Dunkle Tage

Harry Potter - J. K. Rowling
M/M
G
Dunkle Tage
Summary
Eines Nachts klopft Albus Dumbledore an Lupins Tür, und hat jemanden im Schlepptau, mit dem dieser so gar nicht gerechnet hat...Die Figuren sind aus Rowlings Büchern geborgt und gehören mir nicht.Ihre Ansichten zu trans* Menschen teile ich nicht!
Note
"Sorrow found me when I was young.Sorrow waited. Sorrow won."(Sorrow, The National)
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Chapter 3

Sie hatten ihn wieder in den Keller zurückgeworfen.

Mühsam öffnete Severus die Augen, aber da war nur Finsternis um ihn herum. Er erinnerte sich an den Nachthimmel, und die Sterne, und den Schnee, den er fast schon auf seinen Lippen schmecken konnte. Nur, dass die sich fürchterlich geschwollen und taub anfühlten.

Er stöhnte und selbst das tat weh.

Aber dieses Mal war da kein kalter Steinboden unter ihm, sondern eine überraschend weiche Matratze und eine warme Decke, die er mit steifen, zitternden Fingern über sich zog.

Aber die Kälte steckte immer noch tief in seinen Knochen. Unruhig warf er sich auf die andere Seite, und zog vor Schmerz zischend den Atem ein.

Er wusste nicht so recht, wessen List das war und was sie bezwecken sollte. War es Lucius Malfoy, der ihn in Sicherheit wiegen wollte? Bellatrix Lestrange, die ihn ein wenig aufpäppelte, bevor sie wieder einen Crucio-Fluch nach dem nächsten auf ihn losließ?

Das hier trug nicht wirklich die Handschrift von Todessern, und gerade das war es, was ihm Angst machte. In einem zugigen Keller immer wieder verhört zu werden, damit hatte er gerechnet. Aber das hier, das war neu und sehr viel furchteinflößender als eine weitere Reihe Unverzeihlicher Flüche.

Severus versuchte, sich aufzurichten, aber er war zu geschwächt. Seine Arme zitterten vor Erschöpfung und sein Kopf zerbarst fast vor Anstrengung. Er fiel wieder auf das Bett zurück und starrte an die finstere und viel zu niedrige Decke. Immerhin tropfte kein abgestandenes Wasser aus kaputten Rohren, wie in dem anderen Keller.

Dabei hätte er gerade alles für einen Schluck Wasser, und wäre es nur aufgefangenes Regenwasser, gegeben.

In dem Moment hörte er das Rasseln von Ketten und einen schweren Riegel, der zurückgeschoben wurde. Mühsam kroch er ein bisschen zurück an die Wand und zog die Decke noch mehr über sich.

Der Zauberer, der erschien, blendete ihn mit einem gleißend hellen Zauberstab. Severus ließ sich die Haare ins Gesicht fallen und versteckte sich hinter seinen nach Wochen der Gefangenschaft verfilzten Strähnen.

„Severus?“, fragte eine vertraute Stimme zögernd.

Aber das konnte nicht sein, Remus Lupin war kein Todesser, das hätte er schon längst erfahren.

Es war nur eine List, eine Illusion, und bald schon würde er sich wieder auf dem kalten Kellerboden winden, bevor es langweilig wurde, Unverzeihliche Flüche auf ihn zu richten und er für immer in der Dunkelheit versank.

„Severus, kannst Du mich hören?“, fragte die Stimme von Remus Lupin erneut unsicher.

„Lass mich in Ruhe“, krächzte Severus mit seiner vom Schreien noch heiseren Stimme, aber sein gebrochener Kiefer brachte die Laute nur abgehackt und kaum verständlich hervor.

Die Gestalt kam näher und Severus hob die Hände schützend vor das Gesicht. Seine Finger zitterten, und seine Arme wurden schwer, aber er schaffte es trotzdem irgendwie, den anderen Zauberer mit einem durchdringenden und hasserfüllten Blick zu fixieren.

Wenn sie ihm mit dem Werwolf aus seinen Albträumen Angst machen wollten, dann würde ihnen das nicht gelingen. Der Tag unter der Peitschenden Weide war lange her, und er wachte schon seit ein paar Jahren deshalb nicht mehr nachts schweißgebadet auf.

„Ich habe ein bisschen Wasser gebracht“, sagte Remus, doch das entlockte Severus nur ein müdes Lächeln.

Er würde nichts trinken, was ihm angeboten wurde. Dafür hatte er viel zu lange selbst gebraut, und es gab schlimmere Dinge als Veritaserum, das wusste er sehr genau.

Doch Remus blieb einige Schritte von dem Bett entfernt stehen und mit einer abgehackten Bewegung seines Zauberstabs erleuchteten kleine mechanische Glühwürmchen, die in schwebenden Gläsern gesammelt waren. Vorsichtig stellte er einen Krug sowie eine Tasse und eine Schale mit Keksen auf dem Boden ab.

Im Schein der schwebenden Beleuchtung, die ein warmes Licht durch den engen Raum warf und in deren Schatten die Kratzer an der Wand wie tiefe Furchen wirkten, betrachtete Remus ihn viel zu gründlich und durchdringend. Severus fühlte sich unwohl, und gab sein Bestes, so unnahbar und gleichgültig wie möglich auszusehen.

„Dein Kiefer ist gebrochen“, stellte Remus missbilligend fest und Severus wusste nicht so recht, was er darauf erwidern sollte. Ja, vielen Dank für den Hinweis, das wäre ihm doch glatt fast selbst entgangen.

Vorsichtig näherte sich Remus und hob fragend den Zauberstab.

„Heilungszauber sind nicht meine Stärke, aber ich könnte es für Dich richten?“, schlug er vor.

Severus verzog das Gesicht, und bereute es sofort, als Wellen von Schmerz sich in der Form von schwarzen Flecken vor seinen Augen manifestierten.

„Ich weiß, dass das alles hier nicht wirklich ist“, fauchte er, aber Lupins verwirrtem Gesichtsausdruck nach zu schließen, kamen die Wörter durcheinander und verschluckt bei ihm an.

Doch das schien Lupin wiederum zu einer Entscheidung zu bewegen. Entschlossener ging er die letzten Schritte und stach Severus den Zauberstab in die Wange. Der tat sein Bestes, sich den Schmerz nicht anmerken zu lassen, aber seine Hände verkrampften sich und er hustete gurgelnd.

Es knackte fürchterlich und Severus spürte, wie sich die Knochen in seinem Gesicht verschoben.

Im nächsten Moment fühlte sich alles wieder wie gewohnt an und auch die Schwellungen waren merklich zurückgegangen. Behutsam fuhr er mit einer Hand über seine Wangen und seinen Mund, aber da war kein Pochen mehr.

„Danke“, flüsterte er heiser.

Vorsichtig setzte Severus sich auf, und versuchte seine zitternden Hände und Arme so gut es ging in den schwarzen Umhängen zu verbergen. Darunter trug er immer noch seine alte Kleidung, die inzwischen mehrere Löcher aufwies, an mehr als einer Stelle gerissen war und den Gestank des schimmligen Kellers versprühte. Irgendjemand musste ihm einen neuen Umhang umgelegt haben, auch wenn er sich den Grund dafür nicht erklären konnte.

Sein linkes Auge zuckte.

Mitfühlend erhob Remus seinen Zauberstab und es wurde noch etwas wärmer in dem kahlen Raum. Dankbar lehnte Severus sich an die Wand hinter ihm und für einen Moment schloss er die Augen.

Dann starrte er Remus wieder hasserfüllt an.

„Was genau wird das hier?“, fragte er missmutig.

Remus zuckte nur hilflos die Schultern. Aus einer seiner Manteltaschen ragte eine Rotweinflasche hervor und bei genauerem Hinsehen wirkte er etwas fahrig. Jetzt nahm er diese Flasche ungerührt und trank einen großen Schluck.

Wortlos reichte er sie Severus hinüber, der ebenfalls den schweren Rotwein trank. Er fühlte sich schal auf seinen Lippen an, aber er verjagte den Geschmack nach altem Eisen und geronnenem Blut.

„Hätte nicht gedacht, dass nur drei Jahre, nachdem wir Hogwarts verlassen haben, alles vorbei ist“, sagte Lupin düster.

Severus nickte zögernd.

„Ja, die guten alten Zeiten, wo die Welt noch so wunderschön für uns alle war“, erwiderte er und hörte selbst, wie jedes Wort vor bitterem Sarkasmus triefte.

Aber Remus schien es nichts auszumachen.

„Immerhin waren wir alle noch am Leben“, sagte er und nahm Severus die Flasche aus der Hand, um selbst den letzten Rest zu trinken.

Dann stellte er die Schüssel und das Wasser zu Severus aufs Bett, doch dieser rührte immer noch nichts davon an. Lupin lachte finster.

„Glaub mir, wenn ich irgendwo in diesem Haus Gift versteckt hätte, hätte ich es schon längst selbst getrunken!“, meinte er.

Jetzt erst fiel Severus auf, wie müde und ausgemergelt Lupin wirkte. Unter seinen Augen befanden sich dunkle Schatten, eine nicht verheilte Narbe zog sich wulstig über seine Augenbraue und er sah dünn und eingefallen in seiner schäbigen Kleidung aus.

Außerdem war es nicht so, als ob er nicht selbst schon längst den Toten angehörte. Er nahm einen der Kekse und war überrascht, wie Vanille und Zimt auf seiner Zunge verschmolzen. Es waren auf jeden Fall nicht Hagrids Felsenkekse, an denen man sich die Zähne ausbiss.

„Wie fühlt es sich an, für so viel Unglück verantwortlich zu sein?“, fragte Lupin unvermittelt. In seinen Augen glühte etwas, und wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte Severus es für Wut gehalten. Aber es passte so gar nicht zu dem Remus Lupin, den er aus der Schule kannte.

„Ich weiß nicht, auf diesem Gebiet wart ihr doch früher die Experten“, gab er zurück.

In seinen letzten Stunden wollte er nicht über die Fehler seines traurigen Lebens sprechen. Und schon gar nicht über die Potters, oder über Sirius Blick, der zum Verräter geworden war.
Obwohl er immer noch ein bisschen Genugtuung darüber empfand, dass ausgerechnet Sirius Black nun für die vorhersehbare Zukunft in Azkaban saß. Auch, wenn er ihm dort bald Gesellschaft leisten würde, vorausgesetzt natürlich den Fall, dass das hier wirklich Remus Lupin und kein Todesser mit Vielsaftrank war.

Allmählich fand er sich mit dem Gedanken ab, vorläufig vielleicht wirklich in so etwas wie Sicherheit zu sein. Doch dann betrachtete er seine Umgebung genauer. Die Kratzspuren an den Wänden und die Wolfshaare in der Bettwäsche verrieten sehr genau, welchem Zweck dieser Keller diente. Entsetzt riss er die Augen auf.


„Ist es das? Willst Du zu Ende bringen, was Dir damals in der heulenden Hütte misslungen ist?“, fragte er.

Aber Lupin schüttelte nur entgeistert den Kopf.

„Auch wenn es Dir zu glauben schwerfällt, aber anders als Dein Freund Greyback bin ich kein mordlustiger Irrer“, entgegnete er und fuhr sich über die matten Haare.

Die Glühwürmchen über ihnen schwirrten umher und warfen Schatten auf die Ecken und Kanten des schmalen Raums.

Severus lachte ungläubig auf.

„Mit solchen Leuten wie Greyback habe ich nichts zu tun!“, erwiderte er abfällig.

Daraufhin sah Lupin ihn so wütend an, dass dieses Mal kein Zweifel an der Emotion bestand.

„Greyback gehört doch auch zu Lord Voldemorts Bekanntschaften, wenn ich mich nicht täusche? Oder sind sie nur für die Drecksarbeit da, für die sich Bellatrix Lestrange und Lucius Malfoy und Du zu gut seid?“, fragte er und seine Stimme hallte laut von dem Mauerwerk wider.

Severus wurde ein wenig übel bei der Erwähnung der anderen beiden Todesser. Er sah schon wieder den alten Keller vor sich, mit dem vor abgestandenem Wasser triefenden Balken und den verschimmelten Ecken und dem Rattenkot auf dem Boden.

„Ich habe das alles nicht gewollt“, flüsterte er so leise, dass er selbst die Worte kaum verstand.

Doch er hatte vergessen, dass Lupin über ein Werwolfgehör verfügte und so stand der ihm jetzt fassungslos gegenüber.

„Dafür ist es jetzt reichlich spät“, spie Lupin ihm voller Zorn entgegen.

Severus nickte.

„Ich weiß“, erwiderte er nur, und lehnte sich schon wieder zurück.

Er merkte, wie seine Kräfte nachließen. Das Wasser und die Kekse hatten ein wenig geholfen, aber er war plötzlich unendlich erschöpft, und wollte einfach nur noch, dass es vorbei ist.
Für eine Weile schwiegen sie beide, doch dann trat Lupin zögernd auf ihn zu.

„Als meine Freunde starben, ist für mich eine Welt zusammengebrochen“, sagte er.

Severus wusste nicht so ganz, wieso Lupin ihm das erzählte. Vielleicht hatte der Werwolf entschieden zu viel Wein getrunken, anders konnte er es sich nicht erklären. Trotzdem änderte es nichts daran, dass ihm die ganze Geschichte wirklich leid tat.

Und Lupin war damals nett gewesen, in Hogwarts. Er hatte ihm manchmal mitfühlende Blicke zugeworfen, und an dem Tag am See hatte er als Einziger nicht gelacht. Es war nicht viel, aber es hatte ihm damals etwas bedeutet.

„Wenn ich es ungeschehen machen könnte, dann würde ich alles dafür geben, das musst Du mir glauben“, krächzte er heiser.

Unvermittelt sah ihm Lupin in die Augen, und er hielt dessen Blick lange stand. Dann nickte Lupin, und etwas in seinen Zügen wurde weicher.

„Alles fühlt sich leer an“, sagte er.

„Ja“, erwiderte Severus nur, und dann schwiegen sie wieder.

Allmählich merkte Severus, wie tief die Müdigkeit in ihm reichte. Erschöpft ließ er sich wieder auf das Bett sinken und schloss die Augen. Die Laken rochen nach Weichspüler, und ein bisschen nach alten Büchern und verstaubten Wandschränken.

Severus war schon fast eingeschlafen, als er spürte, wie ihm jemand behutsam eine weitere Wolldecke über die Schultern legte. Vielleicht zitterte er sogar im Schlaf, ob vor Kälte oder seinen Träumen konnte er selbst nicht sagen. Das Aufziehen der Morgendämmerung, welches sich durch die Tür zum Haus hinauf mit vergessenen Strahlen bemerkbar machte, verschlief er. In seinen Albträumen war es dunkel und kalt und er fiel immer wieder in die Schwärze hinab.

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