
Parkour !!
Die Kinder gingen an diesem Tag recht spät zu Bett, aber es war gerade mal der erste Tag. Routine musste erst einmal erschaffen werden und würde schon früh genug einsetzen. Violet begleitete Myra ins Schlafzimmer und Caitlyn fühlte, wie sie sich anspannte. Sie wartete am Treppenende und lauschte. Erwartete sie Geschrei? Eine Schlägerei? Sie hörte Violet plötzlich reden. „Es befindet sich Essen im Kühlschrank. Geht und macht euch etwas zu essen, ja?“ Caitlyn hörte keine Antwort. Trotzdem blieb Violet noch einmal in der Tür stehen und wünschte den Mädchen eine gute Nacht. Nur Myra antwortete ihr und Violet winkte ihr kurz bevor sie die Tür schloss.
Am Treppenende angekommen umarmte sie Caitlyn plötzlich und Caitlyn blickte verdutzt. Violet zog sich zurück und sah ihr in die Augen. „Du siehst schon den ganzen Abend so aus als bräuchtest du eine Umarmung!“ erklärte sie ruhig und Caitlyn lächelte traurig. „Sah ich so übel aus?“
Violet zuckte kurz mit den Schultern. „Ein bisschen!“
Genau in dem Augenblick betrat eine junge Frau das Gebäude. „Ah!“ Violet begrüßte sie nett und gab ihr kurze Erklärungen zum Gebäude, den Zimmern und dass Vivien und Iris noch nichts zu essen hatten und sicherlich bald in die Küche schleichen würden. Die junge Frau aus Zaun nickte und schien inständig interessiert. Sie würde in Zukunft, wenn sie denn ihre Arbeit gut vollrichtete, nachts auf die Kinder aufpassen.
Während Violet und Caitlyn, Händchen haltend, zurück zur Villa spazierten, die frische Atemluft genießend, fragte sich Caitlyn welchen Effekt die Kinder aus Piltover über die zwei Höllen-teenies hatten. Die kleineren würden wohl kaum einen Unterschied machen, aber Vivien und Iris? Auch die Piltover-Waisen war eine Unbekannte in dieser Gleichung. Würden sie sich elitär benehmen den Zaun Kindern gegenüber? Caitlyn verzog einen Mundwinkel.
Sie lehnte sich mit der blinden Seite etwas näher an Violet. Violet bevorzugte es, sobald sie auf der Straße unterwegs waren, auf ihrer blinden Seite zu gehen. Caitlyn war sich ziemlich sicher, dass Violets Beschützerinstinkt automatisch kam und dass es der Frau gar nicht so bewusst war, was sie tat. Es war schlichtweg ihr Charakter andere Menschen zu beschützen. Caitlyn liebte sie umso mehr.
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Die schiere Masse an Papier auf Caitlyns Schreibtisch, ließ sie verzweifeln. Alles rund um das Waisenhaus. Von einfachen Rechnungen, die leicht zu bearbeiten waren, zu Spenden die Danksagungen benötigten bis hin zu Beschwerden. Die ersten Beschwerden waren lediglich über die Existenz der Kinder. Eine Beschwerde war sogar gegen Violet und ihren ‚üblen Einfluss auf den Kiramman Clan‘ der dazu geführt habe, dass Zaun nun ‚auf Piltover abwäscht‘. Caitlyn hatte die Beschwerde fast geradewegs ins Feuer des Kamins geworfen, ermahnte sich jedoch professionell zu bleiben. Sie schob die Beschwerde unter den Papierhaufen und jedes Mal, wenn sie sie wieder begegnete, wurde sie wieder nach ganz unten hingeschoben. Sie war sich also der Beschwerde bewusst, hatte lediglich keine freien Kapazitäten in ihrem Arbeitstag sie zu bearbeiten, sollte jemals jemand um eine Stellungnahme bitten.
Die neusten Beschwerden waren schwieriger.
Tatsächlich war die Einführung der Piltover-Waisen recht einfach gewesen; die jüngeren akzeptierten sich sofort gegenseitig. Die zwei Ältesten wurden etwas verklemmter und verschwanden heimlich in irgendwelchen versteckten Ecken im Haus. Zuletzt hockten sie auf dem Dachboden was Caitlyn gar nicht erfreute.
Inzwischen haben sie den Weg in die Straßen von Piltover gefunden. Caitlyn wünschte sich sie würden stattdessen auf dem Dachboden bleiben, während sie schwer seufzend die neuste Beschwerde las.
‚Eine rothaarige stellte mir diverse Fragen zu einer Ware. Ein junges Mädchen mit schwarzen Haaren betrat den Laden und betrachtete die Waren. Ich beantwortete der rothaarigen ihre Fragen sie war zufrieden und informiert, bedankte sich nett und verließ den Laden ohne etwas zu kaufen. Ich bemerkte erst in diesem Augenblick, dass die Schwarzhaarige nicht mehr anwesend war. Zusammen mit einer silbernen Kette mit einem Kreuz und einem Rubin sowie ein Paar dazugehörige Ohrringe im Wert von-“ Caitlyns Augen weiteten sich beim Preis. „VIOLET!!!!!!“ schrie sie aus ihrem Arbeitszimmer quer durch das Haus. Es dauerte keine zwei Minuten, da stand die gerufene bereits in der Tür „Ich bin da!!! Was ist passiert? Hast du dich verletzt!?“ keuchte sie hektisch, das Haar zerzaust und nur eine Socke an einem Fuß.
Caitlyn hielt ihr theatralisch die Beschwerde entgegen und Violet panische Haltung verflog umgehend. „Neiiiin!“ jammerte sie laut und griff das Dokument, überflog kurz den Text und starrte die Summe an. „NEIIIIN!!“ „Violet. Die Versicherung deckt vieles, aber keinen Diebstahl! Bitte. Das ist das dritte Mal diese Woche!“ Sie wendeten den Ablenk-Trick nun in jedem Laden an. „Bitte regle das.“ Forderte Caitlyn und Violet schmollte. Sie wollte sich die Hände an den Beiden nicht schmutzig machen. „Violet.“ Wiederholte Caitlyn und nahm tief Luft und Violet blickte sie erwartungsvoll an.
„Das nächste Mal, landen sie in Stillwater. Durch meinen Befehl. Verstehst du mich? Ich konnte einmal wegblicken, aber keine fünf Mal. Ich habe Eide geleistet Violet.“ Sie betonte das Wort ‚Eide‘ besonders stark.
„Ich weiß ich weiß….“ Murmelte die rothaarige und verließ das Arbeitszimmer. „Ich begebe mich ja schon in die Höhle der Raubtier-Teenies.“
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Im Waisenheim angekommen, sah Violet zuerst im Schlafzimmer nach, doch beide waren nicht da. Sie folgte dem Flur bis zum Ende des Gebäudes und blickte zu einer Klappe in der Decke. Sie hörte Iris klirrendes Gelächter. Sie hatten die Treppe zum Dachboden von oben zugezogen damit man ihn nicht betreten konnte. Jedoch gab es noch einen anderen Weg. Violet durchquerte das Badezimmer zum Fenster und stieg dort raus. Wenn Caitlyn wüsste was sie gerade hier macht, würde sie einen Anfall bekommen! Dachte sich Violet grinsend und kletterte problemlos über die Dachrinne aufs Dach. Einige Schritte zur Dachspitze und sie stand vor einem Dachfenster. Die Hände flach gegen das Glas gedrückt, schob sie es mit Kraft hoch. Das Kichern verstummte umgehend und Violet sprang durch das offene Fenster durch. Sie fiel knapp 2 Meter und landete grazil auf den Füssen. „Guten Tag meine zwei Lieblingstöchter!“ begrüßte sie Violet besonders heiter und Vivien erwiderte ein Knurren. Violet schob ihre Hände in die Taschen und betrachtete den Raum und pfiff einmal kurz. „Ihr habt euch hier aber ganz hübsch eingerichtet!“ Sie strich mit den Fingern über einen kleinen goldenen Schminktisch. „Ach hier ist Emilys Schminktisch!“ stellte sie laut fest. „Ich fragte mich schon, wo dieser hinkam!“ Emily, ein 13 Jähriges blondes und zierliches Mädchen aus Piltover wünschte sich einen Schminktisch und Caitlyn hatte ihr diesen persönlich rausgesucht. Das Mädchen weinte vor Glück nur um zwei Wochen später bitterlich zu weinen, weil er weg war und sie nicht verstand wieso. Geschweige denn wussten Caitlyn und Violet, wo er verschwunden war.
Auf dem Tisch wie in der Schublade und sogar an der hölzernen Art-Deco Deko um den Spiegel herum hingen sämtliche Ausbeuten. Violet entdeckte umgehend das silberne Kreuz mit dem Rubin. Sie griff nach der Kette und steckte sie und Vivien sprang hoch. „Hey!!“ verteidigte sie ihre Ausbeute laut.
Violet drehte sich zu beiden Mädchen und musste in ihrer stehenden Position den Kopf etwas ducken um nicht gegen die Holzbalken zu krachen. „War jemand von euch beiden mal in Stillwater?“ fragte sie unschuldig und die Mädchen blickten sich kurz an, bevor Vivien antwortete. „Nein wieso? Willst du uns Märchen von deinem eigenen Aufenthalt erzählen? Falls ja, danke aber kein Bedarf!“ spukte sie wütend.
Violet blickte an ihr vorbei zu Iris „Erinnert sie dich nicht auch manchmal an einen wütenden Waschbären?“ Iris Augen blitzten auf und sie unterdrückte ein Lächeln.
„Ich weiß du bist wütend und frustriert und du stinkst aufgrund deiner Pubertät,“ begann Violet frech und Vivien plusterte sich auf, „vielleicht auch noch hormonell, alles klar, aber heute erhielten wir die letzte Beschwerde über organsiertes Stehlen. Von euch Beiden. Können wir uns darüber bitte einigen?“
Vivien verzog das Gesicht. Sie würde einen Scheiss auf das Gesagte geben. Violet appellierte an Iris und versuchte Vivien dabei zu ärgern. Iris stellte Violet überrascht fest, würde im Dunkeln unsichtbar werden, würde ihre bleiche Haut nicht so leuchten im Mondlicht. „Ich denke nicht, dass du nach Stillwater willst, oder? Die Zellen sind klein, düster und feucht.“ Violet zeigte auf Vivien mit einem Finger „Ihr Haar wäre sofort kraus von der Feuchtigkeit!“ Vivien knurrte erneut. Sie mochte Witze auf ihre Kosten nicht.
Violet seufzte resigniert und ließ sich auf die Knie sinken und strich sich nebenbei den Nacken, weil ihr die Haltung allmählich lästig wurde. „Ihr wisst, dass Caitlyn an sich ein Enforcer ist, ja?“ Iris Augen verengten sich vor Misstrauen zu Schlitzen. Vivien stand kurz vor einem Tobsuchtsanfall. „Sie hat mir gerade eben noch einmal klar gemacht, dass sie ‚Eide abgelegt hat‘“ Violet machte mit ihren Fingern das Handzeichen von Anführungszeichen und versuchte Caitlyns Akzent etwas nachzuäffen. „Und sie hat Recht. Sie hat Verantwortungen zu erfüllen und kann die Beschwerdeakten nicht mehr unbeantwortet lassen.“
Sie ließ sich von den Knien auf den Hintern fallen und streckte ihre Beine lang aus, lehnte sich dabei auf ihre Hände nach hinten abgestützt. „Mädels. Wir sind am Ende dieses Abenteuers angelangt.“ Erklärte Violet nun ernst und sogar Vivien entspannte sich, im Schneidersitz sitzend während Iris in ihrer eleganten seitlich halb liegenden halb lehnenden Position unglaublich ruhig wurde. „Der nächste Bericht und die Erdnuss Patrouille steht vor unserer Tür um euch abzuholen. Geradeaus nach Stillwater. Ganz ehrlich? Die Feuchtigkeit ist nervig, aber für mich war es das Essen. Es ist das Ekelhafteste auf dieser Welt. Brei und grünes Gemüse. Jeden. Gottverdammten. Tag!“ Violet schauderte sich sichtbar. „Ihr wollt nicht wissen, was das mit eurer Verdauung macht!“ ergänzte sie und Iris verzog geekelt ihr Porzellangesicht.
Violet blickte zu Vivien. „Der Trick, den ihr anwendet, ist cool! Ich rechne ihn euch hoch an, aber… könntet ihr es auf Äpfel auf dem Markt beschränken und aufhören Wertsachen zu stehlen? Besser noch; macht einige Monate komplett Pause!“ Vivien gab einen Laut von sich der klar sagte, dass sie nicht so überzeugt war.
„Die Leute mochten mich eh nie wirklich. Ich war praktisch im Krieg, lästig jedoch als ich danach nicht in mein Loch nach Zaun wieder verschwunden bin. Ich werde gerade für euch verantwortlich gemacht und das ist okay. Ihr seid schließlich auf dem Papier noch Kinder, ich nicht. Aber was ihr da macht… dafür büßt ihr selbst in Stillwater, nicht ich. Egal ob ich darum betteln würde an eurer Stelle zu gehen. Und versteht mich hier auch nicht falsch; ihr seid die nervigsten Bälger, die mir je im Leben untergekommen sind und scheisse ich musste 7 Jahre mit mir selbst aushalten auf engstem Raum. Ich würde für euch ins Gefängnis gehen und so gnädig uns die Götter sind, wird meiner Freundin vor Hysterie, wenn sie das Erfahren würde, ein zweites Arschl-“ Violet hüstelt einmal laut, „wachsen, aber es gibt Situationen, in denen ich euch nicht helfen kann. Es wird immer solche Situationen geben. Lasst uns also noch ein bisschen die traute Dreisamkeit genießen, hier in diesem Haus, ich unten und ihr zwei hier oben. Könnten wir das versuchen?“
Vivien sah wenig überzeugt aus und Iris schubste sie leicht an. Schließlich seufzte Vivien so laut und verdrehte die Augen krampfhaft „Na guuuuut aber es ist so langweilig!!“ jammerte sie laut.
„Ihr tut das aus Langeweile?“ fragte Violet verblüfft und Vivien verschränkte die Arme vor der Brust.
Violet dachte einige Momente angestrengt nach, bevor sie grinste. „Wie wäre es mit etwas Parkour durch Zaun?“ Beide Mädchen blinzelten sie verwirrt an und Violets grinsen wurde diabolisch vor Vorfreude.