
Harry kommt verspätet und innerlich aufgewühlt in Snapes Büro und fürchtet das Schlimmste. Noch ehe sie angefangen haben, platzt Draco mit der Nachricht herein, Montague sei wieder aufgetaucht und müsse aus einer Toilette befreit werden. Snape eilt weg. Harry bleibt allein zurück und kann der Versuchung nicht widerstehen. Ohne an die Folgen zu denken, taucht Harry in das Denkarium, in dem Snape vor jeder Okklumentikstunde die Gedanken versenkt, die Harry auf keinen Fall sehen soll.
Harry erlebt eine Erinnerungsszene, in der Snape ein 15-jähriger Schüler ist: Nach einer schriftlichen ZAG-Prüfung liefern sich James Potter und Sirius einen Zaubererkampf mit Snape. Allein gegen zwei unterliegt Snape und muss sich von James demütigen lassen. Als eine Schülerin, in der Harry seine Mutter erkennt, sich für Snape einsetzt, beleidigt Snape sie als Schlammblut. Nach seiner ZAG-Prüfung in Verteidigung gegen die dunklen Künste saß Severus Snape 1976 im Schatten dieser Buche. Er wollte die Prüfungsunterlagen noch einmal durchgehen. Kurze Zeit darauf kamen die vier Freunde, James Potter, Peter Pettigrew, Remus Lupin und Sirius Black, vorbei. Als sie Severus Snape sahen, fingen James und Sirius an, Snape zu triezen. Einfach aus Jux verübten sie den Hang-über-Kopfjuxzauber, sodass Snape in der Luft mit dem Kopf nach unten hing. Dabei wurden seine angegrauten Unterhosen sichtbar, was Snape zum allgemeinen Gelächter machte.
Lily Evans kam zur Verteidigung von Severus Snape, was die Situation noch verschlimmerte: Um seine Würde wieder zu erlangen, ging Snape auf James Potter los, dabei rutschte ihm gegenüber Lily das Schimpfwort Schlammblut heraus. Lily weigerte sich in der Folgezeit, seine wiederholten Entschuldigungen anzunehmen. Das war für Severus Snape zeitlebens eine seiner schlimmsten Erinnerungen. Harry konnte kaum glauben, was er sah. Er hatte immer geglaubt, seine Eltern, Remus Lupin und Sirius Black seien gute Menschen gewesen. Harry wusste, dass Peter Pettigrew nicht mehr als ein Mitläufer gewesen war. Remus Lupin, der Vertrauensschüler, ließ James und Sirius machen. Er versagte als Vertrauensschüler, weil es nie seine Verantwortung war, wenn es um seine Freunde ging. James Potter und Sirius verhielten sich wie Dudley und seine Freunde. Lily, selbst wenn sie Vertrauensschülerin war, hätte ihre Pflicht, das Mobbing zu beenden, wahrnehmen müssen, auch wenn es schwer war. Noch einmal auf Snape nachzutreten, war nicht okay.
Harry verstand, dass Snape in seiner Wut blind um sich schlug. Dieses Verhalten war einfach nur schädlich für das Haus der Löwen. Es zeigte nicht Mut, Tapferkeit und Entschlossenheit. An diesem Punkt wird Harry von dem zurückgekehrten Snape erwischt. Snape ist außer sich vor Zorn. Harry hat keine Angst mehr vor Snape. Er sieht nur einen verletzten jungen Mann.
„Es tut mir leid, was mein Vater und seine Freunde dir angetan haben“, sagt Harry.
Snape ist überrascht und kann nicht glauben, was Potter gesagt hat. „Du bist deinem Vater ganz erstaunlich ähnlich, Potter. Auch er war über den Maßen arrogant. Ein gewisses Talent auf dem Quidditch-Feld ließ ihn glauben, er stehe über uns anderen. Er ist mit Freunden und Bewunderern herumgestolziert… ihr seid euch geradezu unheimlich ähnlich. Seine Worte sind nicht wert, da andere das nicht unterrichten werden. Jetzt hier, Potter!“
„Ich bin nicht James Potter. Ich bin Harry Potter, über den Maßen arrogant. Mein Talent auf dem Quidditch-Feld macht mich nicht zu etwas Besserem. Auch herumstolzieren tue ich nicht. Was ich in den letzten fünf Jahren gesehen habe, ist, dass Sie nicht in Ihrem Hass auf meinen Vater gefangen wären.“ Potter bewegt sich nicht.
Snape wird langsam rot vor Wut. Wie kann dieser eingebildete Junge es wagen?
„Ich habe keine Schuld daran, was mein Vater getan hat. Ich mobbe keine anderen Schüler und mache andere klein, um mich groß zu fühlen. Nicht wie Draco Malfoy und seine Freunde.“ Harry zeigt keine Angst und weicht nicht zurück.
Snape hat noch nie so viel Hass in den grünen Augen von Harry gesehen. In Lilys Augen, als er sie Stammblut nennt, hatte sie ihn auch so angesehen. Potter spricht weiter: „Ich nutze auch nicht meine Machtposition, um meine Mitschüler zu mobben. Sie sind auch nicht die Besten aus meinem Vater und seinen Freunden. Sie sind wie Dudley, die mich in einen Schrank eingesperrt haben und mich hungern ließen.“
Bei diesen Worten brennen bei Snape alle Sicherungen durch. Er ist nicht wie James Potter oder Petunia Dursley. Snape will Potter verfluchen, doch Potter wirft den Fluch mit einem Schildzauber zurück. Der Schildzauber schleudert Snape in ein Regal mit eingelegten Organen; Käfer und Tiere fallen zu Boden. Snape rollt sich weg und sieht, wie Potter zu seinem Büro stürmt. Harry rennt so schnell er kann, will nur weg. Alles, was er über seinen Vater, Sirius und Remus geglaubt hat, war eine Lüge gewesen.
Sie waren keine guten Menschen gewesen. Seit seiner Mutter kann er gar nichts schätzen. Harry weiß nicht, wohin er soll. Als ihm klar wird, dass der Astronomieturm der höchste Turm des Schlossgebäudes von Hogwarts ist, muss er die Wendeltreppe zum siebten Stockwerk des Schlosses genommen haben.
Harry sinkt auf die Hände und Knie; Tränen laufen über seine Wangen. Ihm wird langsam kalt. Harry will weg von der Schule, den schlechten Erinnerungen und von Snape. Potter zieht die Brüstung des Turms und springt. Im Fallen verwandelt er sich in eine Schneeeule mit Blitzmustern auf den Flügeln. Er war nicht lange ein Animagus; Sirius hatte ihn das gezeigt, als sie am Grimmauldplatz Nr. 12 waren. Es tat Harry weh, daran zu denken. Er flog einfach los, ohne Ziel oder Plan, wohin ihn seine Flügel tragen würden.