Alles nur ein Trick des Lichts

Harry Potter - J. K. Rowling
Gen
G
Alles nur ein Trick des Lichts
Summary
„Das ist jetzt aber hoffentlich ein schlechter Witz.“ Draco Malfoy hat sich immer gefragt, was für ein Mensch man sein muss, um sich für die Organisation der Weihnachtstombola des Ministeriums herzugeben, doch eigentlich hätte er die Antwort auf diese Frage kennen können. (Denn irgendwie lautet die Antwort auf erschreckend viele Fragen in seinem Leben Harry Potter.) „Herrscht Langeweile in der Zentrale? Gibt’s neuerdings nicht mehr genug schlechte Menschen?“

„Das ist jetzt aber hoffentlich ein schlechter Witz.“ Draco Malfoy hat sich immer gefragt, was für ein Mensch man sein muss, um sich für die Organisation der Weihnachtstombola des Ministeriums herzugeben, doch eigentlich hätte er die Antwort auf diese Frage kennen können. (Denn irgendwie lautet die Antwort auf erschreckend viele Fragen in seinem Leben Harry Potter.) „Herrscht Langeweile in der Zentrale? Gibt’s neuerdings nicht mehr genug schlechte Menschen?“

„Ich habe seit einer Stunde Feierabend.“

„Ach, dann ist das hier ein Ehrenamt?“ Skeptisch betrachtet Draco den gigantischen, roten Hexenhut mit dem weißen Bommel, in dem diverse Lose darauf warten, gegen eine Spende eingetauscht zu werden.

„Kann man so sagen. Also machst du mit oder bist du dir zu schade für so viel Volksnähe?“

„Meine Familie spendet unabhängig von dieser Tombola jährlich an die Bonham-Stiftung.“

„Dieses Jahr wird nicht für die Bonham-Stiftung gesammelt, sondern für den Bund für Elfenrechte.“

„Grangers Häkelclub?!“

„Der Bund für Elfenrechte ist eine eingetragene Vereinigung, die eng mit der sich im Aufbau befindlichen Elfenbehörde zusammenarbeitet… und ja, Hermine ist in beiden Fällen Vorstandsmitglied, aber das ist längst kein privates Hobby mehr von ihr, sondern-“

„Ist ja gut, ist ja gut, wie viel willst du für ein Los?“

„Eine Galleone.“

„Üppige Preise.“

„Die Gewinne sind lohnenswert.“

„Lass mich raten… selbstgemachte Wollmützen?“

„Und Socken.“

„Fantastisch.“

Draco gestattet sich ein kleines Augenrollen, ehe er zu dem Kleingeld in den Untiefen seiner Jackentaschen kramt.

* * *



Als Astoria in ihrer Mittagspause durch seine Abteilung schlendert und sich – wie so oft – auf seinen Schreibtisch setzt – den er genau deswegen immer zur Hälfte frei lässt – wirft sie einen Blick auf die knallgelben Lose und hebt fragend die Augenbrauen.

„Ich dachte, du findest Weihnachten überbewertet?“

„Weihnachten ist überbewertet.“

„Aber Wichteln nicht?“

„Das sind keine Wichtellose. Das ist die karitative Tombola des Ministeriums.“

„Aha.“

„Teilnahme ist Ehrensache.“

„Aha.“

„Und es ist ja nicht so, als hätte ich das Geld nicht übrig.“

Astoria schaut ihn unbeteiligt an und er hat das ungute Gefühl, dass diese Miene täuscht und sie sich gerade durchaus den einen oder anderen Gedanken macht. „Auf meinem Flur haben sich alle verweigert, weil es nicht um die Förderung einer traditionellen Institution geht, sondern um… Elfen.“

Draco verkneift sich den Kommentar, dass Elfen irgendwie auch etwas Traditionelles sind.

* * *



Als Harry Potter – diesmal ohne Hexenhut – an die Tür seines Büros klopft, leidet Draco unter dem albernen Gedanken, dass sein Herz mindestens genauso lautstarke Klopfarbeit leistet.

„Womit kann ich heute dienen?“

„Du hast die Auslosung verpasst.“

„Ich war verhindert.“

„Ja, das ging vielen so… ich wollte auch nur fragen, ob du dich für ein Paar Socken begeistern könntest? Es sind einige Gewinne übrig geblieben… und ich habe halt auch nur zwei Füße.“

„Welche Farbe?“

„Orange und Rosa sind besonders oft übrig.“

„Was für eine Überraschung!“

„Also Orange?“

„Ist mir gleich.“ Dieselbe Hand, die gegen seine Türrahmen geklopft hat, bietet ihm ein orangerotes Sockenpaar an und er stellt fest, dass es ihm doch nicht ganz gleich ist. „Darf ich die anderen mal sehen?“

„Ehm… ja, klar.“ Umständlich greift er in die Tasche seines Umhangs und holt ein zweites Paar Socken in der Farbe von Zuckerwatte hervor, das durchaus Potenzial als Weihnachtsgeschenk für Astoria hätte. Oder für seine Mutter.

„Gefällt mir besser.“

 

* * *



„Das ist aber… selbstgemacht.“ Seine Mutter, die längst keine Erwartungen mehr an ihre Weihnachtsgeschenke hat, beäugt die Socken, die unter dem goldenen Papier zum Vorschein gekommen sind. „Du hast Stricken gelernt?“

„Nicht direkt.“

„Ach schade, so eine Beschäftigung täte deiner Feinmotorik gut. Deine Hände zittern schon wieder. Lucius, du siehst das auch, dass seine Hände zittern, oder?“

Sein Vater, der sich vornehm zurückhält und damit allen Anwesenden eine Freude macht, wirft einen flüchtigen Blick auf seine Hände, die immer noch gerötet von der Kälte sind. Ehe er im Manor eingekehrt ist, hat er sich einen dreistündigen Spaziergang zugemutet, um ein paar klare Gedanken zu fassen, ehe er zwei Tage in einem Nebel aus Eierlikör und Weihnachtsschlagern von Celestina Warbeck zubringt.

„Astoria wollte dich nicht begleiten?“

„Hätte ich sie etwa einladen sollen?“

„Nun ja, ich dachte, das wäre selbstverständlich.“ Seine Mutter klingt genervt und irgendwie wundert ihn das gar nicht. Wenn man Weihnachten liebt und dann mit dem unfestlichen Gemüt seines Vaters und seiner eigenen Maulfaulheit konfrontiert ist, kann einem das schon ordentlich auf den Geist gehen. „Oder seid ihr nicht mehr zusammen?“

„Wir waren nie zusammen, Mum. Wir haben nur ein paar Mal miteinander zu Abend gegessen.“ Und zwischen den Gängen festgestellt, dass sie sich nicht allzu viel zu erzählen haben. Für eine Handvoll netter Nachtisch-Aktivitäten hat es trotzdem gereicht. Und für regelmäßige Besuche in seinem Büro. „Wir passen nicht zueinander.“

„Na und? Du wirst auch nicht jünger. Willst du wirklich noch ein Jahr allein bleiben?“

„Das kann dir doch egal sein, Mum.“

„Es ist mir aber nicht egal! Du bist mein Kind und du bist unglücklich.“

„Ich bin nicht unglücklich.“

„Du siehst aber so aus. Man sieht es an deinen Händen. Und an deinen Augen.“ Seine Mutter holt tief Luft und schaut wildentschlossen an seinem linken Ohr vorbei. „Du brauchst eine vernünftige Freundin. Oder von mir aus auch einen Freund.“

„Mum, ich bin nicht-“

„Ich wollte es ja nur mal gesagt haben! Möchte noch jemand Pudding?“

 

* * *



„Deine Mutter macht sich wirklich Sorgen.“ Sein Vater ist stoisch auf dem Sofa im Salon verblieben, hat ganze drei Zeitungen durchgeblättert und darauf gewartet, dass er nach Hause geht oder sich in sein altes Zimmer zurückzieht, doch Draco ist wie gelähmt. Die Bemerkungen seiner Mutter haben gesessen und er fragt sich, ob er allmorgendlich etwas übersieht, wenn er in den Spiegel schaut. Hat er wirklich unglückliche Augen? Können alle anderen das auch sehen?

„Das muss sie aber nicht. Ich bin… zufrieden. Ich habe ein schönes Haus, ich habe einen erträglichen Job mit Kollegen, die mir nur selten lästig werden…“

„Und das reicht dir?“

„Ja.“

„Sehr bescheiden. Da ist also niemand, mit dem du gern Zeit verbringst?“

„Doch, doch, natürlich. Mit Theo und Gregory verbringe ich selbstverständlich gern Zeit. Mit Blaise ebenfalls, wenn er im Land ist.“

„Wir hätten uns wirklich darüber gefreut, Astoria heute kennenzulernen.“

Draco zuckt mit den Schultern, als täte es ihm leid, dabei ist er sich gar nicht so sicher, ob er ein Weihnachtsfest in der Gesellschaft von Astoria und ihren kritischen Augenaufschlägen besonders festlich gefunden hätte.

 

* * *



„Guten Rutsch!“ Maude Fawley, die am Schreibtisch neben ihm arbeitet und aus zweihundert Pfund reinem Frohsinn besteht, verabschiedet sich mit dem breitesten Lächeln der Welt von ihm.

„Danke, danke, dir auch.“

Maude ist nicht mehr verheiratet, sondern lebt mit ihrer siebenjährigen Tochter, ihrer siebzigjährigen Großmutter und sieben Katzen in einer mit Magie ausgebautem Dachgeschosswohnung am West End. Auf dem Papier ist diese Existenz alles andere als ideal, aber er ertappt sich trotzdem regelmäßig dabei, wie er Maude beneidet, weil sie sich so aufrichtig über ihren Feierabend freut.

„Klopf, klopf.“ Es ist natürlich nicht Harry Potter, der mit Worten statt Händen anklopft, sondern Astoria, die zur Feier des Tages einen glitzernden Pullunder trägt und darin ein bisschen dämlicher aussieht als sie eigentlich ist. „Na, wie geht’s?“

„Großartig.“

„Ach echt, waren die Feiertage so besinnlich?“

„Ein bisschen. Ich habe erfahren, dass meine Eltern einen Mann an meiner Seite tolerieren würden.“ Das ist eigentlich keine Information, die er so unbedingt mit Astoria teilen wollte. Sie sieht auch ein bisschen verdutzt über so viel Offenheit aus, doch schließlich kann sie darüber lachen. (Und dann kann er auch endlich mal darüber lachen.)

„Meine ganz herzlichen Glückwünsche dazu.“

„Wie verbringst du den Jahreswechsel?“ Astoria hat sich auf der Kante seines Schreibtischs niedergelassen und es fühlt sich verpflichtend an, ihr wenigstens diese eine Gegenfrage zu stellen.

„Mit meiner Schwester.“

„Und Theo?“

„Theo muss arbeiten.“

„Ach.“

„Ja, er hat Weihnachten komplett freibekommen, deswegen muss er heute ran. Findet er aber ganz okay so, Weihnachten war Daphne und ihm wichtig, aber heute wäre er sowieso nicht mit von der Partie gewesen.“

„Mit von der Partie oder mit bei der Party?“

„Beides. Blaise lädt ein… aber das weißt du vermutlich.“ Nein, das weiß er nicht und er muss sich die größte Mühe geben, deswegen nicht gekränkt zu sein. Es ist noch keine Woche her, dass er behauptet hat, er würde gern Zeit mit Blaise verbringen… und offenbar beruht das nicht auf Gegenseitigkeit. „Bestimmt war es ihm unangenehm.“

„Unangenehm?“

„Na wegen Pansy.“

„Wegen Pansy? Was ist denn jetzt mit Pansy?“ Astoria macht ein betretenes Gesicht, ehe sie ihm ohne jede Vorwarnung durch die Haare streichelt. Wenn ihn der Name Pansy Parkinson nicht schon vollends aus dem Konzept gebracht hätte, wäre es spätestens jetzt soweit.

„Du musst dringend mehr unter Menschen gehen.“

 

* * *



Die Versuchung, einfach bei Blaise aufzutauchen und das Elend aus nächster Nähe zu begutachten und das Elend dadurch für alle noch elendiger zu machen, ist groß, doch nicht übermächtig. Er widersteht und begnügt sich damit, einen Blick auf das hell erleuchtete Stadthaus der Zabinis zu riskieren, ehe er die Winkelgasse ansteuert. Die magische Einkaufsstraße ist selbstverständlich überlaufen, doch damit hat er gerechnet, darauf hat er irgendwie sogar gehofft. (Denn wenn keine Tische mehr frei sind, dann kann er sich zumindest sagen, dass es nicht an ihm liegt, wenn er nirgends einkehrt.)

„Draco!“

Er kennt diese Stimme, doch er erkennt sie nicht, sodass er gar nicht weiß, wie ihm geschieht, als ihm Hermine Granger um den Hals fällt. Sie riecht nach Elfenwein, aber er ist trotzdem dankbar für Harry Potter, der auf das Offensichtliche hinweist.

„Sie ist betrunken.“

„Was du nicht sagst.“

„Betrunken und sehr dankbar für deine großzügige Unterstützung der Tombola. Sehr! Sehr! Dankbar!“ Hermine Grangers Zeigefinger tippt gegen seine Nase und das ist annähernd so absurd wie Astoria, die ihm über den Kopf streicht. „Ich kann immer noch nicht glauben, wie wenig Lose verkauft worden sind… und wie viele Socken übrig geblieben sind. Ich dachte echt, das Ministerium wäre soweit. Ich meine, du warst soweit!“

„Ich bin ja auch selten fortschrittlich, Granger.“ Vorsichtig entfernt er sich von ihr und begeht damit einen großen Fehler, denn ihr kommt eine ganz unmögliche Frage in den Sinn.

„Was machst du hier eigentlich ganz allein?"


Draco erwägt, sich mit einer Gegenfrage herauszuwinden, doch die leuchtende Fassade und sperrangelweit offenstehende Eingangstür von Weasleys Zauberhafte Zauberscherze sind Antwort genug. In dem Ladengeschäft findet ganz offensichtlich eine Silvesterparty statt.

„Ich bin wegen des Feuerwerks hier.“

„Das dauert aber noch… Harry, wie viele Stunden dauert das noch? Ich habe meine Uhr nicht dabei.“

„Vier Stunden und siebzehn Minuten.“

„Danke! Also bis zum Feuerwerk dauert es noch vier Stunden und siebzehn Minuten. Was machst du in den nächsten vier Stunden und siebzehn… sind es wirklich immer noch siebzehn, Harry?“

„Sechzehn.“

„… danke, Harry. Also was machst du in den nächsten vier Stunden und sechzehn Minuten?

„Mit dir gemeinsam die Uhr lesen, Granger?“ Oder direkt den Verstand verlieren.


Hermine, die plötzlich eine nahezu furchterregende Ähnlichkeit mit Astoria hat, schaut ihn mitleidig an, ehe sie gerufen wird. Ron Weasley – der ihm gerade noch gefehlt hat für sein ganz persönliches Gryffindor-Bingo – brüllt ihren Namen mit einem sehr fragenden Unterton und wird dafür auch noch belohnt. Insofern man es eine Belohnung nennen kann, von Hermine Granger angesprungen zu werden, doch er wirkt ganz glücklich darüber.

„Entschuldige die beiden… es ist das erste Silvester, an dem Hermine nicht mehr stillt und sie verträgt nichts mehr.“

„Und er auch nicht? Oder behandelt er sie immer wie ein ausgebüxtes Hündchen?

„Sie waren gemeinsam abstinent… und sind dementsprechend auch gemeinsam über ihrem Limit.“

„Ist ja herzerwärmend.“ So ganz nebenher verarbeitet er die Info, dass zwei Menschen, mit denen er zur Schule gegangen ist, ein Kind haben. Oder mehrere. Wieso er das nicht mitbekommen hat, kann er sich selbst nicht erklären, denn Hermine Granger sieht er regelmäßig in irgendwelchen Fahrstühlen… aber scheinbar doch nicht so regelmäßig wie er bisher dachte. „Und du bist der Babysitter, ja?“

„Im übertragenen Sinne. Hugo und Rose sind heute bei ihren Großeltern, aber ich versuche, ein Auge auf die beiden zu haben… Ron ist nämlich auch jedes Mal beunruhigend enthusiastisch, sobald von diesem Feuerwerk die Rede ist…“

„Was ist eigentlich mit dir?“

„Was soll mit mir sein?“

„Na, hast du Kinder oder so? Bist du verheiratet?“

„Ehm… nein? Woher kommt diese Frage jetzt?“

„So aus dem Bauch heraus. Ich frage sowas nämlich zu selten. Habe ich in den letzten Tagen und Minuten festgestellt.“

„Ach so.“

„Also keine Kinder?“

„Nein.“

„Und keine Hochzeit?“

„Das mag dich jetzt überraschen, aber wenn ich geheiratet hätte, dann hätte ich dir schon eine Einladung geschickt.“

„Was?! Wieso denn das?“

„Naja, wir sind ja irgendwie… also vielleicht sind wir keine richtigen Freunde, aber im weitesten Sinne sind wir Kollegen und… also wir kennen uns halt einfach zu lange.“

Zulange?“

„Kommst du jetzt mit rein oder willst du hier festfrieren?“

„Erklärst du mir dann, was es damit auf sich hat, dass wir uns zu lange kennen?“


„Wir könnten auch einfach irgendwas mit Käse Überbackenes essen und über Quidditch reden.“

„Auch gut.“