
Chapter 7
Ein dumpfes Geräusch ließ Harry langsam aus dem Schlaf dämmern. Er blinzelte träge, spürte das warme Licht des Kamins auf seinem Gesicht und merkte erst dann, dass sein Kopf gegen etwas Ruhiges, Warmes lehnte.
Ein Atemzug. Nicht seiner.
Er riss die Augen auf – und sah direkt in Theodores Gesicht.
Harry lag halb gegen ihn gelehnt auf dem Sofa im Slytherin-Gemeinschaftsraum, ihre Beine irgendwie ineinander verschränkt, Theodores Arm leicht gegen seine Schulter gedrückt. Sie mussten irgendwann in der Nacht einfach eingeschlafen sein.
„Oh, das ist ja goldig.“
Harry schoss aufrecht. Seine Augen fanden sofort die Quelle der Stimme – Blaise Zabini stand am Fußende des Sofas, ein amüsiertes Grinsen auf den Lippen, während er sich entspannt gegen einen Tisch lehnte.
Neben ihm stand Pansy Parkinson, die sich theatralisch eine Hand auf die Brust legte. „Ich wusste ja, dass Potter und Nott sich gut verstehen, aber dass ihr hier kuschelnd auf dem Sofa schlaft? Das ist ja entzückend!“
Theodore, der noch nicht ganz wach war, blinzelte langsam. „Was?“
Harry rieb sich über das Gesicht und stöhnte. „Ernsthaft?“
Blaise verschränkte die Arme. „Oh, sehr ernsthaft. Ich meine, wer hätte gedacht, dass unser Retter der Welt so anhänglich ist?“
„Ich bin nicht anhänglich.“
„Sag das deinem Schlafstil, Potter. Du lagst halb auf Theo drauf.“
Theodore rieb sich die Schläfen und schüttelte müde den Kopf. „Zu viel Gerede. Zu früh.“
Pansy grinste süffisant. „Zu früh? Also entschuldige, aber wenn wir euch schon so süß zusammenfinden, müssen wir das doch ausnutzen.“
Harry rollte mit den Augen und stand auf. „Okay, genug. Wir haben nur hier gesessen und sind irgendwann eingeschlafen. Ganz normal.“
„Ganz normal?“ Blaise zog eine Augenbraue hoch. „Glaub mir, Potter, wenn du so an mir geklebt hättest, hätte ich dich mitten in der Nacht aus dem Fenster geworfen.“
Theodore stand jetzt ebenfalls auf, streckte sich kurz und gähnte. „Tja, dann bin ich wohl großzügiger als du, Zabini.“
Blaise lachte. „Ach, Theo. Ich wusste ja schon immer, dass du ein Herz für verlorene Seelen hast.“
Harry seufzte. „Ich bereue alles.“
Pansy winkte gespielt tröstend ab. „Ach, Potter. Gewöhn dich dran. Wir sind Slytherins – wir vergessen nichts.“
Harry war sich ziemlich sicher, dass sie ihn noch Wochenlang damit aufziehen würden.
Professor Umbridge stand mit ihrem üblichen, viel zu süßen Lächeln vor der Klasse. Ihre rosa Robe war makellos, ihre Locken lagen perfekt, und doch spürte jeder in dem Raum die unterschwellige Bedrohung, die von ihr ausging.
„Nun, da wir die Theorie über Verteidigungszauber heute ausführlich behandelt haben,“ sagte sie mit ihrer honigsüßen Stimme, „möchte ich daran erinnern, dass praktisches Üben absolut nicht notwendig ist. Wer sich mit reiner Theorie nicht sicher fühlt, hat wohl einfach nicht genug gelernt.“
Einige Schüler warfen sich genervte Blicke zu. Ein Verteidigungskurs, in dem sie sich nicht verteidigen durften – es war absurd.
Dann machte Crabbe einen entscheidenden Fehler.
„Das ist doch völliger Mist!“ platzte er heraus, viel lauter, als es gut für ihn war.
Die Klasse verstummte.
Jede einzelne Bewegung im Raum fror ein. Selbst Draco, der sonst gerne große Reden schwang, hielt die Luft an.
Umbridge drehte sich langsam zu Crabbe um, ihr Lächeln versteinert.
„Verzeihung, Mr. Crabbe?“ fragte sie in gespielter Sanftheit.
Crabbe war nicht klug genug, um seinen Fehler zu erkennen. „Das bringt doch alles nichts! Was sollen wir denn tun, wenn wir wirklich angegriffen werden? Dem Angreifer unser Buch ins Gesicht werfen?“
Einige Schüler kicherten leise, aber das Lächeln von Umbridge zuckte nicht einmal.
„Nachsitzen, Mr. Crabbe,“ sagte sie schließlich in einer Stimme, die fast sanft war – und doch war ihr Blick eiskalt.
Crabbe verschränkte die Arme. „Mir doch egal.“
Umbridge zwinkerte fast vergnügt. „Oh, ich bin mir sicher, dass es Ihnen bald nicht mehr egal sein wird.“
Draußen dämmerte es bereits als Crabbe fluchend durch den Eingang gestapft kam, seine Schritte schwer, seine Miene vor Wut verzogen.
„Diese verdammte Schlampe!“ brüllte er und riss seine Tasche in die Ecke.
Blaise, der gerade in einem Sessel lümmelte, runzelte die Stirn. „Oh, Crabbe, was für ein poetischer Wortschatz. Was hat sie denn mit dir angestellt?“
Crabbe hielt die Hand hoch.
Die gesamte Gemeinschaft hielt den Atem an.
Blutige Worte prangten über seinen Knöcheln, tief in die Haut geritzt, glühend rot.
„Ich soll keine dummen Fragen stellen.“
Ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus. Blaise stand langsam auf, seine sonst so entspannte Haltung wie weggeblasen. „Was zur Hölle…?“
„Das ist doch nicht…“ Pansy starrte auf die Worte, ihre Stimme ungewöhnlich leise.
Crabbe fauchte: „Ich schwöre, wenn ich noch einmal in diesen Raum muss, zerfetze ich ihr Büro!“ Theo hatte sich bisher aus dem Gespräch herausgehalten, doch jetzt wanderte sein Blick langsam zu Harry.
Harry, der mit versteinerter Miene auf Crabbes Hand starrte.
Harry, der als Einziger nicht überrascht wirkte.
Theo musterte ihn genauer. Er war sich sicher, dass er gesehen hatte, wie Harry vor ein paar Tagen nachsitzen musste. Doch danach hatte er nichts gesagt, kein Wort über Umbridge verloren.
„Potter.“ Theos Stimme war leise, aber bestimmt.
Harry blinzelte, sah ihn an.
„Wie war dein Nachsitzen?“ fragte Theo.
Harrys Kiefermuskeln zuckten kurz, dann zuckte er mit den Schultern. „Kurz.“
Er war kein besonders guter Lügner.
Theo lehnte sich zurück, beobachtete ihn mit scharfem Blick. Harry hatte gewusst, was Crabbe erwarten würde.
Das Schweigen nach Theos Frage zog sich unnatürlich lange hin. Der Kamin knisterte leise, während sich die Anspannung im Raum langsam verdichtete.
Crabbe fluchte noch immer leise vor sich hin und Blaise warf ihm einen besorgten Blick zu, bevor er sich wieder an Harry wandte.
„Moment mal.“ Blaise verschränkte die Arme. „Du hast doch auch bei ihr nachsitzen müssen, Potter.“ Harry zuckte nur mit den Schultern. „Und?“
„Und du hast nichts gesagt.“ Pansy klang fast anklagend. „Kein Wort. Und du hast keine verdammte Szene gemacht, als sie Crabbe drangekriegt hat. Du wusstest es doch schon.“
Harry lehnte sich in seinem Sessel zurück, die Finger in seinen Handflächen vergraben. Er konnte fühlen, wie Theos Blick auf ihm ruhte, prüfend, aber nicht drängend.
„Warum hast du nichts gesagt?“ fragte Theo schließlich, leise genug, dass es fast nur für Harry bestimmt war.
Harry atmete durch. Blaise sah ihn mit gerunzelter Stirn an, Pansy war neugierig, Crabbe immer noch wütend, und Theo – Theo wartete.
Harrys Stimme war rau, als er schließlich sprach. „Sie ist seit dem Sommer hinter mir her. Hat versucht mich aus Hogwarts rauszuschmeißen und nun bin ich in Slytherin. Ich dachte nicht, dass sie das, was sie mit mir macht auch bei andern abzieht.“
Blaise ließ sich mit einem ungläubigen Ausdruck wieder in seinen Sessel fallen. „Verdammt, Potter. Hast du die Narben immer noch?“
Theos Blick zuckte sofort zu Harrys Hand.
„Es heilt schlecht,“ murmelte Harry und schob die Hände tiefer in seine Ärmel.
„Zeig her.“ Theo klang nicht befehlend, eher… ruhig.
Harry hielt einen Moment inne, dann rollte er wortlos seinen Ärmel ein Stück hoch.
Das Licht des Kaminfeuers ließ die feinen, immer noch leicht geröteten Linien auf seiner Haut aufblitzen. Worte, die sich in seine Handfläche gebrannt hatten.
„Ich darf keine Lügen erzählen.“
Die Luft schien plötzlich schwerer zu werden.
Theo betrachtete es einen Moment lang, dann atmete er leise durch.
„Das ist Wahnsinn,“ sagte er schließlich.
Harry lachte trocken. „In der Tat.“
Crabbe, der seine eigene Hand noch immer mit zusammengebissenen Zähnen betrachtete, knurrte: „Ich schwöre, die kriegt irgendwann, was sie verdient.“
„Schön und gut,“ sagte Blaise langsam. „Aber wenn sie das mit uns macht – was macht sie dann mit den anderen?“
Harrys Magen zog sich unangenehm zusammen. Es war eine gute Frage. Wie viele Schüler liefen bereits mit blutenden Händen herum und sagten nichts? Theo schien den gleichen Gedanken zu haben. Er musterte Harry erneut, als würde er gerade eine Entscheidung fällen.
Dann sagte er nur: „Wir müssen einen Plan machen.“
Harry sah ihn an. „Einen Plan wofür?“
Theo lehnte sich zurück, seine Augen glänzten nachdenklich.
„Um uns zu verteidigen.