Dunkle Tage

Harry Potter - J. K. Rowling
M/M
G
Dunkle Tage
Summary
Eines Nachts klopft Albus Dumbledore an Lupins Tür, und hat jemanden im Schlepptau, mit dem dieser so gar nicht gerechnet hat...Die Figuren sind aus Rowlings Büchern geborgt und gehören mir nicht.Ihre Ansichten zu trans* Menschen teile ich nicht!
Note
"Sorrow found me when I was young.Sorrow waited. Sorrow won."(Sorrow, The National)
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Chapter 10

Severus hatte Remus‘ Wunde notdürftig geflickt und verbunden, ihn aus seiner nassen und kalten Kleidung befreit und in einen Pyjama manövriert und ihn schließlich mit mehreren Decken und bei einem warmen vor sich dahinflackernden Feuer im Kamin ins Bett gebracht. Jetzt saß er erschöpft auf dem alten Sessel und schloss die Augen.

Er widerstand der Versuchung, Remus‘ Rotweinvorrat zu plündern und hatte sich mit einer großen Tasse Tee und ein paar der letzten verbliebenen Kekse begnügt.

Auf dem Nachtisch lag sein Buch über Algen, und draußen schneite es schon wieder.

Remus bewegte sich und stöhnte leise.

„Das alles war eine ganz schlechte Idee“, seufzte er und Severus musste gegen seinen Willen lachen.

„Ja, es war ein furchtbarer Plan“, stimmte er zu.

Remus seufzte erneut, bevor er sich vorsichtig ein wenig aufsetzte. Severus reichte ihm eine Tasse mit Wasser und einen Zaubertrank, den er im Vorratsschrank gefunden hatte und wohl eigentlich als Heiltrank für nach der Verwandlung gedacht war.

„Du siehst müde aus“, sagte Remus schließlich und Severus sah ihn ungläubig an.

„Du bist derjenige, der von einem ausgewachsenen Werwolf heute Nacht gebissen wurde!“

„Oh nein, glaubst Du, ich bin jetzt auch infiziert?“, wisperte Remus mit sorgenvoll verzogenem Gesicht und Severus musste schon wieder lachen. Es hatte eine gewisse Ironie, dass Greyback von den drei Zauberern, die er heute Nacht anstecken hätte können, ausgerechnet den erwischt hatte, dem es am wenigsten ausmachte, weil er selbst längst schon ein Werwolf war.

Doch dann fiel sein Blick auf die weißen Bandagen um Remus‘ Arm und sein Blick wurde wieder ernst.

„Ich habe ihn abgewehrt, aber da hatte er Dich schon erwischt“, sagte er entschuldigend.

Remus winkte das jedoch unbekümmert ab.

„Es hätte viel schlimmer kommen können“, sagte er, und Severus atmete erleichtert aus.

Sie waren alle noch am Leben und Sirius‘ guter Name konnte heute im Ministerium wiederhergestellt werden. Bald würde er vielleicht für immer bei seinem besten Freund einziehen, und Severus wusste, dass die Chancen gut standen, dass er bald wieder im Gefängnis saß. Anders als er war Sirius tatsächlich unschuldig, und ihm wurde schwer im Magen, als er an die Potters dachte. Er wünschte, er könnte die Zeit zurückdrehen.

„Ich meinte es vorhin übrigens ernst, Du siehst grauenvoll aus“, sagte Remus und schlug die Decken beiseite.

Fragend sah Severus ihn an, doch Remus schüttelte nur den Kopf.

„Du kannst auch die Nacht mit Sirius auf dem Sofa verbringen“, sagte er.

Behutsam erhob Severus sich, und spürte, wie sich sein Körper viel zu schwer anfühlte. Als er neben Remus im Bett lag, wickelte er steif eine Decke um sich. Remus schien hingegen keine solche Bedenken zu haben, er lehnte sich an ihn und lächelte zufrieden.

„Glaubst Du, Sirius kommt heute Nacht noch zurück?“, fragte Severus.

Remus schnaufte.

„Ich bezweifle es, die Befragung wird einige Zeit in Anspruch nehmen und er wird Peter nicht aus den Augen lassen, bis er gestanden hat“, meinte er und Severus nickte.

„Hattest Du Moody von unserem Vorhaben erzählt?“, fragte er und Remus wandte sich schuldig ab.

Severus griff nach seiner gesunden Hand und strich mit dem Daumen über dessen Fingerknöchel. Das schien Remus ein wenig zu beruhigen.

„Ich wollte euch nicht verraten, aber ich wollte, dass uns zumindest jemand sucht, falls wir nach dieser Nacht im Wald verschwunden wären“, sagte er.

„Und Dumbledore war nicht da“, stellte Severus fest.

Dann lagen sie eine Weile nebeneinander und starrten die Decke über sich an. Die Heizungsrohre gurgelten und aus der Küche klang das Summen des Kühlschranks herüber. Remus hatte ein altes Muggle-Haus renoviert, und war besonders stolz auf sein verwunschenes Radio, das laut seiner Aussage endlich „vernünftige Musik“ spielte.

Severus hatte sich nicht viel aus Musik gemacht und kannte die Unterschiede zwischen den verschiedenen Bands ohnehin nicht, aber er verließ sich auf Remus‘ Urteil.

„Weißt du, ich hatte gehofft, dass wir vielleicht über etwas Anderes als Sirius sprechen könnten“, sagte Remus in die Stille hinein.

Severus kratzte sich unbehaglich am Ohr. Er wollte am liebsten über gar nichts sprechen und einfach hier neben Remus liegen, in einem weichen gemütlichen Bett und mit der Illusion, dass alles gut werden würde.

Aber Remus, dessen Gesichtsfarbe inzwischen zurückgekehrt war und der viel lebendiger als noch vor ein paar Stunden wirkte, schien sich von einem Gespräch nicht abbringen zu lassen.

„Ich weiß nicht wirklich, was es hier zu bereden gibt“, sagte Severus mürrisch.

Remus sah ihn enttäuscht an und da war plötzlich eine Traurigkeit in seinem Gesicht, die dort nicht hingehörte. Aber Severus sah nicht, wie das, was auch immer das hier zwischen ihnen war, irgendeine Zukunft haben könnte. Remus rückte ein wenig von ihm weg und die Lücke füllte sich wie ein unüberbrückbarer Abgrund an.

„Ich hatte den Eindruck, dass Du mich magst“, sagte Remus leise.

„Ich…ja, vielleicht…aber das ist jetzt alles sowieso egal“, erwiderte Severus und setzte sich vorsichtig auf.

Vielleicht wäre es für sie beide besser, wenn er die Nacht auf dem Sofa schlief. Und Sirius, der hätte dann Pech, wenn er denn überhaupt vor dem Morgengrauen zurückkehrte.

Aber Remus hielt ihn fest.

„Wieso ist jetzt alles egal?“, fragte er, und seine Augen bohrten sich in Severus‘ Gesicht, als ob sie jegliche Regung in ebendiesem viel zu genau ergründen wollten.

Dreifach verfluchter Werwolf! Remus war schon in Hogwarts viel zu aufmerksam gewesen, was die Menschen und ihre Absichten um ihn herum anging. Er war es, der damals mit James über seine Gefühle für Lily gesprochen hatte, und als Severus sie damals in der Bibliothek belauscht hatte, hatte er die Regale über ihnen einbrechen lassen. Sie wussten wahrscheinlich bis heute nicht, weshalb plötzlich sämtliche Lexika und Wörterbücher der Magie über ihnen zusammengestürzt waren.

Aber das jetzt, das war einfach nur unnötig und grausam. Als ob Remus nicht genau wüsste, warum das zwischen ihnen eine furchtbare Idee war. Doch er schaute ihn immer noch fragend an und da war keine Lüge oder Täuschung in seinem Blick.

Severus seufzte.

„Ich hätte es schön gefunden, wenn wir in einer anderen Welt sehen könnten, wo das zwischen uns hinführt. Aber jetzt und hier werde ich für immer in Azkaban enden“, sagte Severus und schloss die Augen.

Er konnte das Innere der kalten Zelle spüren, die salzige Gischt, die vom heulenden Wind hochgewirbelt wurde, den tropfenden unebenen Stein, aus dem das Gefängnis einst erbaut wurde, und das Kreischen der Seevögel, die sich wie winzige schwarze Punkte vor den grauen Wolken abhoben.

Remus fasste Severus an der Schulter und dieser blinzelte erschreckt.

„Alastor und Sirius versuchen, eine neue Verhandlung für Dich zu erwirken und Professor McGonagall sagte, dass die Chancen wohl nicht schlecht stehen, dass das Ministerium die Vorwürfe gegen Dich mit den neuen Erkenntnissen ganz fallen lässt“, sagte Remus.

Severus verzog zweifelnd das Gesicht.

„Das kannst Du alles gar nicht wissen, Du lagst blutend am Boden, als sie mit Pettigrew ins Ministerium disappariert sind“, erwiderte er und die Erinnerung an Remus‘ schmerzverzerrte Züge ließ ihn kalt erschaudern.

„Ja, aber ich habe euch ja vorher schon an Alastor verraten und wir haben verschiedene Szenarien durchgespielt“, erklärte Remus geduldig.

Severus schloss erneut die Augen.

Vielleicht war es genug, die Tatsache, dass er geholfen hatte, Pettigrew zu fassen. Und dass er alles, was er wusste, an McGonagall und Dumbledore weitergegeben hatte. Und dass er sich selbst schon lange nicht mehr als Todesser sah.

Für einen Moment fühlte er unendliche Erleichterung, dicht gefolgt von blinder Panik. Was sollte er jetzt mit seinem ganzen Leben anfangen? Was wäre, wenn es mit Remus und ihm nicht funktionierte und es alles nur eine schöne Illusion war, die im Alltag schnell zerbröckelte? Was war überhaupt noch übrig von seinem Leben, und wer wollte er eigentlich sein?

Doch dann fühlte er, wie Remus ihn sanft drückte, und er vergaß die tausend Fragen in seinem Kopf.

„Falls es klappt, falls ich nicht für immer nach Azkaban muss, würde ich es gerne versuchen“, sagte er.

Remus lächelte und sagte nichts. Stattdessen hob er die unzähligen Decken und nach einer Weile lagen sie beide aneinander gelehnt auf der weichen Matratze und hörten dem Knistern des Feuers zu. Draußen stürmte es, und ab und an sahen sie neue Schneeflocken an ihrem Fenster vorbeiwabern.

Remus bewegte sich vorsichtig und bedächtig, und Severus achtete darauf, dass dessen verletzte Schulter nirgendwo anstieß. Er ließ seine Finger durch Remus dunkle Haare gleiten und dachte darüber nach, wie weich sie sich anfühlten. Remus schloss die Augen und kurz darauf trafen sich ihre Lippen.

Remus‘ Lippen waren rau und von der Kälte aufgesprungen, und Severus wusste, dass die seinen vermutlich nicht viel besser waren. Aber es störte ihn nicht. Remus schmeckte nach Heilkräutern und heißem Tee und ein bisschen nach etwas, was Severus nicht ganz zuordnen konnte. Also küsste er ihn wieder und wieder, und bald schon lagen sie einander in den Armen.

Ein Holzscheit glühte im Kamin auf, und im Halbdunkel des Raumes wirkte alles andere außerhalb irgendwie unwirklich. Der Schnee und der Winter und der Sturm draußen hatten für einen Moment zu existieren aufgehört.

„Ich wüsste nicht, wo ich ohne Dich wäre“, wisperte Severus leise in die Laken, aus denen das gleichmäßige Schnarchen des Werwolfs ertönte. Dabei hatte er seine Hand noch immer in Remus‘ Haaren und strich ihm immer wieder über den Kopf und den Rücken. Die Narben dort fühlten sich wulstig und warm und vertraut an, und Severus fühlte, wie die Müdigkeit ihn immer schwerer werden ließ.

„Geh nicht weg“, murmelte Remus verschlafen, bevor er einen Arm über Severus fallen ließ und Severus sich nicht mehr bewegen konnte.

Aber das machte nichts, er war genau dort, wo er sein sollte, und alles fühlte sich endlich richtig an. Erschöpft schlief er ein und träumte von alten Häusern und dem Meer und einem Werwolf, der dort irgendwo auf ihn wartete. Severus sah ihn in der Ferne zwischen den Felsen stehen und lief auf ihn zu. Sein Lächeln wurde vom Wind verschluckt, und Möwen kreischten über ihnen, aber da war Remus, und alles war gut.

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