
Chapter 3
Der Geruch von Pergament und billigem Parfüm lag in der Luft, als Harry sich mit einem leisen Seufzen auf seinen Stuhl sinken ließ. Der Raum wirkte stickig, als würde die bloße Präsenz von Dolores Umbridge der Luft den Sauerstoff entziehen.
Theodore Nott saß neben ihm, die Arme locker auf seinem Tisch verschränkt, während Umbridge mit ihrem üblichen, zuckersüßen Lächeln nach vorne trat.
„Willkommen, meine Lieben,“ zwitscherte sie, ihre hellrosa Robe ein schmerzlicher Kontrast zur düsteren Stimmung. „Heute werden wir uns weiter mit den theoretischen Grundlagen der Verteidigung beschäftigen. Denkt daran – Theorie ist alles, was ihr braucht!“
Harry spürte, wie sich seine Finger um die Feder krallten. Ein leises, sardonisches Schnauben neben ihm ließ ihn kurz zur Seite blicken.
„Sag nichts,“ murmelte Theodore kaum hörbar. „Sonst hast du Nachsitzen.“
„Ich sag doch gar nichts,“ entgegnete Harry genauso leise.
„Noch nicht.“
„Was hast du für eine Meinung zu ihrer Theorie?“ fragte Harry, während Umbridge begann, aus dem Lehrbuch ‚Theorie der defensiven Magie‘ vorzulesen.
Theodore schüttelte kaum merklich den Kopf. „Nutzlos. Wenn du im Kampf nur nachdenkst, bist du tot, bevor du reagieren kannst.“
Harry grinste schief. „Ich wusste, dass du nicht so ein eifriger Anhänger ihres Systems bist, wie Malfoy es gerne hätte.“
„Malfoy kann mich mal,“ erwiderte Theodore trocken.
Ein leises Plopp ließ die Klasse verstummen – Umbridge hatte ihre klobigen Hände auf ihren Schreibtisch gelegt und blinzelte mit gespielter Unschuld in die Runde. „Mr. Potter?“
Harrys Herz schlug etwas schneller. „Ja, Professor?“
„Was ist so amüsant?“ Ihre Stimme klang zuckersüß, aber ihre Augen waren kalt. „Nichts, Professor,“ sagte Harry tonlos.
Neben ihm warf Theodore ihm einen kurzen Blick zu – so, als hätte er eine Ahnung, dass Harrys Geduld bald reißen würde.
„Gut,“ sagte Umbridge. „Dann können Sie mir sicher erklären, warum praktisches Üben unnötig ist, wenn es doch so amüsant zu sein scheint?“
Harry atmete tief durch. Die ganze Klasse sah ihn an.
„Vielleicht, weil Verteidigung gegen die dunklen Künste nichts mit trockenem Blättern in einem Lehrbuch zu tun hat?“
Ein kollektives Einziehen der Luft ging durch die Reihen.
Theodore lehnte sich in seinem Stuhl zurück, beobachtete das Schauspiel, das sich nun vor ihm entfaltete.
Umbridge blinzelte langsam. „Ah. Ich verstehe. Sie meinen also, das Ministerium weiß nicht, was das Beste für Sie ist?“
„Ich meine, dass es eine Verteidigung ist. Und wenn man sich verteidigen will, dann muss man es praktisch anwenden können.“
Einige Schüler hielten den Atem an. Malfoy, zwei Reihen weiter, grinste.
Theodore seufzte leise und drehte seinen Federkiel in den Fingern.
„Potter, Potter, Potter,“ summte Umbridge. „Ich fürchte, Sie haben noch immer nicht verstanden, dass wir in neuen Zeiten leben. Zeiten, in denen Ordnung und Gehorsam von größter Wichtigkeit sind.“
„Also sollen wir einfach brav sitzen bleiben, wenn uns jemand angreift?“ fragte Harry spitz.
Umbridge lächelte. „Oh, Mr. Potter. In Hogwarts werden Schüler doch nicht angegriffen.“
Theodore murmelte leise: „Abgesehen von den Dementoren im Sommer, natürlich.“
Harry biss sich auf die Lippe, um nicht zu grinsen.
Umbridge musterte Theodore für einen Moment misstrauisch, dann wandte sie sich wieder Harry zu. „Nachsitzen, Mr. Potter. Morgen Abend. Sie wissen, wo.“ Harrys Kiefer spannte sich an. „Ja, Professor.“
Umbridge strahlte. „Wunderbar. Nun, zurück zur Theorie.“
The restliche Stunde verging langsam, während Harry und Theodore schweigend weiterschrieben. Erst als die Glocke ertönte und die Schüler begannen, ihre Sachen zu packen, warf Theodore ihm einen beiläufigen Blick zu.
„Du weißt, dass sie dich langsam in den Wahnsinn treiben wird, oder?“
Harry warf ihm ein trockenes Lächeln zu. „Dann werde ich wenigstens in guter Gesellschaft sein.“
Als sie die Klassenräume verließen dachte Harry nach. Er mag es vielleicht geschafft haben, sich Dracos kleiner Probe vom Vorabend entzogen zu haben, aber das bedeutet nicht, dass Malfoy ihn vergessen hat. Im Gegenteil, jetzt beobachtet er Harry noch genauer. Und als Harry eines Nachts einen Fehler macht, ist Draco zur Stelle.
Es ist weit nach Mitternacht, und der Slytherin-Gemeinschaftsraum ist längst leer. Nur die flackernden grünen Lichter der Unterwasser-Kerzen lassen Schatten über die Wände tanzen. Harry schleicht sich leise durch den Raum, sein Umhang über die Schultern geworfen, die Schritte so gedämpft wie möglich.
Er hatte nicht vor, heute Nacht rauszugehen. Aber Theodore hatte ihm eine kryptische Nachricht hinterlassen – einen kleinen, gefalteten Zettel auf seinem Nachttisch.
"Treffen. Gewächshaus drei. Kein Zauberstab."
Er wusste nicht, was es bedeutete, aber wenn es von Nott kam, war es wichtig. Und so war er jetzt hier, schleichend durch den Slytherin-Gemeinschaftsraum, bereit, sich aus dem Kerker zu stehlen.
Was er nicht bemerkte? Dass jemand wach war und ihn beobachtete.
Gerade als Harry durch die große Stein Tür nach draußen schlüpfen will hört er ein Geräusch. Ein leises, spöttisches Räuspern.
Er erstarrt. Dreht sich langsam um.
Dort steht Draco. Lässig, aber mit kalten Augen. „Irgendwohin unterwegs, Potter?“
Harry sieht Draco an. Er lehnt mit verschränkten Armen an der Wand, halb im Schatten, halb im Kerzenlicht. Seine Stimme klingt entspannt, aber sein Blick ist scharf.
„Frische Luft.“ Antwortet er ruhig.
„Oh ja, sicher. Weil du so für deine nächtlichen Spaziergänge bekannt bist.“ Seine Stimme wird kälter, seine Augen verengen sich leicht. „Ich frage mich nur… was genau ist draußen so spannend, dass du es vor uns geheim hältst?“
Harry schweigt. Etwas zu lange.
Draco neigt den Kopf leicht, seine Stimme ist jetzt kaum mehr als ein Flüstern. „Oder ist das etwas, das wir nicht wissen sollen, Potter?“
Harry weiß, dass er sich jetzt entscheiden muss. Draco glaubt ihm nicht. Und schlimmer noch- er testet ihn schon wieder.
„Vielleicht bist du einfach nur zu neugierig, Malfoy.“
Draco grinst schief, aber sein Blick bleibt hart. „Oder vielleicht bist du einfach nicht so gut im Lügen, wie du denkst.“
Einen Moment lang herrscht Stille. Nur das entfernte Tropfen von Wasser an den Kerkerwänden ist zu hören.
Dann lehnt Draco sich näher, seine Stimme ist jetzt nur für Harry bestimmt. „Hör zu, Potter. Wenn du einer von uns bist, dann gibt es Regeln. Wir spielen das Spiel – aber wir spielen es zusammen. Und wir decken keine Verräter.“ Dann fügt er noch leiser hinzu: „Also… was genau verheimlichst du?“
Harry könnte schwören, dass sein Herz für einen Moment aussetzt.
Er hat Sekunden. Sekunden, um eine Antwort zu finden, die nicht seine ganze Tarnung auffliegen lässt. Sekunden, um Draco Malfoy davon abzuhalten, ihm weiter misstrauisch auf die Finger zu schauen. Sekunden – um zu lügen. Oder nicht?
Die flackernden grünen Kerzen werfen lange Schatten auf Dracos Gesicht, seine eisgrauen Augen sind auf Harry gerichtet, prüfend, drängend. Harry spürt, wie sich seine Nerven anspannen. Also tut er das, was er am besten kann. Er improvisiert.
Harrys Stimme ist ruhig, aber entschlossen. „Ich treffe mich mit Theodore.“
Draco hebt eine Augenbraue, aber sein Blick wird nicht weicher, nur abwartender.
„Oh? Und was so Geheimnisvolles plant unser lieber Nott, dass du ohne Zauberstab auftauchst?“
Harry zögert nur den Bruchteil einer Sekunde, aber Draco sieht es. Natürlich sieht er es. „Es geht dich nichts an.“
Draco schnaubt. Seine Augen blitzen gefährlich auf.
„Falsch, Potter. Alles geht mich etwas an, wenn es einen unserer… neuen Mitbewohner betrifft.“ Er lehnt sich näher, seine Stimme ein Hauch von süßer Bedrohung. „Also, wenn du mir weismachen willst, dass du und Theo mitten in der Nacht ganz harmlos durch die dunklen Gänge von Hogwarts schlendert, dann…“ Er schüttelt langsam den Kopf, sein Blick scharf wie eine Messerklinge. „… dann solltest du lernen, überzeugender zu lügen.“
Harrys Kiefer spannt sich an. Draco glaubt ihm nicht.
Er mustert Harry für einen Moment, dann lehnt er sich zurück. Sein Ton wird fast beiläufig, aber Harry lässt sich nicht täuschen.
„Weißt du was, Potter? Mach, was du willst. Aber ich werde die Augen offenhalten. Falls du noch nicht verstanden hast, wie es in Slytherin läuft: jeder hat ein Druckmittel. Und wenn du keins hast… dann bist du eins.“
Harry sagt nichts. Hält Dracos Blick, während dieser langsam aufsteht, ihm noch einen letzten prüfenden Blick zuwirft und dann Richtung Schlafräume verschwindet.
Erst als er sicher ist, dass Draco weg ist, atmet Harry langsam aus.
Draco mag misstrauisch sein, aber das hält Harry nicht auf. Er hat keine Wahl – Theodore erwartet ihn. Und wenn Nott ihm eine kryptische Nachricht hinterlässt, dann bedeutet das, dass es wichtig ist.
Also wartet Harry ein paar Minuten, um sicherzugehen, dass Draco wirklich verschwunden ist. Dann schleicht er sich durch die Kerkergänge nach draußen, das kalte Mondlicht flackert auf den feuchten Steinen. Die Luft ist frisch, und es riecht nach Regen, als er sich Richtung Gewächshaus schleicht.