
Kapitel 3
Harry wacht gegen acht Uhr auf, lädiert, aber herrlich erholt.
In den seltenen Fällen, in denen er an einem Samstagmorgen so früh aufwacht, hält er normalerweise einfach die Augen geschlossen, bis er wieder in den Schlaf findet. Aber ein kurzer Blick auf den Mann, der in seinen Armen liegt, zeigt ihm, dass Severus sonderbarerweise immer noch schläft - wenn auch vielleicht nicht allzu sonderbarerweise, wenn man an die letzte Nacht denkt - und so lässt Harry seine Augen offen, verharrt regungslos und wartet darauf, dass Severus erwacht.
Severus hat in der Regel einen sehr leichten Schlaf und wacht oft schon dadurch auf, wenn Harry sich im Bett neben ihm auch nur einen Zentimeter bewegt. Aber jetzt atmet er langsam und tief, sein Körper ist ruhig und warm, und die übliche Furche, die seine Stirn - selbst im Schlaf - trübt, ist auffälligerweise nicht vorhanden. Harry wagt eine kleine Bewegung, rückt ein wenig näher, bis seine Brust fest an den Rücken des Mannes gepresst ist, und Severus reagiert nicht, sondern seufzt nur leise in seinem Schlaf.
Harry streckt eine Hand aus und fährt mit den Fingern über Severus' Wange, streicht ihm eine schwarze Haarsträhne hinters Ohr. Severus seufzt erneut, und Harry lächelt ihm in den Nacken, dann lässt er sich auf das Kissen nieder und lauscht seinen gleichmäßigen Atemzügen.
Eine halbe Stunde vergeht, dann noch eine, bis Harry sich unbehaglich hin und her wiegt. Er will Severus nicht wecken - so lange hat der Mann vielleicht noch nie geschlafen -, aber die Natur verlangt ihren Tribut.
Nach einem kurzen Streit mit sich selbst (bei dem er fast die Laken einnässt), schiebt sich Harry aus dem Bett, vorsichtig darauf bedacht, weder Severus noch das Bettzeug zu bewegen.
Seine Fußgelenke knacken, als er aufsteht, und er wirft einen besorgten Blick zu Severus hinüber, aber der Mann schläft einfach unbehelligt weiter.
Harry zieht überrascht die Augenbrauen hoch, lächelt dann breit und geht auf Zehenspitzen in Richtung Toilette.
Er geht pinkeln und wendet dann einen raschen Reinigungszauber auf seinen Körper an. Er überlegt, ob er sich die Zähne putzen soll, entscheidet sich dann aber dagegen, er bezweifelt, dass er das so leise anstellen kann, dass Severus nicht aufwacht. Er könnte einen Schalldämpfungszauber wirken, aber Severus reagiert darauf besonders empfindlich, da er jahrzehntelang darauf getrimmt war, ihre magische Signatur zu erkennen. So hatte Harry schon früh gelernt, dass ein Silencio - selbst ein wortloser - eine der schnellsten Möglichkeiten war, Severus zu wecken, selbst aus dem Tiefschlaf.
Er beschließt, einen weiteren Reinigungszauber auf seine Zähne zu legen - unangenehm, aber effektiv - und schleicht leise zurück ins Schlafzimmer.
Severus schläft immer noch, er liegt entspannt - verführerisch, findet Harry - auf dem Bett, sein Körper ist wie versteinert, bis auf die tiefen, langsamen Atemzüge, die seinen knochigen Brustkorb ausdehnen.
Harry hat das Gefühl, dass Severus - wie durch ein Wunder - nicht so bald aufwachen wird, und so schleicht er sich leise aus dem Schlafzimmer in Richtung Küche.
Gewöhnlich zieht er es vor, an den Wochenenden selbst zu kochen, da er unter der Woche wenig Zeit für dieses Hobby hat, aber er möchte bei Severus sein, wenn dieser aufwacht - er will es unbedingt. Also geht er an der Küche vorbei und begibt sich stattdessen ins Wohnzimmer, um Tituba zu sich zu rufen.
(Severus würde es nie zugeben, aber sie ist seine Lieblingshauselfe - kein Wunder, denn sie ist ein schrulliges kleines Ding, das es irgendwie schafft, auf Harry herabzublicken, obwohl sie einen Meter kleiner ist.)
Sie steht schweigend vor ihm, ihr blassgrünes Gesicht ist in harte Züge gekleidet, bevor er überhaupt etwas gesagt hat. Er verkneift sich ein Lächeln - sie war einmal nur Sekunden nach ihrem Erscheinen wieder verschwunden, weil er "zu breit gelächelt" hatte - und bestellt rasch eine Snackplatte und einen Krug Kürbissaft.
Sie wölbt eine haarige Augenbraue und verschwindet ohne ein Wort, und Harry ist sich fast sicher, dass sie wiederkommen wird.
Nachdem sie gegangen ist, stolpert Harry zu dem schmalen Tisch neben der Eingangstür hinüber, lächelt über den leichten Schmerz in seinem Rücken - eine Erinnerung an eine gelungene Nacht - und holt einen dicken Stapel Aufsätze aus seiner Tasche und schnappt sich ein paar Galleonen aus der rissigen Porzellanschale, in die er loses Wechselgeld wirft.
Tituba taucht einen Moment später wieder auf, schweigend wie bei ihrem Verschwinden, und legt ein schwer beladenes Holzbrett auf dem Esstisch ab. Sie kann die Mengen etwas besser abschätzen als die anderen Elfen, von denen die meisten ein Festmahl liefern, wenn man sie um einen Snack bittet, aber das Brett ist kunstvoll angerichtet und enthält wahrscheinlich mehr, als er und Severus werden essen können.
Harry dankt ihr, und sie rollt mit den Augen und streckt eine kleine grüne Hand aus. Harry unterdrückt erneut ein Lächeln und gibt ihr die Galleonen, woraufhin sie mit einem Grummeln verschwindet.
Harry stößt ein Lachen aus und schüttelt den Kopf, dann schrumpft er seinen Stapel Aufsätze zusammen und steckt ihn in die Tasche seines Morgenmantels, während er sich vorsichtig auf den Weg zurück ins Schlafzimmer macht.
Geräuschlos betritt er den Raum und seine Schultern entspannen sich, als er sieht, dass Severus, abgesehen davon, dass er sich auf den Rücken gedreht hat, noch genauso tief und fest schläft, wie Harry ihn verlassen hat.
Harry schleicht auf Zehenspitzen durch den Raum und legt das Brett auf den Nachttisch, dann klettert er vorsichtig auf die Matratze und lehnt sich mit dem Rücken an das Kopfteil. Severus schläft weiter, sein Atem geht langsam und gleichmäßig.
Harry nimmt sich einen Moment Zeit, ihn zu bewundern. Trotz all der unverschämten Spitznamen, die sich der Mann im Laufe der Jahre eingehandelt hat - hässlicher Tyrann, Bastard mit dem riesen Zinken und schmierige übergroße Fledermaus -, hatte Harry, nachdem er ihn einmal wirklich angesehen hatte, sein Aussehen eher als ungewöhnlich denn als tatsächlich unansehnlich empfunden. Sein dunkles Haar - das aufgrund der stundenlangen Arbeit im Tränke-Labor oft fettig ist - sieht in einem bestimmten Licht fast blau aus und hat eine leichte Welle, wenn er es offen trägt; und unter dem Öl und Schmutz der täglichen Arbeit hat seine Haut eine kühle, weiße Farbe, die einen starken, verblüffenden Kontrast bildet. Auch seine Gesichtszüge sind ungewöhnlich: die kräftigen schwarzen Brauen und die schmalen Lippen, die eingefallenen Wangen und die hakenförmige, romanische Nase - ein seltsames Durcheinander von Hügeln und Tälern, scharfen Kanten und steilen Winkeln.
Und, selbstverständlich, die Augen. Sie mögen jetzt geschlossen sein, aber Harry sieht sie klar und deutlich vor sich. In den letzten Monaten hat er stundenlang in sie geblickt (sehr zum Leidwesen von Severus), aber seine Faszination für sie hat nicht nachgelassen. Ungewöhnliche Augenfarben gibt es unter Zauberern häufig, aber so etwas wie bei Severus hat Harry noch nie gesehen; selbst im hellen Sonnenlicht kann man aus wenigen Zentimetern Entfernung nicht zwischen Pupille und Iris unterscheiden - beide sind so dunkelschwarz, dass sie das Licht regelrecht einzusaugen scheinen.
Severus wälzt sich im Schlaf und strampelt die Laken weg, so dass ein langes, weißes Bein zum Vorschein kommt, das mit mundförmigen Blutergüssen entlang der Wade gesprenkelt ist.
Harry schluckt schwer und wendet sich ab, um das Brett und den Krug auf den Nachttisch zu stellen. Er zieht die geschrumpften Aufsätze aus seiner Tasche, dann lehnt er sich vorsichtig zurück ins Bett und setzt sich im Schneidersitz mit dem Rücken an das Kopfteil.
Er entfaltet die Aufsätze wieder und holt einen Kugelschreiber aus der Nachttischschublade (er hatte auf die harte Tour gelernt, dass es eine denkbar schlechte Idee ist, im Bett mit einer Schreibfeder zu schreiben), dann wirft er noch einmal einen Blick auf Severus und beobachtet das langsame Heben und Senken seiner schmalen Brust.
Harry lächelt vor sich hin und setzt seine Brille auf.
…………………….
Zwei Stunden später ist Harry fast fertig mit seinen Aufsätzen - er muss sie vor den ZAG´s noch einmal besprechen, da einige der Theorien seiner Fünftklässler über Irrwichte, nun ja, lächerlich sind - und er hat den ganzen Kürbissaft und etwa ein Drittel der Platte gegessen, als Severus sich endlich neben ihm regt.
Harry legt die Aufsätze beiseite und blickt auf den Mann herab.
Für gewöhnlich wacht Severus unvermittelt auf, hellwach und angespannt. Heute jedoch erwacht er langsam, mit flatternden Augen, während sich seine Atmung leicht beschleunigt. Sein Rachen bewegt sich zu einem Schluck und seine Augen öffnen sich schließlich, wie benommen, die Lider noch halb gesenkt.
Er dreht seinen Kopf, um zu Harry aufzublicken, und Harry lächelt zu ihm hinunter, auf seiner Unterlippe kauend.
"Guten Morgen", sagt er leise.
Severus starrt einen Moment lang ausdruckslos zu ihm auf, dann dreht er sich langsam auf den Rücken und murmelt ein kratziges "Hallo".
Harry lächelt wieder und lehnt sich ein wenig näher an den Mann heran. "Alles in Ordnung?"
Severus schnauft, dann neigt er den Kopf und nickt. "J...", beginnt er und erschrickt dann über seinen kratzigen Tonfall. Er räuspert sich und schluckt. "Ja."
Harry wendet sich dem Nachttisch zu und flucht beim Anblick des leeren Kruges leise vor sich hin. Er kaut noch einen Moment auf seiner Lippe, dann schnappt er sich eine Weintraube von der Platte
Mit einem verlegenen Lächeln wendet er sich wieder Severus zu und hält ihm die Traube nahe ans Gesicht.
Severus legt den Kopf leicht schief, um sie zu betrachten, dann wendet er das Gesicht der Zimmerdecke zu und öffnet leicht den Mund.
Harrys Augenbrauen heben sich von selbst; als er das letzte Mal versucht hatte, Severus mit einem Stück Obst zu füttern, hatte der Mann ihn mit einem so kalten Blick bedacht, dass Harry überrascht war, dass er nicht zu Stein geworden war. Aber er war noch nie jemand, der einem geschenkten Gaul ins Maul schaut, und so schiebt er die Traube zwischen Severus' geöffnete Lippen und - Opportunist, der er ist - streicht mit einem Finger über die untere.
Severus kaut langsam und schluckt, dann räuspert er sich wieder. Harry will schon nach einer weiteren Weintraube greifen, da stützt sich Severus auf die Ellbogen.
"Wie spät ist es", grummelt er leise.
Harry wirft einen Blick auf die kleine Uhr auf seinem Nachttisch und wendet sich dann wieder Severus zu. "Es ist kurz nach elf."
Severus' Augen weiten sich und er blickt fragend zu Harry auf. "Elf? "
Harry brummt und nickt, ein Lächeln unterdrückend. "Hm. Du hast... zehn Stunden geschlafen? So ungefähr?"
Severus schweigt für einen kurzen Moment, sein Gesicht ist ausdruckslos, bis auf die geweiteten Augen. Dann blinzelt er dreimal, wendet den Blick ab und murmelt: "Wie erbärmlich."
Harry lächelt beinahe über den sarkastischen Tonfall, aber der benommene Ausdruck in den Augen des Mannes macht ihm Sorgen - er ist zwar schwächer als gestern Abend, aber dennoch nicht so wie sonst.
Etwas liegt Harry schwer im Magen. Er bemerkt, dass es sich um Schuldgefühle handelt, und obwohl er sich nicht dazu durchringen kann, die letzte Nacht zu bereuen - Severus war so lieblich und zart, so geschmeidig in Harrys Händen, und sein Gesicht war geradezu verzückt gewesen, als Harry sich schließlich zum Schlafen an ihn geschmiegt hatte-
War es nicht Harrys Absicht gewesen, den Mann zu zerbrechen.
(Obwohl, jetzt, wo er darüber nachdenkt, war das vielleicht seine Absicht gewesen. Neben dem Wunsch, Severus zu geben, was er wollte, einmal in seinem verdammten Leben die steife Haltung zu lockern - war das, was Harry wirklich wollte, für sich selbst, vielleicht genau das, was er letzte Nacht getan hatte: Severus Snape zu zerschmettern und sich in den lieblichen Scherben zu wälzen )
"Ach, um Himmels willen, Potter, es geht mir gut ."
Harry schreckt auf und sieht zu Severus hinunter, als dieser seine Handflächen flach auf die Matratze presst und sich aufrichtet.
Als er sich ebenfalls mit dem Rücken ans Kopfteil gelehnt hat, wirft er einen Seitenblick auf Harry. "Es geht mir gut, Potter", wiederholt er, dann wendet er den Blick ab und wischt sich mit einer Hand über das Gesicht. "Du hast mich nicht... gebrochen. Oder was für lächerliche Dinge du auch immer denken magst."
Harry schluckt schwer. " Habe ich... nicht?"
Severus legt den Kopf schief, um Harry einen Moment lang finster anzustarren, dann rollt er mit den Augen.
"So enthusiastisch du auch warst", spöttelt er milde, "so konntest du doch kaum in einer Nacht erreichen, was dem Dunklen Lord in zwanzig Jahren nicht gelungen ist." Harry zuckt bei diesem Vergleich zusammen, und Severus stößt einen Seufzer aus. "... Ich bin nicht so zerbrechlich, Potter."
Harry starrt einen Moment lang auf seine Hände und nickt abwesend, dann neigt er den Kopf zur Seite und entgegnet: "Ein bisschen warst du es schon. Gestern Abend."
Severus betrachtet ihn einen langen Moment lang nachdenklich und wendet dann den Blick ab. "Vielleicht. Aber du...", er hält einen Moment inne, und ein Muskel in seinem Kiefer zuckt, "... du hast dich ja um mich gekümmert."
Harrys Hände ballen sich zu Fäusten, seine Fingernägel graben sich in seine Handflächen. "Habe ich das?"
Severus starrt ihn wieder an, bis er zu bemerken scheint, dass Harry es völlig ernst meint - und mehr als nur ein bisschen besorgt ist.
Severus wendet den Blick ab und stößt einen müden Seufzer aus, dann dreht er sich wieder zu Harry und neigt den Kopf nach vorne. Für einen kurzen Moment denkt Harry, Severus wolle ihn küssen, aber der Mann legt nur ihre beiden Köpfe aneinander.
Ein seltsames Gefühl dringt in Harrys Kopf ein, und er braucht einen Moment, um zu begreifen, dass Severus ihm eine Erinnerung schenkt. Nur ist es nicht wirklich eine Erinnerung, sondern eher eine wilde Collage aus Farben und Empfindungen. Irgendwo gibt es einen stechenden Punkt, der sich wie Schmerz anfühlt, jedoch überlagert wird von einem Schleier aus Wärme und flackerndem Feuerlicht, und unter all dem liegt ein Gefühl der Erfüllung, der Richtigkeit, als ob etwas, das lange Zeit fehlte und schon fast vergessen war, zurückgekehrt ist und sich perfekt in seinen vorgesehenen Platz fügt.
Es ist anders als letzte Nacht. Severus war so gut wie empfindungslos, kaum anwesend, als Harry seinen Geist durchforstete, seine Gedanken abtastete, um herauszufinden, was der Mann brauchte.
Jetzt führt Severus ihn - trägt ihn durch den Tumult der Gedanken und Gefühle zu einem warmen, zufriedenen Etwas, von dem Harry annimmt, dass es sein Herz sein könnte.
"Oh", murmelt er.
"Verstehst du jetzt?" fragt Severus, und Harry ist nicht sicher, ob er die Worte laut ausgesprochen hat oder ob sie über die Verbindung zwischen ihnen, die wie ein spannungsgeladener Draht schwingt, in Harrys Kopf geflossen sind.
Harry versucht, sich an das letzte Mal zu erinnern, als er so etwas gefühlt hat, und sein Gedanke fällt auf die erste Nacht, die er mit Severus verbracht hat. Sie hatten es wie Teenager miteinander getrieben - nicht, dass Harry als Teenager viel Gelegenheit dazu gehabt hätte, und er bezweifelt, dass es Severus anders erging -, und es war seltsam und ein bisschen unangenehm gewesen, mit den Nasen aneinanderstoßend, mit den Zähnen aufeinanderprallend und mit Severus' spitzen Hüftknochen, die gegen Harrys Bauch stießen. Aber sie waren beide gekommen, kaum einen Augenblick voneinander entfernt, und sie waren in einem Gewirr von Gliedern übereinander zusammengesunken, und Severus hatte ihn mit seinen schwarzen, verschleierten Augen und einer hochgezogenen Augenbraue angesehen. In diesem Moment hatte Harry gewusst, in seinem Herzen, seinem Bauch und seiner Seele, dass dieser Mann ihn für jeden anderen Menschen verdorben hatte.
Es hatte sich warm und angenehm angefühlt, leuchtend wie die Morgensonne, und seltsam schicksalhaft, als hätte Harry plötzlich etwas gefunden, von dem er nicht einmal wusste, dass er danach gesucht hatte.
Ja, denkt Harry. Ich habe verstanden.
Severus lehnt sich plötzlich zurück und unterbricht die Verbindung zwischen ihnen so schnell, dass Harry für einen Moment taumelt und mit seiner Schulter gegen die von Severus stößt, als dieser seine Beine über die Bettkante schwingt.
Harry schüttelt den Kopf, um ihn wieder klar zu bekommen, und schaut Severus beim Aufstehen zu und wie er seinen Rücken in einer langsamen Streckung beugt, bei der Harrys Augen die lange Linie des Körpers des Mannes abfahren.
Severus hebt seine Hose auf, die er achtlos auf den Boden geworfen hatte, zieht sie an und sieht sich dann im Zimmer um.
Sein Blick fällt auf die Snack-Platte, und er hebt eine scharfe Augenbraue.
"Tituba?", fragt er.
Harry lächelt ein wenig und nickt. Severus nickt zurück und macht sich auf den Weg zur Toilette.
Normalerweise nutzt er den größten Teil des Samstags, um das zu brauen, was Poppy unter der Woche ausgegangen ist - gewöhnlich Aufpäppel-Trank und Heilsalben -, und Harry beschäftigt sich mit allem, was er finden kann, bis Severus am Abend zurück aus den Kerkern kommt.
(Aus Egoismus hatte Harry gehofft, dass es heute anders sein würde. Obwohl er Severus' Unabhängigkeit bewundert, seine Arbeitsmoral, seine verblüffende Fähigkeit, einfach weiterzumachen, hatte Harry gedacht, dass Severus nach der Offenbarung des letzten Abends vielleicht etwas Aufmerksamkeit, etwas Geborgenheit - dass er Harry selbst brauchen könnte.)
"Potter."
Harry blickt auf.
Severus steht in der Badezimmertür, sein Gesicht ist unergründlich. "Diese... Empfindung von dir. Die lächerliche, die du so oft zu äußern pflegst."
Harry runzelt einen Moment lang verwirrt die Stirn, bevor ihm die Erkenntnis dämmert.
Das erste Mal hatte er es kaum ein paar Wochen nach ihrer ersten Verabredung gesagt - was völlig verrückt war, nicht nur, weil es viel zu früh war, um eine solche Erklärung abzugeben, sondern auch, weil Harry das noch nie zuvor getan hatte. Er war zwei Jahre lang mit Ginny zusammen gewesen, dann ein Jahr mit Oliver und drei Jahre mit Terry, und nicht ein einziges Mal hatte er diese drei kleinen Worte zu einem von ihnen gesagt.
Und dann hatten sich die Wolken an einem trüben Tag gerade so weit geöffnet, dass ein heller Sonnenstrahl auf Severus fiel, als er an einem Hogsmeade-Wochenende schnurgerade in Madam Puddifoot's Café saß. Er schlug seine Zaubertrank-Zeitschrift zu, starrte zur Sonne hinauf, als hätte sie ihn persönlich beleidigt, und nahm dann einen langsamen Schluck von seinem dampfenden Darjeeling, wobei seine lange, vernarbte Kehle beim Schlucken bebte.
Harry hatte es dann gesagt, die Worte sprudelten aus ihm heraus, bevor er sie aufhalten konnte. Severus hatte einen kurzen Moment lang zu ihm aufgeschaut, das Gesicht starr vor Schreck. Dann hatte er Harry einen verfluchten Idioten genannt und sich wieder seiner Zeitschrift zugewandt, wobei sich ein roter Hauch auf seinen hohen Wangenknochen abzeichnete.
(Harry hatte darauf geachtet, es seitdem jeden Tag zu sagen.)
Harry sieht zu Severus auf und nickt mit einem kleinen Lächeln. "Ja. Was ist damit?"
Severus schaut einen Moment lang auf ihn herab, seine schwarzen Augen sind im flackernden Feuerschein seltsam warm. Sein Mund verzieht sich zu einem kleinen Lächeln, und Harrys Kehle schnürt sich zu.
"Danke", sagt Severus und verschwindet im Badezimmer.