stutzte, als er seinen Namen las. Jetzt wurde es interessant.

Amy: Lass bitte Tom in Ruhe.

Lexy: Wenn du willst, dass ich ihn in Ruhe lasse, dann musst du unserer Lästergruppe beitreten. Du musst dich entscheiden: Maisie oder Tom.

Amy: Ja, gut, ich trete bei.

 

Du bist dem Einladungslink gefolgt.

 

Lexy: Dein Tom scheint dir ja echt viel zu bedeuten… Ich habe zwar mal gesehen, dass du in der Pause ab und zu mit ihm und Dennis Basketball spielst, oder soll ich wegen deiner Größe und Unterlegenheit gegenüber den Jungs eher Schweinchen in der Mitte sagen, hehe. Ansonsten hast du ihn allerdings bis jetzt nicht häufig erwähnt. Ist er etwa dein Freund?

Amy: Bester Freund im Sinne von Kumpel. Bitte lasst ihn in Ruhe. Wir kennen uns aus dem Waisenhaus.

Lexy: Dachte ich mir. Auch wenn er keine Freunde außer Dennis hat und sich irgendwie echt cringe verhält und echt fiese Gerüchte über ihn herumgehen, sieht er immer noch viel zu gut für dich aus. Kein Wunder, dass er nichts von dir will und du nur eine Freundin oder sowas wie eine Schwester für ihn bist. Ein Mädchen wie ich würde schon eher in seiner Liga spielen. Aber er ist mir zu jung. Jüngere Männer finde ich eklig.

Und Tom fand Lexy eklig. Und viel zu sehr von sich überzeugt. Okay, er war auch sehr von sich überzeugt und wollte immer gerne besser als die anderen sein, aber eben aus dem Grund konnte er niemanden gebrauchen, der genauso gepolt war, wie er. Wäre nur lästige Konkurrenz gewesen. Aber er wollte nun wissen, was Amy sonst noch so über ihn schrieb. Schließlich war das der Grund, weshalb er sich ihre Chats durchlas. Um ihre Loyalität zu überprüfen.

 

Amy: Was für Gerüchte?

Lexy: In seiner Klasse wurde auch eine Lästergruppe über ihn erstellt. Weil ich in vielen Klassen Freunde habe, wurde ich auch hinzugefügt. Ich mache dich da auch mal rein.

Amy: Nein. Ich weigere mich.

Lexy: Warum so vehement? Hast du etwa einen Crush auf ihn? Also eine einseitige Liebe? Immer diese Opfer, die in ihren hübschen besten Freund verliebt sind… XD

Amy: Naja, er sieht ja schon gut aus… Aber er hat mich abgewiesen.

Lexy: Dann solltest du dich rächen. Niemand weist Amy Benson, ein Mitglied meiner Clique, ungestraft ab.

Amy: Wir sind befreundet, Tom und ich. Das würde ich ihm niemals antun. Man kann nichts erzwingen.

Lexy: Und du bist mit mir befreundet. Und ich hasse Tom, weil meine Freunde ihn hassen und ich kann niemanden ausstehen, der mit ihm befreundet ist. Wenn du nicht beitrittst, erstelle ich eine Gruppe: Amy steht auf Tom. In der schicke ich pornöse, bearbeitete Bilder herum, von euch beiden, so wie ich es auch mit Maisie gemacht habe. Schau mal in die Lästergruppe herein und freue dich auf das, was dir blüht. Ich gebe dir drei Tage Bedenkzeit.

Amy: Hast du mir nicht versprochen, dass du Tom in Ruhe lässt, wenn ich deiner Lästergruppe über Maisie beitrete? Hass auf ihn hin oder her, versprochen ist versprochen.

Lexy: Muss mir glatt entfallen sein. ;-)

 

 

Tom hatte keine Lust mehr, den Chat weiterzulesen. Diese Lexy war einfach grauenhaft! Er selbst war zwar seinen Feinden gegenüber auch nicht gerade netter, aber die hatten es seiner Ansicht nach nicht anders verdient. Er jedoch hatte nichts getan, um Lexy zu provozieren, aber wenn sie unbedingt mit ihm verfeindet sein wollte, dann war sie selbst schuld. Tom wusste sich zu wehren und war um grausame Rachepläne nie verlegen. Er musste sich unbedingt die Lästergruppen ansehen, damit er sich ein Bild davon machen konnte! Tatsächlich fand er unter Archivierte Chats die beiden Lästergruppen. Natürlich interessierte ihn die Lästergruppe, die über ihn erstellt wurde, erst einmal mehr. Schließlich musste er in Erfahrung bringen, wofür er sich rächen musste. Er sah, dass viele seiner Klassenkameraden über ihn verbreiteten er würde stinken, Selbstgespräche führen, Stimmen hören und lauter weitere fiese Sachen. Wahrscheinlich, weil er manchmal von ein paar Schlangen angesprochen wurde und geantwortet hatte. Außerdem behaupteten sie, er würde in die Hose oder ins Bett pieseln, obwohl das natürlich nicht stimmte. Er sah, dass Amy einige bearbeitete Fotos von ihm zumindest auf ihrem Gerät gelöscht haben musste, weil jemand auf diese Nachrichten geantwortet hatte und diese nicht mehr in Amys Dateien existierten. Er sah keine einzige Nachricht von Amy. Einerseits beruhigte ihn, dass sie nicht über ihn lästerte, andererseits ergriff ihn eine wahnsinnige Wut auf Amy, dass sie, laut der Datierung, einen ganzen Monat lang Bescheid wusste und ihn nicht informiert hatte. Für diese Respektlosigkeiten auf WhatsApp hätte er seinen bescheuerten Mitschülern schon längst eins auswischen sollen! Er scrollte weiter.

Ein paar Mitschüler von ihm machten sich über seinen Zweitnamen Marvolo lustig. Zugegeben, er selbst kannte auch niemanden, der so hieß und schämte sich für seinen Namen. Einerseits. Andererseits zeigte dieser einzigartige Name im Gegensatz zu dem gewöhnlichen Namen Tom, dass er etwas ganz Besonderes war und es war vielleicht ein Name der Fae oder ein Zauberername. Amy äußerte sich nicht dazu. Er hatte sie an diesem Abend verteidigt und langsam bereute er es, wenn sie nicht dasselbe für ihn tat. Zumindest nicht in dem Ausmaß. Er war unendlich enttäuscht von ihr, dass sie so eine dumme, einfältige Mitläuferin war. Solange sie ihm und seinen Ideen folgte, hatte er nichts dagegen – seine Ideen hatten schließlich seine Richtigkeit, im Gegensatz zu denen von Lexy! Amys vereinzelte, halbherzige Versuche, sich gegen Lexy zu wehren, zählten seiner Ansicht nach nicht. Er schaute sich die andere Lästergruppe an und sah die Bilder, die er auch in Amys Galerie gesehen hatte. Lexy hatte sie alle hineingeschickt. Halbnackte Bilder von Maisie mit hängendem Bauch und Speckfalten in aufreizenden Posen. Ihm wurde schlecht aufgrund dieser übertriebenen Freizügigkeit und er beschloss, es für diesen Abend gut sein zu lassen. Schließlich war er noch ein Kind und hatte definitiv noch kein Interesse an sexuellen Inhalten dieser Art. Schluss für heute! Er schaute auf die Uhr und stellte erschrocken fest, dass es sehr spät war. Was für eine Zeitverschwendung mit den Inhalten der Lästergruppen! So etwas würde ihm nicht noch einmal passieren, dass er sich in die Tätigkeiten gewöhnlicher Sterblicher verzettelte. Also stellte er sich den Wecker und legte das Handy auf den Nachttisch. Er hatte seltsame Träume. Er träumte von Lexy, die ihm mit ihrem roten Büstenhalter und farblich passend lackierten, krallenartigen Fingernägeln hinterherrannte und diese in sein Fleisch schlagen wollte. Amys Kopf war auf Maisies Körper. Sie klammerte sich an Lexys Bein fest und versuchte, sie zu hindern, Tom zu erreichen, wurde aber stattdessen mitgeschleift, ihr hängender Bauch wurde ganz wund.

Auf einmal hörte er den Song Shout out to my ex ganz laut neben seinem rechten Ohr und schreckte aus dem Schlaf hoch. So ein Mist! Das war Folter für seine Ohren! Er musste vergessen haben, eine angenehme Weckmelodie einzustellen. Verschlafen rieb er sich die Augen und tastete nach dem Smartphone. Dummerweise musste er erst das Muster zeichnen, bevor er die schreckliche Musik endlich ausschalten konnte. Nach dem dritten Versuch gelang es ihm endlich, das Handy zu entsperren. Amy hatte wirklich einen grauenhaften Geschmack. Und Amy selbst fand er nach den jüngsten Ereignissen auch nicht weniger grauenhaft als ihren Musikgeschmack, wenn er es recht bedachte. Irgendwie machte ihm dieser Verrat mehr aus, als er gedacht hätte. Die meisten Menschen waren ihm egal und er sah Zuneigung als eine Art von Schwäche an. Sobald man etwas auf andere Leute gab, aber sich diese Leute umgekehrt nicht um einen scherten, machte man sich seiner Ansicht nach nur verletzlich. Doch der Gedanke an das Ausüben seines Racheplanes stimmte ihn um einiges glücklicher und für Amy würde er sich auch noch etwas Feines überlegen. Niemand seiner Anhänger hinterging ihn ungestraft! Er knipste seine Nachttischlampe an und zog sich um. Dann holte er das Seil unter seinem Bettbezug hervor, stopfte dieses in die Bauchtasche seines Kapuzenpullis und schloss seine Zimmertür auf. Möglichst leise schlich er sich auf den Gang. Niemand sollte mitbekommen, dass er sich so früh herumtrieb. Er schloss die Zimmertür ab und steckte den Schlüssel in seine Hosentasche. Er pirschte sich nach links und rechts schauend durch den Gang zu Billy Stubbs Zimmer. Mithilfe seiner Zauberkraft öffnete er die Tür geräuschlos. Sein Herz pochte ihm bis zum Hals vor freudiger Aufregung. Er sah Billy Stubbs seitlich schlafen und mit leicht geöffnetem Mund auf sein Kissen sabbern. Mist, er hätte Amys Smartphone mitnehmen und ein Foto schießen sollen! Billy ging auch auf dieselbe Schule und das hätte definitiv viel Stoff für eine Lästergruppe abgegeben! Egal, er musste sich auf das Wesentliche konzentrieren! Neben Billys Nachttisch stand der Hasenkäfig und Tom öffnete auch diesen alleine mit seiner Vorstellungskraft. Alles lief perfekt! Er jubelte innerlich. Der Hase öffnete leicht schläfrig die Augen. „Komm, mein kleines Häschen, komm“, lockte Tom ihn flüsternd, damit Billy nicht aufwachte. Billy grunzte leicht im Schlaf und Tom erstarrte. Hoffentlich wachte Billy nicht auf! Doch Billy drehte sich nur auf die andere Seite und fing an, leise zu schnarchen. Tom grinste in sich hinein. Dieser Junge war einfach zu peinlich und er genoss es, seinen Erzfeind in solch einer lächerlichen Situation zu erwischen, in welcher er ihm hilflos ausgeliefert wäre. Er hätte jetzt alles Mögliche mit Billy anstellen können und dieses Gefühl von uneingeschränkter Macht füllte ihn mit großer Begeisterung. Doch es ging ihm diesmal nicht darum, Billy körperlich zu quälen, er wollte ihn seelisch leiden lassen. Also widmete er sich dem Hasen, der wie in Trance auf ihn zu hoppelte. Tom lief ein wenig rückwärts und der Hase folgte ihm wie ein Schaf zur Schlachtbank. Alles lief wie am Schnürchen! Tom ließ den Käfig absichtlich offen, sodass es zunächst so aussah, als ob sich der Hase alleine befreit hätte und einfach weggelaufen wäre. Als der Hase Billys Zimmer verlassen hatte, schloss Tom die Zimmertür wieder ab. Er hob den Hasen hoch, klemmte ihn sich unter den Arm und beeilte sich, zum Speisesaal zu kommen. Er spürte den schnellen Herzschlag des Tieres an seiner Brust. Der Hase hatte Angst und das zurecht! Einerseits tat er Tom schon ein bisschen leid, denn es war definitiv ein schöner, grauer und flauschiger Hase mit dunkelblauen Knopfaugen. Seine Brust war angenehm gewölbt und die Stelle hinter seinen Ohren war weicher als Seide. Aber gerade dieses Schöne weckte in Tom das unbändige Verlangen, es zu zerstören. Er besaß fast nichts Schönes, außer sich selbst, aber das zählte für ihn nicht, er konnte auch nicht den ganzen Tag lang nur sein eigenes Spiegelbild bewundern, selbst wenn er es gerne getan hätte. Und gerade, weil er keinen Anteil an der Schönheit dieser Welt haben durfte, gönnte er auch anderen Menschen, egal ob Muggeln oder später Hexen, die schönen Dinge nicht, die sie besaßen. Und erst recht nicht Billy Stubbs, diesem aufgeblasenen Vollidioten. Er musste ihm einen Denkzettel verpassen, den er niemals vergessen würde. Er nahm Billy das Liebste, was er besaß. Endlich war er, ohne irgendjemandem auf dem Gang zu begegnen, im Speisesaal angekommen.

Ordentlich lag bereits das Besteck an den Tischen und die Servietten waren liebevoll zu kleinen Hütchen aufgestellt worden. Alles war noch ganz verlassen und erst in ungefähr zwei bis drei Stunden würden die ersten Menschen kommen. Tom fixierte den Dachbalken ganz oben, setzte den Hasen auf den Boden, zog das Seil aus seiner Bauchtasche und warf es in die Luft. Er ließ es hinauf zum Dachbalken schweben und sich zu einer perfekten Schlinge knoten. Es war alles vorbereitet. Nun musste er leider zum unangenehmen Teil übergehen, aber der Zweck heiligte für ihn die Mittel, auch wenn dieser Hase echt nichts für seinen Besitzer konnte. Aber der Hase mochte Billy und jeder, der Billy auch nur ansatzweise leiden konnte, hatte in Toms Augen Strafe verdient. „Auf geht’s, geh hoch!“, Tom deutete an den Balken, welcher senkrecht den Dachbalken kreuzte. Der Hase gehorchte und begann, den Balken hoch zu hoppeln. Tom wartete, denn der Hase brauchte ziemlich lange. Doch die Geduld zahlte sich aus. Der Hase erklomm den Dachbalken und blieb dort brav sitzen. Tom ließ die Schlinge hochschweben und sich langsam um den Hals des Hasen legen. Der Hase quiekte, doch ihm blieb nichts anderes übrig, als Toms Willen zu befolgen. Dann sorgte Tom dafür, dass sich die Schlinge zuzog und das Seil mitsamt dem Hasen vom Dachbalken herabbaumelte. Er hörte die gequälten Laute des Hasen und lief breit grinsend davon. Er sah sich noch einmal um und beobachtete eine Weile, wie das Seil durch die Bewegungen des Hasen heftig hin- und herschwang, dann drehte er sich um und ging auf sein Zimmer. Er legte sich mitsamt seiner Kleidung ins Bett und fiel in einen tiefen Schlaf.

Als er aufwachte, kitzelten die Sonnenstrahlen seine Nase, die durch ein paar Rolladenschlitze fielen. Es musste ziemlich spät sein! Zum Glück war er bereits angezogen, nach dem Frühstück würde er duschen. Er schnappte Amys Smartphone und schlenderte nach seinem ersten erfolgreichen Mord entspannt zur Mensa. Auf dem Weg schaute er bei Amys Zimmer vorbei und erneut kroch die Wut in ihm hoch. Diese blöde Ziege konnte ordentlich etwas von ihm hören! Als er anklopfen wollte, sah er einen Zettel an der Tür. Bin unter der Dusche, komme gleich zurück. Kannst du vielleicht noch kurz warten, Tom? LG und HDGDL, Amy. Jaja, von wegen „Hab dich ganz doll lieb!“, war doch alles leeres Geschwätz aus dem Munde eines dummen, kleinen Mädchens! In keiner Weise konnte er das, was sie sagte, überhaupt noch ernst nehmen! Amy war der beste Beweis dafür, wie flüchtig, manipulierbar und vergänglich jegliche Form von Liebe und Zuneigung war. Hass, Macht und Angst jedoch währten immer, solange man seine Gegner nur daran erinnerte, mit wem sie es zu tun hatten. Deshalb bevorzugte er diese Werte und Ideologien und den Lifestyle, der damit verbunden war. Für ihn gab es kein Gut und Böse, für ihn gab es einfach nur Macht und diejenigen, die daran interessiert waren, sie auszuüben. Und er war daran interessiert. Dementsprechend war es auch unter seiner Würde zu warten, bis diese alberne Gans mal mit Duschen, Masken, Haare föhnen, sich einparfümieren und weiß der Henker was für anderen Schönheitsmaßnahmen fertig war. Er riss den Zettel herunter, zerknüllte ihn und lief zum Speisesaal. Nach zwei Minuten hörte er jemanden hinter sich den Gang entlangrennen. Völlig außer Puste hatte Amy ihn eingeholt.

„Tommy, warte doch mal!“ „Für dich heiße ich immer noch Tom“, entgegnete er kalt. Amys Miene erstarrte und ihr Lächeln rutschte aus ihrem Gesicht. Er konnte ihre Enttäuschung und Verwirrung in ihren Augen erkennen und irgendwie auch spüren. Vielleicht gehörte das auch zu seiner Magie. „Nur meine Freunde dürfen mich ‚Tommy‘ nennen“, fügte er hinzu und grinste sie fies an. „Wie… Warum… Ich dachte, wir sind beste Freunde?!“, wunderte sich Amy und starrte ihn fassungslos an, „Seit wann sind wir keine Freunde mehr und wieso?“ „Ich sag nur drei Wörter: Lexy. Maisie. Lästergruppe.“ Tom lief mit schnellen Schritten weiter und Amy, die um einiges kleiner war und kürzere Beine hatte als er, hatte Mühe, ihm zu folgen. Ihr Gesicht war leichenblass, ob vor Entsetzen oder vor Wut konnte er schlecht sagen. „Du hast meine WhatsApp Chats gelesen!“, fauchte sie mit Tränen in den Augen, „Obwohl ich dich gebeten habe, es nicht zu tun! Ein Schwur von dir ist echt nichts wert!“ Er baute sich vor ihr auf und verschränkte die Arme. „Seien wir mal ehrlich, ich war von vorneherein nicht daran interessiert, die WhatsApp Chats von dir und deinen Zickenfreundinnen zu lesen. Dafür interessiert mich euer Mädchenkram einfach zu wenig. Aber als du mir gesagt hast, ich dürfe deine Chats auf gar keinen Fall lesen, wurde ich misstrauisch. Und dann wollte ich deine Loyalität mir gegenüber mal ein wenig überprüfen“, er bleckte bedrohlich seine glänzend weißen Zähne. „Ich schwöre, ich habe wirklich kein einziges böses Wort über dich verloren, das musst du mir glauben, bitte“, flehte Amy. „Warum hast du mir nie davon erzählt? Und Dennis? Ich hätte uns da raushauen können. Was fällt dir überhaupt ein, deine Mädchenclique mit dieser bescheuerten Lexy als Anführerin uns vorzuziehen? Du miese, kleine Verräterin!“ Amy biss sich auf die Lippe. „Sag mir die Wahrheit!“, befahl ihr Tom, „Nach all deinen Lügen.“ „Ich… Lexy… Sie hat mich erpresst, okay? Hast du nicht gesehen, was sie mir alles für fiese Sachen geschrieben hat? Seit sie da ist, hat sie mir alles ruiniert! Ich brauche doch auch ein paar Mädchen meines Alters als Freundinnen. Und ich hätte ja auch gerne mit euch darüber gesprochen, wenn ihr euch nicht permanent über alles Mädchenhafte an mir lustig machen würdet. Ich konnte vor drei Jahren mit ihnen Vater-Mutter-Kind mit unseren Puppen spielen, das hätte ich mit euch nie machen können. Wir konnten uns H2O – Just add water und Hannah Montana ansehen und die Songs auswendig mitsingen, wir lieben Justin Bieber und die Jungs von BTS und ihr lacht doch nur darüber! Ich wollte meine Clique nicht verlieren, das musst du verstehen, bitte“, jammerte sie, „Ich brauche doch auch Leute in meiner Klasse, sonst bin ich ganz alleine! Und seit Lexy dabei ist, habe ich permanent Angst, herauszufliegen, wenn ich nicht die anderen Mädchen, die weniger angesagt sind, mit mobbe. Jetzt ist alles zu spät. Ich hatte die Hoffnung, sie würde dich in Ruhe lassen, wenn ich tue, was sie sagt, aber sie hat dich trotzdem weiterhin auf dem Kieker gehabt.“ Tom lächelte herablassend. Für solche Mitläuferinnen hatte er einfach kein Verständnis, die jemanden mobbten oder verrieten, nur, damit sie in einer Gruppe drinbleiben konnten. Er selbst quälte durchaus auch andere Kinder und Jugendliche, aber weil ER es wollte und sich durch diese Kinder und Jugendliche provoziert fühlte und nicht, weil er einer Gruppe an Menschen in den Hintern kriechen wollte.

„Du bist so armselig“, spottete er, „Aber beantworte mir noch eine Frage, je eher du antwortest, desto weniger grausam fällt meine Rache an dir aus. Du weißt, wozu ich fähig bin.“ Amy zitterte. „Ja“, hauchte sie mit schwacher Stimme. „Was waren das für Bilder von mir und warum hast du sie gelöscht? Du hattest wohl Angst vor meiner Rache, stimmt’s?“ „Nein!“, rief Amy aufgebracht, „Das war nicht der Grund. Ich habe sie gelöscht, weil ich es nicht ertragen konnte, solche Bilder von meinem besten Freund auf meinem Handy zu haben… Es waren echt grausam entstellte Bilder… Das war so verstörend, ich wäre nicht einmal auf die Idee gekommen, dass man sowas erstellen kann! Die Leute, aus deiner Klasse, die das erstellt haben, die sind so gestört und versaut! Ich… ich kann es dir nicht sagen…“ Sie sah zu Boden und malte mit dem Fuß irgendwelche Muster. Bevor Tom dazu kam, Amy verbal oder eventuell auch mit Magie den Rest zu geben, kam ein völlig aufgelöster Dennis um die Ecke gerannt. „Tom, Amy, wo bleibt ihr? Das müsst ihr sehen… Es ist so schrecklich!“, Tränen liefen seine Wange hinunter, „Das glaubt ihr nicht!“ Er musterte die beiden. Tom starrte Amy immer noch feindselig an, Amy hingegen schien die Fliesen wahnsinnig interessant zu finden. „Was… was ist los?“, erkundigte sich Dennis, doch er bekam keine Antwort aus den beiden heraus, „Störe ich?“ „Ja“, sagte Tom, denn Dennis hatte ihn gerade davon abgehalten, Amy die Strafe zu erteilen, die sie in seinen Augen für ihr hinterhältiges, egoistisches und respektloses Verhalten mehr als verdient hatte. Am liebsten wollte er sie mittlerweile am Boden sehen. Sie war auch nicht besser als seine Mitschüler, weil sie dasselbe auch mit anderen Personen tat, die nicht so waren, wie der Rest der Klasse das wollte. „Ich komme mit dir“, Amy löste sich aus ihrer Starre und hakte sich bei dem mehr als überraschten Dennis unter. Beinahe fluchtartig lief sie auf die Cafeteria zu und zog den völlig perplexen Dennis hinter sich her. Nun gut, dann würde Tom eben auf seine Rache warten müssen, aber Geduld zahlte sich aus. Er hatte schon so eine Idee. Sie fuhren in ein paar Wochen ans Meer und dort würde er sicher genügend Gelegenheiten dazu haben, Amy alleine zu erwischen und es ihr doppelt und dreifach heimzuzahlen. Aber erst einmal wollte er Billys Reaktion auf den Hasen sehen. Tom schlenderte in den Speisesaal und sah, wie alle Kinder und Jugendliche hinauf zu dem Dachbalken starrten. Amy und Dennis weinten und Clarissa war ihnen ebenfalls beigetreten und vergrub ihr Gesicht in Amys Bauch. In der Tat bot der erhängte Hase ein äußerst verstörendes Bild. Schlaff hing er an dem Sprungseil, seine Zunge blau und auf eine immense Größe angeschwollen und seine Augen traten ihm fast aus dem Kopf. An ihm war nichts Lebendiges und nichts Niedliches mehr. Tom ließ voller Genugtuung seinen Blick schweifen und hielt nach demjenigen Ausschau, auf den er es eigentlich abgesehen hatte. Billy Stubbs saß kreideweiß am Tisch der Jugendlichen und seine Augen glänzten feucht. Wie gerne hätte Tom ihn vor allen weinen sehen! Schade, dass er es schaffte, die Tränen gerade noch so zurückzuhalten im Gegensatz zu den jüngeren Kindern. Mrs Cole stand in der Mitte und versuchte, alle Kinder zu beruhigen. „Wir finden heraus, wer das war, alles wird gut. Das wird für die betreffende Person ein Nachspiel haben.“ Tom war davon nicht ganz so überzeugt. Selbst wenn der Verdacht auf ihn fallen würde, wie sollten sie dann beweisen, dass er es war? „Ihr setzt euch jetzt alle erst einmal hin und esst etwas, danach fange ich an, die Verdächtigen zu befragen.“ Tom schlenderte zu einem freien Platz gegenüber von Amy und Dennis. Clarissa saß neben Amy und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Tom spitzte seine Ohren. Zu gerne hätte er erfahren, worum es ging, denn Amys Miene verfinsterte sich schlagartig und sie wich seinem neugierigen, bohrenden Blick aus.

Clarissa wird doch wohl nicht etwa Amy das mit ihren Spielsachen verraten haben? Drohend schaute er in Clarissas Richtung und Clarissa rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Auf einmal hörte er ihre Gedanken. Hoffentlich erfährt Tom nicht, dass ich Amy erzählt habe, dass er derjenige ist, der meine Spielsachen wegnimmt und mich dazu zwingt, mir immer die Spielsachen zu wünschen, die er haben will! Ich hab Angst! Interessant, er konnte also auch Gedanken lesen. Das würde ihn um ein Vielfaches mächtiger machen, als er ohnehin schon war! Er würde alle Personen zukünftig ausspionieren können, ohne, dass sie es merkten! Zeit, diese Fähigkeit an anderen auszuprobieren! Voller Vergnügen stellte er sich vor, wie es wohl wäre, Billy Stubbs wundeste Punkte ausfindig zu machen und so richtig darin herumzustochern! Er drehte sich vorsichtig zu Billy und versuchte, seinen Blick zu erhaschen, so wie er es bei Clarissa getan hatte. Wie soll ich nur ohne meinen Hasen leben? Jetzt habe ich echt niemanden mehr! Meinen Vater will ich nie wieder sehen und meine Freunde... Ständig muss ich Angst haben, dass Chris mein großes Geheimnis herausfindet. Moment einmal, was starrt dieser bescheuerte Tom mich so an? Gruselig! Es ist absolut peinlich, dass ich mit meinen stolzen zwölf Jahren Angst vor einem Grundschulkind habe. Aber er sieht so gruselig aus mit seinen dunklen Augen und dem durchdringlichen Blick. Dennoch sieht er gut aus. Das finden viele Mädchen und sicher nicht nur diese. Ich bin so neidisch, dass er eine Freundin hat. Es ist ja so offensichtlich, dass Amy ihm schöne Augen macht, obwohl ich in sie verliebt bin. Sie ist so hübsch mit ihren mandelförmigen Rehaugen in diesem dunklen Grau, fast Braun und ihrem Puppengesicht, aber für sie gibt es nur Tom hier, Tom da. Ich hasse diesen Jungen aber wäre gleichzeitig so gerne so schön wie er! Billys Gedanken brachen ab und er schnitt halbherzig mit seinem verweinten Gesicht eine Grimasse in Toms Richtung. Damit er nicht noch mehr auffiel, als er es sowieso schon tat, drehte Tom sich wieder weg und widmete sich seinem Essen. Das waren ja wirklich brisante Neuigkeiten, die er da erfahren hatte. Sein größter und schlimmster Feind wäre also gerne so wie er. Er grinste leicht, was aber offensichtlich bei den anderen Kindern Misstrauen erregte. Amy schauderte, als ihre Blicke sich trafen, ihre Hand zitterte plötzlich und die Gabel, auf die sie ihr Rührei gespießt hatte, fiel ihr aus der Hand und sie kleckerte auf ihre hellblaue Destroyed Jeans. Offensichtlich schien sie eine große Angst vor ihm entwickelt zu haben, was ihm mehr als entgegenkam.  Sie schlug die Hände vor ihr Gesicht und errötete vor Scham. Hastig hob sie die Gabel auf, die mit einem Klirren zu Boden gefallen war, knallte sie auf ihren Teller und lief mit hochrotem Gesicht davon. So eine hysterische Tussi! Als ob dieser Fleck jetzt so schlimm wäre, dass man sofort davonrennen musste! Tom konnte über so etwas nur den Kopf schütteln, aber ihre Schwäche nützte ihm natürlich. Sie war alleine gegangen und er könnte sie nun einholen und ihr drohen, das mit Clarissa auf gar keinen Fall weiterzusagen. Und er könnte eventuell seine Rache an ihr auch schon etwas früher ausüben. Er schob sich den letzten Löffel Baked Beans in den Mund und zwang Dennis dazu, seinen und Amys Teller wegzuräumen. So hatte er einen Vorsprung und diesmal konnte Dennis Amy nicht so leicht aus der Patsche helfen. Dennis, der immer noch schwer unter Schock stand, wagte nicht, Widerworte zu geben. Tom, der sich dadurch für sein schlechtes Verhalten belohnt fühlte, da die Konsequenzen weitestgehend ausblieben und es ihm sogar Vorteile verschaffte, überlegte, auf jeden Fall noch weitere grausame Racheaktionen an allen durchzuführen, die nicht taten, was er wollte und ihm in irgendeiner Weise in die Quere kamen.

Also stand er auf und folgte Amy, die, so schnell sie konnte, was nicht sonderlich schnell war, zu ihrem Zimmer eilte. Auch wenn sie im Turnen und Tanzen durch ihre Muskelkraft, geringe Körpergröße, kurzen Gliedmaßen und ihre Dehnbarkeit unschlagbar war, war sie was Schnelligkeit und Ausdauer anbetraf, stark im Nachteil. Tom hätte sie spielend leicht einholen können, aber der Schockmoment wäre nicht so groß gewesen. Anstatt im Laufschritt zu ihr aufzuschließen, stellte er sich vor, wie sie über einen unsichtbaren Balken in der Luft stolperte und hinfiel, was auch in Kürze geschah. Amy schrie auf und fing sich mit ihren Handballen ab. Bis sie sich aufgerappelt hatte, konnte Tom sie seelenruhig einholen. „Na, Amy, das war aber ein plötzlicher Abgang, sowohl vor, als auch nach dem Essen“, spottete er und sah auf sie herab, „Wir haben uns doch noch so nett unterhalten, oder?“ Heftig schüttelte Amy den Kopf und wagte nicht, ihm in die Augen zu sehen. Nach einer Weile murmelte sie: „Warst du der Kaninchenmörder?“ Tom schwieg auf diese Frage hin. Amy wusste, dass er zaubern konnte, schließlich hatte sie ihn immer genau dafür bewundert und mit Prinz Cardan gleichgesetzt. Vor ihr könnte er sich schlecht herausreden. „Es war ein Hase“, korrigierte er sie schließlich mit überlegenem Grinsen, „Kein Kaninchen. Das ist ein Unterschied.“ „Echt? Ich dachte, beides wäre dasselbe“, erstaunt riss Amy ihre Augen auf, „Aber warst du es nun oder nicht?“ Instinktiv trat sie einen Schritt zurück. Sie fürchtete die Antwort und fürchtete, der Realität ins Auge blicken zu müssen, dass ihr geliebtes kleines Tommylein ein furchteinflößender und eiskalter Mörder war. Ein böser Zauberer eben. Tom genoss das Gefühl der Überlegenheit, schritt auf sie zu und hob ihr Kinn leicht an, sodass sie gezwungen war, ihm in die Augen zu sehen. „Abgesehen davon, dass du über so gut wie gar keine Allgemeinbildung zu verfügen scheinst, bist du doch eigentlich so ein schlaues Mädchen, oder?“, feixte er, „Ahnst du es nicht? Wer sollte es denn sonst gewesen sein? Nun siehst du, was denen blüht, die sich gegen mich stellen.“ Amys ganzer Körper zuckte unkontrolliert. Armselig! Tom grinste breit und enthüllte sein makelloses Gebiss. Er war so schön und doch so böse. Amy konnte sich nicht entscheiden, ob sie weiterhin um seine Zuneigung kämpfen oder sich schnellstmöglich in Sicherheit bringen sollte. Sie entschied sich offensichtlich für die zweite Möglichkeit und zog Toms Hand von ihrem Kinn. „Nicht so schnell“, zischte Tom und packte sie am Arm, „Du sagst niemandem auch nur ein Wort, verstanden? Ansonsten bist du tot!“ Auf einmal hörte er Schritte den Gang entlanghallen.

Mrs Cole kam schnurstracks auf die beiden zu. „Tom, Amy, bitte kommt in mein Büro, ich führe gerade eine Befragung aller Verdächtigen durch und ich weiß, dass du, also Tom, und Billy einen Streit hattet und dass eure Cliquen miteinander verfeindet sind. Andrew und Aiden haben auch von einem Vorfall erzählt, in den Amy involviert war. Ihr hättet also beide ein Motiv, der Clique etwas heimzuzahlen. Also kommt bitte mit“, ordnete Mrs Cole an und zitierte die beiden in ihr Büro. Erstaunlicherweise hatte Tom gar keine Angst, viel mehr verspürte er ein aufgeregtes Kribbeln und eine gewisse Vorfreude darauf, Mrs Cole an der Nase herumzuführen. Er fand es auch ungeheuer amüsant, dass Amy nun auch mitkommen musste. Die arme, kleine, naive, dumme Amy als Verdächtige? Zum Totlachen! Vielleicht könnte er die Tat Amy aus Rache in die Schuhe schieben, er verwarf diese glorreiche Idee jedoch wieder, da Amy zwar eine hervorragende Turnerin, Sängerin, Tänzerin und so weiter war, aber so talentiert im Klettern, dass sie da hätte heraufkommen können, war sie definitiv nicht und sonst würde man ihn bloß der Lüge verdächtigen. Er zog Amy hinter sich her, die ihm immer noch schockiert und verängstigt folgte und ab und zu verzweifelt versuchte, ihr Handgelenk aus seinem festen Griff zu befreien, was ihr aber nicht gelang. Schließlich gab sie es auf und lief schweigend neben ihm her und folgte Mrs Cole ins Büro. „Hinsetzen“, befahl Mrs Cole und deutete auf die zwei Stühle gegenüber von ihrem Pult. „Tom, mit dir fange ich als Erstes an. Billy und du, ihr habt gestern gestritten. Wolltest du dich an Billy rächen? Beantwortest du meine Frage ehrlich, fallen die Konsequenzen deutlich milder aus als wenn ich dich der Lüge überführe.“ Tom setzte seinen unschuldigsten Dackelblick auf und sah zu ihr nach oben. „Ich habe damit nichts zu tun, Madame“, säuselte er mit seiner lieblichsten Stimme, „Wie hätte ich denn da hochkommen sollen? Sie wissen ja, dass ich außer Basketball keinen Sport betreibe und dementsprechend keine guten Fähigkeiten im Klettern habe.“ „Ja, da hast du recht, das ist natürlich ein Argument, trotz des starken Motivs, weil Billy sich in letzter Zeit sonst kaum Feinde gemacht hat, außer eure Clique. Dennis habe ich vorher schon im Speisesaal befragt und er hat mir auch gesagt, dass ihr beide gemeinsam davongelaufen seid. Amy, du bist sportlich. Hast du damit zu tun?“ „Nein, Madame“, entrüstet sah Amy sie an, „Ich kann zwar Billy Stubbs nicht sonderlich leiden, aber wirklich verhasst sind wir auch nicht. Wir haben nichts miteinander zu tun. Außerdem reichen meine Fähigkeiten im Turnen nicht fürs Klettern aus, da ich eher auf Bodenturnen und Flickflacks spezialisiert bin. Geräteturnen, Klettern und Akrobatik kann ich nicht sonderlich gut.“ „Dann kann ich euch also nichts nachweisen, da habt ihr noch einmal Glück gehabt. Ihr könnt nun gehen. Sollte ich aber doch noch herausfinden, dass es einer oder eine von euch war, dann wird es ernsthafte Konsequenzen für die betreffende Person haben. Erstens: Die Person kommt nicht mit ans Meer und bekommt keine neuen Badeanzüge. Zweitens: Beim nächsten besonderen Anlass erhält die Person keine Geschenke. Ihr wisst beide, dass ein Mord, egal ob an einem Menschen oder an einem Tier absolut falsch ist. Klar, wir Menschen essen auch Tiere, aber es gibt einen Unterschied, ob man ein Lebewesen kurz und möglichst schmerzfrei tötet, weil man ein Raubtier ist und dieses danach auch verzehrt, oder ob man bloß aus Freude daran, Lebewesen zu quälen diese auf so grausame Art und Weise um die Ecke bringt. Und dass diese Person auch noch nicht volljährig ist. Ja, gut, bei vielen Kindern hier ist pädagogisch, bevor sie hierhergekommen sind, einiges schiefgelaufen, aber trotzdem. Bei mutwilliger und zweckloser Tötung von Lebewesen hört für mich der Spaß auf. Das ist sadistisch und zeigt sehr antisoziale Tendenzen. Die betreffende Person sollte auf jeden Fall auch noch in ernsthafte psychologische Betreuung kommen.“

Tom erschauderte innerlich. Solch ein Glück, dass niemand ihm etwas nachweisen konnte! Er hatte keine Lust darauf, von einem Psychologen begutachtet oder gar in die Klinik eingewiesen zu werden. Erleichtert einerseits, weil er sich fürs Erste herausgeredet hatte, angespannt andererseits wegen der wenig verlockenden Aussichten, falls man ihn doch noch erwischte, verließ er den Raum. Amy zögerte, ihm zu folgen. „Geh, Amy, oder hast du noch was auf dem Herzen?“, Mrs Cole zog kritisch eine Augenbraue hoch. Tom sah, wie Amy litt und erfreute sich daran. Sie hatte die Wahl zwischen Pest und Cholera. Entweder sie folgte Tom und musste mit einer Strafe oder Demütigung durch ihn rechnen, oder sie blieb bei Mrs Cole stehen und geriet unter Verdacht. „Nein, nein, alles gut“, wehrte Amy ab, „Oh, mir ist glatt entfallen, dass ich mir noch eine  neue Hose anziehen muss, dieser Fleck sieht einfach grässlich aus! Ciao und bis später!“ Mit einem gekünstelten Lachen rauschte sie davon und rannte auf ihr Zimmer. Tom ließ sie gewähren, ein echtes Raubtier spielte schließlich mit seiner Beute und Rache wurde am besten kalt serviert. Und Dennis sollte sich auch noch wundern, weil dieser einfach Mrs Cole zu ihnen geschickt hatte. Die beiden hatte er nun als seine neuen Sündenböcke auserkoren. Mit einem fiesen Grinsen im Gesicht ging er in sein Zimmer.

 

Forward
Sign in to leave a review.