
Chapter 2
Professor Snape hatte ihn mit seinem üblichen missbilligenden Blick darauf hingewiesen, dass er den Schlafsaal der Fünftklässler beziehen würde. "Versuchen Sie, sich nicht wie ein Gryffindor zu benehmen, Potter", hatte er trocken gesagt. Als ob das so einfach wäre.
Harry schiebt die schwere Holztür zum Slytherin-Jungenschlafsaal auf. Die Atmosphäre ist kühler als im Gryffindor-Turm, aber gleichzeitig gemütlich. Dunkle, grüne Vorhänge, geschnitzte Holzbetten, weiche schwarze Teppiche. Das Licht der Kerzen wirft lange Schatten über die steinernen Wände.
Draco Malfoy sitzt bereits auf seinem Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, während Blaise Zabini gerade seinen Umhang an einen Stuhl hängt.
Draco grinst, als er Harry sieht: „Ah, Potter. Dein Bett ist da hinten. Falls du dich wunderst, ja, es ist echt. Und nein, es beißt nicht.“
Blaise erwidert trocken: „Kann aber nicht garantieren, dass wir nicht beißen.“
Harry ist müde und entnervt, der Abend hat ihm viel abverlangt. „Witzig.“ Er wirft seine Tasche auf sein Bett und fährt sich durch die Haare „Hört mal, ich hab genauso wenig Lust auf das hier wie ihr.“
Draco zieht eine Braue hoch und setzt sich aufrecht hin. „Oh, glaub mir, das wissen wir. Aber da du jetzt hier bist, Potter…“ sein Blick wird spöttisch „Bist du bereit für ein wahres Slytherin-Erlebnis?“
„Was zur Hölle soll das heißen?“
Draco wechselt einen Blick mit Blaise. Dann umspielt ein langsames, zu selbstzufriedenes Grinsen seine Lippen.
„Regeln, Potter. Wir haben… ein paar eigene Regeln hier unten.“
Harry setzt sich langsam auf sein Bett. Die Matratze ist überraschend bequem, aber das Gefühl, beobachtet zu werden, bleibt.
Er ist skeptisch und gleichzeitig denkt er an Notts Worte, die ihm noch immer im Gedächtnis hängen. Er solle sich anpassen. „Okay. Ich höre.“
Blaise zählt mit den Fingern ab, seine Stimme ist ruhig und kontrolliert. „Erstens: Slytherins halten zusammen. Wir streiten uns, klar, aber nach außen hin sind wir eine Einheit.“
Draco nickt und lehnt sich näher zu Harry. „Das heißt, kein Gryffindor-Gehabe. Keine impulsiven Alleingänge, keine blutigen Märtyreraktionen.“ Sein Blick wird kühler.
„Und vor allem: keine Dumbledore-Loyalität, wenn es uns in Schwierigkeiten bringt.“
Harry funkelt ihn an, hebt herausfordernd das Kinn. „Ich verrate niemanden, der es nicht verdient.“ nach einem Moment der Stille fragt er vorsichtiger „Was noch?“
Theodore, der plötzlich im Türrahmen aufgetaucht ist spricht beiläufig: „Zweitens: Geheimnisse bleiben geheim. Was hier gesagt wird, bleibt hier.“ sein Blick trifft Harrys direkt, sein Ton ruhig, aber ernst „Wir alle haben Dinge, die nicht für Außenstehende bestimmt sind.“
„Drittens: Wenn du Schach gegen Malfoy spielst, schummele. Sonst redet er tagelang davon, wie brillant er ist.“ Fügt Blaise grinsend hinzu.
Draco tut empört und dreht sich mit einer extravaganten Geste zu Blaise. „Zabini, ich bin brillant.“
Die Tage in Slytherin vergehen, aber nicht alle nehmen Harrys plötzliche Anwesenheit ohne Argwohn hin. Besonders einer nicht – Draco Malfoy. Während Blaise Zabini ihn mit ruhiger Neugier beobachtet und Theodore Nott ihn meist in Ruhe lässt, ist Draco auf der Jagd nach einer Schwäche. Nach einer Lüge. Nach einem Grund.
Und eines Abends, als sich der Schlafsaal in ruhige Atemzüge und vereinzeltes Blätterrauschen von Theodores Buch hüllt, der viel zu oft bei ihnen im Schlafsaal auf Blaise Bett verweilt, nur um zu lesen, platzt es aus ihm heraus.
Harry ist gerade dabei, sich in sein Bett fallen zu lassen, als er bemerkt, dass Draco ihn beobachtet. Nicht beiläufig, nicht mit gelangweiltem Desinteresse, sondern mit diesem scharfen, prüfenden Blick.
Draco fragt leise, aber mit spitzer Schärfe: „Ich frage mich… wie lange willst du das noch durchziehen?“
„Was genau?“
Draco lehnt sich gegen sein Kopfkissen, die Arme locker verschränkt. „Dieses ganze Ich-gehöre-hier-her-Schauspiel.“ Sein Blick funkelt gefährlich im Kerzenlicht.
„Niemand kauft es dir wirklich ab, Potter.“
Harrys Hände ballen sich unwillkürlich zu Fäusten, aber er hält seinen Blick fest. Ruhig. Berechnend.
Kühl fragt er: „Hast du ein Problem damit?“
Sein Gegenüber lacht spöttisch. „Oh, ich habe mit vielem ein Problem. Zum Beispiel damit, dass der Junge, der Slytherin jahrelang verachtet hat, plötzlich einer von uns sein soll.“ Er lehnt sich nach vorne, seine Stimme kaum mehr als ein Flüstern: „Aber weißt du, was mein größtes Problem ist, Potter?“
Harry sagt nichts. Wartet. Spürt, wie Blaise auf dem anderen Bett einen unauffälligen Blick zwischen ihnen wechselt, bevor er sich scheinbar wieder entspannt. Aber Harry weiß es, Blaise hört zu.
Draco ist gefährlich ruhig. „Ich kenne Verräter, wenn ich sie sehe.“ Die Luft zwischen ihnen knistert vor unausgesprochenem Misstrauen.
„Und du denkst ich bin einer?“
„Wenn du einer wärst, wärst du ein verdammt schlechter.“ Dann ernster, mit einem scharfen Unterton: „Aber ja, ich denke, du spielst ein Spiel. Ich wette nur, du hast selbst keine Ahnung, welches.“
Harry antwortet mit einem Hauch von Ironie in der Stimme: „Vielleicht solltest du mir dabei helfen, Malfoy. Du scheinst ja ein Experte zu sein.“
Draco schnaubt leise, sein Blick bleibt aber kühl und lauernd. „Ich helfe niemandem, den ich nicht durchschauen kann.“
„Dann sieh genauer hin.“
Ein Moment der Stille. Reine, pure Spannung.
Draco Malfoy glaubt nicht an Zufälle. Und schon gar nicht an Gryffindors, die sich plötzlich wie Slytherins verhalten. Also beschließt er, Harry Potter auf die Probe zu stellen. Auf seine Art.
Es ist spät am Abend, der Slytherin-Gemeinschaftsraum ist fast leer. Nur die flackernden Fackeln an den Wänden werfen lange Schatten über den kalten Steinboden. Harry sitzt auf einem der dunklen Ledersessel und studiert einen Zaubertranktext, als sich Draco plötzlich neben ihn setzt – zu locker, zu beiläufig.
„Sag mal, Potter… bist du bereit, etwas Slytherin-Taugliches zu tun?“
Harry legt das Buch langsam zur Seite und sieht ihn misstrauisch an. Dann fragt er kühl: „Was soll das heißen?“
Draco zieht eine Braue hoch, als hätte er genau diese Antwort erwartet. „Es heißt, dass du viel redest, aber nichts beweist. Also… Zeit für einen kleinen Test.“
Harry lehnt sich zurück und verschränkt die Arme. „Und was für einen Test hast du dir ausgedacht, Malfoy?“
Dieser grinst schief, seine Stimme ein Hauch zu süßlich. „Etwas Simples. Etwas, das uns zeigt, ob du wirklich einer von uns bist… oder nur ein Gryffindor im falschen Umhang.“
Blaise, der einige Meter entfernt sitzt, hebt interessiert den Blick. Theodore Nott beobachtet das Ganze aus seinem Lieblingssessel, schweigt aber wie ein Schatten im Halbdunkeln.
Draco zieht einen kleinen, verschnörkelten Pergamentstreifen aus seiner Tasche und wirft ihn vor Harry auf den Tisch.
"Peeves. Tränkeschrank. 30 Minuten."
Harry verengt die Augen, dann hebt er den Blick. „Du willst, dass ich Peeves auf Slughorns Tränkeschrank hetze?“
„Ein kleiner Streich, nichts Großes. Nur um zu sehen, ob du dich anpassen kannst. Oder ob du immer noch der kleine Dumbledore-Liebling bist, der alles nach Regeln macht.“
Harry spürt die Blicke der anderen Slytherins auf sich. Er könnte ablehnen, natürlich könnte er das. Aber das wäre der sichere Weg, Dracos Misstrauen endgültig zu bestätigen. Und dann? Dann wäre er hier erledigt.
„Und wenn ich es nicht tue?“
Draco meint schulterzuckend, aber mit spitzer Stimme: „Dann wissen wir beide, wo du stehst.“
Stille. Ein Moment der Entscheidung. Dann ein kaum wahrnehmbares Grinsen auf Harrys Lippen.
Harry legt den Zettel zurück auf den Tisch und lehnt sich vor. „Slytherins sind nicht dumm, Malfoy. Ich werde nicht riskieren Punkte für mein Haus zu verlieren, nur weil du ein persönliches Problem mit mir hast. Wenn du mich testen willst, dann versuch’s besser.“
Draco blinzelt, gerade so ein Anflug von Überraschung. Harry hat den Test nicht gemacht, aber er hat auch nicht verloren. Stattdessen hat er das Spiel einfach… verändert.
Theodore gibt ein leises Lachen von sich, Blaise schüttelt amüsiert den Kopf.
Draco schmunzelt nun ebenfalls und lehnt sich zurück. „Na schön, Potter… vielleicht bist du doch nicht so hoffnungslos.“ Und mit diesen Worten verschwand er in Richtung Schlafsäle.
Harry blieb noch lange im Gemeinschaftsraum und dachte über die vergangenen Ereignisse nach.
Die Kerzen warfen lange Schatten über die grün schimmernden Wände des Slytherin-Gemeinschaftsraums. Das Feuer im Kamin brannte niedrig, und die meisten Schüler waren bereits in ihre Schlafsäle verschwunden. Nur zwei blieben zurück – Harry Potter und Theodore Nott.
Harry saß auf einem der alten Ledersessel, die Beine angezogen, den Blick auf das tanzende Feuer gerichtet. Theodore saß gegenüber, mit einem Buch in der Hand, dass er allerdings seit Minuten nicht mehr umgeblättert hatte.
Es war eine merkwürdige Stille zwischen ihnen. Nicht unangenehm, aber… ungewohnt.
„Ich dachte ehrlich gesagt nicht, dass du so still bist,“ bemerkte Harry schließlich.
Theodore hob eine Augenbraue. „Und ich dachte nicht, dass du so laut bist.“
Harry schnaubte leise. „Ja, das sagen mir viele.“
Theodore klappte sein Buch zu und musterte ihn nachdenklich. „Du hast dich überraschend schnell an den Gemeinschaftsraum gewöhnt.“
„Ich habe auch keine andere Wahl, oder?“ Harry zuckte mit den Schultern. „Es ist nicht so, als könnte ich einfach wieder nach Gryffindor zurückmarschieren.“
„Nein, das sicher nicht,“ sagte Theodore mit einem leichten Schmunzeln. „Aber das ist es, was du am liebsten tun würdest, oder?“
Harry lehnte den Kopf zurück gegen die Lehne des Sessels. „Natürlich. Ich habe meine Freunde dort. Mein Zuhause… dachte ich zumindest.“
Theodore nickte langsam. „Verständlich. Aber du solltest aufhören, dich selbst als Gryffindor zu sehen.“
Harry sah ihn misstrauisch an. „Wieso?“
„Weil du jetzt in Slytherin bist. Und wenn du überleben willst, solltest du anfangen, so zu denken.“
Ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus.
„Ich bin nicht wie Malfoy,“ sagte Harry schließlich.
„Nein. Du bist anders.“ Theodore musterte ihn mit einem unergründlichen Blick. „Und das ist wahrscheinlich dein größtes Problem. Niemand weiß, was er mit dir anfangen soll.“
„Und du?“ fragte Harry herausfordernd. „Was glaubst du, was du mit mir anfangen sollst?“
Theodore lehnte sich in seinem Sessel zurück, verschränkte die Arme. „Ich denke… du bist faszinierend.“
Harry blinzelte. „Faszinierend?“
„Ja. Du hast all diese Erwartungen, dieses Bild von dir, das jeder hat – aber du passt in keine Schublade. Die Gryffindors denken, du bist ihr goldener Held. Die Slytherins glauben, du bist ein Eindringling oder eine Bedrohung. Und irgendwo dazwischen bist du einfach nur… du.“
Harry wusste nicht, was er darauf sagen sollte.
„Du bist nicht so voreingenommen wie die anderen,“ sagte er nach einem Moment.
„Ich habe nicht den Luxus, voreingenommen zu sein.“ Theodore zuckte die Schultern. „Ich beobachte. Analysiere. Und ich denke, du unterschätzt dich selbst.“
Harry schnaubte. „Oh, ja? Inwiefern?“
„Du hältst dich für einen Gryffindor, aber du bist genauso ehrgeizig, genauso schlau, genauso… anpassungsfähig wie jeder hier.“ Theodore legte den Kopf schief. „Hättest du dich nicht anpassen können, wärst du schon längst untergegangen.“
Harry sah ihn eine Weile schweigend an.
Vielleicht hatte Theodore recht.
Vielleicht war das hier doch nicht sein Ende, sondern eine neue Art von Anfang.
Und vielleicht… war Theodore Nott doch nicht so kalt, wie er tat.
„Danke,“ sagte Harry schließlich leise.
Theodore musterte ihn noch einen Moment, dann schüttelte er nur den Kopf mit einem kleinen Lächeln.
„Mach dir nichts draus, Potter. Wir alle müssen irgendwo dazugehören.“
Und zum ersten Mal seit Wochen fühlte sich Harry nicht mehr ganz so verloren.