
Liebe reicht manchmal nicht aus
„Uli, ist alles gut?“ sprach eine bekannte Stimme, während ihr eine Hand über den Rücken streichelte.
„Pit?“ flüsterte sie ihrem Freund entgegen und schaute ihn mit ihren blauen Augen an. Ihre Augen waren rot unterlaufen und man konnte sehen wie verletzt, aber auch wie erschöpft sie war.
„Wa…“ ihre Stimme verstummte und sie musste sich erstmal sammeln. Kurz Durchatmen.
„Was machst du hier?“ kam es zwar ohne Stottern, aber sehr leise über ihre Lippen.
„Ich konnte nicht schlafen, wegen dem Gespräch morgen.“ sagte er aufgeregt . „Ich dachte, wenn ich an den Ort zurückkomme fällt mir irgendwas auf was uns hilft.“
Dann schaute er in ihre Augen. Bei diesem Anblick musste er kurz schlucken. So verletzt, gebrochen und verzweifelt zu gleich hatte er seine Chefin noch nie gesehen. „Aber das ist gerade erstmal egal.“ kam es schließlich aus seinem Mund. „Uli, was ist los?“
„Ich… Ich“ sie atmete kurz aus. Plötzlich sprudelte alles aus ihr raus, das mit ihrer Ehe, dass sie länger schon nicht mehr läuft und dass es schließlich soweit gekommen ist, dass Jeremy ihre gemeinsame Tochter entführt hatte. Eva ließ sie dabei erstmal gewollt aus. Während des Monologs kullerten ihr immer mal wieder Tränen über ihre Wangen.
Pit schaute sie nur entsetzt an bis er schließlich versuchte die Fragen, die er seiner Chefin stellen wollte, so nett wie möglich zu formulieren.
„Also, verstehe mich jetzt bitte nicht falsch, ich möchte das alles jetzt damit nicht pauschalisieren oder die Schuld bei dir suchen, das was Jeremy hier gerade abzieht entschuldig wirklich nichts, aber ihr wart doch, zumindest nach außen, sehr glücklich. Was ist denn passiert? Ist was vorgefallen?“
„Oder vielleicht jemand?“ fügte er nur noch in Gedanken hinzu. Er hat schon oft mitbekommen, dass seine Chefin in letzter Zeit verliebt lächelt bei der Arbeit war. Diese Gefühlslage war, seiner Ansicht nach, immer sehr schnell verflogen, wenn ihr Mann in die Küche kam.
„Pit…ich kann dir das gerade nicht so Recht erklären. Ich habe da gerade keine Kraft für, tut mir leid.“ sagte die Foodchefin schwer atmend. „Ich weiß nicht wo gerade mein Kopf steht, es ist alles so schwierig, es ist alles kaputt.“ sagte sie, während sie immer weiter zusammensackte.
„Uli?“ fragte er. „Hey, schau mich mal an. Bitte?“ fleht er sie an.
Uli war froh, dass sie über die Jahre nicht nur einen guten Kollegen, sondern auch einen sehr guten Freund gefunden hat. Schließlich hob sie den Kopf und schaute ihn mit ihren glasigen Augen an.
„Also erstmal musst du dich nie, wirklich nie, für deine Gefühle entschuldigen. Ich kann es wirklich verstehen, dass du gerade nicht über alles reden kannst oder möchtest, wirklich. Denk einfach daran, wenn du dich dazu bereit fühlst über alles zu reden bin ich für dich da.“
Uli schluckte kurz und fragte sich wie sie so einen guten Freund verdient hatte. In letzte Zeit hatte sie sich wirklich nicht gut um ihre Liebsten gekümmert. Egal ob es Eva oder Jeremy waren, die sie beide eigentlich nur hingehalten hat, wenn sie mal ehrlich zu sich selbst wäre. Oder auch ihre Tochter, die eigentlich die Welt verdient hat. Oder auch Pit, der immer immer wieder ihre Launen ertragen musste, wenn es nur das kleinste Problem in ihrer ach so tollen offenen Beziehung gab. Sie wusste garnicht, wie sie ihm eigentlich jemals dafür hätte danken könnte. So kam nur ein leises „Danke.“ über ihre Lippen.
„Das ist doch selbstverständlich.“ entgegnete der Sous-Chef. „So ich würde vorschlagen wir verlegen zu mir auf noch ein zwei Bier. Alleine trinken endet vielleicht ein bisschen blöd.“ sagte er scherzhaft, während er ein Blick in die Spüle warf.
„Haha, sehr lustig.“ entgegnet Uli ihm mit einem leichten Schups gegen seine Schulter. „Aber ich glaube ich bleibe hiernach lieber alkoholfrei.“ sagte sie leicht angewidert. „Aber, wenn das für dich ok wäre. Könnte ich bei dir schlafen? Ich glaube bei mir zu Hause halte ich es jetzt nicht aus.“ sagte die Foodchefin erschöpft. „Na klar, wozu hat man denn Freunde.“ antwortete der Souschef.
Bei Pit in der Wohnung angekommen, sank Uli wie in Trance auf seine Couch. Sie war einfach nur noch erschöpft. Zum Glück hatte sie immer ein paar Klamotten für den Notfall in ihrem Spind, falls sie mal eine Nacht im Hotel verbringen müsse. Also musste sie nicht nochmal in ihre Wohnung. Das würde sie jetzt nicht ertragen. Zurück an den Ort an dem sie die letzten Jahre, das Leben geführt hatte, bei dem sie eigentlich dachte, dass sie so ihr ganzes Leben führt. Sie dachte, dass sie endlich angekommen war, endlich alles im Leben gehabt hat, was sie haben wollte. Nur dann kam ein wunderschöner Mensch in ihr Leben, eine Frau die ihren Kopf so sehr verdreht hatte, dass sie in ihrer Nähe meistens nicht klar denken konnte. Eine Frau die sie zum Umdenken gebracht hatte, endlich so zu leben wie sie es schon immer wollte. Sie hatte ihr die Augen geöffnet, dass sie vielleicht doch nicht alles im Leben hat, was sie braucht und was sie vor allem will. Na klar sie liebte ihren Mann irgendwo, auch wenn er gerade eine wirklich scheiß Aktion abgezogen hat. „Aber es reicht für eine Ehe nicht mehr aus.“ dieser Satz schwirrte nun die ganze Zeit in ihrem Kopf, bis eine Berührung an ihrer Schulter sie aus ihrer Gedankenwelt riss. Es war Pit mit einem Glas Wasser in der Hand.
„Hey, ich weiß ich meinte vorhin es sei gerade nicht wichtig, aber ich habe in ein paar Stunden das Gespräch mit der Chefin und ich weiß immer noch nicht so recht, wie das passieren konnte.“ sagte Pit.
„Ok, wer hatte denn die Möglichkeit und vielleicht auch einen Grund das zu tun?“ fragte die Foodchefin.
Beide sahen sich fraglos an. „Lukas.“ kam es nach einiger Zeit aus Ulis Mund. „Er hat sich ganz schön oft ohne Grund in der Küche aufgehalten.“
„Stimmt du hast Recht und irgendwie hat er sehr stark versucht sich mit mir gut zu stellen. Und er hat immer sehr komische Fragen in unseren Gesprächen gestellt.“ entkam es dem Souschef.
„Aber nur weil er uns beiden sauer aufschlägt, beweist es ja noch nicht, dass er den Lieferschein gefälscht hat.“ grübelte Uli.
„Aber ich glaube wir haben schonmal einen Ansatz.“ sagte Pit stolz. „Wir sollten jetzt aber schlafen gehen. Du brauchst glaube ich etwas Ruhe, wenn wir morgen die Chefin von unseren Verdacht überzeugen wollen.“
„Du kommst doch morgen mit oder Uli?“ fragte er.
„Ja… ja klar. Ich muss mich ja irgendwie um mein zweites Baby kümmern.“ sagte sie mit einem schelmischen Lächeln.
„Ich hoffe du meinst damit die Küche.“ sagt der Souschef mit etwas Nachdruck.
„Natürlich, was sollte ich sonst meinen?“ sagte sie mit einem Grinsen auf den Lippen.
Pit lächelt nur. „Ich bin froh dich gerade etwas lächeln zu sehen.“ sagte er schließlich.
„Danke, Pit für alles!“ antwortete sie ihm.
Einige Zeit später war Pit schon ins Bett gegangen und schlieft tief und fest, aber Uli rollte sich auf der Couch nur hin und her. Sie konnte ihren Kopf einfach nicht ausschalten. Am liebsten würde sie jetzt bei Eva in den Armen liegen. Diese Frau hat es eigentlich immer geschafft sie zu beruhigen. In ihren Armen konnte sie immer entspannen und ins meist in kürzester Zeit eingeschlafen. „Die Möglichkeit hast du dir wohl für immer versperrt.“ dachte sie. Jetzt ist sie bei einer anderen Frau ging es weiter durch ihren Kopf. Sie war einfach nur noch traurig und sehr erschöpft.
„Aber wenn du ihr vielleicht zeigst, wie sehr du sie liebst, dann schafft ihr es vielleicht irgendwie.“ mit diesem Gedanken in ihrem Kopf schaffte sie es sich etwas zu beruhigen und schlief dann doch ein.